Zur Beurteilung der Situation
1. Oktober 1954
Informationsdienst Nr. 2328 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Ein großer Teil der Werktätigen verhält sich zu den politischen Tagesfragen interesselos. Die Diskussionen zur Volkskammerwahl1 sind überwiegend positiv. Darin begrüßt man die Aufstellung der gemeinsamen Kandidatenliste. Oft werden von den Werktätigen Einzel- und Kollektivverpflichtungen anlässlich der Volkskammerwahl übernommen.
In den negativen Diskussionen fordert man immer wieder Listenwahlen der einzelnen Parteien. Dabei behauptet man, dass die Wahlen in der DDR undemokratisch seien. Teilweise taucht das Argument auf, dass das Ergebnis der Wahl schon feststeht, ganz gleich, ob man wählt oder nicht. Vereinzelt treten feindliche Argumente auf, wie »Wenn man nicht richtig wählt, kommt man auf die schwarze Liste.«
Ein Angestellter des Bahnbetriebswerkes Pasewalk, [Bezirk] Rostock: »In Westdeutschland sind demokratische Wahlen, denn dort kann man ja jede Partei wählen, wenn das bei uns auch der Fall wäre, könnte es vorkommen, dass die SED weniger Stimmen bekommt.«
Ein BGL-Vorsitzender aus dem Privatbetrieb Barthel, Grimma,2 [Bezirk] Leipzig: »Ich bin mit unserer Entwicklung nicht einverstanden. Ich lehne die gemeinsame Kandidatenliste zur Volkswahl ab. Krupp3 hat für Deutschland Großes geleistet und ich habe auch nichts gegen diesen.«
Ein Schlosser vom Bahnbetriebswerk Glauchau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Angst brauchen die keine zu haben. Die Wahl stimmt immer. Da wird sowieso Beschiss gemacht. Sie kann auslaufen wie sie will. Im Übrigen, was will man machen, einer von den Spitzeln guckt Dir immer über die Schultern und wenn Du Dein Kreuz nicht richtig machst, kannst Du noch damit rechnen, auf die schwarze Liste zu kommen.«
Ein Lokführer aus Gera: »Mich bekommt sowieso keiner zu sehen bei der Wahl, denn es ist doch alles Schwindel. Das sind doch keine demokratischen Wahlen.«
Ein Arbeiter vom VEB Spannzeug Gera:4 »Unter den Kollegen des Betriebes hört man verschiedentlich die Meinung, dass das Ergebnis der Wahl schon feststeht, ganz gleich, ob man sich an der Wahl beteiligt oder nicht.«
Ein Arbeiter von der Likörfabrik Zernsdorf, [Bezirk] Potsdam: »Ob ich zur Wahl gehe oder nicht, das bleibt sich gleich. Es ändert sich an der ganzen Sache doch nichts. Und ich glaube nicht, dass unsere Regierung die volle Souveränität hat. Die müssen ja doch alles dem Hohen Kommissar vorlegen.«5
Im Kreis Senftenberg, [Bezirk] Cottbus, wird unter den Bauarbeitern darüber diskutiert, dass Menschen wie Adam,6 der in Stalingrad Offizier bei Paulus7 war, nicht ihre Interessen vertreten können und sie deshalb die Einheitsliste nicht wählen werden.
Über das Schreiben des Hohen Kommissars der UdSSR Puschkin8 wird nur ganz vereinzelt diskutiert.9
Über die Explosionskatastrophe in Bitburg/Eifel10 wird von den Werktätigen noch wenig diskutiert. Ausschließlich positiv. Bei diesen Diskussionen bringen die Arbeiter ihre Empörung zum Ausdruck und verurteilen die Kriegsvorbereitungen auf deutschem Boden und fordern ernsthafte Verhandlungen zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands.
Ein parteiloser Arbeiter vom VEB »Werkin« Königssee, [Bezirk] Gera: »Noch immer hat man nicht genug von Zerstörungen und von den vielen Menschen, die bereits umgekommen sind. Es ist eine große Schweinerei, dass man sich immer noch mit der Menschenvernichtung befasst. Damit müsste endlich Schluss gemacht werden.«
Ein Arbeiter von der Hofkolonne des Stahlwerkes Silbitz, [Bezirk] Gera: »Die sollen in Westdeutschland lieber die Noten der Sowjetunion behandeln als Kriegsanlagen zu bauen, dann werden nicht unnötig Menschen vernichtet.«11
Eine Jugendliche von der Bleihütte des Mannsfeld-Kombinats »Wilhelm Pieck« in Hettstedt äußerte: »Die Katastrophe bei Bitburg und der geplante Verbotsprozess gegen die KPD in Karlsruhe12 zeigt uns Jugendlichen, nachdem man die FDJ verboten hatte in Westdeutschland,13 dass die Kriegsvorbereitungen immer stärker entfaltet werden. Es wird Zeit, dass die Arbeiter im Westen die Aktionseinheit herstellen, damit sie der arbeiterfeindlichen Politik Adenauers14 Einhalt gebieten.«
Ein Wismut-Arbeiter15 aus Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Explosionskatastrophe in Westdeutschland zeigt jedem Deutschen, welche wahren Absichten die Amerikaner haben. Es ist an der Zeit, dass diese Besatzungstruppen den deutschen Boden verlassen.«
Unter den Kollegen des VEB Leipziger Baumwollspinnerei wird fast nur über die Ablehnung von fünf Kollegen, die als Aktivisten vorgeschlagen waren, diskutiert. Die Leitung lehnte die Kollegen deshalb ab, weil sie am Faschingstag nicht zur Arbeit waren. Gleichzeitig wurde von der BGL eine Kollegin bestätigt, die schwache fachliche Leistungen aufweist.
Im Privatbetrieb »Gustav Meister« Glauchau,16 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, erklärte der BGL-Vorsitzende: »Solange wir Menschen zweiter Klasse sind und volkseigene und Privatbetriebe existieren, werden die Menschen nicht hinter der Partei der Regierung stehen.«
Durch die noch nicht bereitgestellten Zusatzmittel für Investbauten mussten die Bauarbeiten an der Großkokerei des VEB Zellwolle in Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, eingestellt werden.
Im Braunkohlenwerk Senftenberg, [Bezirk] Cottbus, sind negative Diskussionen über Lohnfragen zu verzeichnen. Höhere Löhne werden auch von einem Teil der Belegschaft des Glaswerkes Hosena, [Kreis] Senftenberg, gefordert.
In Oberschlema, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wird von den Kumpeln kaum über politische Probleme gesprochen, sondern es wird meist über die tödlichen Unfälle diskutiert. (Im Monat September ereigneten sich fünf tödliche Unfälle.)
Arbeitskräftemangel
Im Waggonbau Görlitz, [Bezirk] Dresden, besteht ein Arbeitskräftemangel von Elektroschweißern und Schlossern, der aus den vorhandenen Arbeitern in Görlitz gedeckt werden kann.
Am Bahnhof Bautzen, [Bezirk] Dresden, fehlt es an Rangierern. Dadurch ist die Reichsbahn nicht imstande, die benötigten Waggons rechtzeitig zu stellen. So konnte z. B. das IFA-Werk Bautzen17 die Kraftfahrzeuge (Exportaufträge) nicht verladen.
Materialmangel
In dem VEB Schuhfabrik Meißen, [Bezirk] Dresden, ist zu verzeichnen, dass der Betrieb oft fehlerhaftes Leder geliefert bekommt. Das ruft unter der Belegschaft Unstimmigkeiten hervor, weil dadurch die Verdienstmöglichkeiten herabgemindert werden.
Im VEB Sägeholzverarbeitungskombinat Ludwigslust,18 [Bezirk] Schwerin, fehlt es an Nadelschnittholz (393 cbm). Wenn das Holz nicht bald eintrifft, ist mit Produktionseinschränkungen zu rechnen.
Der Zuckerfabrik Roitzsch, [Bezirk] Halle, fehlt es an Spritzköpfen.
Im VEB Kraftverkehr Sangerhausen, [Bezirk] Erfurt, fehlt es an Ersatzteilen für die Omnibusse »Ikarus«.
Im VEB »Heinrich Rau«,19 [Bezirk] Potsdam, fehlt es an Sauerstoff.
Kohlenmangel
Im Kreis Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, beklagen sich die Betriebe über schlechte Belieferung mit Briketts. Sollten sich die Anlieferungen in den nächsten Tagen nicht verbessern, müssen im Laufe der nächsten Woche die ersten Betriebe stillgelegt werden.
Handel und Versorgung
Schwierigkeiten in der Versorgung mit Fleisch bestehen teilweise in den Bezirken Halle, Suhl und Potsdam, mit Eiern und Speck in den Bezirken Potsdam und Halle. Im Bezirk Halle mangelt es außerdem an Margarine, Käse, Ersatzteilen für Fahrräder, Möbelstoffen, Übergardinen und Winterbekleidung. Möbelstoffe, Kleider, Mäntel und Übergardinen fehlen außerdem im Bezirk Magdeburg und Winterbekleidung auch im Bezirk Schwerin. Gleichfalls fehlt im Bezirk Dresden Winterbekleidung, Stoffe und Wäsche in den Verkaufsstellen. An Emaillewaren und Wassereimern mangelt es in den Bezirken Suhl und Schwerin. Der Kreis Worbis, [Bezirk] Erfurt, wird mit Benzin und Futtermitteln schlecht beliefert. Einige Tankstellen haben dort wieder keinen Kraftstoff.
In Wismar sind 3 000 Brote verdorben. Hierüber berichtet der Bezirk Rostock, dass die Bäcker der Stadt Wismar sich über das schlechte Brotmehl beklagen. Das Getreide wurde im nassen Zustand mit Gewalt getrocknet und dadurch der »Kleber« im Getreide vernichtet. Da dieser »Kleber«, der dem Brot die richtige Festigkeit gibt, nicht mehr im Mehl vorhanden ist, sind in letzter Zeit 3 000 Brote verdorben.
In den Kreisen Gransee und Königs Wusterhausen, [Bezirk] Potsdam, beklagen sich die Hausfrauen, dass es immer zum Monatsende nicht genügend HO-Fleisch gibt. Man diskutiert diesbezüglich, dass bei solch einer schlechten Versorgung mit HO-Fleisch- und -Wurstwaren, mit Eiern und Speck die Preissenkung auch nichts nütze.20
Landwirtschaft
Die Stellungnahmen zur Volkskammerwahl sind meist positiv. Die geringe Teilnahme wird teilweise durch die Inanspruchnahme bei der Hackfruchternte begründet. In mehreren Gemeinden des Bezirkes Neubrandenburg wird den Vorbereitungen und der Sichtwerbung zur Volkskammerwahl wenig Bedeutung beigemessen. In Demmin, Krugsdorf und anderen Gemeinden des Kreises Pasewalk, [Bezirk] Neubrandenburg, ist z. B. noch kein Transparent angebracht.
In der Gemeinde Jarniw,21 [Kreis] Anklam, [Bezirk] Neubrandenburg, sind noch keinerlei Vorbereitungen getroffen worden. Dort ist keine Sichtwerbung, keine Agitatoren und es haben bisher auch keine Versammlungen stattgefunden. Die Parteien und Massenorganisationen verhalten sich dort passiv. In der Gemeinde Peckatel sind ähnliche Zustände.
Die feindliche Einstellung zur Volkskammerwahl ist nur gering und wird hauptsächlich von Groß- [und] Mittelbauern und bürgerlichen Parteien vertreten. Ein Bauer aus Altentreptow, Mitglied der DBD Neubrandenburg, bezeichnete die Volkswahlen als Theater und sagte: »Eines Tages stecken sie uns doch alle in die LPG.«
Ein Mittelbauer aus Gräbendorf,22 [Bezirk] Potsdam: »Ich sch… … auf die ganze Regierung. Früher haben wir Bauern besser gelebt. Die nehmen uns noch das Letzte, sodass wir als Bauern gezwungen sind, in der HO zu kaufen. Wenn das so weitergeht, dann können sie noch mein gesamtes Vieh dazuhaben.«
Ein Bauer aus Füllbach,23 [Bezirk] Suhl: »Ich werde die Regierung am 17.10.1954 nicht wählen, sondern offen dagegenstimmen. Ich stimme deshalb dagegen, weil diese Regierung nichts gegen die Wildschweinplage unternimmt.«
Die Tabakanbauer in Breitungen, [Bezirk] Suhl, sind darüber missgestimmt, dass in den letzten Jahren der Tabak aufgrund seiner Qualität nicht abgenommen wurde. Sie befürchten, dass dies auch in diesem Jahr erfolgen wird. Ein Bauer sagte hierzu: »Durch solche Maßnahmen kann man die Bauern nicht überzeugen und dass kann sich negativ auf die Volkswahlen auswirken.«
Über die Explosionskatastrophe in Bitburg wurde nur vereinzelt gesprochen. Ein werktätiger Bauer aus Hornshagen, [Bezirk] Neubrandenburg (Mitglied der SED), sagte: »Das große Unglück, das vor einigen Tagen in Westdeutschland geschehen ist, hat auch dem letzten Zweifler die Augen über die Kriegspolitik der Amerikaner geöffnet.«
Ein Großbauer aus Weckersdorf, [Bezirk] Gera: »Im Westen kommt es ja auf die 30 Intelligenzler nicht an, die ums Leben kamen. Dort sind ja genug vorhanden, da ja viele von hier rübergemacht sind. Bei uns sind ja nur die Dummen geblieben.«
Bei den Sollablieferungen sind es wiederum Groß- und Mittelbauern, die sich mit allerlei Argumenten davor zu drücken suchen und dabei vorwiegend mit der RIAS-Parole »freie Wirtschaft« argumentieren. Zwei Großbauern aus Kraatz, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerten: »Wir wollen die freie Wirtschaft«. Diese Bauern hielten es auch bisher nicht für nötig, Getreide abzuliefern, trotzdem sie im Besitz von Dreschkästen sind.
Ein Großbauer aus Ladenthin, [Bezirk] Neubrandenburg, wurde bereits drei Mal aufgefordert sein Soll an Getreide abzuliefern. Er lieferte aber bisher nur 70 von 300 Ztr. ab.
Die Großbauern aus Wussentin, [Bezirk] Neubrandenburg, sagen: »Wir liefern es im Dezember ab, denn vor der Volkswahl tut man uns ja nichts.«
Ein Großbauer aus Jeeben, [Bezirk] Magdeburg, erklärte: »Man sollte das Soll erstmal senken und nicht so viel von den Wahlen sprechen. Ich kann meiner Sollverpflichtung nicht nachkommen. Außerdem soll man mir das schriftlich geben, dass ich 100-prozentig abzuliefern habe, dann ist für mich der Weg nach dem Westen frei. Wir werden es schon erleben, dass in wenigen Tagen weitere Streichungen von Sollrückständen vorgenommen werden.«
Im Kreis Loburg und einigen Altmarkkreisen, [Bezirk] Magdeburg, treten Diskussionen über eine eventuelle nur 60-prozentige Ablieferung von Getreide auf. Im Brietzke-Kalitz, [Bezirk] Magdeburg, wird diese Diskussion von dem Vorsitzenden der VdgB unterstützt. Er äußerte: »Bevor die Hagelschäden nicht abgesetzt sind, wird bei uns nur mit 60 Prozent erfüllt. Anderenfalls gibt es über die Wahl bei uns keine Diskussion.«
Mängel und Missstände
In verschiedenen Bauernversammlungen wurde die Arbeit der MTS in diesem Jahr kritisiert. Dabei wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine ganze Reihe von abgeschlossenen Verträgen durch die MTS nicht erfüllt worden sind. Eine dieser Ursachen ist die losgelöste Arbeit der Traktoristen vom Brigadier, den MTS-Beiräten und der MTS selbst. Die Bauern brachten zum Ausdruck (aus Klein Buckow), dass es dort ein Traktorist fertiggebracht hat, in vier Tagen nur 1½ ha Saatfurche zu pflügen. Man fragt sich, was dieser Traktorist in den vier Tagen verdient.
In der MTS Gösen, [Bezirk] Gera, besteht ein ständiger Kampf um das 2-Schichtensystem. Insbesondere sind es zwei jugendliche Traktoristen, die es ablehnen, in Schichten zu fahren. Sie finden dafür die verschiedensten Begründungen und geben Versprechungen, die sie nicht einhalten.
Eine große Verärgerung ist in den Gemeinden Altgernsdorf und Wildetaube, [Bezirk] Gera, über die Stromabsperrungen vorhanden. Der Strom wird gerade von 19.00 bis 22.00 Uhr abgeschaltet, wenn die Bauern vom Feld zurückkommen und dadurch das Vieh im Dunkeln füttern müssen.
In den Kreisen Rathenow und Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, besteht die Gefahr, dass in der nächsten Zeit mehrere ältere Bauern republikflüchtig werden. Aufgrund ihres Alters oder durch Krankheit, zum Teil handelt es sich auch um alleinstehende ältere Frauen, können die Betreffenden ihre Wirtschaft nicht mehr richtig bearbeiten, sodass sie schon hohe Sollrückstände haben. Deshalb haben solche Bauern beim Rat des Kreises beantragt, die Wirtschaften abzugeben, was aber bisher in beiden Kreisen abgelehnt wurde.
Übrige Bevölkerung
In der Stimmung der übrigen Bevölkerung hat sich keine wesentliche Änderung ergeben. Nach wie vor wird verhältnismäßig wenig zu politischen Problemen Stellung genommen. Im Vordergrund der politischen Gespräche stehen die Vorbereitungen zur Volkswahl. Auch hier [hat] sich das Stimmungsbild nicht verändert. Weiterhin überwiegen die positiven Äußerungen, die größtenteils von Hausfrauen, Rentnern und Verwaltungsangestellten stammen. Diese Äußerungen beinhalten, dass die Personen mit der gemeinsamen Kandidatenliste einverstanden sind und dass sie am 17.10.[1954] für die Kandidaten der Nationalen Front24 stimmen werden.
Die negativen bzw. feindlichen Äußerungen stammen weiterhin größtenteils von Personen aus bürgerlichen Kreisen. Unter anderem sprechen sie sich in abfälliger Form über die Wahl und gleichzeitig gegen unsere Partei und Regierung aus, oder sie lehnen die gemeinsame Wahlliste ab. Zum Beispiel sagte ein Tischlermeister aus Eilenburg, [Bezirk] Leipzig: »Bei uns sind das doch keine Wahlen, die man demokratisch nennen kann. Was bleibt uns schon übrig, es wird einen eine gemeinsame Liste vorgelegt, und damit hat sich’s. Ja, im Westen da waren am 6.9.1953 Wahlen, wo sind da die Kommunisten geblieben?«25
Ein Angestellter aus Karl-Marx-Stadt: »Nur weil die SED nicht stark genug ist, hat man die gemeinsame Kandidatenliste aufgestellt. Die SPD, CDU und KPD haben sich früher feindlich gegenübergestanden, und das ist jetzt mit der SED, LDP und CDU dasselbe.«
Neben den zustimmenden Äußerungen von Mitgliedern und Funktionären der bürgerlichen Parteien kommt es immer wieder zu einer Reihe negativer Stimmen sowie zur Forderung nach Parteiwahlen. Auch werden vielfach Beispiele bekannt von einer schlechten Beteiligung an den Vorbereitungen zur Volkswahl. Zum Beispiel beteiligen sich die LDP-Mitglieder in Sondershausen, [Bezirk] Erfurt, überhaupt nicht an den Wahlvorbereitungen.
Aus ihren Diskussionen geht hervor, dass sie zur Abstimmung gehen wollen, um nicht aufzufallen, aber wie sie wählen würden, ginge niemanden etwas an. Des Weiteren fordern sie Listenwahlen und es kommt zu Äußerungen wie z. B.: »Dann würden wir es der SED schon zeigen, was gespielt wird, aber so ist es keine Wahl und ändern wird sich auch nichts.«
Über eine mangelhafte Mitarbeit der LDP-Mitglieder wird aus den Kreisen Haldensleben, Genthin, Halberstadt, Tangerhütte und Magdeburg berichtet.
In Reichenbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, äußerte der 1. Kreissekretär der CDU: »Ich bin auch für eine Parteienwahl, um wirklich einmal feststellen zu können, wie stark die einzelnen Parteien sind.«26
Ein Mitglied der LDP aus Hohenstein-Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich rege mich schon gar nicht mehr auf, es hat ja doch keinen Zweck. Sie führen ihre Wahl doch durch, wie sie es wollen. Demokratisch ist dies bestimmt nicht.«
Wie schon berichtet, zeigt sich immer wieder bei den Wahlvorbereitungen, wie Pfarrer von ihrer übergeordneten Kirchenbehörde in ihrer Handlungsweise beeinflusst werden. Zum Beispiel lehnte ein Pfarrer aus der Gemeinde Mangelsdorf, [Kreis] Haldensleben,27 [Bezirk] Magdeburg, seine Delegierung zur Wahlversammlung ab, nachdem er vorher zu einer Besprechung der Kirchenleitung in Magdeburg war. Vorher hatte sich dieser Pfarrer aktiv an den Vorbereitungen der Volksbefragung beteiligt.
In Oberschlema, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, forderte ein Pfarrer wiederholt die Kinder auf, ihre Pionierhalstücher abzulegen. Er droht ihnen, wenn sie wieder mit dem blauen Halstuch in den Religionsunterricht kämen, ihnen diese wegzunehmen.
Die Einsichtnahme in die Wählerlisten geht in den Bezirken ziemlich unterschiedlich voran. Zum Beispiel beträgt der Durchschnitt im Bezirk Cottbus 75 Prozent, dabei steht der Kreis Calau mit 87,1 Prozent an der Spitze. Im Bezirk Potsdam liegt der Durchschnitt bei 65,4 Prozent, an der Spitze steht der Kreis Kyritz mit 86 Prozent, am schlechtesten ist der Kreis Brandenburg mit 43,4 Prozent.
In vielen Gemeinden des Bezirkes Magdeburg erfolgte die Einsichtnahme bereits 100-prozentig. Zum Beispiel im Kreis Seehausen in 21 Gemeinden. Der Stand im Stadtkreis Magdeburg beträgt 54 Prozent.
Über die Explosionskatastrophe in Bitburg wird nicht viel, aber ausschließlich positiv gesprochen. Zum Beispiel sagte ein Handwerker aus Meißen, [Bezirk] Dresden: »Die Explosionskatastrophe in Bitburg stellt für die DDR ein Pluspunkt in der Vorbereitung zur Volkswahl dar.«
Ein Rentner (parteilos) aus Riesa, [Bezirk] Dresden: »Es ist traurig, dass es immer wieder zu solchen Unglücken kommen muss und dabei einfache Leute den Schaden davontragen. Meiner Ansicht nach müssen solche Unglücke allen Menschen die Augen öffnen, was die Kriegstreiber im Westen unserer Heimat anrichten.«
In letzter Zeit werden immer wieder aus den Kreisen der Handwerker Klagen über mangelhafte Materialbelieferung laut. Darüber wird besonders in den Handwerksversammlungen gesprochen. Zum Beispiel diskutierten ein Friseurmeister und ein Schuhmachermeister aus Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam: »Vonseiten des Rates des Kreises bzw. von der SED wird immer wieder das Handwerk vergessen. Man redet vom Neuen Kurs,28 aber geändert hat sich nichts.«
Über die neuerdings wiederum erfolgten Stromabschaltungen wird im Kreis Neuhaus, [Bezirk] Suhl, besonders unter den Handwerkern viel gesprochen, weil sie in dieser Zeit nicht ihre Maschinen laufen lassen können.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
SPD-Ostbüro:29 Cottbus 10 000, Potsdam 1 100, Karl-Marx-Stadt 750, Suhl 200, Halle 44, Gera 18, Dresden 15.
KgU:30 Frankfurt/Oder 20 000, Cottbus 10 000.
NTS:31 Neubrandenburg 3 000, Gera 1 154, Potsdam 1 516, Dresden und Rostock 41, Wismutgebiet einige.
ZOPE:32 Frankfurt/Oder 2 500, Magdeburg 1 500, Cottbus 600.
In tschechischer Sprache: Dresden einige.
FDP[-Ostbüro]: Gera 50, Karl-Marx-Stadt 15, Dresden und Wismutgebiet einige.
Unbek[annter] Herkunft: Suhl 3 000, Absender: »Junger Pionier, K-Klein, Berlin, Stalinallee.«; Karl-Marx-Stadt 1 084 »Solidarität mit den Brüdern und Schwestern Mitteldeutschlands«.
Die Mehrzahl der Flugblätter wurde mit Ballons verbreitet und sichergestellt.
In Köthen wurden in der Nähe des VEB Guss33 Hetzschriften vom Ostbüro der SPD aufgefunden, die durch unbekannte Täter verteilt wurden.
In der Nacht vom 25. zum 26.9.[1954] wurde von der Viehweide der LPG Oberland, [Kreis] Zeulenroda, [Bezirk] Gera, durch unbekannte Täter das Tor geöffnet, sodass sich das Vieh verstreute.
Antidemokratische Tätigkeit
Im VEB Textima Hartha,34 [Bezirk] Leipzig, wurde am 29.9.[1954] in der Toilette von unbekannten Tätern ein Hakenkreuz angeschmiert. Darunter stand: »Unter diesem Zeichen werden wir siegen«.
In der Gemeinde Glaucha, [Kreis] Eilenburg, [Bezirk] Leipzig, wurden mehrere Wahlplakate von unbekannten Tätern abgerissen. Vor einigen Tagen trat ein ähnlicher Fall in Erscheinung.
Die Deutsche Notenbank in Sebnitz, [Bezirk] Dresden, erhielt ein anonymes Schreiben mit folgendem Text: »Was soll dieser ganze Quatsch mit den Volkswahlen, wenn es nur eine Liste gibt. Das ist der brutale Zwang.«
In der Gemeinde Kütten, [Kreis] Saalkreis, [Bezirk] Halle, wurden mehrere Wahlplakate von unbekannten Tätern abgerissen.
In der Stadt Themar, [Bezirk] Suhl, wurde am 29.9.[1954] der FDJ-Aushängekasten abgerissen.
Auf dem Turm 997 der Bohrabteilung I in Paitzdorf,35 [Bezirk] Gera, wurde von unbekannten Tätern in ein Bild des Genossen W. Pieck36 ein Messer geworfen.
Gefälschte Schreiben
In gefälschten Schreiben vom Nationalrat der Nationalen Front an Kreisausschüsse der Nationalen Front wird die Vorbereitung einer öffentlichen Massenversammlung gefordert, zu welcher Schmidt-Wittmack37 sprechen soll. (In Dresden verbreitet.) In anderen gefälschten Schreiben des Nationalrates an die Kreisausschüsse wird aufgefordert, in Versammlungen und in Betrieben auf freiwillige Normenerhöhungen hinzuwirken. (In Dresden verbreitet.)
In gefälschten Schreiben an Kreisausschüsse der Nationalen Front vom Kongress-Verlag wird aufgefordert, die Broschüre: »Mr. Lawrenze Conell wollte mich zum Mörder machen.« sofort einzuziehen und an den Verlag zurückzuschicken.38 (In Dresden verbreitet.)
Kreisausschüsse der Nationalen Front erhielten gefälschte Schreiben, in denen aufgefordert wird, eine Massenversammlung zum 10. Oktober [1954] einzuberufen, auf der Dr. John39 sprechen soll. (In Potsdam verbreitet.)
Gerücht: Unter der Bevölkerung des Kreises Hohenleuben,40 [Bezirk] Gera, wird das Gerücht verbreitet, dass es zweierlei Geld geben soll, wovon die eine Sorte eine kleine mehrstellige Zahl aufweist (genannt »Wismutgeld«).
Vermutliche Feindtätigkeit
Am 29.9.[1954] wurde an der Fernverkehrsstraße zwischen Altenberg und Waldbärenburg, [Bezirk] Dresden, ein Baum gesprengt, sodass er über die Fahrbahn fiel. Täter unbekannt.
Berichtigung: Bei der Meldung über Diversion in Gertshagen im Bericht vom 30.9.[1954], Seite 1341 handelt es sich nicht um Feindtätigkeit. Nach genauen Ermittlungen entstand der Reifenschaden durch Überfahren eines spitzen Gegenstandes.
Anlage 1 vom 1. Oktober 1954 zum Informationsdienst Nr. 2328
Auswertung der Westsendungen
Zur Volkswahl traten in der Hetzpropaganda der Westsender keine neuen Argumente gegenüber den Vortagen auf. In der Hauptsache beschäftigen sie sich damit, unsere Vorbereitungen der Volkswahl zu verunglimpfen und unsere Regierung und Partei unter dem Gesichtspunkt »totalitärer Staat ohne Demokratie« zu beschimpfen.
In einer Sendung über die 20. Tagung unseres Zentralkomitees hetzt der RIAS besonders gegen die Steigerung der Arbeitsproduktivität.42 Er gibt zu, dass die Steigerung der Arbeitsproduktivität auch ein Steigen der Löhne nach sich zieht. Dies führe jedoch nach seiner Ansicht zu einem Missverhältnis, was nur gelöst werden könne, wenn weniger Lohn gezahlt wird.
Gegen den Volkswirtschaftsplan richtet sich eine Sendung, in der von Kürzungen der Investitionspläne im IV. Quartal gesprochen wird und man gegen Wettbewerbe und Selbstverpflichtungen zu Ehren der Volkswahlen hetzt.
Der sogenannte Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen43 »warnt« ehemalige Angestellte der Reichsbahn, die jetzt Altersrente beziehen, davor, die Arbeit wieder aufzunehmen, wie das in einer Direktive des Ministeriums für Eisenbahnwesen festgelegt worden sei.44
Zur Beunruhigung der Privathändler und Kleingewerbetreibenden wird gemeldet, dass angeblich ein Gesetz ausgearbeitet wird, was »die Abschaffung der individuellen Betriebssteuer und die Einführung progressiv gestaffelter Einheitssteuersätze« vorsehe, »die unabhängig von der Ertragslage des Betriebes erhoben werden«.
Gegen die CDU wurde in mehreren Sendungen zum CDU-Parteitag in Weimar gehetzt.45 Man bezeichnete sie dabei als bedeutungslos und überflüssig, da sie sich »der SED-Herrschaft unterworfen« habe. Man will damit die CDU-Mitglieder gegen die Führung der CDU und gegen die SED und Regierung aufhetzen. In diesem Zusammenhang wird gleichzeitig gegen die gemeinsame Kandidatenliste zur Volkswahl gehetzt.
In den Berichten der Westpresse über die letzte Sitzung des »Aktionsausschusses des Kuratoriums ›Ungeteiltes Deutschland‹«46 heißt es u. a., dass »Maßnahmen für eine umfassende Päckchenhilfe getroffen werden, durch die vor allem in der Sowjetzone dringend benötigte Medikamente zum Versand kommen sollen«.
Anlage 2 vom 1. Oktober 1954 zum Informationsdienst Nr. 2328
Äußerungen von Bürgern aus der DDR über ihre Reiseeindrücke in der Bundesrepublik
Die Stellungnahmen stammen von Personen der verschiedensten Bevölkerungskreise und tragen überwiegend positiven Charakter. Die Personen nehmen zu den verschiedensten Problemen Stellung, dabei am häufigsten zur Lage im Allgemeinen und insbesondere zu den Wohn- und Arbeitsbedingungen. Sie treffen dabei die Feststellung, dass in der DDR das Wirtschaftssystem auf einer gesunden Basis beruht, was eine stetige Aufwärtsentwicklung garantiert, hingegen in der Bundesrepublik sich die Verhältnisse offensichtlich verschlechtern. Zum Beispiel sagte ein Jugendlicher aus Aue: »Was die Adenauer-Regierung macht, ist unverantwortlich. Ich habe mir z. B. in Nürnberg die Wohnbunker angesehen. Dort hausen bis zu drei Stockwerken tief die Menschen in einem Zimmer. Mit dem Wohnungsbau sieht es so aus, dass man 3 [000] bis 4 000 Mark haben muss und dann noch 100 Mark Miete bezahlt, wenn man eine vernünftige Wohnung haben will. Mir ist in Westdeutschland erst so richtig klargeworden, dass ich am 17.10.[1954] meine Stimme den Kandidaten der Nationalen Front geben muss.«
Ein Lehrer aus Bieberau, [Bezirk] Suhl: »Ich werde der Bevölkerung den wahren Charakter der Bonner Demokratie klarmachen. Die Lebensweise der Arbeiter im Westen wird immer schlechter. Zum Beispiel steigen die Preise für die Lebensmittel des täglichen Bedarfs laufend an. Ebenso sind die Mieten in letzter Zeit bedeutend erhöht worden. Es gibt drüben volle Schaufenster, aber die Werktätigen können sich sehr wenig davon kaufen.«
Ein Geschäftsmann aus Suhl: »Grundsätzlich habe ich mich davon überzeugt, dass unser Wirtschaftssystem in der DDR ein besseres und stabileres ist. Ich habe mich mit Geschäftsleuten unterhalten und diese erklärten mir, dass bei ihnen fast alles nur auf Kredit gekauft wird. Ich besuchte auch ein Kaliwerk in Philipsthal und stellte dabei fest, dass es um die sozialen Belange der Arbeiter sehr schlecht bestellt ist, da noch nicht einmal ein Arzt im Betrieb ist.«
Einige Personen schildern die Besatzungsverhältnisse in der Bundesrepublik und stellen dabei fest, dass drüben manche Städte schon ein rein amerikanisches Gepräge erhalten haben und dass dies leider von vielen Bewohnern mit einer Gleichgültigkeit hingenommen wird.
Zum Teil bringen die Besucher auch ihre Empörung über das Auftreten der Besatzer zum Ausdruck. Zum Beispiel äußerte eine Zahnärztin aus Kirchheim,47 [Bezirk] Cottbus: »Ich verlebte meinen Urlaub in Bad-Pyrmont. Dort ist es anders als bei uns. Da steht in erster Linie alles für die Besatzungsmacht bereit. Die Einwohner dieser Stadt sind schon fast vollständig ›amerikanisiert‹, wogegen sie sich nicht einmal wehren. Vernünftige Musik ist überhaupt nicht mehr zu hören. Es ist nur eine Art Geschrei, vor dem man sich die Ohren zuhalten muss.«
In einer Versammlung der LDP in Dessau äußerte ein Mitglied: »Zu meinem Aufenthalt in der Pfalz kann ich sagen, dass drüben eine normale Demokratie herrscht. Die Westmächte sind dabei, zwei Welten zu gründen. In Heilbronn sieht man fast keinen Deutschen, nur lauter Amis und die Städte, welche jetzt gebaut werden, sind reine Amistädte.«
Ein Intelligenzler aus Berlin, der in der Pfalz weilte, äußerte: »Die Leute beten buchstäblich in der Kirche dem Ami die ›Russen‹ auf den Hals. Eine Vergewaltigung wiegt dort nicht mehr als ein kleiner Schnupfen. Außerdem geschieht es mit oder ohne Gewalt nach Einbruch der Dunkelheit in allen Ecken. Die Felder sehen unbeschreiblich aus. Auf den Dörfern gibt es Kühe, die buchstäblich hysterisch geworden sind, verkalben48 und keine Milch mehr geben, infolge des fortwährenden Artilleriebeschusses. Wenn die Kommunisten dort unten mehr das Vertrauen der Bevölkerung besitzen würden, hätten wir im Handumdrehen die schönste Revolution. Die Leute da machen mit. Stattdessen regt sich dort in den Dörfern wieder Sympathie für die Nazis. An den Rekruten, die sie aus der Pfalz einziehen, werden sie ihr blaues Wunder erleben.«
Einige bringen ihr Erstaunen darüber zum Ausdruck, dass drüben Veranstaltungen mit alten und neuen Militärmärschen umrahmt werden, dass Ordensverleihungen und Ähnliches vorgenommen wird; alles Dinge, die in der DDR unmöglich sind und drüben leider von einem großen Teil gleichgültig hingenommen werden. Ein Arbeiter aus Schwerin hatte Gelegenheit, in Schleswig an einer Wahlversammlung der BHE teilzunehmen. Diese wurde von Militärmärschen umrahmt. Der Redner versprach, dass die Anwesenden in kurzer Zeit in ihre Heimat zurückgeführt würden. Die Diskussionen wurden auf fünf Minuten beschränkt. Ein SPD-Mitglied stellte die Frage, weshalb die Lebensmittel und die Preise für Licht, Gas und Wasser ansteigen, ob das mit der Schaffung der neuen Wehrmacht zusammenhänge. Er wurde niedergeschrien.49
Ein Angestellter (CDU) aus dem Kreis Herzberg, [Bezirk] Cottbus: »Ich war erstaunt, als ich drüben großartige Schützenfeste mit Ordensverleihung und Paradeschritt erleben musste. Ich kann nicht verstehen, dass die Bevölkerung an diesen Vorkommnissen politisch gleichgültig und interesselos darüber hinweggeht.«
Negative Äußerungen sind nur vereinzelt und beinhalten eine Lobpreisung der Verhältnisse in Westdeutschland. Eine Arbeiterin aus Brotterode, [Bezirk] Suhl: »Ich habe bei meinem Aufenthalt in Westdeutschland festgestellt, dass ein Arbeiter mit demselben Geld besser lebt als bei uns die Arbeiter. Die Löhne der Arbeiter sind drüben genauso hoch wie hier.«
Eine Hausfrau aus dem Kreis Haldensleben, [Bezirk] Magdeburg: »Ich habe während meines Aufenthaltes in Westdeutschland kein einziges Sprengloch in den Straßen finden können. Das ist alles nur Propaganda vonseiten der DDR. Der Dr. John und Schmidt-Wittmack sind in meinen Augen nur Sensationsritter und deshalb darf man ihre Angaben nicht glauben. Hier machen die ›Russen‹ Manöver für den Frieden und die drüben machen eben welche für den Krieg.«
Ein Angestellter vom Krankenhaus Ilmenau, [Bezirk] Suhl: »Die Lage im Westen ist besser als bei uns. Zum Beispiel werden drüben mehr und bessere Wohnungen gebaut als bei uns. Und die Preise sind im Allgemeinen viel niedriger. Zum Beispiel kostet drüben Bettwäsche nur DM 8,00 und bei uns 80,00 Mark.«