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Analyse vom 1. bis 15. Februar 1954

22. Februar 1954]
Analyse vom 1. bis 15. Februar 1954 [Nr. 3/54]

Industrie und Verkehrsbetriebe

Stimmung zur Berliner Konferenz1

Während zu Beginn der Konferenz teilweise eine gewisse Enttäuschung zum Ausdruck gebracht wurde, was besonders in der Verkennung des Vorschlages, Teilnahme Chinas an einer Fünfmächtekonferenz, zum Ausdruck kam,2 zeigte sich mit Behandlung der Deutschlandfrage ein stärkeres Interesse. Immer wieder wurde die Hoffnung auf Abschluss eines Friedensvertrages und Herstellung der Einheit Deutschlands geäußert. Ein Hilfsarbeiter (parteilos) vom Karl-Marx-Werk II Magdeburg: »Ich setze die größte Hoffnung in die sowjetische Delegation und hoffe, dass sie uns nicht im Stich lassen wird, damit wir endlich die Einheit unseres Vaterlandes und einen Friedensvertrag erhalten.«

Die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister, zur Teilnahme deutscher Vertreter, löste in einer Reihe von Betrieben eine Protestbewegung aus.3 Dies zeigte sich in durchgeführten Kurzversammlungen und der Annahme von Protestresolutionen, worin erneut die Teilnahme deutscher Vertreter gefordert wurde. Auch in einer nicht geringen Anzahl von Meinungsäußerungen wurde Empörung über die ablehnende Haltung der Westmächte zum Ausdruck gebracht. Eine Arbeiterin vom VEB Maschinenbau Neubrandenburg: »Es ist eine Schande, dass die westlichen Außenminister deutsche Vertreter ablehnen. Es muss unbedingt erreicht werden, dass man zu dem jetzt behandelten Tagesordnungspunkt deutsche Vertreter aus Ost und West hört.«4

Die Vorschläge des sowjetischen Außenministers Molotow5 wurden von einem großen Teil der Arbeiter begrüßt und positiv diskutiert.6 Verhältnismäßig wenig, meist fortschrittlich eingestellte Personen, nahmen zu den einzelnen Vorschlägen wie Friedensvertrag, Abzug der Besatzungstruppen vor freien und demokratischen Wahlen in Deutschland oder Durchführung einer Volksbefragung konkret Stellung, wogegen sich die Mehrzahl nur allgemein äußerte. Eine Arbeiterin vom VEB Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck« in Schwarza, [Bezirk] Gera: »Kein Deutscher hätte bessere Vorschläge für einen Friedensvertrag mit Deutschland machen können, als die SU es getan hat. Wir wollen keinen EVG-Vertrag,7 sondern in Frieden und Einheit leben.«

Da der überwiegende Teil der Werktätigen das Interesse den Ausführungen der Außenminister zuwendete, fand das Memorandum der Regierung der DDR keine große Beachtung.8 In den nur gering bekannt gewordenen Meinungsäußerungen kam meist Zustimmung zum Ausdruck. Ein Arbeiter vom Industriewerk Ludwigsfelde, [Bezirk] Potsdam: »Unsere Regierung konnte in ihrem Memorandum nicht offener und ehrlicher ihre Ansichten aufzeigen. Das beweist, dass ihr der Frieden das höchste Gebot ist.«

Nur vereinzelt wurden gegenteilige Meinungen bekannt und das Memorandum als störend für die Viermächtekonferenz bezeichnet.

Zu Beginn der Berichtsperiode zweifelte ein größerer Teil von Arbeitern, besonders aber Angestellte und Intellektuelle, an einem positiven Ausgang der Konferenz. Im Verlauf der Konferenz zeigte sich ein weiteres Anwachsen dieser zweifelnden Meinungen, zurückzuführen darauf, dass in den täglichen Verhandlungen über die Deutschlandfrage keine Einigung erzielt wurde.

Neben den seit Anfang der Konferenz anhaltenden Argumenten, »die werden sich ja doch nicht einig« oder »die Gegensätze sind zu groß«, wurde sehr oft zum Ausdruck gebracht, dass die Schuldfrage bei den westlichen Außenministern zu suchen ist, die alle Vorschläge Molotows ablehnen und am Frieden und der Einheit Deutschlands nicht interessiert sind. Ein parteiloser Arbeiter aus dem Synthesewerk Schwarzheide, [Bezirk] Cottbus: »Ich glaube an keine Einigung mehr, der Russe will ja das Gute, bloß der Franzose, der Engländer und der Schweinehund Dulles9 ist immer dagegen, und sie sind nun mal in der Mehrzahl.« Ein Angestellter vom VEB Mifa Sangerhausen, [Bezirk] Halle: »Ich nehme an, dass die Konferenz kein positives Ergebnis bringen wird, da die Gegensätze der beiden Lager zu groß sind und keiner von seinem Standpunkt abgeht.«

Mit Aufnahme der Verhandlungen über den 3. Tagesordnungspunkt ließ das Interesse und die bis dahin lebhaft geführte Diskussionen der Arbeiter in den Betrieben sehr stark nach, da man die Deutschlandfrage als abgeschlossen betrachtete. Eine gewisse Enttäuschung und eine abwartende Haltung machten sich allgemein bemerkbar.

Aus den bisher vereinzelt bekannt gewordenen Stimmen über den Vorschlag des Genossen Molotow zur Schaffung eines gesamteuropäischen Vertrages der kollektiven Sicherheit10 ist zu ersehen, dass dazu meist positiv Stellung genommen wurde. Ein parteiloser Arbeiter vom VEB Lederwerke Guben, [Bezirk] Cottbus: »Man sieht doch einwandfrei, dass Molotow die Einheit Deutschlands und die Garantie für den Weltfrieden am Herzen liegen. Die westlichen Vertreter wollen jedoch den EVG-Vertrag retten, der nicht nur uns Deutsche, sondern ganz Europa vernichten soll.«

In den etwas offenen, jedoch verhältnismäßig gering bekannt gewordenen negativen bzw. feindlichen Stimmen, machte sich der Einfluss der westlichen Hetzsender stark bemerkbar. Obwohl diese Äußerungen sehr unterschiedlich gewesen sind, standen die Forderungen auf »freie Wahlen« nach westlichem Muster und Revision der Oder-Neiße-Grenze im Vordergrund. Ein Kontrolleur vom Georgi-Dimitroff-Werk in Magdeburg: »Wir fordern freie Wahlen, so wie die des Westens.11 Der 17.6.[1953] war dafür der beste Beweis. Die Westdeutschen werden freie Wahlen fordern und wir werden mitdemonstrieren, dann gibt es einen neuen 17.6.[1953]. Die jetzige Regierung haben wir ja nicht gewählt.«

Ein Werkmeister vom Bau 143 des Buna-Werkes in Merseburg, [Bezirk] Halle: »Über die Oder-Neiße-Grenze sind bei uns alle Umsiedler der gleichen Meinung, lieber sterben als auf die alte Heimat verzichten. Schlesien war deutsch und muss deutsch bleiben. Wer uns dann dort regiert, ist uns vollständig schnuppe.«

Ein Dispatcher aus dem Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin«: »Bei uns wird alles so hingestellt, als wäre nur das richtig, was der Russe sagt. Alle, die jetzt so schreiben, haben ein schlimmes Ende, keiner wird verschont bleiben.« Ein Arbeiter aus dem VEB Zellwolle Wittenberge, [Bezirk] Schwerin: »Was hat es für einen Zweck zu reden, so lange die Russen da sind, können wir nichts ändern.«

Ein Professor vom Arbeitsschutz des Leuna-Werkes »Walter Ulbricht«: »Vom Krieg spricht man nur in der Ostzone. Man legt in Westdeutschland nur Militärstützpunkte an und stationiert Atomgeschütze,12 weil der Westen weiß, dass eines Tages die Russen doch zum Angriff übergehen werden. Aus diesem Grunde muss er sich sichern.«

In einigen Betrieben machte sich in der Berichtsperiode eine gewisse Konzentration solcher feindlichen Stimmen bemerkbar. So z. B. im VEB Waggonbau LOWA Görlitz, [Bezirk] Dresden, wo ein großer Teil der Arbeiter in fast allen Abteilungen freie Wahlen nach dem Vorbild Westdeutschlands haben will. In der Sattlerei wurde ein Genosse, der vor Arbeitsbeginn über die Außenministerkonferenz diskutieren wollte, zum Abtreten gezwungen und förmlich hinausgeworfen. In einer anderen Abteilung wurde ein Genosse gefragt: »Glaubst Du denn selber, was Du erzählst?« Ein parteiloser aus dem gleichen Betrieb: »Wenn man das Theater in Berlin sieht, weiß man, dass nichts dabei herauskommt. Es wäre jetzt an der Zeit den westlichen Außenministern zu beweisen, wie das deutsche Volk wirklich denkt, doch nicht so, wie es der Herr Molotow zum Ausdruck bringt.«

Angestellte und Intellektuelle des »Ernst-Thälmann«-Werkes Magdeburg forderten freie Wahlen, wie sie in Westdeutschland durchgeführt wurden.

Von einem Teil der Belegschaft des VEB Polstermöbelfabrik Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam, wovon ein großer Teil ehemalige Umsiedler sind, wurde der Versuch gemacht, eine Resolution zu verfassen, damit die Frage der Oder-Neiße-Grenze auf der Außenministerkonferenz behandelt werde.

Aufgrund der immer wieder gestellten Forderung, »Veröffentlichung der Reden der westlichen Außenminister« und solcher Diskussionen, wonach man, um sich »richtig zu informieren«, den westlichen Rundfunk hören muss, hat dem Anschein nach das Abhören der westlichen Sender zugenommen. Vermutlich wirkte auch die im westlichen Rundfunk verstärkt betriebene Hetze über angebliche Verhaftungswellen in der DDR dahingehend, dass feindliche Elemente in ihrer Argumentation vorsichtiger wurden. Ein Arbeiter aus dem VEB Elektromotorenwerk Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg: »Seid vorsichtig und haltet den Mund. Eine neue Verhaftungswelle ist im Gange. In Leuna und Zeitz sind die, welche über die Viermächtekonferenz negativ diskutierten, verhaftet worden.«

Produktionsschwierigkeiten

Die seit Beginn des neuen Jahres etwas stärker bestehenden Rohstoff-, Material- und Ersatzteilschwierigkeiten hielten in einem Teil der Betriebe weiter an. In einigen Betrieben wirkte sich dies dahingehend aus, dass es zu Produktionsausfällen kam, wodurch Schwierigkeiten in der Erfüllung der Produktionspläne entstanden. Arbeiter wurden dadurch negativ beeinflusst, da sie finanzielle Nachteile hatten.

Produktionsstörungen wegen Materialmangel wurden z. B. aus allen Werften des Bezirkes Rostock berichtet. In der Mathias-Thesen-Werft fehlen für das Objekt »Grassin«13 (sowjetischer Auftrag) 300 t Bleche. Der gestellte Termin kann nicht eingehalten werden.

Im Sektor Schiffbau schreiben 65 Prozent aller Beschäftigten Wartestunden. Dafür erhalten sie nur 90 Prozent ihres sonstigen Verdienstes, wodurch die Stimmung als nicht besonders gut zu bezeichnen ist.

Im Stickstoffwerk Piesteritz, [Bezirk] Halle, ist seit 7. Februar [1954] die Kalkstickstoffproduktion eingestellt, da das Karbid, welches für die Produktion gebraucht wird, täglich nach den Buna-Werken versandt werden muss.

Die bestehenden Rohstoff-, Material- und Ersatzteilschwierigkeiten haben sich durch die in der Berichtsperiode anhaltende Kältewelle teilweise erhöht. Der Ausfall verschiedener Kohlengruppen wirkte sich wiederum auf verschiedene Industriebetriebe aus, unter anderem auch in der Gas- und Stromversorgung. Der VEB Schott Jena,14 [Bezirk] Gera, hatte infolge Ferngasmangel während der Berichtszeit einen Ausfall von Arbeitsstunden im Wert von 43 986 DM. Aber auch durch Einfrieren von Wasserzuführungen und andere Behinderungen, wie Transport usw. durch den Frost, waren in einer Reihe von Betrieben Produktionsausfälle zu verzeichnen. Im VEB Eisenhüttenwerk Thale traten durch die starke Kälte größere Produktionsstörungen ein. Besonders zeigte sich dies im Walzwerk, wo die Zuflüsse zum Kühlen der Walzen eingefroren waren. Das Walzwerk musste dadurch einen ganzen Tag stillgelegt werden.

Teilweise zeigt sich auch, hervorgerufen durch die Kälte, ein hoher Krankenstand. Im VEB Ostdeutsche Tuchfabrik in Forst, [Bezirk] Cottbus, konnten z. B. durch den hohen Krankenstand 70 Webstühle nicht besetzt werden, was einen täglichen Produktionsausfall von ca. 1 200 m Stoff verursachte.

Landwirtschaft

Stimmung zur Berliner Konferenz

Neben einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber politischen Problemen zeigte sich, dass mit Behandlung der Deutschlandfrage das Interesse der Landbevölkerung stärker in Erscheinung trat. Die Hoffnung auf Erhaltung des Friedens und Wiederherstellung der Einheit Deutschlands drückte sich in den meisten der bekannt gewordenen Meinungsäußerungen aus. Nur ein geringer Teil, meist fortschrittliche Kräfte aus MTS, VEG, LPG, vereinzelt Landarbeiter, Klein- und Mittelbauern, nahmen konkret zu den Vorschlägen des Genossen Molotow Stellung. So sagte z. B. der LPG-Vorsitzende aus Rudolstadt-Cumbach, [Bezirk] Gera: »Auch ich stehe auf dem Standpunkt, dass zuerst eine provisorische Regierung gebildet werden muss, die dann ohne Besatzungsmächte die Aufsicht über freie Wahlen in ganz Deutschland führt.«

Einen wesentlichen geringen Umfang als in der Industrie, zeigte die Protestbewegung über die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister zur Teilnahme deutscher Vertreter. Vereinzelt wurden von MTS, LPG und VEG, teilweise auch in Bauernversammlungen, Protestresolutionen verfasst. Auch die Stimmen, in welchen Empörung über die ablehnende Haltung geäußert wurde, blieben verhältnismäßig gering.

Bereits zu Beginn der Verhandlungen über die Deutschlandfrage zweifelte ein größerer Teil der Landbevölkerung an einem positiven Ergebnis der Konferenz, ein weiteres Anwachsen dieser Meinungsäußerungen zeigte sich während der Verhandlungen. Ein Landarbeiter aus Rövershagen, [Bezirk] Rostock: »Die Außenminister sind jetzt bald drei Wochen zusammen und haben bisher noch keine Einigung in der Deutschlandfrage erzielt. Es hat keinen Zweck mehr, dass sie noch länger zusammensitzen. Sie werden auseinandergehen und die Sache bleibt wie sie war.«

Mit den Verhandlungen über den dritten Tagesordnungspunkt wurde das Deutschlandproblem als abgeschlossen betrachtet und es machte sich eine gewisse Enttäuschung und eine abwartende Haltung stark bemerkbar. Dazu muss jedoch bemerkt werden, dass die fortschrittlichen Kräfte auf dem Lande, besonders in MTS und LPG, keinen Zweifel darüber ließen, dass die Vorschläge des Genossen Molotow den Interessen des deutschen Volkes entsprechen und die Schuld am ergebnislosen Verlauf der Konferenz bei den westlichen Außenministern zu suchen ist. Ein Mitglied der LPG Hüselitz, [Bezirk] Magdeburg: »Der sowjetische Außenminister Molotow hat doch Vorschläge gemacht, die den Interessen des deutschen Volkes entsprechen. Wenn die Westmächte es ehrlich mit Deutschland meinen, müssten sie diese annehmen. Hier zeigt sich aber, dass sie an der Einheit Deutschlands und dem Weltfrieden nicht interessiert sind.«

Negative und feindliche Stimmen traten in der Berichtsperiode gering, im Verhältnis zur Industrie jedoch etwas stärker in Erscheinung. Meist waren es Großbauern, teilweise Mittelbauern und solche Elemente, die unter deren Einfluss stehen, die hervorhoben, dass nicht die Westmächte, sondern die SU die Schuld am ergebnislosen Verlauf der Konferenz trägt. In diesem Zusammenhang traten am stärksten die Forderungen nach »freien Wahlen«, »freier Wirtschaft« und Revision der Oder-Neiße-Grenze (besonders bei Umsiedlern) in Erscheinung. Ein Großbauer aus Mannhausen, [Bezirk] Magdeburg: »Um die Verhältnisse bei uns zu bessern, sollte man sich dem Vorschlag der Westmächte anschließen, damit eine freie Wirtschaft erreicht wird. Die Sollfrage, welche unsere Lebensexistenz behindert, wäre damit liquidiert.«

In der Blocksitzung der Gemeinde Vietzen, [Bezirk] Schwerin, wo 26 Personen anwesend waren, forderte die Mehrzahl erst »freie Wahlen«.

Ein Schlosser der MTS Großkochberg, [Bezirk] Gera: »Molotow hat viele Vorschläge gemacht, aber wie die Grenzen werden sollen, hat er nicht gesagt, und die Grenzen können nicht so bleiben, wie sie jetzt sind.«

Ein enteigneter Großbauer aus Lübs, [Bezirk] Magdeburg: »Die Ostzone muss erst amerikanisiert werden, dann wird auch eine Einigung erzielt und wir bekommen unsere Wirtschaft wieder.«

Ein Kleinbauer aus Finkenbrück, [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich höre den Hamburger Sender.15 Was bei uns in der Zeitung steht, ist mir zu schwarz gedruckt, das kann ich nicht lesen. Heute lebt man ja nicht nur von unseren Knochen. Molotows Reden interessieren mich nicht, ich informiere mich über den Hamburger Sender.«

Übrige Bevölkerung

Stimmung zur Berliner Konferenz

Über die Vorschläge des Genossen Molotow wurde von einem großen Teil, meist Hausfrauen, Rentner, teils von Angestellten staatlicher Verwaltungen und Institutionen, positiv diskutiert. Obwohl in der Mehrzahl der bekannt gewordenen Stimmen nicht konkret zu den einzelnen Vorschlägen Stellung genommen wurde, zeigen diese Meinungsäußerungen, dass die Vorschläge Molotows als die Grundlage zur Erhaltung des Friedens und Wiederherstellung der Einheit Deutschlands angesehen werden. Ein Rentner aus Wesenberg, [Bezirk] Neubrandenburg: »Nur keinen Krieg. Die Vorschläge von Molotow sind gut, das, was die anderen vorgeschlagen haben, haben wir schon alles mitgemacht und wollen es nicht wieder haben.«

Die Stimmung der übrigen Bevölkerung entwickelte sich in der Berichtsperiode ähnlich wie in der Industrie und auf dem Lande. Zweifelten mit Beginn des 2. Tagesordnungspunktes meist kleinbürgerliche Elemente und durch die Kirche beeinflusste Personen, teilweise auch Angestellte und Intelligenz an positiven Ergebnissen der Konferenz, so war ein Ansteigen solcher Stimmen während der Verhandlungen in allen Schichten der Bevölkerung festzustellen. Eine Hausfrau aus Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt: »Nun wird in Berlin schon zwei Wochen über das Schicksal Deutschlands verhandelt. Das bisherige Ergebnis sieht nicht gerade ermutigend aus. Man kann nur immer hoffen, dass die Menschen Vernunft annehmen und es nicht zum Äußersten kommen lassen.«

Mit Beginn der Verhandlungen über den österreichischen Staatsvertrag zeigte sich auch hier eine pessimistische und abwartende Haltung, da allgemein die Deutschlandfrage als abgeschlossen angesehen wurde.16 Ein größerer Teil der Bevölkerung, besonders Hausfrauen die an der Erhaltung des Friedens am meisten interessiert sind, und politisch aufgeklärte Personen sahen die Schuld am ergebnislosen Verlauf der Konferenz in der ablehnenden Haltung der Westmächte. Ein Lehrer aus Geithain, [Bezirk] Leipzig: »Als Einziger vertrat Molotow die Interessen des Deutschen Volkes auf der Konferenz. Die westlichen Außenminister, besonders aber Dulles haben an der Einheit Deutschlands kein Interesse, denn dies würde Aufgabe des EVG für sie bedeuten.«

In den negativen und feindlichen Stimmen, die meist aus kleinbürgerlichen Kreisen bekannt wurden, trat besonders die Forderung nach »freien Wahlen« hervor. In diesem Zusammenhang wurde oft die Volkswahl von 1950 in der DDR nicht als Wahl anerkannt und unsere Regierung als nicht gewählt betrachtet.17 Die gleichen Kreise hatten einen anderen Ausgang der Konferenz erwartet, was besonders Streben nach der sogenannten freien Marktwirtschaft beweist. Diese Elemente sahen auch meist die Schuld am Scheitern der Konferenz in der konsequenten Haltung des sowjetischen Außenministers Genossen Molotow. Von ehemaligen Umsiedlern wurde immer wieder die Revision der Oder-Neiße-Grenze gefordert.

Ein Bäckermeister aus Mühltroff, [Bezirk] Gera: »Die Einheit und freie Marktwirtschaft kommt erst dann, wenn wir freie Wahlen haben, aber nicht solche nach dem Ostzonenmuster, denn das ist ja keine Wahl, was die deutschen Russen hier durchgeführt haben.«

Die Frau eines ehemaligen Beamten aus Babelsberg: »In dem Moment, wo wir freie Wahlen haben, werden Nuschke,18 Ulbricht19 und Konsorten nicht mehr hier sein.«

Ein Lehrer aus Pötzschau,20 [Bezirk] Leipzig: »Meiner Ansicht nach ist Molotow ein ganz gemeiner Geschichtsfälscher. Die Wahlen bei uns 1950 waren nur ein Betrug.«

Ein Baumeister aus Gröbelein,21 [Bezirk] Rostock: »Der Russe versucht sein Möglichstes, die Einheit Deutschlands und freie Wahlen zu verhindern sowie die Konferenz zum Scheitern zu bringen.«

Eine Pfarrersfrau aus Leubsdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es ist doch egal, ob Krieg oder nicht Krieg ist, gemordet wird ja so und so. Auch wir wollen Frieden und Einheit, aber anders als es bei uns unter der Arbeiter- und Bauernmacht ist.«

Ein ehemaliger Umsiedler aus Zepernick, [Bezirk] Frankfurt: »Es wird noch ganz anders kommen und dann muss die jetzige Ostgrenze revidiert werden.«

Republikflucht

Nach Meldung der VP war in den letzten drei Monaten bei Republikflucht, Rückkehr und Zuzug folgende Bewegung festzustellen:

Monat

Flüchtlinge

Rückkehr und Zuzug

November

18 133

3 899

Dezember

14 209

3 682

Januar

11 776

5 434

Nach vorläufigen unvollständigen Informationen ist in der 1. Februarhälfte mit einem weiteren Sinken der im November angestiegenen Republikfluchten zu rechnen. Die Zahl der Rückkehrer und Zuwanderer dürfte gegenüber dem Monat Januar ebenfalls geringer werden.

Feindtätigkeit

Die Verbreitung von Flugblättern durch den Gegner hat gegenüber der 2. Januarhälfte stark nachgelassen. In der Zeit vom 15.1. bis 31.1.1954 wurden insgesamt ca. 186 000 Flugblätter und Hetzschriften verbreitet. Dagegen wurden in der Zeit vom 1.2. bis 15.2.1954 insgesamt ca. 60 000 Flugblätter und Hetzschriften verbreitet. Sie wurden meist durch Ballons eingeschleust und zum Teil in Paketen bzw. gebündelt von Suchkommandos sichergestellt.

Schwerpunkte in der Flugblattverbreitung waren die Bezirke Potsdam mit 43 000 Stück (davon wurden 25 000 auf dem Bahnhof Griebnitzsee sichergestellt), Frankfurt mit 6 100 Flugblättern (davon 5 000 im Kreis Bernau), Karl-Marx-Stadt mit 4 200 Stück, Groß-Berlin mit 3 170 Stück, Leipzig mit 1 400 Stück und Gera mit 1 085 Stück.

Der größte Teil der Flugblätter und Hetzschriften wurde vom NTS,22 der KgU23 und dem SPD-Ostbüro verbreitet.24

Die NTS fordert darin auf zur Desertion aus der Sowjetarmee und hetzt gegen die SU und den sowjetischen Außenminister Molotow. Die KgU hetzt gegen das SfS, die KPD und SED, sowie gegen Funktionäre der Regierung der DDR. Des Weiteren propagieren sie den »sinnvollen Widerstand«. Das Ostbüro der SPD hetzt gegen Funktionäre von Partei und Regierung sowie gegen das SfS und die VP. Sie propagieren »Langsamarbeit«, um die Planerfüllung zu sabotieren. Weiterhin hetzen sie gegen die Außenministerkonferenz und gegen demokratische Wahlen.

Weiterhin wurden noch Flugblätter und Hetzschriften vom CDU-Ostbüro, der »Widerstandsbewegung der Sowjetzone«, der »Liga für Wohlstand und Weltfrieden«, der »Deutschen antibolschewistischen Widerstandsbewegung« verbreitet, die im Allgemeinen Hetze gegen die SU und DDR zum Inhalt hatten.

Zu Beginn der Konferenz gingen die westlichen Sender RIAS, Hamburg und London25 nicht über ihre bisher geführte Hetze hinaus, zeigten teilweise sogar eine gewisse Zurückhaltung. Schlagartig setzten mit dem 4.2.1954 in den genannten Sendern und der Westpresse eine Hetzkampagne über angebliche Unruhen und Verhaftungen in der DDR ein.26

Hamburg (4.2.[1954]): »… Besonders aus Industriezentren gehen Berichte ein, die besagen, dass die Unruhen seit Beginn der Konferenz und besonders bei Bekanntwerden der Vorschläge Molotows ständig gewachsen sind. … Eins wissen wir, die Stimme der Bevölkerung wird in den Konferenzsaal hineindringen und die Frage, wer für die Zone spricht, dürfte damit auch für Herrn Molotow geklärt sein.«

»Die Welt«: »… In Hennigsdorf traten zwei Abteilungen in den ›Arbeite-langsam-Streik‹, um [gegen] die geplante Volksabstimmung zu protestieren. … In der Waggonfabrik Ammendorf musste auf Drängen der Belegschaft ein Arbeiter freigelassen werden, der wegen der Forderung nach freien Wahlen verhaftet wurde.«27

Mit solchen und ähnlichen erlogenen Beispielen und den dazugehörenden Kommentaren wurde versucht, in der DDR eine Basis für einen neuen Putschversuch vorzubereiten. Das Ziel, welches damit verfolgt wurde, war zweifelsohne Unsicherheit unter fortschrittlichen Kräften zu erzeugen. Feindliche Elemente aber zu bestimmten Aktionen anzuleiten und zu ermuntern. So z. B. Arbeite-langsam-Streik, Erzeugung von Unruhen in Betrieben, Protestdemonstrationen, die sich gegen die DDR richten sollten, Propagierung »freier Wahlen« nach westlichem Muster, Revidierung der Oder-Neiße-Grenze und anderer feindlicher Argumente, die sich gegen die Vorschläge Molotows richteten.

Antidemokratische Propaganda wurde vereinzelt in den Bezirken Schwerin, Rostock, Frankfurt, Cottbus, Potsdam, Magdeburg, Leipzig, Dresden, Erfurt, Gera und Suhl durchgeführt. Dies zeigte sich durch Anbringen von antidemokratischen Losungen, die »freie Wahlen« forderten, zum Sturz der Regierung aufriefen und Streik proklamierten. Des Weiteren wurden Hakenkreuze angemalt, Plakate zerstört und Fahnen herabgerissen.

Terrorhandlungen wurden in 14 Fällen bekannt. In vier Fällen richteten sie sich gegen Angehörige der VP, in vier Fällen gegen Mitglieder der SED, in einem Fall gegen einen Funktionär der FDJ, in einem Fall gegen den Vorsitzenden der Nationalen Front,28 in einem Fall gegen einen Funktionär des FDGB und in drei Fällen gegen Mitglieder von LPG. Schwerpunkt der Terrorfälle ist der Bezirk Gera mit drei Fällen.

Diversionshandlungen in der Industrie wurden in einem Fall festgestellt und ein Fall in der Landwirtschaft. Versuchte Diversion wurde in zwei Fällen in der Industrie und in einem Fall in der Landwirtschaft gemeldet. Vermutliche Diversion wurde in der Industrie in sechs Fällen bekannt. Schädlingstätigkeit wurde in einem Fall bekannt. So erhielt die Feuerwehr eines Wismut-Objektes in Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, 200 verplombte Tetra-Feuerlöscher, welche nicht gefüllt waren.

An Brandstiftungen wurden zwei Fälle in der Landwirtschaft bekannt. Wobei eine LPG und ein VEB geschädigt wurden. Vermutliche Brandstiftung wurde in 20 Fällen bekannt, durch welche Scheunen, Stallungen und Betriebe vernichtet bzw. geschädigt wurden. Davon waren in der Industrie sieben Fälle zu verzeichnen, auf dem Lande wurden zwei LPG, drei VEG, fünf werktätige Bauern und ein Großbauer geschädigt. Des Weiteren wurden zwei KVP-Objekte durch Brand zerstört.29

Vermutliche Sabotage wurde aus dem Stahlwerk Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, bekannt, wodurch angeblich ungenügende technische Vorbereitung 15 Tonnen Roheisen beim Abstich des Hochofens 4 verloren gingen.

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