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Treffen von Vertretern des ZDK mit Mitgliedern der BBK in Ostberlin

[ohne Datum]
Information Nr. 117/88 über eine Zusammenkunft leitender Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) der BRD mit leitenden katholischen Klerikern aus der DDR am 18. Februar 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin

Dem MfS wurde streng intern bekannt, dass am 18. Februar 1988 eine turnusmäßige vertrauliche Zusammenkunft leitender Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) der BRD mit allen katholischen Bischöfen und Generalvikaren aus der DDR in der Residenz von Kardinal Meisner/Berlin stattfand.1

An der Zusammenkunft unter Leitung von Kardinal Meisner nahm seitens der BRD u. a. der Präsident des ZdK, Prof. Hans Maier/München, teil. (Über die namentliche Aufstellung der Teilnehmer wird in der Anlage informiert.)

Nach vorliegenden Hinweisen habe Dekan Grande/Dresden über Verlauf und Ergebnisse der 1. Vollversammlung der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« (12. bis 15. Februar 1988 in Dresden), an der er als einer der 25 Delegierten der katholischen Kirche in der DDR teilnahm, informiert.

Dekan Grande habe insbesondere folgende Fragen hervorgehoben:

Erstmalig hätten Christen aller Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR an einem gemeinsamen Projekt zusammengewirkt. Die katholische Kirche habe sich mit zahlreichen Vorschlägen zu den drei Hauptthemen an der »Ökumenischen Versammlung« beteiligt. Das wertvollste Ergebnis dieser Versammlung sehe er darin, dass alle Beratungen dieses Gremiums sehr freimütig und offen gewesen seien und über alle Fragen unbehindert Meinungen ausgetauscht werden konnten. Das »Begegnungszentrum« (Anlaufpunkt für Nichtdelegierte der 1. Vollversammlung) wäre von der Beratung völlig abgekoppelt gewesen, sodass von außerhalb der Kirche stehenden Gruppen keine Einmischungen möglich gewesen wären.

Dekan Grande habe weiter hervorgehoben, die Störungen von Gruppen und Personen nach Gottesdiensten könnten nicht mit der 1. Vollversammlung in Zusammenhang gebracht werden. Es sei festgestellt worden, dass diese Personen und Gruppen nicht den Gottesdiensten beigewohnt, sondern lediglich die Öffentlichkeitswirksamkeit der kirchlichen Veranstaltungen genutzt hätten, um auf ihre Ausreiseanträge aufmerksam zu machen.

Von den Organisatoren der 1. Vollversammlung sei – wie Grande weiter informierte – mit Interesse registriert worden, dass die staatlichen Behörden viel Geduld aufgebracht hätten, bevor polizeiliche Maßnahmen eingeleitet wurden.

Günstiger für die Situation in Dresden wäre es seiner Meinung nach gewesen, auch später nicht mit Polizeikräften gegen diese Personengruppen vorzugehen, da diese sich auch von allein aufgelöst hätten.

In Vorbereitung der 2. Vollversammlung der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« käme es auch seitens der katholischen Kirche darauf an, zentrale Orientierungen für die weiteren Beratungen zu geben, wobei zu berücksichtigen sei, dass der 1. Vollversammlung bereits eine »riesige Anzahl von Eingaben« übermittelt worden wäre. Dekan Grande verwies in diesem Zusammenhang auf bisher 10 000 Einsendungen, die hauptsächlich innenpolitische Fragen der DDR berührten, auf die die 2. Vollversammlung eine Antwort geben müsste.

Kardinal Meisner habe im weiteren Verlauf der Zusammenkunft darüber informiert, dass sich die Berliner Bischofskonferenz (BBK) in ihrer Sitzung im März 1988 mit den Ergebnissen der 1. Vollversammlung und mit den sich daraus für die katholische Kirche in der DDR ergebenden Aufgaben befassen werde.

Der Präsident des ZdK, Prof. Hans Maier/BRD, soll großes Interesse an Informationen über die 1. Vollversammlung und die Entwicklung des Konziliaren Prozesses in der DDR bekundet haben. Er hätte betont, in der BRD gingen zur Forcierung dieses Prozesses zu wenig Initiativen von der kirchlichen Basis aus; deshalb könne er aus seiner Sicht nur über geringe Aktivitäten in Vorbereitung des für April 1988 vorgesehenen Forums zum Konziliaren Prozess in der BRD berichten.

Im weiteren Verlauf der Zusammenkunft seien gegenseitig Meinungen und Vorstellungen über Aktivitäten der katholischen Kirche im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag des Gedenkens an die »Reichskristallnacht« im November 1988 ausgetauscht worden. In diesem Zusammenhang sei erwogen worden, eine gemeinsame Erklärung der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum – der Bischofskonferenzen in der BRD, der DDR und in Österreich – vorzubereiten. Entsprechende Überlegungen, auch die evangelischen Kirchen für eine solche Erklärung zu gewinnen und sie mit einzubeziehen, sollen weiter erörtert werden.

Kardinal Meisner habe die Vertreter des ZdK mit dem »Hirtenbrief der Berliner Bischofskonferenz über Wert und Würde des ungeborenes Lebens« bekannt gemacht. (Der »Hirtenbrief« – er wurde am 20./21. Februar 1988 in allen Gottesdiensten der katholischen Kirchen in der DDR verlesen – setzt sich für den Schutz des ungeborenen Lebens ein, richtet sich gegen den Schwangerschaftsabbruch, ruft u. a. Ärzte und »alle Verantwortlichen« in Staat und Gesellschaft auf, Leben zu bewahren und betont, »auch wenn die staatliche Gesetzgebung den Schwangerschaftsabbruch im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen für straffrei erklärt, so ist er damit keineswegs sittlich erlaubt«.)

Prof. Maier hob hervor, dass die Katholiken in der BRD gleiche Probleme bewegten; aber gegenwärtig würden die Fragen der »Sonntagheiligung« (Sonntags- und Feiertagsarbeit vor allem im Dienstleistungsbereich) in der katholischen Kirche mehr Raum einnehmen. Die inzwischen dazu gemeinsam von den evangelischen und katholischen Kirchen der BRD veröffentlichten Erklärungen würden z. Z. breit diskutiert und forderten zur Stellungnahme und Auseinandersetzung heraus.

An die Vertreter des ZdK gerichtete Fragen der Bischöfe aus der DDR nach den eigenmächtigen Aktivitäten von Strauß in Südafrika seien von Prof. Maier kurz dahingehend beantwortet worden, Strauß »mache immer, was er wolle«, und im Übrigen stünde er schon »unter Denkmalschutz«.

Die Information ist wegen äußerster Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage zur Information Nr. 117/88

[MfS-Zusammenstellung]

Teilnehmer der Zusammenkunft leitender Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) mit leitenden katholischen Klerikern aus der DDR am 18. Februar 1988

Teilnehmer aus der BRD und Berlin (West)

[Name]

[Ort]

[Funktion]

Prof. Hans Maier

München

Präsident des ZdK

Dr. Friedrich Kronenberg

Bonn

Generalsekretär des ZdK

Bischof Klaus Hemmerle

Aachen

Mitglied des ZdK

Prälat Paul Bocklet

Bonn

Leiter des kath. Büros Bonn, Mitglied des ZdK

Dr. Hagemann

[k. A.]

Geistlicher Rat des ZdK

Heinz-Dietrich Thiel

WB

Caritasdirektor

Teilnehmer aus der DDR

[Name]

[Ort]

Kardinal Joachim Meisner

Berlin

Bischof Joachim Reinelt

Dresden

Bischof Joachim Wanke

Erfurt

Bischof Johannes Braun

Magdeburg

Bischof Theodor Hubrich

Schwerin

Bischof Bernhard Huhn

Görlitz

Generalvikar Roland Steinke

Berlin

Generalvikar Georg Sterzinsky

Erfurt

Generalvikar Manfred Kania

Magdeburg

Generalvikar Peter Birkner

Görlitz

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    7. März 1988
    Information Nr. 119/88 über die Haltung und Aktivitäten kirchlicher Amtsträger zur Bildung einer sogenannten Selbsthilfegruppe Übersiedlungsersuchender in Brandenburg

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    5. März 1988
    Information Nr. 118/88 über die außerordentliche Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) in der DDR am 3. März 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin