Sicherung der Kommunalwahlen 7. Mai
8. Mai 1989
Information Nr. 229/89 über beachtenswerte Ergebnisse der Sicherung der Durchführung der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989
Die mit dem Ziel der vorbeugenden Verhinderung eines Wirksamwerdens feindlicher, oppositioneller u. a. negativer Kräfte, insbesondere von Kräften, die im Sinne politischer Untergrundtätigkeit wirken, Mitgliedern sogenannter kirchlicher Basisgruppen1 und Antragstellern auf ständige Ausreise,2 anlässlich der Durchführung der Kommunalwahlen am 7. Mai 19893 durch das MfS unter Führung der Partei im engen Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen, zuständigen staatlichen Organen sowie gesellschaftlichen Einrichtungen und Kräften eingeleiteten und realisierten differenzierten Aufklärungs- und Sicherungsmaßnahmen gewährleisteten am Wahltage im gesamten Territorium der DDR eine hohe staatliche Sicherheit und öffentliche Ordnung und Sicherheit.
Durch schwerpunktmäßig durchgeführte Vorbeugungs- und Kontrollmaßnahmen unter Führung der Partei, insbesondere auch durch gezielten Einsatz gesellschaftlicher Kräfte, wurden von o. g. Personenkreisen für den Wahltag angekündigte öffentlichkeitswirksame, provokatorisch-demonstrative Aktivitäten weitestgehend vorbeugend verhindert bzw. in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt.
Internen Hinweisen aus allen Bezirken der DDR zufolge wurden insbesondere Mitglieder sogenannter kirchlicher Basisgruppen und Antragsteller auf ständige Ausreise erkannt, die sich zur »Kontrolle« bzw. »Überwachung« der Wahlhandlung und Stimmenauszählung in Wahllokalen befanden. Bezogen auf die Hauptstadt wurden derartige Personen festgestellt in Berlin-Prenzlauer Berg in 64 Wahllokalen, in Berlin-Friedrichshain in 44 Wahllokalen, in Berlin-Mitte in 23 Wahllokalen.4
Die Personen machten sich in der Regel Aufzeichnungen über die durch die Wahlvorstände verkündeten Wahlergebnisse, zum Teil in vorgefertigte Formblätter. In Einzelfällen warfen sie den Wahlvorständen Wahlmanipulationen vor und verlangten, persönlich die Gegenstimmen auszählen zu dürfen. Derartige Provokationen wurden durch die Wahlvorstände zurückgewiesen, woraufhin die Personen kommentarlos die entsprechenden Wahllokale verließen.
Wie bisher streng intern bekannt wurde, sollen die Ergebnisse dieser »Kontrollen« zumindest im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Berlin-Brandenburg zentral ausgewertet werden.5
Ersten Hinweisen zufolge fand, organisiert von der sogenannten Basisgruppe »Kirche von Unten«,6 am 7. Mai 19897, ab 18.00 Uhr8 in der Berliner Elisabeth-Kirche eine sogenannte Wahlparty statt, an der zu unterschiedlichen Zeiten insgesamt ca. 270 Personen (alles Mitglieder von verschiedenen »kirchlichen Basisgruppen« aus der Hauptstadt) und neun in der DDR akkreditierte Korrespondenten aus der BRD teilnahmen (Heber,9 ARD-Hörfunk; Baum,10 Frankfurter Rundschau; Woyth,11 ARD; Kern,12 Saarbrücker Zeitung; Röder,13 epd; Kubisch,14 dpa; Menge,15 Die Zeit; Mehner,16 Spiegel-Foto; Krüger,17 NRZ). Bei diesem Treffen erfolgte eine erste »Auswertung« der Ergebnisse der Kommunalwahlen. Durch die jeweils ankommenden Personen wurden »Erlebnisberichte« gegeben und vorgefertigte Formulare mit Feststellungen zur Stimmenauszählung in einzelnen Wahllokalen übergeben, die in zentrale Übersichten übertragen wurden. Anwesende bekannte Kräfte des politischen Untergrundes versuchten, die Wahlergebnisse als manipuliert darzustellen und verfassten ein dementsprechendes Flugblatt, das auf einem in den Kirchenräumen stationierten Ormig-Vervielfältigungsgerät in ca. 500 Exemplaren vervielfältigt wurde. Das Flugblatt soll am 8. Mai 1989 möglichst vielen »Basisgruppen« zur Verfügung gestellt werden.18 Vom MfS wird gegenwärtig geprüft, mit welchen Maßnahmen gegen die Hersteller dieses Flugblattes vorgegangen werden kann. Es werden entsprechende Vorschläge unterbreitet.
Internen Erkenntnissen aus der Hauptstadt der DDR, Berlin, sowie allen Bezirken der DDR zufolge beteiligte sich eine erhebliche Anzahl der bekannten Antragsteller auf ständige Ausreise sowie der Kräfte des politischen Untergrundes nicht an den Kommunalwahlen. In Einzelfällen kam es durch diese Personen zum öffentlichen Zerreißen der Wahlscheine im Wahllokal bzw. nahmen sie die Wahlscheine ohne Wahlhandlung mit sich.19
Besonders beachtenswert ist ein Vorkommnis am 7. Mai 1989 in Leipzig.20 Auf dem Vorplatz der Nikolaikirche hatten sich gegen 17.30 Uhr ca. 40 Personen gesammelt und begonnen, in losen Gruppen auftretend, sich zusammenzuschließen. Vereinzelt kam es auch in angrenzenden Räumen zu Versuchen weiterer Personen, sich zu Gruppen zu formieren und öffentlichkeitswirksam aufzutreten.20 Dabei ist zu beachten, dass in der Zeit von 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr auf dem Markt ein Volksfest stattfand und aus diesem Anlass in diesen Gebieten eine hohe Personenkonzentration und -bewegung herrschte.
Von den beteiligten Personen wurden keine feindlichen Symbole oder Transparente mitgeführt. Ebenso erfolgten keine negativen öffentlichkeitswirksamen mündlichen Bekundungen.
Durch den vorbereiteten sofortigen Einsatz von Sicherungs- und gesellschaftlichen Kräften gelang es, die ständigen Versuche dieser Personen, sich zusammenzuschließen und in Richtung Markt zu bewegen, zu unterbinden. Zu diesem Zweck wurde zeitweilig die Grimmaische Straße gesperrt. Es wurden Aufforderungen zur Auflösung auftretender Ansammlungen erteilt.21
Insgesamt sind ca. 250 Personen festgestellt worden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und an unterschiedlichen Örtlichkeiten wirksam zu werden versuchten.
Gegen 19.30 Uhr waren alle Versuche dieser Kräfte, sich zu formieren, unterbunden. Die Organisatoren dieser Aktivitäten standen unter ständiger Kontrolle. Sie traten im Handlungsraum nicht in Erscheinung.
Wegen Nichtbefolgung von Aufforderungen zur Auflösung von Personenansammlungen wurden insgesamt 72 Personen zugeführt, darunter sechs während der Vorsicherung, 26 während der Durchführung der Hauptmaßnahmen und 40 im Zuge der endgültigen Auflösung von Ansammlungen bzw. im Ergebnis der Nachsicherung. Unter den zugeführten Personen befanden sich 15 Antragsteller auf ständige Ausreise.22 Gegen eine Person wurde ein Ermittlungsverfahren mit Haft eingeleitet; gegen 13 Personen wurden Ordnungsstrafverfahren durchgeführt; 58 Personen wurden bzw. werden nach schriftlicher Belehrung wieder entlassen.
Aufgrund der Gesamtsituation und der Maßnahmen der eingesetzten Kräfte war eine bestimmte Öffentlichkeitswirksamkeit gegeben. Während des Sicherungseinsatzes wurden keine polizeilichen Hilfsmittel angewandt. (In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ab März 1989 von der sogenannten kirchlichen Basisgruppe »Initiativgruppe Leben«23 die Organisierung einer sogenannten Wahlkontrolle sowie die Vorbereitung einer Provokation in Form der demonstrativen Bekundung der Nichtteilnahme an den Kommunalwahlen auf dem Markt in Leipzig angeregt wurde, die in der Folgezeit durch Sendungen von Radio »Glasnost«24 und anderen Feindmedien sowie die Verbreitung von Hetzblättern mit entsprechenden Aufrufen unterstützt wurden.)25
Eine durch feindliche Kräfte geplante »Schweige-/Protestveranstaltung« am 7. Mai 1989 am Völkerschlachtdenkmal konnte durch vorbeugende Maßnahmen verhindert werden.
Beachtenswert ist darüber hinaus eine durch ca. 70 Antragsteller auf ständige Ausreise am 7. Mai 1989 durchgeführte Fahrt auf einem Schiff der Berliner Weißen Flotte.26 Ein intern bekannt gewordener geplanter »Spaziergang« dieser Personen nach der Schiffsfahrt in der Straße Unter den Linden erreichte nicht die vorgesehene Teilnehmerzahl. Auftretende kleinere Gruppen (zwei bis drei Personen) standen ständig unter Kontrolle.
Zu Aktivitäten westlicher Korrespondenten wurden folgende Feststellungen getroffen:
Die akkreditierten Korrespondenten Baum (Frankfurter Rundschau), Brüssau27 (ZDF), Mehner (Spiegel) und Schwelz28 (AP) versuchten mehrmals in der Hauptstadt Wahllokale zu besuchen, für die sie keine Genehmigung besaßen.
Der ARD-Fernsehkorrespondent Börner29 versuchte – obwohl keine Genehmigung dafür vorlag –, in Leipzig einzureisen, um dort journalistisch tätig zu werden. Er wurde daran gehindert, belehrt und zur Rückfahrt nach Berlin veranlasst.
Die akkreditierte Journalistin Dr. Zimmermann30 (Frankfurter Allgemeine Zeitung) verfolgte in Neuglobsow, [Kreis] Gransee, [Bezirk] Potsdam, den Wahlablauf und die Auszählung der Stimmen.
Der Leiter der Politischen Abteilung der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Dr. Studnitz,31 fuhr mit seinem Pkw nach Klietz,32 [Kreis] Grevesmühlen, [Bezirk] Rostock, wo er ein Wahllokal aufsuchte und sich nach dem Stand der Wahlbeteiligung erkundigte.33
Der Leiter der Politischen Abteilung der Botschaft der USA in der DDR, Greenwald,34 besuchte mit einer entsprechenden Genehmigung ein Wahllokal in Berlin-Pankow, wo er sich insbesondere für die Wahlbeteiligung und die Benutzung der Wahlkabine interessierte.
Weitere journalistische Aktivitäten wurden durch Hauptmann35 (ARD-Hörfunk) und ein Aufnahmeteam des Senders Sat 1 in Dresden realisiert. Ein Versuch von Hauptmann, nach Leipzig zu fahren, wurde unterbunden.
Insgesamt waren zur Berichterstattung über den Verlauf der Kommunalwahlen 52 Korrespondenten und Techniker aus 18 Staaten und Westberlin, davon 29 aus der BRD und Westberlin, akkreditiert.
Am 7. Mai 1989 wurden darüber hinaus 11 (3)* gegen die Kommunalwahlen gerichtete Vorkommnisse bekannt, darunter
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drei Demonstrativhandlungen von Antragstellern auf ständige Ausreise (Mitführen eines Blattes mit dem Text: »Wir wollen raus« auf dem Weg zum Wahllokal in Gehofen, [Kreis] Artern, [Bezirk] Halle – Täter:36 Fahrdienstleiter, 3537; Anbringen eines Transparentes, Länge 6 m, mit dem Text: »Wir wollen raus« in der Hauptstadt der DDR, Berlin – Täter:38 Wirtschaftskaufmann, 53; Aufstellen von zwei selbstgefertigten Plakaten mit dem Text: »Wir wählen nicht, wir wollen raus«39 in Altenburg, [Bezirk] Leipzig) – Täter: Gleisbaufacharbeiter, 27, und Kochlehrling, 18);
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Vergleichswert zu den Kommunalwahlen am 6. Mai 1984. [Original-Fußnote]
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drei Vorkommnisse des Verbreitens von Hetzblättern40 (Festnahme eines Täters: Spritzer, 31, vorbestraft, in Bautzen, [Bezirk] Dresden, beim Ablegen von ca. 400 selbstgefertigten Hetzzetteln, bisher 233 Hetzzettel aufgefunden, in denen aufgefordert wird, zum gegenwärtigen Leben in der DDR »nein« zu sagen und bessere Lebensbedingungen zu fordern;
Auffinden von zwei selbstgefertigten Zetteln in Altenburg, [Bezirk] Leipzig, die ein Zitat von Rosa Luxemburg41 – Äußerungen zur Rolle allgemeiner Wahlen – enthielten;
Festnahme eines Täters: Kfz-Schlosser-Lehrling, 17, Antragsteller auf ständige Ausreise, in der Hauptstadt Berlin beim Verteilen von Hetzblättern, zwei Hetzblätter sichergestellt, mit die DDR diskriminierendem Inhalt.42
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drei Vorkommnisse des Anbringens von Hetzlosungen
(Unkenntlichmachung von zwei Wahllokalschildern mittels Farbe sowie Anbringen der Texte »DDR-KZ« in der Hauptstadt der DDR, Berlin, Längen jeweils 1,4 m;
Feststellen einer Hetzlosung in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, an einem Gebäude, in welchem zwei Wahllokale untergebracht waren, mit dem Text: »Stellt Euch vor, heute ist Wahl und keiner geht hin.«43, Länge ca. 4,7 m;
Anbringen von Losungen in Altenburg, [Bezirk] Leipzig, auf Fahrbahnen von Straßen sowie an Gebäuden, Texte u. a. »Freie Wahlen«; »Nein« und »99,9 Prozent«.
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ein anonymer Anruf mit Bombendrohung in einem Alters- und Pflegeheim in Rudolstadt, [Bezirk] Gera, in dem sich ein Wahllokal befand.
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Ablage mehrerer Broschüren des Verlages der Presseagentur »Nowosti« mit dem Titel »Gesetzeskraft statt Beamtenmacht«44 im Vorraum eines Wahllokals in der Hauptstadt der DDR, Berlin.
Besondere Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Teilnahme von Ausländern an den Kommunalwahlen gab es nicht.45
Anlage zur Information Nr. 229/89
[Gegen die Kommunalwahlen gerichtete Vorkommnisse zwischen 1.1. und 7.5.1989]
Im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Kommunalwahlen (Zeitraum vom 1. Januar bis 7. Mai 1989, 6.00 Uhr) wurden insgesamt 103 (48)* gegen die Kommunalwahlen gerichtete Vorkommnisse bekannt (davon seit 1. Mai 1989 – 20 Vorkommnisse), wobei territoriale Schwerpunkte die Hauptstadt der DDR, Berlin – 29 Vorkommnisse, die Bezirke Karl-Marx-Stadt – 16 Vorkommnisse und Dresden – 13 Vorkommnisse sowie Halle, Magdeburg und Leipzig – je sechs Vorkommnisse waren.
* Vergleichswert zu den Kommunalwahlen am 6. Mai 1984. [Original-Fußnote]
Im Einzelnen handelte es sich um
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das öffentlichkeitswirksame Verbreiten von Hetzblättern (51 Vorkommnisse) sowie Anbringen von Hetzlosungen (25 Vorkommnisse),
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das Beschädigen und Zerstören anlassbezogener Sichtelemente (15 Vorkommnisse),
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das Versenden anonymer und pseudonymer Briefe und Karten (sieben Vorkommnisse),
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das Führen anonymer und pseudonymer Telefonanrufe (fünf Vorkommnisse).
Die Vorkommnisse der schriftlichen staatsfeindlichen Hetze enthielten im Wesentlichen Angriffe gegen das Wahlsystem der DDR in seiner Gesamtheit bzw. gegen einzelne wahlrechtliche und -organisatorische Grundsätze, häufig verbunden mit Aufforderungen, die Wahlen zu boykottieren sowie Aktivitäten zu deren politischem Missbrauch zu begehen, und in mehreren Fällen verbunden mit Angriffen auf die Partei- und Staatsführung.
Bei einer Anzahl von Vorkommnissen gab es aggressiv formulierte Forderungen nach Veränderung der Innenpolitik in der DDR in Richtung Liberalisierung, Demokratie und politischen Pluralismus westlicher Prägung.
Beachtenswerte Einzelbeispiele aus jüngster Zeit sind:
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2. Mai 1989, Stadtgebiet von Leipzig: Verbreiten von insgesamt 49 Hetzblättern mit Aufforderungen, die Wahlen zu boykottieren, in der DDR eine »reformatische Umgestaltung« und »die seit 40 Jahren versprochene demokratische Grundordnung einzuführen« sowie »am 7. Mai an einer Schweige-Protestveranstaltung um 14.00 Uhr am Völkerschlachtdenkmal teilzunehmen«; unterschrieben mit »Organisation Neuer Demokraten« – zwei Täter (22 bzw. 20 Jahre, ungelernte Arbeiter, davon ein Antragsteller auf ständige Ausreise);
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27. April 1989, Stadtgebiet von Dresden bzw. 1. zum 2. Mai 1989, Stadtgebiet von Leipzig: Einwurf von 225 bzw. 200 Hetzblättern, verfasst von einer sogenannten Initiative zur demokratischen Erneuerung der Gesellschaft,46 in Hausbriefkästen, die inhaltlich gegen die Ziele der Wahlbewegung gerichtet waren, verbunden mit der Aufforderung, »am Wahltag um 18.00 Uhr auf den Markt am Alten Rathaus« zu kommen und ein weißes Blatt mitzubringen als »Zeichen der Ablehnung der bestehenden Wahlordnung und Wahlpraxis«;
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5. Mai 1989, Müncheberg, [Kreis] Strausberg, [Bezirk] Frankfurt/O.: Anbringen der Losung: »7. Mai, soll das Chaos weitergehen«, 10 m lang, auf einer Fahrbahn;
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5. Mai 1989, Berlin-Pankow: acht Losungen (Längen zwischen 1 bis 7 m) an Wänden und Mauern mit Aufforderungen, die Wahlen zu boykottieren;
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6. Mai 1989, Berlin-Mitte: Sicherstellen von sieben Hetzblättern, angebracht u. a. an Haustüren und Litfaßsäulen, Text: »Stell Dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin.« (Hetzblätter gleichen Formats, Herstellungsverfahrens und Inhalts wurden bereits am 13. März 1989 in Stendal und Magdeburg, am 15. März 1989 in Schwerin, am 28. März 1989 in Dresden und am 5. April 1989 in Leipzig zur Verbreitung gebracht.);
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6. Mai 1989, Dresden: Anbringen eines selbstgefertigten Transparentes (2 m und 1 m), am Gelände des Bahnsteiges 19 des Hauptbahnhofes mit dem Text: »Freies Denken nicht gefragt, freies Handeln zu gewagt, Deine Gegenstimme ist gefragt. Wahl 89«;
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6. Mai 1989, Rostock-Dierkow: Verbreiten von insgesamt 21 Hetzblättern in mehreren Haltestellenbereichen der Straßenbahnlinie Dierkow – Marienehe mit dem Text: »Wer freie Wahlen scheut, traut uns nicht. Wer uns nicht traut, den wählen wir nicht. Boykott. Zwischen den Wahlen schimpfen bringt nichts. Gegenstimme!«.
Die geführten Untersuchungen zum Ursachen- und Motivationskomplex der bisher ermittelten Täter (Alter zwischen 20 und 40 Jahre, Fach- bzw. ungelernte Arbeiter, ein promovierter Angehöriger der wissenschaftlich-technischen Intelligenz, darunter mehrere Antragsteller auf ständige Ausreise), gegen die Ermittlungsverfahren bzw. andere wirksame Erziehungsmaßnahmen eingeleitet bzw. durchgeführt wurden, ergaben, dass sie im Wesentlichen mit ihren Handlungen das Ziel verfolgten, anlassbezogen
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ihre negative politische Grundeinstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR zum Ausdruck zu bringen, andere Bürger mit dieser Position zu konfrontieren und damit in ihrem Wahlverhalten zu manipulieren,
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durch auf Öffentlichkeitswirksamkeit abzielende Aktivitäten Druck auf die zuständigen staatlichen Organe der DDR zwecks kurzfristiger Genehmigung der ständigen Ausreise nach der BRD auszuüben.
Unabhängig davon ist beachtenswert, dass am 2. Mai 1989 bei 22 Betrieben und Einrichtungen des Kreises Zeitz, [Bezirk] Halle, sowie fünf Betrieben und Einrichtungen der Stadt Dresden Telex-Fernschreiben aus der BRD – Text: »Wählt am 7.5.1989 Perestroika und Glasnost statt SED« eingingen. Als Absender wurde zweifelsfrei die Spezial-Elektronic KG, 3062 Bückeburg/BRD, Kreuzbreite 14, Telex-Kennzeichen: 572210 spec. el., identifiziert.