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Verhinderung der Gründung des »Demokratischen Aufbruchs«

2. Oktober 1989
Information Nr. 433/89 über die Verhinderung einer geplanten zentralen Zusammenkunft zur Konstituierung einer oppositionellen Sammlungsbewegung »Demokratischer Aufbruch«

Mit dem Ziel der vorbeugenden Verhinderung einer von feindlichen, oppositionellen Kräften am 1. Oktober 1989 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, geplanten Zusammenkunft zur Bildung einer DDR-weiten oppositionellen Sammlungsbewegung »Demokratischer Aufbruch«1 (vgl. Information des MfS Nr. 432/89 vom 29. September 1989) wurden auf der Grundlage zentraler Festlegungen Gespräche geführt durch

  • den Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Löffler,2 mit Bischof Forck,3

  • den Stellvertreter des Stadtbezirksbürgermeisters des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Friedrichshain für Inneres mit Superintendentin Laudien4 sowie

  • die Stellvertreter der Vorsitzenden für Inneres derjenigen Räte der Bezirke und Kreise, aus denen Teilnehmerhinweise für die geplante Veranstaltung vorlagen, mit zuständigen kirchenleitenden Personen.

Die Gespräche verliefen sachlich; die Mehrzahl der kirchlichen Amtsträger reagierte zu dem aufgeworfenen Problem und diesbezüglichen staatlichen Erwartungshaltungen ohne Kommentar. Bischof Forck erklärte, von einer derartigen, von Pfarrer Eppelmann5 organisierten Veranstaltung zu wissen. In einem Gespräch mit Eppelmann habe er unter Bezugnahme auf die Pfarrerdienstordnung6 festgelegt, dass eine solche Veranstaltung in der Samariterkirche nicht durchgeführt werden dürfe. Superintendentin Laudien gab vor, nichts von der geplanten Zusammenkunft zu wissen.

Den Feststellungen des MfS zufolge unternahmen jedoch bekannte Inspiratoren/Organisatoren sowie als Teilnehmer der geplanten Zusammenkunft vorgesehene Personen in der Hauptstadt Berlin und in den Bezirken der DDR weitergehende Aktivitäten, die ein Festhalten an ihrer beabsichtigten Zielstellung erkennen ließen. Dementsprechend wurden die weiter festgelegten differenzierten polizeilichen Maßnahmen zur Kontrolle und Zurückweisung von Personen sowie zur Kontrolle und Blockierung ausgewählter kirchlicher Objekte in der Hauptstadt Berlin durchgeführt.

Im Ergebnis dessen ist es den genannten feindlichen, oppositionellen Kräften nicht gelungen, eine zentrale Zusammenkunft zur Konstituierung des »Demokratischen Aufbruchs« durchzuführen.7

Den sich am 1. Oktober 1989 ab 14.00 Uhr vor der Samariterkirche in Berlin-Friedrichshain einfindenden Personen – insgesamt wurden ca. 50 Personen festgestellt – wurde durch Einsatzkräfte der DVP mit dem Hinweis darauf, dass die vorgesehene Zusammenkunft nicht genehmigt und demzufolge staatlicherseits untersagt ist, der Zutritt zur Kirche verwehrt.

Entsprechend den von den Organisatoren vorbereiteten Ausweichvarianten begab sich danach ein Teil der Versammelten zu der in einem kirchlichen Gebäude in der Wilhelm-Pieck-Straße befindlichen Wohnung des Pfarrers Neubert8 (Studienreferent des Bundes Evangelischer Kirchen – BEK – in der DDR) und ein weiterer Teil in das Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Alt-Pankow, um dort im kleinen Kreis entsprechend ihren politischen Vorhaben tätig zu werden. Bei diesen Personen handelt es sich nach bisherigen Feststellungen fast ausschließlich um bekannte reaktionäre kirchliche Amtsträger und andere feindliche, oppositionelle Kräfte wie die Pfarrer Eppelmann, Schorlemmer,9 Meckel,10 Albani,11 Pahnke,12 Propst Falcke,13 Pastorin Misselwitz,14 Vikar Schatta,15 den kirchlichen Mitarbeiter Lietz,16 den Synodalen Fischbeck17 und den Herausgeber des bekannten nicht genehmigten Druckerzeugnisses »Pechblende«, Beleites.18

Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen wurden im Rahmen dieser Zusammenkünfte Entwurfspapiere für die politische Konzeption (»Programmatische Erklärung«) sowie die Struktur und die Organisierung (Statut/Satzung) der oppositionellen Sammlungsbewegung »Demokratischer Aufbruch« beraten und präzisiert (vgl. Anlage).

Zur Klärung des Charakters der Zusammenkunft im Gemeindehaus der Kirchengemeinde Alt-Pankow begab sich der Stellvertreter des Stadtbezirksbürgermeisters des Stadtbezirkes Berlin-Pankow für Inneres zu den dort Versammelten, unter denen sich Bischof Forck befand. In Leugnung des tatsächlichen Anlasses und Inhaltes der Zusammenkunft erklärte dieser, dass man im Rahmen einer ökumenischen Begegnung über aktuelle Fragen von Frieden und Gerechtigkeit rede.

Er verweigerte die Einsicht in Diskussionspapiere (es handelte sich nachweislich um Papiere gleichen bzw. analogen Inhalts und Charakters wie den in der Anlage beigefügten) und kam der Aufforderung, die nicht religiösen Charakter tragende Zusammenkunft zu beenden, nicht nach.

Nach Beendigung der Zusammenkünfte im kleineren Kreis trafen sich Eppelmann und die Pfarrer Neubert und Pahnke in der Zeit von 23.00 bis ca. 24.00 Uhr mit in der DDR akkreditierten Korrespondenten westlicher bürgerlicher Medien, darunter Heber19 (ARD-Hörfunk), Schwarz20 (»Der Spiegel«) und Kern21 (»Saarbrücker Zeitung«). Sie informierten über die Ergebnisse der Beratungen, die staatlichen Maßnahmen zur Unterbindung einer zentralen Zusammenkunft und das weitere Vorgehen. So wolle man eine geplante »Zukunftswerkstatt« am 6. Oktober 1989 in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg und eine selbst zu organisierende Zusammenkunft am 29. Oktober 1989 zur weiteren »Herausbildung« der Initiative »Demokratischer Aufbruch« nutzen. Durch Neubert ist vorgesehen, unter Nutzung der technischen Möglichkeiten des BEK die Beratungsmaterialien zu vervielfältigen, um sie danach »Interessenten« zugänglich zu machen.

Durch das MfS wird an der weiteren Aufklärung und Aufdeckung von Plänen zur Bildung einer oppositionellen Sammlungsbewegung »Demokratischer Aufbruch« gearbeitet.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage 1 zur Information Nr. 433/89

[Kopie eines Flugblatts des »Demokratischen Aufbruchs«]

Demokratischer Aufbruch – ökologisch, sozial

Wir haben uns entschieden, in diesen Tagen gemeinsam aufzubrechen zu einer umgestalteten Gesellschaft.

Es geht uns darum, dass Menschen das Leben in diesem Land wieder bejahen können. Wir laden Euch ein, gemeinsam mit uns zu gehen! Wir grenzen uns von keinem Menschen, keiner Gruppierung, keiner Vereinigung ab, die ihrerseits unterwegs sind zu einer demokratischen Umgestaltung des Lebens in diesem Land. Wir bejahen die Vielfalt der Bemühungen, aber gehen eigene Schritte in demokratischer Verbindlichkeit.

In einem Programmentwurf geben wir Rechenschaft über die Richtung unserer Gedanken. Er wird Interessierten zugänglich gemacht.

Wir brechen auf zu einer offenen, mündigen, demokratischen Gesellschaft! Sie soll für die Menschen durchschaubar sein, durch die Menschen kontrollierbar und veränderbar. Das betrifft alle Bereiche des Staates und der Gesellschaft: Justiz, Bildungswesen, Presse, Rundfunk, Fernsehen, Wirtschaft, Kommunalwesen, alle Bereiche der Kultur und der Innenpolitik. Deshalb streben wir konsequent die Trennung von Staat und Parteien an – damit alle Menschen sich für die Gestaltung des Lebens verantwortlich fühlen können.

Wir brechen auf zu einer ehrlichen Offenlegung aller Umweltprobleme! Die Menschen unseres Landes müssen endlich die Wahrheit erfahren über die Verschmutzung und Belastung des Wassers, über die gesundheitsschädigende Belastung der Luft, über das Ausmaß der Schädigung des Waldes, über die belastendenden Situationen in sehr vielen Städten. Die Menschen unseres Landes haben ein Recht, in aller Klarheit zu erfahren, welche Probleme auf sie zukommen und schon bestehen – um Verantwortung für die Umwelt übernehmen zu können, um die Natur als Grundlage des Lebens und dieses Land wieder lieben zu können.22

Wir brechen auf zu einer neuen sozialen Solidarität in der Gesellschaft! Zu einer ehrlichen, sozialen Politik, die die erklärten Prinzipien sozialer Gerechtigkeit unserer Gesellschaft bejaht, aber gerade deshalb die entstandenen Ungleichheiten, Privilegien, Sozialkonflikte und Härten mit aller Deutlichkeit bewusst macht, um gerechtere Zustände herbeizuführen.

Wir nennen die Benachteiligung der Menschen in den Sozialberufen, die zynische Behandlung der Rentner und alten Menschen, die Verdrängung von Randgruppen aus dem Blickfeld der Gesellschaft und vielfältige Formen von Benachteiligung.

Wir brechen als mündige Menschen auf zur Umgestaltung dieser Gesellschaft. Das, was bis jetzt praktiziert wurde, reicht nicht mehr aus! Das bisherige Konzept wird den Problemen und den Menschen nicht mehr gerecht, sodass sich gerade junge Menschen enttäuscht und verbittert von diesem Land abwenden und es verlassen. Die bisherigen Worte, Programme und Phrasen sind ausgehöhlt und verbraucht!

Wir fordern Euch auf: Lasst uns gemeinsame Schritte zu einer menschenwürdigen bejahenswerten Umgestaltung der Gesellschaft gehen: demokratisch, ökologisch, sozial, antifaschistisch, gewaltlos.

1. Oktober 1989/Berlin | Demokratischer Aufbruch (DA)

Ansprechpartner für die Zusammenarbeit und die Bildung von Gruppen im Rahmen dieses Aufbruchs sind die Unterzeichnenden dieses Aufrufes.

Anlage 2 zur Information Nr. 433/89

[Kopie des Entwurfs einer programmatischen Erklärung des »Demokratischen Aufbruchs«]

Demokratischer Aufbruch – sozial, ökologisch

Programmatische Erklärung (Entwurf)

Die Gesellschaft der DDR befindet sich in einer sozialen und politischen Krise. Das Ansehen unseres Landes hat erheblich gelitten. Die Glaubwürdigkeit des Sozialismus im Inneren ist erschüttert.

Die Symptome dieser Entwicklung lassen sich nicht mehr verdrängen.

Der Bürger wird entmündigt. Seine Willensbildung und Kritikfähigkeit wird nicht respektiert. Die Regierung misstraut ihrer Bevölkerung und versucht sie von der Meinungsbildung auszuschließen (»Sputnik«-Verbot23). Die veröffentlichte Meinung steht im sichtbaren Widerspruch zur erlebten Wirklichkeit.

Die »Einheit von Partei, Staat und Volk« konnte in ihrem Absolutheitsanspruch nur noch durch eine Verfälschung des Wahlergebnisses vom 7. Mai 1989 aufrechterhalten werden.24

In dieser Situation verlassen DDR-Bürger massenweise ihr Land. Jedoch gibt es bisher kein Zeichen für eine Verständigung der SED-Führung mit der Bevölkerung.

So wird die Dringlichkeit zu Reform und Erneuerung des sozialistischen Systems in der DDR unausweichlich. Nur eine schnelle demokratische Reform kann die inneren und außenpolitischen Probleme lösen. Dazu muss die Reform »von oben« mit einer »Reform von unten« verbunden werden.

Eine erneuerte demokratische Republik erfordert:

1. Die Trennung von Staat und Partei(en)

Der Staat stützt sich auf im öffentlichen Dialog ermittelte Werte und gründet sich nicht auf ein Wahrheitsmonopol einer Gruppe oder Partei. Staatliche Organisationen, Institutionen, das Bildungswesen, Verwaltungseinheiten, Staatsorgane und Körperschaften des öffentlichen Rechts unterliegen der öffentlichen Kontrolle und sind keiner Ideologie gegenüber verpflichtet.

2. Die Entwicklung einer freien Öffentlichkeit und der ungehinderte Zugang zur Öffentlichkeit

Die Öffentlichkeit ist ein soziales und moralisches Instrument der gesellschaftlichen Selbstkontrolle und Selbstbewertung. Ihre Einrichtungen arbeiten nach demokratischen Verfassungsgrundsätzen.

3. Die freie Willensbildung und der öffentliche Ausdruck des Willens mit politischen Mitteln

Vorhandene oder neu gegründete Parteien entwickeln eigene Programmprofile, damit die Wahl der Bürger zwischen konkreten, nicht nur personellen, sondern konzeptionellen Alternativen möglich ist. Gesellschaftliche Organisationen und Massenorganisationen verfolgen ihre Ziele. Sie können ihre Mitglieder nicht mit staatlichen Mitteln an Ideologien binden oder zu Handlungen nötigen.

4. Die Trennung von Staat und Gesellschaft und die gesellschaftliche Kontrolle des Staates

Die ausführenden Organe und die sie kontrollierenden gesetzgebenden Organe sind getrennt.

Die unabhängige Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit schützen die Grundrechte der Bürger gegenüber der Staatsmacht. Alle individuellen Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten kommen zum Zuge (Vgl. Vereinbarungen der KSZE25).

Das Recht auf Freizügigkeit, der ungehinderten Ein-und Ausreise ist garantiert.

5. Die Vergesellschaftung des Eigentums an Produktionsmitteln

Die Fiktion des Volkseigentums, durch die die reale Verfügungsmacht weniger über die Produktionsmittel verschleiert und der verantwortungslose Umgang vieler mit den Produktionsmitteln befördert wird, ist aufgegeben. Um den sozialen Effekt der Interessiertheit vieler Produzenten zu erreichen, gibt es entsprechend der Pluralisierung der Eigentumsformen differenzierte Modelle für Mitbestimmung und Selbstverwaltung der Wirtschaftseinheiten.

6. Das Zusammenspiel von Plan und Markt

Die Planung der Wirtschaft sichert die ökonomische Rationalität, steckt einen allgemeinen Rahmen für wirtschaftliches Handeln ab und sorgt für den Abbau künstlicher Hindernisse. Insbesondere sind Produkt- und Verfahrensinnovation in einem freien gesellschaftlichen Klima durch Abbau von leistungshemmenden Faktoren befördert.

7. Die Gesellschaft als Solidargemeinschaft

Die unverbrüchliche Solidargemeinschaft der Gesellschaft äußert sich in der gleichberechtigten öffentlichen Anmeldung und Wahrnehmung von Bedürfnissen durch freie Interessenvertretungen. Die »Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik« beruht auf der sozialen Selbstorganisation der Gesellschaft. Damit sind einerseits Leistung und andererseits Bedürfnisse Gegenstand gesamtgesellschaftlicher Auseinandersetzung und Vereinbarung.

8. Den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft

Ökologische Faktoren gehen zunehmend in die Kostenrechnungen der produzierenden Einheiten ein. Durch ökonomische Strukturveränderungen ergeben sich günstige Ökologische Effekte. Die Dringlichkeit der ökologischen Umgestaltung löst zahlreiche individuelle und kollektive Initiativen aus. Der Prozess wird durch demokratische Kontrolle begleitet, die immer neu die tragbaren Risiken aushandelt.

Entsprechend dieser Zielsetzung und in Übereinstimmung von demokratischen Inhalten und Forderungen gibt sich der DA eine Struktur.

Als vordringlich werden weiterhin erachtet:

  • 1.

    Die sofortige Bildung von Vertretungen des DA.

  • 2.

    Konkrete Benennung von Kontaktstellen.

  • 3.

    Konstituierung von Facharbeitskreisen (Programmausschuss, Verfassungsausschuss, Verwaltungsreform, Recht auf Freizügigkeit und ökonomische Faktoren, Gebiets-, Stadt- und Wohnungsbauplanung, Strafjustiz, Gesundheitswesen, Energiepolitik, Abrüstung, Beziehungen DDR – Bundesrepublik Deutschland, Außenpolitik und Europafragen, Wirtschaft, Gewerkschaft, Ökologie).

  • 4.

    Beantragung der Legalisierung.

Anlage 3 zur Information Nr. 433/89

[Kopie des Entwurfs eines Statut des »Demokratischen Aufbruchs«]

Demokratischer Aufbruch – sozial, ökologisch

Statut (Entwurf)

Der »Demokratische Aufbruch – sozial, ökologisch« vereint Menschen sozialistischer, sozialistisch-christlicher, sozialdemokratischer, liberaler und ökologischer Prägung, die an einer demokratischen Neuorientierung in der DDR mitarbeiten möchten und für eine Reform des sozialen und politischen Systems eintreten.

Der DA übt mit anderen Reformkräften, unabhängig von ihrem weltanschaulichen und religiösen Herkommen und unabhängig von ihrer politischen Grundhaltung, Solidarität, wenn Übereinstimmung in den demokratischen, sozialen, ökologischen und gewaltfreien Grundzügen besteht.

Die Vielfalt der Reformbewegung entspricht der Programmatik des DA und wird als wichtiger Teil einer beginnenden Demokratisierung bewertet. Der innerhalb des DA angestrebte hohe Verbindlichkeitsgrad, der Ausdruck in seinen inneren demokratischen Organisationsformen findet, steht einer Fraktionsbildung nicht im Wege.

Die kritische Haltung des DA zu vielen Erscheinungen des gegenwärtig real-existierenden Sozialismus bedeutet keine Absage an die Vision einer sozialistischen Gesellschaftsordnung.

Die wirklichen und gelungenen sozialistischen Lösungen in der DDR müssen daher diskutiert, bewahrt und weiterentwickelt werden. Eine kleinliche und rechthaberische Kritik soll zugunsten der aktiven politischen Gestaltung unterbleiben.

Der DA übernimmt zusammen mit anderen Reformkräften in der DDR die legitime Rolle der demokratischen Opposition. Das politische Ziel ist eine demokratische, soziale und ökologische Gesellschaft in der Fortführung der sozialistischen Tradition. Das politische Erbe der Arbeiterbewegung muss auch unter veränderten Bedingungen lebendig erhalten bleiben.

Die politischen Forderungen und Handlungsziele des DA sind eingebettet in die große Hoffnung auf Errichtung des gemeinsamen Europäischen Hauses, einer europäischen Friedensordnung und einer gerechteren Welt. Der DA geht von den spezifischen historischen Bedingungen aus, die für die DDR Bedeutung haben. Die Unverletzlichkeit der Grenzen in Mitteleuropa, die Bindung der DDR an den Warschauer Vertrag26 und zahlreiche andere internationale Verpflichtungen des Landes gehört dazu. Der DA sieht in der Abrüstungspolitik, in der Dialogpolitik, im KSZE-Prozess und in den Reformbewegungen sozialistischer Länder politische Instrumente, die der DDR in der Völkergemeinschaft einen geachteten Platz sichern können und auch die politische Kultur und die politische Praxis innerhalb unserer Grenzen maßgebend bestimmen.

Das besondere Verhältnis der DDR zu ihren östlichen Nachbarn, geprägt durch die Kriegs- und Nachkriegsgeschichte, bedeutet für den DA die Verpflichtung zum Antifaschismus und zum Antimilitarismus. Im Rahmen des Reformprozesses in Osteuropa ist zudem die Aufgabe des Antistalinismus besonders deutlich geworden. Der DA möchte durch seine Aktivitäten dazu beitragen, dass sich die Beziehungen zu den östlichen Nachbarn nicht nur auf der Regierungs- und Oppositionsebene abspielen, sondern zu einem vielfältigen Austausch der Völker führen.

Das besondere Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland, begründet in der Einheit deutscher Geschichte und Kultur, wird durch den DA hoch bewertet. Auch stellt der DA die freundschaftliche und familiäre Bindung von Millionen von Bürgern über die Grenzen hinweg in Rechnung. Dennoch geht der DA von der deutschen Zweistaatlichkeit aus. Die langfristige politische Lösung der damit zusammenhängenden Fragen kann nur im Rahmen einer europäischen Friedensordnung erfolgen.

Die Ziele und Inhalte der Reformbewegung, die in der programmatischen Erklärung des DA genannt sind, bedürfen der eingehenden öffentlichen Diskussion. In der politischen Praxis wird um die besten Lösungen gerungen werden müssen. Dabei soll der politisch Andersdenkende geachtet und toleriert werden.

Der DA geht davon aus, dass in einer reformierten sozialistischen Gesellschaftsordnung die Interessen und Ansätze politischen Handelns der Menschen durch Vertretung in Parteien verwirklicht wird [sic!]. Um dieser zukünftigen Willensbildung Rechnung zu tragen, lässt der DA innerhalb seiner Organisation die Bildung unterschiedlicher politischer Profile in Form von Parteifraktionen zu.

Der DA versteht sich nicht als Selbstzweck. Im Laufe einer demokratischen Entwicklung der Gesellschaft kann er sich ganz oder teilweise in eine oder verschiedene Parteien einbringen oder sich auflösen.

Fortsetzung – Formalien

Entwurf

Satzung für eine zu gründende politische Vereinigung

Auf der Grundlage der rechtlichen Bestimmungen der Artikel 29 und 86 der Verfassung der DDR27 sowie § 1 der VO über die Gründung und Tätigkeit von Vereinigungen28 wird eine politische Vereinigung zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung der Bürger zur politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gestaltung der Gesellschaft in der DDR gegründet:

§ 1 – Name und Sitz

Die Vereinigung führt den Namen … und hat ihren Sitz in …

Die Tätigkeit der Vereinigung erstreckt sich auf das Gebiet der DDR. Zur Gewährleistung einer arbeitsfähigen Struktur können Orts,- Kreis- bzw. Bezirksgruppen gebildet werden.

§ 2 – Aufgaben und Ziele

Die Vereinigung verfolgt die Aufgabe und Förderung der Bürger an der politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gestaltung in der DDR.

Die Arbeitsgrundlage für die Vereinigung bildet die programmatische Erklärung vom … und ist für jedes Mitglied verbindlich.

Die Vereinigung wird sich an der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen beteiligen.

Die Organe und Funktionsträger der Vereinigung werden auf der Grundlage demokratischer Mitbestimmungen gewählt bzw. abgewählt.

§ 3 – Organe

Organe der Vereinigung sind:

  • a)

    Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung

  • b)

    Hauptausschuss

  • c)

    Vorstand

§ 4 – Vorstand

  • 1.

    Der Vorstand besteht aus dem 1. Vorsitzenden, zwei Stellvertretern, dem Schatzmeister, dem Geschäftsführer und bis zu vier weiteren Mitgliedern.

  • 2.

    Die Vertretung im Rechtsverkehr erfolgt durch den 1. Vorsitzenden und einen zu bestimmenden Stellvertreter. Für den Fall der Verhinderung vertreten der Schatzmeister und der Geschäftsführer.

  • 3.

    Aufgaben des Vorstandes sind:

    • a)

      Leitung, Verwaltung und Organisation der Vereinigung

    • b)

      Ausführung von Beschlüssen der Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung und des Hauptausschusses

    • c)

      Einberufung der Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung und des Hauptausschusses bzw. der Hauptausschussversammlung

    • d)

      Entscheidung über Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern

  • 4.

    Die Beschlüsse des Vorstandes werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit muss erneut abgestimmt werden. Im Falle der erneuten Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des 1. Vorsitzenden.

  • 5.

    Der Vorstand wird in der jährlich stattfindenden Hauptausschusssitzung auf die Dauer von … Jahren gewählt. Das Wahlverfahren wird in einer Wahl- und Geschäftsordnung festgelegt.

  • 6.

    Der Vorstand kann finanzielle und vermögensrechtliche Verpflichtungen für die Vereinigung nur mit Beschränkung auf das Vermögen der Vereinigung eingehen. Seine Vollmacht ist insoweit ausdrücklich begrenzt.

§ 5 – Mitgliedschaft

  • 1.

    Mitglied der Vereinigung kann jede Person werden, die das … Lebensjahr vollendet hat. Jugendliche, die noch nicht volljährig sind, müssen eine Zustimmung der Erziehungsberechtigten vorlegen.

  • 2.

    Das aufgenommene Mitglied ist verpflichtet, die Grundsätze und Beschlüsse der Vereinigung sowie deren Satzung anzuerkennen und zu fördern.

  • 3.

    Das Mitglied hat entsprechend einer von der Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung genehmigten Finanz- und Beitragsordnung den festgesetzten Beitrag zu entrichten.

  • 4.

    Die Mitgliedschaft endet durch Tod, Austritt, Ausschluss oder Erlöschen der Rechtsfähigkeit der Vereinigung.

    Bei Ausscheiden eines Mitgliedes entstehen keine vermögensrechtlichen Ansprüche an die Vereinigung.

    Die Austrittserklärung muss dem Vorstand schriftlich zugestellt werden und wird mit dem Tag des Zugangs rechtskräftig. Vermögensrechtliche Ansprüche der Vereinigung gegenüber dem ausgetretenen Mitglied bleiben davon unberührt.

    Der Ausschluss eines Mitgliedes darf nur erfolgen, wenn es schwerwiegend gegen die Grundsätze und Beschlüsse der Vereinigung sowie deren Satzung verstoßen hat. Der Vorstand darf das Mitglied nach erfolgter Anhörung ausschließen.

    Das ausgeschlossene Mitglied kann innerhalb eines Monats nach dem Vorstandsbeschluss über den Ausschluss Einspruch beim Hauptausschuss einlegen. Der Hauptausschuss entscheidet innerhalb von … Monaten endgültig.

§ 6 – Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung

  • 1.

    Eine ordentliche Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung wird vom Vorstand mindestens zweimal jährlich einberufen. Die Einberufung hat mindestens einen Monat vorher, unter Mitteilung der Tagesordnung, schriftlich durch den Vorstand zu erfolgen.

    Die Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung ist ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienen[en] beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen wurde.

  • 2.

    Außerordentliche Delegiertenvollversammlungen/Mitgliederversammlungen können vom Hauptausschuss einberufen werden, wenn mindestens ein Drittel aller Mitglieder der Vereinigung unter Angabe der Gründe dieses verlangt oder der Vorstand zur Sicherung der Rechte der Vereinigung den Antrag stellt.

    Der Hauptausschuss hat innerhalb von … Wochen die außerordentliche Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung, unter Angabe der Gründe, einzuberufen.

  • 3.

    Aufgaben der Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung:

    • a)

      Verabschiedung der politischen Grundsätze und Aufgaben der Vereinigung sowie Vereinbarungen über die Zusammenarbeit mit anderen politischen Parteien und Vereinigungen zu treffen

    • b)

      Annahme, Ergänzung, Änderung bzw. Aufhebung der Satzung, der Wahl- und Geschäftsordnung, der Finanz-, Vermögens- und Beitragsrichtlinie

    • c)

      Annahme zur Teilnahme an der Wahl, Bestätigung des Wahlprogramms und der Kandidaten

    • d)

      Wahl des Hauptausschusses

    • e)

      Entgegennahme der Jahresarbeitsberichte des Vorstandes und des Hauptausschusses

    • f)

      Entgegennahme des Finanz-, Vermögens- und Beitragsberichtes

    • Die Berichte bedürfen der Bestätigung der Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung

    • g)

      Beschlussfassung über die Auflösung der Vereinigung

    • h)

      Aufhebung von Beschlüssen des Hauptausschusses und des Vorstandes

§ 7 – Hauptausschuss

  • 1.

    Der Hauptausschuss wird auf der jährlichen Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung, bestehend aus Mitgliedern, für die Dauer von drei Jahren gewählt.

  • 2.

    Aufgaben des Hauptausschusses

    • a)

      Erarbeitung der politischen Leitlinie der Vereinigung

    • b)

      Erarbeitung der Wahlprogramme und Aufstellung der Kandidaten

    • c)

      Wahl des Vorstandes

    • d)

      Vorbereitungen und Erarbeitungen von Leitlinien für die Zusammenarbeit mit anderen demokratischen Bewegungen und Parteien

    • e)

      Wahrnehmung der politischen Aufgaben zwischen den stattfindenden Delegiertenvollversammlungen/ Mitgliederversammlungen

  • 3.

    Der Hauptausschuss wird durch den Vorstand mindestens viermal jährlich mit einer vorher bekannt gegebenen Tagesordnung einberufen.

§ 8 – Finanzen und Vermögen

  • 1.

    Die Vereinigung finanziert sich aus den zu entrichtenden Beiträgen der Mitglieder, aus Sach- und Geldspenden sowie aus dem gebildeten Vermögen.

  • 2.

    Das Vermögen der Vereinigung ist gemäß § 42 ZGB Gesamteigentum.29

  • 3.

    Für die Unterstützung von hilfsbedürftigen Personen wird ein Sonderfonds eingerichtet.

  • 4.

    Für den Fall der Auflösung der Vereinigung wird das vorhandene Vermögen dem Rechtsnachfolger bzw. der Einrichtung übertragen, die auf der Grundlage der Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung festgelegt wurde.

  • 5.

    Entstehende Wirtschaftseinheiten arbeiten auf der Grundlage der Gewinn- und Verlustrechnung.

  • 6.

    Zur Kontrolle der Einhaltung der Finanz- und Vermögensbildung beruft der Hauptausschuss zwei Rechnungsprüfer.

§ 9 – Protokollierung

Über den Verlauf der Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung, der jeweiligen Vorstands- und Hauptausschusssitzung ist ein Protokoll anzufertigen. Das angefertigte Protokoll ist vom Geschäftsführer und dem jeweiligen Leiter der Versammlung zu unterzeichnen und bei der nächsten Sitzung zur Einsichtnahme auszulegen. Abänderungen bzw. Ergänzungen müssen in der folgenden Sitzung vorgetragen und beschlossen werden.

§ 10 – Zeitweilige Arbeitsgruppen

Zur Förderung der politischen Arbeit der Vereinigung können zeitweilige Arbeitsgruppen eingesetzt werden. Die Anzahl der Mitglieder und Zeitdauer legt der Hauptausschuss fest.

§ 11 – Auflösung der Vereinigung

Die Auflösung der Vereinigung ist durch Beschluss der Mitgliederversammlung mit Eindrittelmehrheit der stimmberechtigten Mitglieder herbeizuführen.

Vorstehende Satzung wurde am … in … von der Gründungsversammlung beschlossen.

Als Gründungsmitglieder zeichnen: …

Beschluss vom 1. Oktober 1989

Stimmberechtigte Teilnehmer der Versammlung, in deren Ergebnis der Aufruf zur Gründung einer demokratischen Vereinigung folgte, haben beschlossen:

1. Die stimmberechtigten Teilnehmer gaben ihre Zustimmung zur vorgelegten programmatischen Erklärung vom …

In Wahrnehmung der Grundrechte aus Artikel 27 und 29 der Verfassung der DDR30 soll jeder Bürger, der der programmatischen Erklärung zustimmt, durch sachliche und konstruktive Meinungsäußerung an der Mitgestaltung der Gesellschaft der DDR mitwirken und sich frei entscheiden können, Mitglied einer Vereinigung zu werden, die ihre Aufgabe vorrangig darin sieht, die Mitwirkung der Bürger an der politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gestaltung der Gesellschaft in der DDR zu fördern.

2. Für die Dauer der Vorbereitungen bis zur endgültigen Gründung der Vereinigung wurde durch die stimmberechtigten Teilnehmer ein vorläufiger Vorstand, bestehend aus fünf Mitgliedern gestellt: 1. Vorsitzender, Stellvertreter, Stellvertreter, Mitglied, Mitglied.

Die Arbeitsaufgaben des Vorstandes ergeben sich aus § 4 des Entwurfes einer Satzung für die zu gründende Vereinigung.

3. Der Vorstand wird jeweils durch zwei Mitglieder im Rechtsverkehr vertreten.

Der 1. Vorsitzende bzw. ein jeweils bestimmtes Mitglied des Vorstandes ist nur befugt Erklärungen für den Vorstand in der Öffentlichkeit abzugeben.

4. Der Vorstand wurde bis zum Zusammentritt einer Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung beauftragt, die Erarbeitung einer Wahl- und Geschäftsordnung und einer Finanz-, Vermögens- und Beitragsrichtlinie vorzuzeichnen.

Der Vorstand nimmt alle Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zur programmatischen Erklärung und dem Entwurf der Satzung entgegen und gibt diese auf der nächsten Versammlung bekannt.

  1. Zum nächsten Dokument Reaktion auf die Ablehnung des »Neuen Forums«

    2. Oktober 1989
    Information Nr. 434/89 über weitere beachtenswerte Reaktionen von Antragstellern auf die Ablehnung der Anmeldung der Vereinigung »Neues Forum« und über die Fortsetzung von Aktivitäten zur Formierung dieser oppositionellen Sammlungsbewegung

  2. Zum vorherigen Dokument Geplante Konstituierung des »Demokratischen Aufbruchs«

    29. September 1989
    Information Nr. 432/89 über eine geplante Zusammenkunft zur Konstituierung einer oppositionellen Sammlungsbewegung »Demokratischer Aufbruch«