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Zur Beurteilung der Situation

18. August 1954
Informationsdienst Nr. 2290 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Die Diskussionen über politische Tagesfragen haben weiterhin einen geringen Umfang. Meist äußern sich Arbeiter, weniger Angestellte, während die Intelligenz sehr zurückhaltend ist. Im Vordergrund der Diskussionen steht die Streikbewegung in Westdeutschland.1 Der Inhalt und Umfang der Diskussionen hat sich gegenüber den Vortagen nicht wesentlich verändert. Neu ist, dass vereinzelt bei den negativen Diskussionen ein Vergleich zum Putsch vom 17.6.1953 angestellt wird, den man als Streik bezeichnet. Hierzu wurden folgende Beispiele bekannt:

In der Abteilung Versand des VEB Landmaschinenbau Torgau, [Bezirk] Leipzig, äußerte ein Arbeiter: »Der 17.6.1953 hat mir gezeigt, dass die streikenden Arbeiter bei uns unterdrückt werden. Da soll man nicht darüber sprechen, wenn die Westpolizei mit Knüppeln gegen die Streikenden in Westdeutschland vorgeht.«

Alle Kollegen des Werkzeugbaues im Funkwerk Dabendorf, [Bezirk] Potsdam, lehnten eine Geldspende ab.2 Ein Kollege erklärte: »Wir geben keinen Pfennig, wir sind doch nicht verrückt. Uns hat man voriges Jahr, am 17. Juni, auch keinen Pfennig gegeben.«

Über die bevorstehende Volkskammerwahl wird weiterhin nur ganz vereinzelt gesprochen.3 Ein Teil der Werktätigen kennt die Bedeutung der Wahlen infolge mangelnder Aufklärung noch nicht. Ein parteiloser Tankschlosser aus dem VEB Jenapharm, [Bezirk] Gera: »Die Kosten für die Wahl hätte man sich sparen können. Die Abgeordneten haben doch ihre Pflicht getan und deshalb sollte man sie dranlassen. Wer dann einmal nicht spurt, kann ja durch einen anderen ersetzt werden.«

Ein parteiloser Rangierer vom Bahnhof Rothensee in Magdeburg: »Es hat ja keinen Zweck zu wählen. Ich gehe nicht wieder hin, denn was hat sich bisher bei uns schon verändert?«

Neben den positiven Stimmen, in denen die einheitliche Kandidatenliste begrüßt wird, fordern einzelne Werktätige Parteiwahlen,4 wie folgende Beispiele zeigen.

Ein Angestellter aus dem VEB Waggonbau Niesky: »Es ist nicht demokratisch, dass nur eine Liste besteht. Da braucht man praktisch gar nicht wählen. In Westdeutschland ist das auch anders.«

Ein Jugendlicher aus dem Bau 165 der Leuna-Werke »Walter Ulbricht«: »Die Blockwahl im Oktober ist nur ein Trick der SED, um ihre Politik durchzusetzen.« Einige andere Jugendliche vom selben Bau äußerten sich ähnlich.

In Diskussionen über wirtschaftliche Fragen wird mehrfach von Arbeitern erwartet, dass bald eine Preissenkung erfolgt. Solche Diskussionen traten verschiedentlich im Elmowerk Wernigerode, in Halberstadt und in einigen Betrieben von Staßfurt und Magdeburg sowie in einigen VEB in Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, auf.

Zur Rechenschaftslegung5 fand am 12.8.1954 im VEB Secura Berlin eine Versammlung statt, an der sich von 870 Kollegen nur ca. 100 beteiligten. Ein Kollege äußerte hierzu: »Man sollte die Versammlung während der Arbeitszeit durchführen, dann nehmen auch alle Kollegen daran teil.«

Ein anderer Kollege sagte: »Professor Havemann6 hat bei seinem Referat über den Neuen Kurs7 auch Versprechungen gemacht, die nicht gehalten wurden. Deshalb braucht man erst gar nicht zu solch einer Rechenschaftslegung zu gehen.«

Zu Missstimmungen kam es in einzelnen Betrieben wegen schlechter Planerfüllung, Ausschuss sowie mangelhafter Arbeit von Funktionären.

Im Braunkohlenwerk Großkayna, [Bezirk] Halle, ist infolge niedriger Planerfüllung in den Monaten Juli, August der Verdienst der Kollegen um ca. 50,00 bis 60,00 DM gesunken, worüber eine allgemeine Missstimmung herrscht.

Unter den Drehern des Georgi-Dimitroff-Werkes Magdeburg8 besteht eine Missstimmung, da die Qualität des Stahlgusses sich verschlechtert hat. Es kann kein Stück fertiggedreht werden, ohne dass es zu Komplikationen kommt. Das wirkt sich auf den Verdienst der Kollegen aus.

Im VEB Stahlwerk Silbitz, [Bezirk] Gera, herrscht eine gedrückte Stimmung. Die Kollegen sind der Meinung, dass seit Übergabe des Betriebes in Volkseigentum (ehemaliger SAG-Betrieb)9 die Arbeitsorganisation überhaupt nicht mehr klappt. Ferner hat die Partei- und Gewerkschaftsleitung sehr wenig Verbindung mit den Genossen und Kollegen der einzelnen Abteilungen.

Im Braunkohlenwerk Profen, [Bezirk] Halle, sind die Arbeiter unzufrieden, weil sich die Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre nur sehr selten sehen lassen. Über die Schwierigkeiten in der Produktion und über tägliche Sorgen der Arbeiter wird mit ihnen nicht gesprochen.

Unter der Belegschaft des Tagebaues VEB Witznitz, [Bezirk] Leipzig, herrscht eine große Missstimmung, da verschiedene Missstände, die von der Belegschaft kritisiert wurden, von der Werkleitung nicht beseitigt wurden. Zum Beispiel beschweren sich die Lokführer, dass Fehler an der Fahrleitung oder Defekte an den Schienen erst dann repariert werden, wenn Zugentgleisungen oder andere größere Schäden eingetreten sind.

Eine Fluktuation von Arbeitskräften besteht im VEB Braunkohlenwerk Unseburg,10 [Bezirk] Magdeburg, wo viele Bergarbeiter in ihren alten Beruf zurückgehen wollen. Dort würden sie besser bezahlt werden und die Arbeit sei weniger gesundheitsschädlich. In einem Betriebsteil fehlen bereits 40 Arbeiter.

Zu feindlichen Diskussionen gegen die DDR kam es auf einer Versammlung am 16.8.[1954] in der Abteilung Reichsbahnlagerdreherei des VEB Berliner Metallhütten und Halbzeugwerke, bei der die Delegierten zur Teilnahme an der Rechenschaftslegung über den Betriebskollektivvertrag gewählt wurden. Ein Kollege äußerte in der Diskussion: »Es ist doch allen bekannt, dass man bei uns nicht sprechen darf. Jeder fühlt sich deshalb gedrückt.« Ein anderer Kollege sagte: »Die Regierung im Westen lehnt unsere Vorschläge ab und wir lehnen alle Vorschläge ab, die von drüben kommen. Somit erhalten wir nie die Einheit. Schuld an der schlechten Qualität unserer Erzeugnisse ist nur das Antreibersystem.«

Produktionsstörung: Die Brikettfabrik Meurostolln, [Bezirk] Cottbus, musste am Morgen des 17.8.[1954] ihre Produktion einstellen, weil die Kohlenlieferungen aus dem Tagebau der Braunkohlenwerke »Franz Mehring« und »Tatkraft« ausblieben. Ursache unbekannt. Produktionsschaden ebenfalls.

Produktionsschwierigkeiten wegen Mangel an Material und Arbeitskräften

In der Farbenfabrik Wolfen, [Bezirk] Halle, fehlen Ersatzteile für die Reparatur der Turbine 17.

Im VEB Lederwaren Zeitz, [Bezirk] Halle, bestehen Schwierigkeiten in der Beschaffung von Hartpappe und Reißverschlüssen.

Im Georgi-Dimitroff-Werk Magdeburg müssen bis zum 15.9.[1954] 18 Getriebe für einen Exportauftrag der SU fertiggestellt sein. Bis jetzt haben jedoch die Zulieferbetriebe die Liefertermine nicht eingehalten, wodurch der Exportauftrag infrage gestellt ist.

Bei der Bau-Union Schwerin bestehen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Zement und Bauhölzern, wodurch die Bauvorhaben der BHG, MTS und LPG verzögert werden. So konnten z. B. im Kreis Güstrow nur 25 Prozent dieser Bauvorhaben erfüllt werden.

Im VEB Waggonbau Niesky, [Bezirk] Dresden, fehlen noch immer acht Zollbremsen sowie Drehgestelle.

Im VEB Kjellberg,11 [Bezirk] Cottbus, besteht ein großer Mangel an Elektroden-Draht. Dieser Betrieb ist der Einzige in der DDR, der Schweißelektroden herstellt.

Auf den Baustellen Deuben-Profen, [Bezirk] Halle, sollten laut Anweisung des zuständigen Ministeriums in der I. Augustdekade 245 Arbeitskräfte eintreffen. Bis heute erschienen auf der Baustelle drei Personen.

Handel und Versorgung

Örtliche Mängel in der Warenbereitstellung

Im Bezirk Neubrandenburg ist ein großer Mangel an Nährmitteln zu verzeichnen. Im Konsum Blankensee, [Bezirk] Neubrandenburg, fehlen außerdem Fisch und Margarine. Die Fleischversorgung auf Marken bereitet ebenfalls Schwierigkeiten.

Im Bezirk Suhl fehlt es an Tee, Bohnenkaffe und Regenmänteln.

Im Kreis Neuhaus, [Bezirk] Suhl, steht das aus Finnland eingeführte Schlachtvieh tagelang auf der Bahn, bevor es in Sonneberg geschlachtet wird. Die Schlächter fordern dort den Bau eines Schlachthauses, um die Verderbmöglichkeit herabzumindern.

Im Bezirk Gera mangelt es an billigen Zigaretten, Graupen, Süßwaren, Dauerbackwaren, Stärkeerzeugnissen und Käse. Außerdem mangelt es an Verpackungspapier, besonders in den Verkaufsstellen des Privathandels.

Im Bezirk Schwerin mangelt es an billigen Zigaretten, an billigen Fischkonserven, Wassereimern, Textilien, besonders Bettwäsche und Schürzenstoff. Arbeitskleidung ist genügend vorhanden, jedoch fehlen die Bezugscheine dafür. Wassereimer werden besonders dort benötigt, wo es keine Wasserleitungen gibt, z. B. in Goldberg.

Wegen Tabakmangel lassen verschiedene MTS des Bezirkes Schwerin täglich (durch ihre Fahrzeuge) Tabakwaren aus Schwerin für die Traktoristen einkaufen.

Im Bezirk Erfurt mangelt es an billigen Zigaretten, besonders in den ländlichen Gemeinden des Kreises Sondershausen. Die vom Ministerium gekürzte Fehlmenge beträgt im Bezirk Erfurt 1 Mio. Zigaretten.

Im Bezirk Cottbus mangelt es an billigen Zigaretten, worüber insbesondere im Industrieschwerpunkt Lauchhammer negativ diskutiert wird. Ferner macht sich im Kreis Finsterwalde der Mangel an HO-Rindfleisch bemerkbar.

Im Bezirk Halle mangelt es an Zigaretten, Fischkonserven, Haferflocken, Bohnenkaffe. Im HO und Konsum der chemischen Buna-Werke fehlt Obst und Gemüse. Im Kreis Wittenberg fehlt Rind- und Schweinefleisch. Dort fordert man, dass die Konservenbüchsen von der Wurstfabrik Halberstadt nicht mit 800 Gramm Inhalt, sondern in kleineren Mengen hergestellt werden sollten.

In Groß-Berlin ist die Versorgung mit 0,08-DM-Zigaretten nicht ausreichend. In letzter Zeit werden in Berlin wieder Lebensmittel in großen Mengen von Westberlinern aufgekauft, da die Kontrollen an den Sektorengrenzen nachgelassen haben und die deutschen Personalausweise in den Verkaufsstellen nur noch selten abverlangt werden.12

Überplanbestände bzw. dem Verderb ausgesetzte Lebensmittel

Im Kreis Wolgast, [Bezirk] Rostock, lagern 200 Tonnen Frühkartoffeln. Der Kreiskonsum lehnte größere Lieferungen wegen der geringen Lagerfähigkeit ab und die Kreis-VEAB schickte die Bauern mit ihren Kartoffeln wieder zurück. Trotz dieses Überschusses werden dort in den Bädern nur 10 kg Kartoffeln an die Bevölkerung abgegeben.

Landwirtschaft

Politische Gespräche, insbesondere über Dr. John,13 die Pressekonferenz mit Dr. John14 und über die Volkskammerwahl sind in der Landbevölkerung verhältnismäßig gering. Bei Diskussionen über einen gemeinsamen Wahlvorschlag zur Volkskammerwahl wird vielfach die Aufstellung von Parteilisten gefordert. Diese negativen Meinungen treten zum großen Teil unter den bürgerlichen Parteien und überwiegend unter den Mitgliedern der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands auf. Die Mitglieder dieser Partei brachten schon wiederholt zum Ausdruck, dass sie gern eine eigene Liste aufgestellt hätten, wie z. B. Mitglieder der DBD-Ortsgruppe Lunow, [Kreis] Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt.

In Diskussionen bei Rechenschaftslegungen werden immer wieder wirtschaftliche Fragen in den Vordergrund gestellt und oft negative Äußerungen gemacht, wie z. B. in einer Versammlung in Kleinebersdorf, Kreis Stadtroda, [Bezirk] Gera. Dort fragten die Bauern, warum die LPG mehr Dünger als die Einzelbauern bekommen und die LPG weniger abzuliefern braucht. Warum nur die LPG Schweinemastverträge abschließen dürfen und nicht die Einzelbauern. Warum die Einzelbauern keine Arbeitskräfte bekommen und warum sie so auf die vorfristige 100-prozentige Ablieferung gedrängt werden.

Vorwiegend befasst sich die Landbevölkerung mit wirtschaftlichen Fragen, den örtlichen Mängeln und persönlichen Belangen.

In Drebach, Kreis Zschopau,15 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, erklärten einige Bauern, dass die Ernte trotz des schlechten Wetters gut sei, nur mit der Futtergrundlage wird es im Winter schlecht sein.

In den Kreisen Gadebusch und Lübz, [Bezirk] Schwerin, beklagen sich die Bauern über die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Zwischenfruchtsaat.

In den Gemeinden des MTS-Bereiches Stove und der Gemeinde Klein Rünz, Kreis Gadebusch, [Bezirk] Schwerin, fordern die Bauern die Streichung des Rapssolls und des Rapsanbaues in diesen Bezirken, weil der Ertrag zu gering ist, um sich zu lohnen.

In den Kreisen Lübz, Bützow und Perleberg, [Bezirk] Schwerin, verurteilt man die Handlungsweise der Behörden in Bezug auf die Sollherabsetzung, wegen Hagelschaden im vorigem Jahr, die bis jetzt nicht durchgeführt wurde. Dadurch konnten die Soll-Rückstände von 1953 nicht aufgeholt werden und die Bauern sagen, dass die Staatsorgane sich nicht genügend mit den Sorgen der Landbevölkerung befassen und mit ihren Nöten an der Basis vertraut machen.

Wegen der Reduzierung der Stützungsgelder der Örtlichen Landwirtschaftlichen Betriebe16 im Bezirk Cottbus von 1 827 000 DM auf 1 110 000 DM konnten die Beschäftigten der Örtlichen Landwirtschaftlichen Betriebe nicht voll entlohnt werden. Aus diesem Grunde haben am 4.8.1954 Landarbeiter z. B. in Schlabendorf, [Bezirk] Cottbus, ihren Arbeitsplatz verlassen. Verantwortlich sind das Ministerium für Land- und Forst[wirtschaft] und das Ministerium für Finanzen.

Übrige Bevölkerung

Über die aktuellen politischen Probleme wird weiterhin unter den übrigen Bevölkerungsschichten nur im geringen Maße, überwiegend positiv, gesprochen. Dabei vorwiegend über die Pressekonferenz mit Dr. John und vereinzelt über die Volkskammerwahlen und die Streiks in Westdeutschland.

Die Aufstellung einer gemeinsamen Kandidatenliste zur Volkswahl im Oktober wird meistens unterschätzt. Ein parteiloser Rentner aus Frankfurt/Oder sagte Folgendes: »Die Aufstellung der Parteien innerhalb der Blockpolitik zu einer gemeinsamen Liste ist zu begrüßen. Damit beweisen wir die Einmütigkeit des Volkes nicht nur zur Volkswahl, sondern auch zum Frieden. Damit unterstützen wir die Politik unserer Regierung und geben Westdeutschland ein gutes Beispiel in ihrem Kampf gegen die EVG17

Ein Arzt aus Großenhain, [Bezirk] Dresden, erklärte: »Ich erkenne die Volkswahl durchaus an. Die einzelnen Kandidaten sprechen zur Bevölkerung und somit hat die gesamte Bevölkerung Gelegenheit, einen Einblick in die Arbeit der Abgeordneten zu erhalten.«

Demgegenüber werden vorwiegend in kleinbürgerlichen Kreisen, von Mitgliedern bürgerlicher Parteien, aber auch von nichtaufgeklärten Werktätigen negative Meinungen vertreten. So sagte ein parteiloser Einwohner, 42 Jahre alt, aus Ichtershausen, [Bezirk] Erfurt: »So etwas kann man keine Wahl nennen, aber jeder hat Angst, dass er Stimmen verliert, denn so wie die Wahl durchgeführt wird, kann man doch nicht feststellen, wer die meisten und wer die wenigsten Stimmen hat.«

In den Versammlungen zur Vorbereitung der Volkswahl stehen die wirtschaftlichen Fragen im Vordergrund der Diskussionen. Da bringen verschiedentlich die Menschen der finanziell schlechter gestellten Kreise ihre Wünsche zur Verbesserung ihrer Lage zum Ausdruck, dabei sind die in Erscheinung tretenden Tendenzen der Gleichmacherei beachtenswert. Zum Beispiel in einer Belegschaftsversammlung des Post- und Fernmeldewesens in Belzig, [Bezirk] Potsdam, meinten einige ältere Postangestellte, dass es wie früher Pension geben sollte und dass die Intelligenz nicht so hohe Gehälter bekommen müsste. Der BGL-Vorsitzende sagte, dass es kein gesundes System sei, wenn z. B. ein Dreher DM 700 und ein Postler DM 250 verdiene.

Ein Teil der Rentner diskutiert im Zusammenhang mit der Volkswahl, dass unbedingt die Renten erhöht werden müssen. Ein Altersrentner aus Ichtershausen, Kreis Arnstadt, [Bezirk] Erfurt, sagte z. B.: »Hoffentlich kommen nun welche an die Regierung, die unsere Renten etwas erhöhen. Es sind doch alles Arbeiter, aber für uns haben sie nichts mehr übrig, und wieviel Jahre haben wir Gewerkschaft bezahlt. Alles hat der Hitler für den Krieg verbraucht. Aber es sind doch nun schon zehn Jahre, dass der Krieg vorbei ist. Man sollte die Prämiengelder abschaffen und sie den Altersrentnern geben, das würde uns schon helfen.«

Über die Streikbewegung in Westdeutschland wird meist positiv gesprochen. Jedoch sind dabei die in verhältnismäßig kleinen Umfang festgestellten feindlichen Argumente interessant. Diese kommen in der Form zum Ausdruck, dass man nicht sehen will, warum die westdeutschen Arbeiter streiken, sondern hervorgehoben wird, dass in Westdeutschland gestreikt werden »darf«. So brachte ein selbstständiger Friseurmeister aus Zschopau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, zum Ausdruck: »Es ist wirklich zu bewundern, wie die Arbeiter drüben streiken dürfen, bei uns dürfte sich das der Arbeiter bestimmt nicht erlauben.«18

Im Vordergrund der Gespräche stehen häufig wirtschaftliche Fragen, die zum Teil vom Gegner zur Erzeugung feindlicher Stimmen ausgenutzt werden.

Im Kreis Zeulenroda, [Bezirk] Gera, werden von den Hausfrauen in den Lebensmittelgeschäften negative Diskussionen über das bestehende Preisniveau geführt. Es wird verlangt, dass die HO-Preise bei uns endlich den Preisen in Westdeutschland angeglichen werden. Des Weiteren wird bemängelt, dass verschiedene Obst- und Gemüsesorten nicht zu haben sind, wobei betont wird, »im Westen gibt es alles«.

Im Bereich der Konsumgenossenschaft Bautzen geht das Gerücht um, dass nur ein halbes Prozent Rückvergütung für die Mitglieder zur Auszahlung gelangt.19 Am Sonnabend gab es bereits starke Diskussionen in den Verkaufsstellen. Man brachte zum Ausdruck, dass man dann ebenso in die Privatgeschäfte gehen könnte und sich den Anteil bei der Konsumgenossenschaft auszahlen lässt. Es sei schon so, dass ein ganzer Teil Waren in den Privatgeschäften billiger als im Konsum ist. Weiterhin würden sich auch die Waren qualitätsmäßig unterscheiden. Der Privathändler würde bessere Qualitäten führen.

Über die Räumung des Objektes Karlshorst20 durch unsere Freunde unterhielten sich vor einem HO-Geschäft in der Berliner Straße einige Hausfrauen. Diese brachten unter anderem zum Ausdruck: »Wir Arbeiter bekommen dort doch keine Wohnungen, höchstens ein paar ›Reklamearbeiter‹ wie in der Stalinallee.21 In das Sperrgebiet ziehen nur die Bonzen oder die Sachsen wie bei uns. – Ihr braucht ja nur mal um die Ecke zu gehen, da könnt ihr die Drahtverhaue und Wachtürme sehen, wie in einem KZ. Und das mitten in Berlin (Hohenschönhausen). Der halbe Orankesee22 ist heute noch eingezäunt. Noch schlimmer ist es in Pankow.23 Da schützen sie sich vor der Liebe des Volkes mit einer hohen Mauer.«

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverteilung

SPD-Ostbüro:24 Cottbus 100, Karl-Marx-Stadt 11, Gera 415, Schwerin 6 000, Rostock 5 000 (alt), Neubrandenburg 3 000.

KgU:25 Neubrandenburg 310.

NTS:26 Neubrandenburg 3 010.

UFJ:27 Rostock 72.

CDU-Ostbüro: Neubrandenburg 3 000 (alt).

Versch[iedener] Art: Karl-Marx-Stadt 28, Dresden 82, Neubrandenburg 50.

Antidemokratische Tätigkeit

Im VEB Stahlwerk Silbitz, Kreis Eisenberg, [Bezirk] Gera, wurde ein Bildnis des Genossen Ernst Thälmann28 mit einem Hakenkreuz beschmiert.

Im VEB Elektrowärme Sörnewitz, [Bezirk] Dresden, wurde wiederum eine Hetzparole »EWS – Bolschewismus – Ausbeutungspakt«29 angeschmiert.

In den Gemeinden Beiersdorf und Lauterbach, Kreis Großenhain, [Bezirk] Dresden, wurden vier Plakate, die auf die Rechenschaftslegung hinweisen, beschädigt.

Vermutliche Feindtätigkeit

Von unbekannten Tätern wurden auf dem VEG Ferdinandshof, [Bezirk] Neubrandenburg, die Schweinehütten geöffnet, wodurch die Schweine ins Freie gelangten. Da in dem VEG Ferdinandshof Schweinepest ausgebrochen war, wird vermutet, dass durch das Herauslassen der Tiere die Krankheit weiter verbreitet werden soll.

Anlage 1 vom 18. August 1954 zum Informationsdienst Nr. 2290

Stimmung zur Pressekonferenz mit Dr. John und deren Auswirkungen

Diskussionen über den Fall John haben einen geringen Umfang und sind überwiegend positiv. In den Äußerungen wird auf die große Bedeutung des Schrittes Dr. Johns im Kampf um die Einheit Deutschlands hingewiesen. Des Weiteren gönnt man der Adenauer-Regierung30 diese Schlappe und freut sich, dass John vor der Weltöffentlichkeit so offen über die Faschisierung und Kriegspolitik der Bundesrepublik gesprochen hat. So sagte z. B. ein Arbeiter aus dem VEB Falkensteiner Gardinenfabrik Kreis Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Dr. John zeigte auf der Pressekonferenz dem deutschen Volk die volksfeindliche Rolle der Adenauer-Regierung klar auf. Er hat mit seinen Enthüllungen Adenauer in Bezug auf seine Kriegspolitik die Suppe tüchtig versalzen.«

Ein Angestellter aus dem Ketten- und Nagelwerk,31 Kreis Weißenfels, [Bezirk] Halle: »Nun ist der Fall John kein Mysterium mehr, denn die Vertreter der westdeutschen und der Weltpresse haben ihn selbst gesehen und sprechen gehört. Dadurch sind alle Lügen der westdeutschen Presse über Dr. John geplatzt. Er ist nicht in der DDR verhaftet, sondern läuft frei herum, besucht die Stalinallee.«32

Ein Arbeiter vom Schacht 254 Objekt 6 der Wismut AG:33 »Mit der Flucht Dr. Johns ist der Adenauer-Regierung ein Pferdchen ausgerissen, welches sie nicht mehr einfangen können. Für unseren Friedenskampf ist der Schritt von Dr. John von unschätzbarer Bedeutung. Hingegen in der westlichen Welt hat dies einen ungeheuren Staub aufgewirbelt und eine große Verwirrung hervorgerufen.«

Ein Arbeiter aus dem Kraftwerk Finow, [Bezirk] Frankfurt: »Jetzt nach der Pressekonferenz wird wohl allen klar sein, dass Dr. John seinen Schritt, in die DDR zu gehen, reiflich überlegt hat. Er ist ein Mensch mit Lebenserfahrung und will uns ein neues 1933 oder ein neues 1945 ersparen.«

Ein Arbeiter aus dem VEB TEWA-Möbelbeschläge in Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam: »Wenn Dr. John seine gesicherte Stellung in Westdeutschland aufgab, so ist das ein Beweis dafür, dass in der Bonner Regierung etwas faul sein muss und ungeheure Dinge gegen das deutsche Volk geplant sein müssen.«

Eine Angestellte aus dem VEB Röhrenwerk Neuhaus, [Bezirk] Suhl: »Dr. John sah ein, wohin die Politik Adenauer führt und zog daraus seine Lehren. Er kam in die DDR und zeigte vor der Weltöffentlichkeit die verbrecherische Tätigkeit der Adenauer-Clique auf.«

Ein parteiloser »Held der Arbeit« aus dem Kali-Werk »Glückauf« Sondershausen, [Bezirk] Erfurt: »Wenn ich auch nicht alles glaube, was bei uns geschrieben wird, schließe ich mich den Ausführungen Dr. Johns an, dass in Westdeutschland die Faschisierung weit vorangeschritten ist.34 Leider stehen breite Schichten der Bevölkerung dieser Entwicklung gleichgültig gegenüber, wozu die westdeutsche Propaganda viel beiträgt, weil die wahren Ziele der Bonner Regierung verschwiegen werden.«

Eine Angestellte von der Konsumgenossenschaft Kyritz, [Bezirk] Potsdam: »Was Dr. John betrifft, sieht man ganz deutlich, wie es wirklich im Westen aussieht. Solche Persönlichkeiten wie Dr. John haben die Kriegsgefahr, die von Westdeutschland ausgeht, erkannt und kommen zu uns in die DDR

Ein Angestellter aus Quedlinburg, [Bezirk] Halle: »Dr. John hat in seinen Ausführungen die kriegerische Bedeutung der EVG und seinen Übertritt in die DDR klargestellt. Doch die westdeutsche Presse und der Rundfunk melden immer noch, dass Dr. John unter Hypnose gestanden habe oder irgendwelche Medikamente eingenommen und er seine Rede nicht selbst ausgearbeitet hat. Es ist plump und schmutzig zugleich, Dr. John als unzurechnungsfähig hinzustellen, wo er eine solche wichtige Funktion in der Bundesrepublik ausübte.«

Ein Lehrer von der Oberschule Rudolstadt, [Bezirk] Suhl: »Die Erklärungen Dr. Johns, warum er in die DDR gekommen ist, bestärken alle fortschrittlichen Menschen im Kampf gegen die Wiedererstehung des Faschismus und Militarismus in Westdeutschland. Die Machenschaften Adenauers und die Kriegsvorbereitungen der USA wurden von ihm vor aller Welt bloßgestellt. Die Erklärung Dr. Johns ist uns aber auch zugleich ein Beweis dafür, auf welch schwachen Füßen in Wirklichkeit die Bonner Republik steht.«

Ein Neubürger aus dem Kreis Greiz, [Bezirk] Gera: »Die Entscheidung und die Handlung von Dr. John zeigt, dass dieser kluge Mann sich von den Kriegstreibern in Westdeutschland absetzte, um in der DDR für die Einheit und den Frieden arbeiten zu können.«

Ein Traktorist von der MTS Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt: »Die Ausführungen Dr. Johns auf der Pressekonferenz müssten jedem Zweifler die Augen geöffnet haben, mit welchen Mitteln Bonn einen neuen Krieg vorbereitet und die Menschen durch Lügen über die DDR versucht, für einen neuen Krieg reif zu machen.«

Ein Traktorist der MTS in Weferlingen, [Bezirk] Magdeburg: »In Westdeutschland ist die Lage wie vor 1933. Dr. John hat erkannt, dass Adenauer die Nazis wieder an die Macht bringen will und schon wieder zum neuen Krieg Vorbereitungen trifft. Das zeigt uns, dass wir den richtigen Weg gehen und dass wir verstärkt für die Einheit Deutschlands kämpfen müssen.«

Ein Angestellter vom VEG Klein-Krauscha, [Bezirk] Dresden: »Es ist ein Zeichen der Fäulnis und des Zerfalls im Adenauer-Staat, wenn solche führenden Persönlichkeiten wie Dr. John mit ihrer früheren Tätigkeit brechen und sich zu uns in die DDR begeben. Das ist ein schwerer Schlag gegen die westlichen Kriegsverbrecher.«

Es gibt einige zweifelnde Stimmen, die nicht von der ehrlichen Absicht Dr. Johns überzeugt sind. So erklärte z. B. ein Arbeiter aus der Peene-Werft, [Bezirk] Rostock: »Ich stehe der Handlungsweise Dr. Johns sehr skeptisch gegenüber und bezweifle, dass er diesen Schritt aus wirklicher Überzeugung getan hat.«

Ein Angestellter vom Kreiskonsum Lobenstein, [Bezirk] Gera: »Da Dr. John in Westdeutschland eine schöne Stellung und ein gutes Auskommen hatte, kann es doch nur so sein, dass sein Schritt eine andere Bewandtnis hat. Ich bezweifle, dass er aus innerer Überzeugung gekommen ist.«

Ein Angestellter des Hauptpostamtes Schleiz, [Bezirk] Gera: »Es kann doch durchaus möglich sein, dass Dr. John der Boden unter den Füßen zu heiß geworden ist und er Angst vor der Vergeltung gehabt hat und deshalb zu uns in die DDR gekommen ist.«

Es wurden nur vereinzelt negative bzw. feindliche Äußerungen bekannt. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Personen die Handlungsweise Johns verurteilen und wünschen, dass er eines Tages dafür zur Rechenschaft gezogen wird.

Ein Bauer aus Geismar, [Bezirk] Erfurt: »Wenn es wieder einmal andersrum kommt, dann werden sie eines Tages diesen Dr. John schnappen, dann wird es ihm aber nicht gutgehen.«

Ein Angestellter aus Sondershausen, [Bezirk] Erfurt: »Ich bezweifle, dass Dr. John für uns eine große Errungenschaft ist. Wir schätzen doch diejenigen, die sich von der DDR nach Westdeutschland absetzen, auch als Lumpen ein.«

Ein Arbeiter aus Beeskow, [Bezirk] Frankfurt: »Dr. John wird solange ausgepresst, bis man alles weiß. Wenn er nicht will, dann wird er wieder zurückgeschickt und deshalb erzählt er. Er wird ein paar Jahre nicht zu arbeiten brauchen, denn er hat jetzt genug Geld herausgeschlagen.«

Ein Mitglied der NDPD aus Hohndorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn Dr. John ehrlich seine Arbeit verrichtet hätte, wäre er nicht bespitzelt worden und brauchte infolgedessen nicht in die DDR zu flüchten.«

Anlage 2 vom 18. August 1954 zum Informationsdienst Nr. 2290

Westdeutsche Stimmen zum Fall Dr. John

In den positiven Stellungnahmen wird zum Ausdruck gebracht, dass der Fall John in den westdeutschen Regierungskreisen sowie bei den Besatzungsmächten große Aufregung und Verwirrung ausgelöst hat. Des Weiteren drückt sich in diesen Äußerungen aus, dass sie diese Schlappe der Adenauer-Regierung gönnen. So sagte z. B. ein Arbeiter aus Cuxhaven: »Eine Sensation ist unser getürmter Spionageabwehrchef. Dies ist zugleich das hämische Gelächter des ganzen Landes und ich glaube, nur in der Bundesregierung trägt man Trauer. Ich bin der Meinung, dass jede Regierung den zu ihr passenden Sicherheitschef hat. Ich freue mich für Westdeutschland, dass es so gekommen ist.«

Ein Arbeiter aus Fulda: »Jedenfalls finde ich es typisch für unsere Regierung, dass man einen Mann mit einem Posten betraut, für den man ihn für fähig hält, was er auch war. Unsere Befreier waren jedenfalls von seinen Leistungen überzeugt. Jetzt, da er die Konsequenzen zog, ist er der Verräter, der Mann, der sowieso nichts taugte. Auf jeden Fall freut sich ein großer Teil über den Schlag unserer Regierung.«

Ein Geschäftsmann aus Mössenen:35 »Ich lehne gewisse Dinge im Osten entschieden ab, fühle mich deshalb aber nicht verpflichtet, den Westen in den Himmel zu heben. Ich verurteile schärfstens die Arroganz, mit der auf den Osten herabgeschaut wird. Diese Einstellung ist letzten Endes nur Ausdruck geistiger Primitivität, die sich ihre Argumente aus der Tatsache eines unterschiedlichen Warenangebotes holt. Dass die Dinge allerdings nicht ganz ohne Schaden in solcher Weise simplifiziert werden dürfen, dürfte gewissen Herrschaften ihr oberster Verfassungswächter John gezeigt haben. Manchmal sollen Heilerfolge auch durch die Wirkung eines Schockes erreicht werden. Schockiert kommt selbst Adenauers Leib- und Magenblatt36 heraus. Unter Heilerfolgen verstehe ich ein Abgehen von der verkrampften Haltung in Bonn. Ich halte nichts von der Politik der Stärke.«

Ein Geschäftsmann aus Pastetten: »Über das Verschwinden des Herrn Dr. John freue ich mich im Stillen, denn es zeigt wieder einmal, was für Männer in Bonn sitzen und wie wurmstichig alles dort ist. Postenjägerei, Minister ohne Bereich, nur dass die nötige Stimmenzahl zusammenkommt und die Postenjägerei genügend befriedigt wird. Es ist alles wieder auf Ein-Mann-System abgestellt und dieser Kreis betreibt eine einseitige sture, amerikanische Politik und vergisst, dass wir nicht in den USA leben, sondern an die UdSSR grenzen.«

Ein Arbeiter aus Mainz: »Dr. John hat deswegen Westdeutschland verlassen, weil er feststellen musste, dass in den Kreisen des politischen Geheimdienstes dieselben Gestapoleute, welche bei Hitler schon im Einsatz waren und die Widerstandskämpfer unter anderem auch John verfolgt und misshandelt haben, wieder am Ruder sind.37 John ging deshalb in die DDR, weil er gemerkt hat, dass die Regierung Adenauers ihn für einen neuen Krieg missbrauchen wollte.«

Ein Angestellter aus Hamburg: »Die Affäre John hat hier viel Staub aufgewirbelt und die Gemüter sehr beunruhigt. Nach meiner Meinung geht hinter dem Vorhang manches vor sich, dessen Auswirkungen nur zu bald in Erscheinung treten werden.«

Ein Arbeiter aus Essen: »Wenn man das Ergebnis von Genf betrachtet,38 dann sieht man immer klarer die Zukunft vor uns liegen. Das haben hier im Westen bereits Leute erkannt, die gestern noch zu Adenauers Busenfreunden zählten. Ich denke dabei an diesen Dr. John. Dieser Fall hat eine große Verwirrung hier im Westen ausgelöst. Das sind alles Beweise, dass wir auf dem rechten Wege sind und immer mehr Menschen werden erkennen, wohin Adenauers Weg mit der EVG führt.«

Ein Jugendlicher aus Hamburg: »Der Fall John hat in Bonn wie eine Bombe eingeschlagen. Einige Minister sind von ihrem Urlaub zurückgekommen. Adenauer, der sich im Urlaub befindet, ist in ständiger Verbindung mit Bonn. Es freut mich sehr, dass einer von den wenigen, die über die geheimsten Sachen Bescheid wussten in das Lager des Friedens übergegangen ist.«

In einem Westberliner Flüchtlingslager wurde folgendermaßen über den Fall John diskutiert: »Für uns ist der Westen eine große Enttäuschung. Wir befinden uns im Flüchtlingslager in einer großen Notlage. Adenauer hat durch den Fall John eine große Niederlage erlitten und es wäre nur zu wünschen, dass er noch mehr einstecken muss. Durch den Fall John werden die Flüchtlinge ermutigt, in die DDR zurückzukehren. In dieser Woche sind allein in unserem Lager 60 Personen zurückgegangen.«

In den negativen bzw. feindlichen Stimmen zeigt sich eine Ablehnung gegenüber der Handlungsweise Dr. Johns. Man bezeichnet ihn als Verräter und bringt zum Ausdruck, dass die Bundesrepublik an ihm nichts verloren hat. So sagte z. B. ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzamtes: »Ich bin überzeugt, dass John freiwillig in die DDR gegangen ist, hat er doch schon einmal Deutschland verraten.«39

Ein Mitglied der FDP: »Mir ist es unerklärlich, dass John in die DDR gegangen ist. Er hätte doch bestimmt eine andere Funktion bekommen, wenn er wirklich von seinem Posten abgesetzt worden wäre. Dieser Fall wird bestimmt weitere Kreise nach sich ziehen, da der Amerikaner schon einiges eingeleitet hat. Ich nehme an, dass die deutschen Stellen sich nur noch mit deutscher Politik beschäftigen werden, während das andere durch die Amerikaner selbst geregelt wird.«

Ein Angestellter der Bundesbahn: »Die westdeutschen Behörden sind schon über diesen Fall John darüber hinweg. Er wird drüben eines Tages abgeschoben werden, wenn er genügend erzählt hat.«

Ein Angestellter aus Hamburg: »Die Engländer haben diesen Dr. John der Bonner Regierung aufgedrängt. Nun ist dieser Lümmel ausgerissen und klärt die Russen auf. Erst ist er 1944 zu den Tommys übergelaufen und trat dann im Nürnberger Prozess als Ankläger auf. Dieser Bandit trug einmal Offiziersuniform.«

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