Zur Beurteilung der Situation
18. September 1954
Informationsdienst Nr. 2317 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Die Preissenkung1 und die Volkswahlen2 stehen im Vordergrund der Diskussionen über politische Tagesfragen, wobei der Umfang jedoch gering ist. Daneben wird ganz vereinzelt zum Scheitern der EVG,3 zur Erklärung des Außenministeriums der UdSSR4 und über die Leipziger Messe5 gesprochen. Sämtliche einzelnen Diskussionen hierzu sind positiv.
Die Diskussionen über die Preissenkung und über die Volkswahlen haben sich im Inhalt gegenüber den Vortagen nicht verändert. Zu den Volkswahlen werden weiterhin meist zustimmende Erklärungen zur einheitlichen Kandidatenliste und Verpflichtungen, die Kandidaten zu wählen, sowie Produktionsverpflichtungen zu Ehren der Volkswahl abgegeben.
Die Kollegen der Karbidfabrik des Buna-Werkes6 wählten in Kurzversammlungen die Delegierten zur Bezirkskonferenz mit den Kandidaten. Dabei wurde über die Vorschläge der Delegierten ernsthaft diskutiert und viel Wert auf eine gute Auswahl der Delegierten gelegt.7
Im Bahnbetriebswerk Jüterbog und im VEB Schloss- und Metallwarenfabrik Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, haben sich mehrere Brigaden verpflichtet, anlässlich der Volkswahl die Produktionsrückstände aufzuholen. Außerdem wollen sie am 17. [Oktober 1954] bis 10.00 Uhr ihre Stimme für die Kandidaten abgeben.
Von der Karriere Gauern,8 [Kreis] Gera, haben sich fünf Brigaden verpflichtet, ihre Stimme zur Volkswahl bis 10.00 Uhr abzugeben. Die gleiche Verpflichtung übernahmen mehrere Kollegen aus der Bohrabteilung 1 Paitzdorf, [Bezirk] Gera. Vier Maurerbrigaden des Braunkohlenwerkes Lauchhammer/Ost, [Bezirk] Cottbus, wollen die Maurerarbeiten zur Inbetriebnahme eines Kessels zwei Tage vorfristig erfüllen.
Teilweise bestehen Unklarheiten über den Charakter der Wahlen,9 wodurch es zu einer ablehnenden Haltung gegenüber der Einheitsliste kommt. Ein Kollege aus dem Wismut-Schacht 186,10 Objekt 9, in Aue vertrat die Meinung, dass in Westdeutschland jede Partei ihre Kandidaten frei aufstellen könne und es nicht nur eine Wahlliste gebe, wodurch jeder den wählen kann, welchen er will. Dies sei nach seiner Ansicht demokratisch.
Ein Dolmetscher von der Reichsbahngüterabfertigung in Frankfurt/Oder: »Die Wahlen sind noch nicht richtig, denn keine Partei kann Opposition gegen die andere machen. Es ist doch nur eine allgemeine Volksabstimmung.«
Ein Kollege aus der Farbenfabrik Wolfen, [Bezirk] Halle: »Die Volkswahlen haben auch wenig Zweck. Was soll schon dabei herauskommen. Wir wollen keinen Krieg, aber die ›Großen‹ wollen ihn, wofür ihnen die Uneinigkeit Deutschlands vorteilhaft ist.«
Vereinzelt äußert man sich feindlich gegen die Einheitsliste und in diesem Zusammenhang gegen unsere Regierung und die Lebenslage in der DDR.11 Ein Sanitäter vom Wismut-Schacht 207 in Aue: »Unsere Minister sind nicht vom Volke gewählt, sondern von der Sowjetunion eingesetzt worden. Die kommende Wahl wäre deshalb nur eine Bestätigung dem Westen gegenüber, dass unsere Minister vom Volk gewählt seien. In Westdeutschland wurden die Regierungsspitzen durch Stimmenmehrheit gewählt.«12
Einige Kollegen der kaufmännischen Abteilung vom VEB ABUS in Gotha, [Bezirk] Erfurt: »Bei uns gibt es nur einheitliche Listen und es steht schon vorher fest, wer gewählt wird. Es hat doch dann gar keinen Zweck, zur Wahl zu gehen. Warum macht man denn überhaupt noch solche Wahlen.«
Ein parteiloser Brigadier vom Kraftwerk Finow, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Unser System geht bald zugrunde. Durch die Wahlen versucht man es noch aufrechtzuerhalten. Deshalb werden sie so verlaufen, wie es die Regierung bereits geplant hat.«13
Ein Kollege von der Reichsbahn in Wismar: »Die SPD hat in Schleswig-Holstein einen beträchtlichen Stimmenzuwachs erhalten.14 Wenn bei uns freie Wahlen durchgeführt würden, dann hätte man hier auch nicht so viele Kommunisten.«15
Ein Maurer aus Gülzow, [Bezirk] Neubrandenburg: »Wir müssen noch 16 Preissenkungen bei uns durchführen,16 ehe wir mit den Preisen in Westdeutschland gleichgestellt sind. Ich bin des Öfteren schon in Westberlin gewesen und habe mir von dort Butter geholt. Das ist wenigstens Butter. Was man uns über den Lebensstandard in der DDR erzählt, ist nur Propaganda für die Volkswahlen.«
Verschiedentlich ist die Anteilnahme der Werktätigen an der Rechenschaftslegung17 sehr schwach. Weiterhin wird dabei nur sehr selten über die Bedeutung der Volkswahlen diskutiert, sondern fast ausschließlich über wirtschaftliche und betriebliche Schwierigkeiten und Mängel. Bei der Rechenschaftslegung am 14.9.[1954] im »Karl-Liebknecht«-Werk Magdeburg waren von 1 000 Beschäftigten nur 30 anwesend, hauptsächlich Intelligenzler. Von der BGL war die Versammlung schlecht organisiert worden. In der Diskussion, die sehr gering war, wurde nur über die Preisbildung, schlechte Warenstreuung und betriebliche Mängel diskutiert.
Bei der Rechenschaftslegung im Energiebezirk Potsdam äußerte ein Arbeiter: »Nun wollen wir mal Schluss machen mit der Politik und von unseren Sorgen sprechen«. Danach beklagten sich die Diskussionsredner hauptsächlich über ihre Entlohnung, die schlechter als bei der Eisenbahn sei, da die Eisenbahner durch Leistungslohn auf höhere Verdienste kämen. Man brachte weiterhin zum Ausdruck, dass man kündigen wolle und »dass die Arbeiter in Westberlin wenigstens um höhere Löhne streiken können«.18
Im Vordergrund der Diskussionen stehen betriebliche Fragen, die teilweise zu Missstimmungen unter den Werktätigen führen. Dies sind besonders Lohnfragen. Auf verschiedenen Bahnhöfen von Dresden sowie in Pirna besteht besonders unter den Rangierern eine Unzufriedenheit, da sie infolge Arbeitskräftemangels die Arbeit für die Fehlstellen mitübernehmen müssen. Der Arbeitskräftemangel ist hervorgerufen worden durch die niedrige Bezahlung bei der Reichsbahn und kann deshalb auch schlecht beseitigt werden.
Im Sprengstoffwerk Gnaschwitz, [Bezirk] Dresden, sind die Kollegen mit ihrer Entlohnung unzufrieden, da sie infolge ihrer Produktion nicht im Leistungslohn arbeiten können und deshalb weniger verdienen würden als die Kollegen anderer Betriebe.
Im Betriebsbahnhof der Straßenbahn Magdeburg – Sudenburg sind die Kollegen über die Entlohnung unzufrieden. Angeblich wurde ihnen von verantwortlichen Kollegen des Rates der Stadt eine Neuregelung des Lohnes versprochen, was jedoch nicht geschehen ist. Infolgedessen ist auch die politische Arbeit sehr zurückgegangen. So konnten z. B. in letzter Zeit zwei Parteiversammlungen nicht durchgeführt werden, weil nur zwei bis drei Genossen erschienen waren.
In einer Versammlung im Bahnbetriebswerk Magdeburg-Rothensee äußerte der BGL-Vorsitzende, dass die Bezahlung der technischen Intelligenz zu hoch sei. Dies wurde von den anwesenden 60 Kollegen zustimmend aufgenommen.
Dem VEB Synthesewerk Schwarzheide, [Bezirk] Cottbus, wurde durch die DHZ Senftenberg die Brikettzuteilung auf täglich 350 t gekürzt, wodurch die Erfüllung des Planes gefährdet ist. Für ca. 1 000 Arbeiter wird, da es keine Normerfüllung zurzeit gibt, ein finanzieller Verlust von monatlich ca. 50,00 DM entstehen. Dadurch ist unter den Kollegen eine äußerst schlechte Stimmung vorhanden.
Im VEB Schott Jena sind die Kollegen über die hohen Prämien für Meister und Abteilungsleiter unzufrieden. Inzwischen hat eine Kommission die Leistungen überprüft und bei einigen Meistern Kürzungen vorgenommen, worüber diese unzufrieden sind.
Produktionsschwierigkeiten
Im VEB Kfz-Werk Horch in Zwickau ist die Belieferung mit Lenkstücken aus Triptis19 sehr mangelhaft. Außerdem mangelt es an Fahrerhäusern für Lkw. Für September fehlen noch 560 Stück. Für 140 fertige Fahrzeuge fehlt Glas in den Fahrerhäusern.
Im VEB Jutespinnerei Meißen, [Bezirk] Dresden, reicht der Kohlenvorrat nur noch zwei Tage. Die DHZ Kohle in Dresden fühlt sich nicht zuständig dafür und hat den VEB an die DHZ Leipzig verwiesen, diese wiederum an die DHZ Senftenberg.
Produktionsstörungen
In der EMAG Bautzen ist der Kran in der Gießerei für zwei Tage ausgefallen, wodurch die Abteilung stillsteht. Dieser Kran wurde vom VEB Kranbau Köthen geliefert und bereits schon mehrmals beanstandet.
Am 17.9.1954 entgleiste in der Grube Berzdorf, Kreis Görlitz, ein Förderzug mit zwölf Wagen. Er kam auf abschüssiger Strecke infolge nasser Schienen ins Rutschen. Produktionsausfall 350 t Kohle.
Am 15.9.1954 entstand am Hochofen I im Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin« ein Durchbruch, wobei 7 t Eisen ausliefen. Produktionsausfall ca. 800 t Eisen.
Handel und Versorgung
Eine Lagerbegehung, Abteilung Elektrowaren, im HO-Warenhaus am Alex20 ergab, dass sich dort eine große Menge von unbrauchbaren Elektrowaren befinden, die nicht mehr verwendet werden können, aber im Bestand als vollwertig geführt werden. Diese Artikel lagern schon jahrelang dort und täglich kommen neue durch schlechten Einkauf dazu.
Im Bezirk Dresden besteht ein großer Engpass an Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge, besonders bei Reifen und Zündkerzen. Dazu äußerte ein Werkstattleiter (parteilos) einer Konsumgenossenschaft des Kreises Dresden: »Bei uns ist es schon soweit, dass wir von Wagen, die zur Reparatur hereinkommen, die Reifen abmontieren, damit der vorhergehende wieder fahrbereit wird.«
Verschiedentlich ist eine schlechte Warenbereitstellung zu verzeichnen, durch die die Bevölkerung missgestimmt wird. Zum Beispiel mangelt es zurzeit im Kreis Gransee, [Bezirk] Potsdam, an Frischfleisch und aus dem Grunde verwendet man für die Herstellung von Bockwürsten Gefrierfleisch. Die Bevölkerung ist mit dieser Regelung nicht einverstanden und verlangt, dass von zentraler Stelle aus eine bessere Verteilung des Frischfleisches vorgenommen wird (in anderen Kreisen ist genügend Frischfleisch vorhanden).
Im Bezirk Rostock wird von der Bevölkerung die Bereitstellung nicht genügender Frisch- und Räucherfischwaren bemängelt und im Kreis Gotha, [Bezirk] Erfurt, wird der Mangel an Frischeiern stark kritisiert. Es wird die Meinung vertreten, dass zur jetzigen Jahreszeit genügend Frischeier da sein müssten und dass nur eine Fehlplanung vorliegen kann.
Landwirtschaft
Nach wie vor wird unter der Landbevölkerung in geringem Maße zu aktuellen politischen Problemen Stellung genommen. Im Mittelpunkt der politischen Diskussionen stehen die Vorbereitungen zur Volkswahl. Die Äußerungen tragen überwiegend positiven Charakter. Es kommt auch zu Ehren der Volkswahl zu immer zahlreicheren Verpflichtungen, besonders im sozialistischen Sektor, aber auch unter den werktätigen Einzelbauern. So verpflichtete sich z. B. die LPG Wolfzahl,21 [Bezirk] Schwerin, 15 000 Liter Milch, 7 000 Eier, 2 000 kg Schweinefleisch und 8 dz Ölsaaten der Volksernährung zusätzlich zur Verfügung zu stellen.
Nur vereinzelt kommt es zu negativen und abfälligen Äußerungen über die Volkswahl. Das Hauptargument dabei ist, dass bei uns keine wahre Demokratie herrschen würde und demzufolge die Wahlen nur Theater seien. Zum Beispiel werden in der Gemeinde Weitersroda, [Bezirk] Suhl, Diskussionen geführt: »Naja, wir müssen eben wählen, wenn auch die oben machen was sie wollen« oder: »Dadurch, dass man keine Parteien wählen kann, ist die Wahl sehr einseitig.«
Ein Großbauer aus Alteis,22 [Kreis] Großenhain, [Bezirk] Dresden: »Die Treibereien habe ich satt. Früher gab es so etwas nicht. Das nennt man nun Demokratie. Bei einer Wahl ohne Betrug wäre die Regierung futsch.«
Ein LPG-Bauer aus Radewege, Kreis Brandenburg: »Die Wahl wird wieder ein reines Affentheater, genau wie die anderen Wahlen. Es ist schade um das Geld, was man dafür ausgibt. Es gibt bei uns keine Demokratie, sondern nur Druck.«
Weiterhin ist zu verzeichnen, dass teilweise die Versammlungen zur Vorbereitungen der Volkswahlen schlecht besucht sind, was teils an der ungenügenden Vorbereitung und zum anderen am mangelhaften Interesse liegt. Die Bauern kommen mit Entschuldigungen, wie z. B.: »Wir haben abends keine Zeit, wir müssen das Vieh füttern.«
In Diskussionen, u. a. in Versammlungen, taucht immer wieder, besonders von Großbauern, die Forderung nach der »freien Wirtschaft« auf. In einer Rechenschaftslegung in Dübrichen, [Bezirk] Cottbus, sagte ein Bauer: »Lasst uns frei wirtschaften, dann werden wir zeigen, was wir können«. Ein anderer äußerte: »Wenn wir vorwärtskommen wollen, ist die ›freie Wirtschaft‹ die einzige Lösung.«
Ein Großbauer aus Pickenhain,23 [Kreis] Geithain, [Bezirk] Leipzig: »So lange das Abgabesoll bei uns noch besteht, werden wir Bauern nie froh. Sie sollen uns nur wirtschaften lassen, wie wir wollen, dann geht es uns auch besser. Mein Sohn lebt in Westdeutschland als Bauer bedeutend besser.«
Das Interesse gilt vorwiegend den wirtschaftlichen Fragen, dabei stehen die Getreideablieferungen im Vordergrund. In der Gemeinde Mölbis, [Kreis] Borna, [Bezirk] Leipzig, wurde von den Bauern die Getreideablieferung gestoppt, mit der Begründung, dass ihnen die Sollauflage nicht bekannt sei und darüber hinaus, weil sie Entschädigungen für die Gaseinwirkungen auf das Getreide haben wollen (die Felder liegen in unmittelbarer Nähe des VEB Espenhain).24
In den Kreisen Gadebusch und Bützow, [Bezirk] Schwerin, wird unter den Bauern die Auffassung vertreten, dass mit der Getreideablieferung noch gewartet werden sollte, da anzunehmen wäre, dass vor der Wahl eine neue Regelung kommen würde, da die Regierung doch Interesse an einem guten Ergebnis der Wahl haben müsste.
Seit einigen Tagen ist, nach vorherigen guten Erfolgen, im Bezirk Cottbus eine Stockung bei der Ablieferung des Getreides eingetreten. Zum Beispiel wurden in den letzten Tagen im Kreis Herzberg nur 0,6 Prozent Getreide abgeliefert. Ebenfalls schlecht ist es in dem Kreis Jessen. Diese beiden Kreise stehen im Bezirksmaßstab an letzter Stelle. Die Ursache dafür ist, dass die Druschkapazität der einzelnen MTS nicht voll ausgelastet wird.
In einigen Kreisen des Bezirkes Magdeburg liefern die Großbauern nur sehr schleppend ab. Ihre Meinung ist, dass sie bis zum Jahresende mit der Ablieferung Zeit hätten. Ein Großbauer aus Kremkau, Kreis Kalbe, weigerte sich zu dreschen mit der Begründung, dass ihm die zugewiesene Dreschmaschine nicht gut genug sei und dass er lieber auf seine in Reparatur befindliche Dreschmaschine warten will.
In vielen Versammlungen der LPG und MTS sowie von Einzelbauern wird anerkennend über die Hilfe und Unterstützung seitens der Partei und Regierung bei der Einbringung der Ernte gesprochen. Zum Beispiel sagte der Vorsitzende von der LPG Buchholz, [Bezirk] Schwerin: »Ohne die Genossen von der KVP und vom SfS wäre es uns nicht möglich gewesen, die Ernte verlustlos einzubringen.«
Es sind nur Einzelbeispiele, wo die Hilfe von den Bauern abgelehnt wurde. Zum Beispiel empfing eine Mittelbäuerin aus Koppelow, [Bezirk] Schwerin, die KVP mit den Worten: »Verlasst sofort unseren Hof, denn ihr seid unsere Feinde.« (Zu bemerken ist, dass dieser Bauer vor dem 17. Juni 1953 nach Westdeutschland ging und Anfang dieses Jahres von dort zurückkehrte.)
Mängel und Schwierigkeiten
Im MTS-Bereich Schrenz, Kreis Bitterfeld, [Bezirk] Halle, bestehen Schwierigkeiten in der Beschaffung von Saatgut für Wintergerste. Trotzdem die VdgB Zörbig schon vor sechs Wochen auf die Bereitstellung hingewiesen hat. Die VdgB Laucha im Kreis Nebra, [Bezirk] Halle, erhielt 400 Zentner Saatkartoffeln von der DHZ Salzwedel, die bereits in Fäulnis übergegangen sind, da sie gleich vom Felde aus verladen wurden. Sie sind nur zu Futterzwecken zu verwenden.
In der Gemeinde Vollmershain, [Kreis] Schmölln, [Bezirk] Leipzig, lagern 200 dz Kartoffeln, die von der VEAB nicht abgenommen werden, mit der Begründung, dass sie nicht einwandfrei wären.
In Roßlau, [Bezirk] Halle, lagern 400 t mittelfrühe Kartoffeln, die bereits am Verfaulen sind. Die VEAB setzte sich deshalb mit der zuständigen Abteilung beim Rat des Bezirkes in Verbindung und erhielt von dort die Antwort: »Wir können die Kartoffeln nicht frei verkaufen.«
In der VEAB Sternberg, [Bezirk] Schwerin, lagern unter anderem 25 t Sojaschrot und 20 t Eiweißkonzentrat. Diese Futtermittel liegen seit Ende Mai in diesen Räumen. Eine Untersuchung ergab, dass sich bereits Milben bemerkbar machen.
In den Staatlichen Forstwirtschaftlichen Betrieben im Bezirk Suhl macht sich eine Abwanderung von Arbeitskräften bemerkbar, dadurch ist die Erfüllung der einzelnen Pläne im Holzeinschlag und [der] Walderneuerung ernstlich gefährdet. Die Ursachen der Abwanderungen sind, dass die Kollegen in der Industrie besser bezahlt werden.
Übrige Bevölkerung
Die Diskussionen unter der übrigen Bevölkerung zur Preissenkung sind gegenüber dem Vortage geringer geworden. Meist äußern sich Hausfrauen und Rentner, wobei diese Diskussionen meist positiv sind. Die Diskussionen zur Volkswahl sind noch immer gering. In negativen Diskussionen wendet man sich gegen die Aufstellung einer gemeinsamen Kandidatenliste. Ein Schlossermeister aus Bischofswerda, [Bezirk] Dresden: »Ich bin mit der Einheitsliste nicht ganz einverstanden. Ich möchte wohl die Einheit Deutschlands aber nach dem Muster Adenauers.«25
Einige Funktionäre bürgerlicher Parteien behindern die Vorbereitungsarbeiten zur Volkskammerwahl, wie es aus folgendem Beispiel ersichtlich ist. Ein CDU-Mitglied aus Strasburg, [Bezirk] Neubrandenburg, unterließ es, einem Referenten den Termin der Rechenschaftsversammlung bekanntzugeben, sodass die Versammlung ausfallen musste.
In Greifswald wird ein Gerücht verbreitet, wonach die Preissenkung bei etlichen Waren widerrufen wird, besonders bei Süß-, Schokoladen- und Kakaowaren.
Eine gegnerische Beeinflussung zeigt nachstehende Diskussion über die Neubauwohnungen in Jena. Eine Hausfrau aus Jena äußerte: »Ich würde in die Neubauwohnungen in der Maxim-Gorki-Straße nicht einziehen, da diese Häuser sehr schlecht gebaut sind. Ein Bekannter hat mir gesagt, dass alles Pfuscharbeit sei, was sie auf dem Bau machen müssten. Ferner sei die Tragfähigkeit der Decken so gering, dass nur eine begrenzte Anzahl von Personen sich auf einmal in einem Zimmer aufhalten könne. Auch dürfen keine schweren Möbel und vor allem keine Klaviere mitgebracht werden.«
In einer Einwohnerversammlung des Wirkungsbereiches 38 (Berlin-Pankow) führte ein Bürger aus, dass in Westberlin ein ständiges Anwachsen der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft26 zu verzeichnen ist. Er ist der Auffassung, dass dies nicht aus Freundschaft zur Sowjetunion geschehe, sondern um in den Besitz des Mitgliedsbuches zu kommen, da dieses dem DPA ähnlich sehe. Verkäuferinnen würden oft nur flüchtig auf den Ausweis beim Einkauf sehen, wodurch es Westberlinern somit möglich ist, im demokratischen Sektor einzukaufen.27
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
SPD-Ostbüro:28 Schwerin 250, Karl-Marx-Stadt 210, Dresden und Wismutgebiet mehrere.
NTS:29 Dresden 2 580, Potsdam 450.
In tschechischer Spr[ache]: Dresden 30, Karl-Marx-Stadt 10.
KgU:30 Karl-Marx-Stadt einige.
FDP: Karl-Marx-Stadt einige.
Die Hetzschriften wurden in den meisten Fällen sichergestellt und gelangten nicht in die Hände der Bevölkerung.
Die bekannten gefälschten Schreiben vom Nationalrat der Nationalen Front31 an Funktionäre der Blockparteien werden weiterhin zur Desorganisation der Rechenschaftslegungen in Vorbereitung der Volkskammerwahlen verschickt.
Diversionen: In einer Dreschmaschine, die in der LPG Schierstedt,32 [Bezirk] Halle, eingesetzt war, wurde ein Stück Eisen gefunden, das die Maschine unbrauchbar machte.
Am 17.9.1954 wurde im VEB Kemmlitzer Kaolinwerke in die Borsiganlage33 von unbekannten Tätern eine Konservendose hineingeworfen, wodurch ein Abdichtungshahn verstopfte34 und eine Betriebsstörung eintrat. Es entstand ein Produktionsausfall von 7 t Masse.
Vermutliche Feindtätigkeit
Im Seruminstitut Dessau wurden 1 750 Liter Impfstoffe gegen Rotlauf unbrauchbar gemacht. Der Schaden beträgt ca. DM 130 000. Ursache vermutlich Sabotage.35
Anlage 1 vom 17. September 1954 zum Informationsdienst Nr. 2317
Auswertung von Hetzschriften
KgU
In einem Hetzbrief unter der Überschrift »An die Verwaltungsfunktionäre und die ländliche Bevölkerung« wendet man sich gegen die Volkskammerwahl und bezeichnet diese als undemokratisch. Weiter will man der Bevölkerung weismachen, dass das Ergebnis der Volksbefragung »gefälscht« worden sei,36 so heißt es darin, »aus internen Sitzungen des ZK der SED ist bekannt, dass das wahre Ergebnis der Volksbefragung Angst und Schrecken hinterlassen hat«.
Ferner ruft man die ländliche Bevölkerung darin auf, die Stimmen ungültig zu machen und fordert sie auf, vorsichtig zu sein, indem man schreibt, »schweigt bei derartigen Handlungen, selbst Eurem engsten Nachbarn gegenüber. Bejaht nach außen hin das System, aber seid innerlich sein Feind.«
Darin gibt man auch Anweisung, wie sich die Landbevölkerung bei den Agitationseinsätzen zur Volkswahl verhalten soll. Hierzu schreibt man: »Wenn die sogenannten Agitatoren zur Volkskammerwahl bei Euch erscheinen, macht sie – wie immer – darauf aufmerksam, dass man Euch, wenn Ihr produzieren wollt, auch die nötigen Hilfsmittel zur Verfügung stellen muss, denn die Natur lässt sich nicht durch Propaganda beeinflussen.« Am Schluss des Hetzbriefes versucht man »anonyme Mitarbeiter« für die KgU zu werben.
Anlage 2 vom 17. September 1954 zum Informationsdienst Nr. 2317
Auswertung der Westsendungen
In einer Sendung des RIAS, die sich mit der in Leipzig stattgefundenen Arbeiterkonferenz befasst, versucht man in der Form gegen die Aktionseinheit zu hetzen,37 indem behauptet wird, dass die Arbeiter in Westdeutschland größere Rechte als die Werktätigen in der DDR hätten, deshalb sollte sich die »SED« weniger um die Arbeiterschaft Westdeutschlands bemühen, sondern in erster Linie dafür sorgen, dass die Arbeiter bei uns zu ihren gewerkschaftlichen Rechten kommen. Als »Beweis« führen sie z. B. an, dass in Westdeutschland gestreikt werden dürfte und im Gegensatz dazu bei uns: »… der 17. Juni [1953] hat mit brutaler Deutlichkeit gezeigt, wie die SED auf die Anwendung jener gewerkschaftlichen Kampfmittel reagiert.«
In einigen Sendungen des RIAS wird gegen den Beschluss unseres ZK gehetzt, der besagt, dass im letzten Planjahr des 5-Jahrplanes die Arbeitsproduktivität um 10 Prozent gesteigert werden soll.38 Sie behaupten, daraus ergebe sich in der Folge eine Normerhöhung. Als »Beweis«, dass sich hinter dem Beschluss eine Normerhöhung verbirgt, melden sie: »… Auf kurzfristig anberaumten Konferenzen werden Wege erörtert, wie durch Angleichung der Arbeitsnormen in verschiedenen Arbeitszweigen eine Normerhöhung bis zu 10 Prozent erzielt werden könnte.«
In der weiteren Folge der Sendungen versuchen sie die Arbeiter von Selbstverpflichtungen zu Ehren der bevorstehenden Volkswahl abzuhalten, indem sie fordern: »… bringen Sie – gemeint sind angebliche39 Mängel in den Arbeitsschutzbestimmungen – diese Mängel zur Sprache, wenn man Ihnen das Produktionsaufgebot zu Ehren der Volkswahlen schmackhaft machen möchte. Es ist Ihr gutes Recht, Arbeitsbedingungen zu kritisieren, die nicht den Vorschriften der Arbeitsschutzgesetzgebungen entsprechen«.
Der RIAS argumentiert, dass es bei uns entweder den Weg der Nichterfüllung des »Solls« bei normalen Arbeitsschutzbedingungen oder eine Planerfüllung bei Verletzung der Arbeitsschutzbestimmungen geben würde.
Landwirtschaft
In einer anderen Sendung wendet sich der RIAS an die Einzelbauern mit der Absicht, sie von der weiteren Steigerung der ha-Erträge für das Jahr 1955 – was ebenfalls der Beschluss unseres ZK besagt – abzuhalten.40 Die Beeinflussung liegt darin, dass er an ihre »schlechte« wirtschaftliche Lage appelliert und sie auffordert, ihre Bereitwilligkeit zur Steigerung der ha-Erträge von einer materiellen Unterstützung seitens der Regierung abhängig zu machen. Und zwar bezieht sich der RIAS darauf, dass unsere Partei für die Landwirtschaft 700 Millionen DM für das Jahr 1955 bereitstellen will. Wörtlich heißt es: »Es müsste endlich einmal der private Sektor berücksichtigt werden und nicht nur die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Nur wenn die Agrarpolitik der SED diesen Gesichtspunkt berücksichtigt, wird sie auf eine Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge hoffen können.«41
In einer Sendung des SFB wird zu dem Angebot der USA – die Hochwassergeschädigten zu unterstützen in der DDR – Stellung genommen.42 Es wird dabei die Absicht verfolgt, dieses Angebot, als eine »Hilfsaktion« für die »allgemeine Not« der Bevölkerung in der DDR hinzustellen. Es heißt wörtlich: »Die USA hat sich zu dieser Hilfsaktion entschlossen, obwohl nach Feststellung des Roten Kreuzes für die Überschwemmungsschäden sich keine besonderen Hilfsleistungen erforderlich machen. Die allgemeine Not in Mitteldeutschland ist aber so groß, dass die Hilfe der USA benötigt wird.«