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Zur Beurteilung der Situation

4. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2103 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Über die Reden des Außenministers Molotow1 wird weiterhin unter einem großen Teil der Werktätigen diskutiert,2 wobei oft zum Ausdruck kommt, dass es die SU ehrlich mit der DDR meint. Ein Arbeiter vom VEB Süßwarenfabrik »Spreewald« in Cottbus: »Der Vorschlag des Außenministers der SU zeigt, dass die SU bemüht ist, dem deutschen Volk zu helfen.«3

Negative Stimmen zu den Reden des Außenministers Molotow sind in geringem Umfange bekannt geworden. Ein Angestellter vom VEB Eisenwerk Waren, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Vorschläge Molotows auf der Viererkonferenz sind nicht real, denn es sind nicht die Forderungen des deutschen Volkes.«

Ein Markscheider aus dem VEB Borna,4 [Bezirk] Leipzig: »Die Reden, die die Außenminister der Westmächte gehalten haben, zeigen, dass sie die Politik der SU nicht mitmachen. Wir können es ihnen auch nicht verdenken, denn die Forderungen, die Molotow aufgestellt hat, gehen zu weit.« In diesem Zusammenhang werden weiterhin die Revision der Oder-Neiße-Grenze sowie »freie Wahlen« gefordert.5

Die Diskussionen über das Memorandum der Regierung der DDR sind etwas zahlreicher geworden.6 Von der Mehrzahl der Werktätigen wird es positiv aufgenommen. Ein Arbeiter vom VEB Formenbau Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Das Memorandum beweist, dass unsere Regierung im Sinne eines großen Verantwortungsgefühls gegenüber der deutschen Nation handelt. Ich denke, dass wir uns alle enger um unsere Regierung scharen müssen.«

Vereinzelt wird das Memorandum abgelehnt, mit der Begründung, dass es die Konferenz nur stören würde.7 Ein Arbeiter aus dem VEB Präzisionswerk Schmölln,8 [Bezirk] Leipzig: »Jetzt, wo die Einheit bald da war, stören die Staatsorgane der DDR durch dieses Mittel das Gelingen der Konferenz.«

Anlässlich einer Feierstunde im VEB Rheinmetall Sömmerda, [Bezirk] Erfurt, am 1.2.1954 begrüßten alle Teilnehmer das Memorandum. Nach der Feierstunde wurde heftig in dem Sinne diskutiert, dass das Memorandum doch keinen Zweck hätte, da die vier Außenminister doch tun was sie wollen.

Zur Ablehnung der Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz durch die Westmächte werden weiterhin Proteste von einem Teil der Werktätigen bekannt,9 und es wird erneut die Forderung auf Teilnahme deutscher Vertreter erhoben.10 Die Arbeiter des Edelstahlwerkes Döhlen, [Bezirk] Dresden, protestierten am 3.2.1954 gegen die negative Haltung der Westmächte und forderten durch Unterschriftensammlung, dass eine gesamtdeutsche Delegation an der Konferenz teilnimmt.

75 Kollegen des VEB Innenkunst Bützow,11 [Bezirk] Schwerin, erklärten in einer Protestresolution, dass sie die Haltung der Westmächte nicht billigen und die Zulassung von Vertretern aus Ost- und Westdeutschland fordern. Eine Arbeiterin vom VEB Maschinenbau Neubrandenburg: »Es ist eine Schande, dass die westlichen Außenminister deutsche Vertreter ablehnen. Es muss unbedingt erreicht werden, dass man zu dem jetzt behandelten Tagesordnungspunkt Vertreter aus Ost- und Westdeutschland hört.«

Infolge der ablehnenden Haltung der Westmächte werden die Stimmen, die an einem Erfolg der Konferenz zweifeln etwas umfangreicher. Ein Angestellter von der Bau-Union Senftenberg, [Bezirk] Cottbus: »Die Vertreter der Westmächte sind nur Spitzbuben. Sie werden versuchen, die Frage der Herstellung der Einheit Deutschlands auf die Spitze zu treiben, um doch noch einen Krieg vom Zaune brechen zu können.«

Ein Angestellter vom VEB Mifa Sangerhausen, [Bezirk] Halle: »Ich nehme an, dass die Konferenz kein positives Ergebnis bringen wird, da keiner der Mächte von seinem Standpunkt abgeht. Die Vertreter des Kapitals wollen an der Macht bleiben. Auch die sozialistischen Staaten werden und können nicht von ihren Zielen abgehen. Die einzige Möglichkeit wird die kriegerische Auseinandersetzung sein.«

Produktionsschwierigkeiten infolge Mangels an Kohlen werden aus mehreren Bezirken bekannt.12 So aus den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Dresden, Magdeburg, Potsdam, Gera, Cottbus, Frankfurt/Oder und Schwerin. Im Eisenwerk Tangerhütte, [Bezirk] Magdeburg, im VEB Jutespinnerei Meißen, Schamottewerk Dubrauke,13 Kreis Bautzen, und VEB Federnwerk Zittau, [Bezirk] Dresden, im Teerwerk Erkner, [Bezirk] Frankfurt/Oder, in der Tuchfabrik Parchim, [Bezirk] Schwerin, und im VEB Papierfabriken Grünhainichen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, muss die Produktion in den nächsten Tagen wegen Kohlenmangel eingestellt werden.14

Am 2.2.1954 mussten alle Gasöfen der Magdeburger Betriebe stillgelegt werden,15 da auf Anweisung des Hauptlastverteilers die Schwerindustrie kein Gas bekommt, sondern nur die Lebensmittelindustrie. Die Ursache dafür ist im Kohlenmangel zu suchen. Dadurch wurden am 3.2.1954 in den Magdeburger Großbetrieben 1 700 Arbeiter mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt.16

Missstimmung besteht unter den [Wismut-]Kumpels von Aue und Johanngeorgenstadt, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,17 da beim Ab- und Antransport der Arbeiter mit Fahrzeugen oft Verspätungen bis über eine Stunde eintreten. Weiterhin fehlen für die Über-Tage arbeitenden Kollegen Filzstiefel und Wärmemöglichkeiten.18

Dem VEB Werkzeugmaschinenbau Rochlitz, [Bezirk] Leipzig,19 wurden die Investmittel in Höhe von ca. 350 000 DM gestrichen, wodurch sich ein Überhang an Arbeitskräften, besonders Schlosser, ergibt.

Durch Brand der Trennmesser im Kraftwerk des Braunkohlenwerkes Spreetal, [Kreis] Hoyerswerda, [Bezirk] Cottbus, kam am 3.2.1954 der gesamte Betrieb zum Stillstand. Die Ursachen werden noch ermittelt.

Handel und Versorgung

Kohlenmangel: Aus den Bezirken Frankfurt und Halle wird berichtet, dass große Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung und Betriebe mit Kohlen bestehen. Im Kreise Bernau hat ein Teil der Bevölkerung die für 1953 zustehende Kohle noch nicht restlos erhalten. Die Seidenweberei20 ist gleichzeitig aus Kohlenmangel gezwungen, die Produktion einzustellen, wenn nicht sofort Abhilfe geschaffen wird. Der Rat des Kreises musste Kohle aus dem Bevölkerungskontingent einbehalten, um diese den Schwerpunktbetrieben zuzuführen. Das Kabelwerk Schönow hat 120 die Seidenweberei zehn und die Jugendhochschule »Wilhelm Pieck« 37 Tonnen aus dem Bevölkerungskontingent erhalten.21

In Weißenfels, [Bezirk] Halle, wurden zwei Verkaufsstellen des Konsums geschlossen, da kein Heizmaterial zur Verfügung steht. Bei anhaltender Kälte kann der Fall eintreten, dass noch weitere Verkaufsstellen geschlossen werden. Die Bevölkerung ist sehr verärgert, dass sie die Kontingente, die ihr zustehen, nicht erhalte.

Die Mühlenwerke Weißenfels können die Produktion von Graupen nicht fortsetzen, da hierfür die Gerste fehlt. Es werden ungefähr 700 Tonnen benötigt, um im ersten Quartal die Vertragsverpflichtungen gegenüber Konsum und DHZ zu erfüllen.

Die Produktionsleitung der VEB Stern und Elite22 führen Klage über äußerst mangelhafte Belieferung von Frischfleisch. Die Firma Elite, die hauptsächlich die KVP23 beliefert, erhält zur Herstellung von Dauerwurst nur ½ bis 1½ Tonnen Frischfleisch, bei einem täglichen Bedarf von 4 bis 5 Tonnen.24

Landwirtschaft

Auf dem Lande nehmen unter den Landarbeitern, werktätigen Einzelbauern und Genossenschaftsbauern die zweifelnden Stimmen zu. Diese bringen zum Ausdruck, dass die Gegensätze zwischen den westlichen Außenministern und dem sowjetischen Außenminister dahin führen werden, dass die Konferenz, ohne vorher positive Entscheidungen für das deutsche Volk getroffen zu haben, wieder aufgelöst wird. So sagt ein Mittelbauer aus Nochten, [Bezirk] Cottbus: »Die großen Herren werden nicht fertig mit ihren Beratungen. Sie werden auch nichts erreichen, wie das immer schon war. Der Russe geht nicht darauf ein, was die aus dem Westen wollen. Er hat seinen Kopf für sich.«

Ein Landarbeiter aus Sabel, [Bezirk] Neubrandenburg: »Dass man die Hoffnung schon auf eine Verständigung ruhig aufgeben kann. Die tagen schon lange und werden doch zu keinem positiven Erfolgen kommen.«

Werktätige Bauern aus der Gemeinde Mellensee, [Kreis] Potsdam: »Es ist bis jetzt noch nicht zu sehen, was dort auf der Konferenz eigentlich werden wird, bis jetzt hat das Kapital noch zu viel Macht. Die Konferenz wird vielleicht noch lange gehen, bis man zum Punkt ›freie Wahlen‹ kommt.«

Die fortschrittlichen Kräfte fordern in Protestresolutionen die Teilnahme von Vertretern aus Ost und West an den Verhandlungen um die Frage der Einheit Deutschlands und geben ihre Zustimmung zum Memorandum unserer Regierung zum Ausdruck. Die Abgabe dieser Resolutionen und Erklärungen geschieht jedoch noch vereinzelt.25 Diese wird nur von einem verhältnismäßig geringen Teil Landarbeiter, werktätiger Bauern und Genossenschaftsbauern unterstützt.

Die MTS des Bezirkes Frankfurt/Oder haben Protestresolutionen verfasst gegen die Ablehnung der Teilnahme einer gesamtdeutschen Delegation durch die westlichen Außenminister. Die 85 Kollegen der MTS Arnsdorf protestieren gegen die amerikanische Willkür und fordern von der Viererkonferenz, dass deutsche Vertreter zugelassen werden müssen, um über das Schicksal Deutschlands mitzubestimmen.

Die gesamte Belegschaft der MTS Hammelshein,26 [Bezirk] Leipzig, sandte am 1.2.1954 eine Protestresolution in Form eines Telegrammes direkt an die Außenministerkonferenz und forderte darin die Teilnahme deutscher Vertreter an den Verhandlungen über das Deutschlandproblem.

Ein Mittelbauer aus Altgolßen, [Bezirk] Cottbus: »Das Memorandum der DDR an die Außenminister wird doch seinen Zweck erreichen, denn man darf denen dort keine Ruhe lassen. Die Konferenz verläuft ja schon anders als die früheren.«

Die negativen Diskussionen, hauptsächlich geführt von großbäuerlichen Elementen behandeln die Fragen der »freien Wahlen« und der »freien Wirtschaft«. Ein großer Teil von ihnen erwünscht den Ausgang der Konferenz im westlichen Sinne. Ein werktätiger Bauer aus der Gemeinde Lauendorf,27 [Bezirk] Schwerin, erklärte: »Es wird auf der Außenministerkonferenz zu keiner Einigung kommen, da ›Russland‹ die Weltherrschaft anstrebt und alles bolschewisieren will. Ferner … können wir heute von einem Vaterland sprechen, ich kann es nicht, weil wir Ostpreußen und Westpreußen nicht mehr besitzen. Der Bauer bei uns hat keine gesunde Entwicklung.«

Ein Großbauer aus dem Kreis Nebra, [Bezirk] Halle: »Hoffentlich können sie sich in Berlin einigen, damit man wieder seine Sorgen loswird. Denn jetzt beginnen die Sorgen am 1.1. und am 31.12. hören sie auf, um von Neuem wieder zu beginnen. Früher da ging man mit einer ganz anderen Lust auf Feld als heute. Die gute alte Zeit war doch die schönste.«

Ein Großbauer aus Schlabendorf, [Bezirk] Cottbus: »Mein Standpunkt ist, dass wir auf der Konferenz nichts ändern können, da sie sich dort einig sind. Es müssten »freie Wahlen« durchgeführt werden, damit wir endlich von der Zwangswirtschaft befreit werden und eine freie Wirtschaft erhalten.«

MTS: Aus den Bezirken Schwerin und Karl-Marx-Stadt wird berichtet, dass einige MTS Schwierigkeiten der Ersatzteilbeschaffung haben.

LPG: Die LPG Zeppelin, [Kreis] Bützow, [Bezirk] Schwerin, hat eine Unterbilanz von 90 000 DM; dies ist angeblich darauf zurückzuführen, dass die LPG ihre Mastverträge und das Milchsoll nicht erfüllt hat. Ferner wurde eine äußerst mangelhafte Buchhaltung durchgeführt. In den verschiedenen LPG des Kreises Bützow besteht unter den Mitgliedern teilweise eine Gleichgültigkeit in der Durchführung ihrer Arbeiten. In der LPG Brochhusen28 lehnt der LPG-Vorsitzende jegliche Arbeit ab, weil er kritisiert wurde. Die Mitglieder äußern sich dazu, wenn der nicht arbeitet, brauchen wir auch nicht zu arbeiten. In der LPG Horst29 herrscht Uneinigkeit, gegenseitig werfen sich die Mitglieder vor, dass man so wenig arbeitet. Sie bewirtschaften erst ihr eigenes Land und dann das genossenschaftliche.

Im Kreis Lübz, [Bezirk] Schwerin, mehren sich die Fälle, wo Bauern beim Rat des Kreises vorsprechen, um Land abzugeben. Das betrifft Bauern aller Wirtschaftsgrößen. Sie erhoffen dadurch, in eine niedrigere Ablieferungsstufe zu kommen.30 Außerdem liegen zahlreiche Anträge zur Aufgabe ganzer Wirtschaften vor. Hierbei überwiegen die Anträge der Besitzer von Wirtschaften, die aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Lage sind, diese intensiv zu bewirtschaften.

Im MTS-Bereich Weischlitz, Kreis Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, und besonders in den Grenzgemeinden Krebau,31 Großzöbern, Kemnitz32 und Krebes klagen die Bauern darüber, dass sie nicht mehr wissen, was sie dem Vieh an Rauhfutter geben sollen. In diesem Zusammenhang werden Diskussionen geführt, dass man dazu übergehen will, Vieh abzuschlachten.33

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Die Anteilnahme der übrigen Bevölkerungsschichten an der Viererkonferenz ist geringer als bei den Arbeitern. Die zweifelnden Stimmen über einen Erfolg der Konferenz sind durch das Verhalten der Westmächte etwas stärker geworden, jedoch werden von vielen Seiten große Hoffnungen auf die sowjetische Delegation und das Können des Genossen Molotow gesetzt, wie es dieses Beispiel zeigt.34 Ein Gastwirt aus Buckow, [Bezirk] Cottbus: »Ich glaube bestimmt, dass sich die vier Außenminister in Berlin noch einig werden, denn wenn sie jetzt ohne eine Lösung auseinandergehen, dann kommt keine Konferenz mehr zustande. Aber Molotow wird alles daransetzen, dass die Konferenz gut ausläuft und den drei Außenministern den Standpunkt über Deutschland klar aufzeigen.«

Aus den Kreisen der Intelligenz und der Handwerker kommen in besonders starkem Maße zweifelnde Stimmen, und eine abwartende Haltung ist festzustellen. Ein Arzt, ehemaliges Mitglied der NSDAP aus Saalfeld, [Bezirk] Halle:35 »Ich hatte ja zu Beginn der Konferenz eigentlich viel Hoffnung, dass es bald zu einer Einigung in der Deutschlandfrage kommen würde. Aber nach dem letzten Vorschlag von Molotow (Zulassung einer gesamtdeutschen Vertretung zur Konferenz), welchen ich nur gutheißen kann und der von den Westmächten abgelehnt wurde, habe ich nun die Hoffnung verloren.«

Ein Malermeister aus Parchim, [Bezirk] Schwerin: »Ich bin der Meinung, dass sich die Außenminister des Westens nicht den Äußerungen und Forderungen Molotows beugen werden. Eher werden sie die Außenministerkonferenz auffliegen lassen.«

Eine Lehrerin aus Eggesin, [Kreis] Ueckermünde, Bezirk] Neubrandenburg: »Molotow muss den westlichen Außenministern den kleinen Finger reichen, sonst wird es zu keiner Einigung kommen.«

Im starken Umfang wird der Wunsch nach »freien Wahlen« zum Ausdruck gebracht. Teils wird diese Forderung unterstützt aus politischer Blindheit und Unwissenheit36 über die dazu notwendigen Voraussetzungen teils mit der bewussten Hoffnung auf einen Sieg der reaktionären Kräfte, wobei letztere Hoffnungen stärker vertreten sind. Ein Mitglied der CDU aus Jüterbog, [Bezirk] Potsdam: »Ich habe gestern im Radio den britischen Vorschlag über die Durchführung freier Wahlen in ganz Deutschland gehört, die, wie es in dem Vorschlag heißt, bereits im Februar dieses Jahres durchgeführt werden sollen. Ich war begeistert, dass es nun endlich zu freien Wahlen und damit zur Einheit Deutschlands kommen wird.«37

Ein selbstständiger Bildhauer aus Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden: »Ich möchte nur die Angst von unseren begründet wissen, warum sie so einen Dampf vor den freien Wahlen haben. Wenn sie meinen, dass das, was sie machen, das Richtige ist, dann werden sie auch 100-prozentig gewinnen. Ich nehme natürlich an, dass es umgekehrt ausfallen wird. Man soll uns doch endlich einmal offen bekunden lassen wie wir denken.«

Ein Drogist aus Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden: »Mögen sie reden was sie wollen, die Hauptsache ist, es kommen wieder freie Wahlen. Dann sind die, die hier reden, erledigt. Wir dürfen bloß die Nerven nicht verlieren.«

Ein Rentner aus Marienberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Warum lässt der Russe keine freien und geheimen Wahlen zu. Das Problem Deutschland wäre sofort gelöst, wenn man das Volk erst fragen würde. Weil aber der Russe genau weiß, dass die Wahl anders ausfällt, kann er darauf nicht eingehen, denn sonst müsste die Regierung der DDR auch gehen.«

In weiteren negativen Stimmen kommt Antisowjethetze zum Ausdruck.38 Ein parteiloser Fuhrunternehmer aus Neustadt, [Bezirk] Gera: »Die Konferenz hängt nur von der SU ab und nicht von den Westmächten. Die SU will nur die Weltmacht haben und uns als Pufferstaat ausnutzen.«

Organisierte Feindtätigkeit

Flugblätter und Postwurfsendungen wurden nur vereinzelt in den Bezirken Rostock, Potsdam, Frankfurt, Cottbus, Halle und in Berlin gefunden.39

Antidemokratische Hetze wurde in einigen Fällen aus den Bezirken Potsdam, Gera und Dresden gemeldet. Zum Beispiel in der Abteilung Maschinenbau des VEB Werkzeugfabrik in Königsee, [Kreis] Rudolstadt, [Bezirk] Gera, provozierten die dort beschäftigten Arbeiter zwei weibliche VP-Angehörige vom Betriebsschutz und beschimpften sie als »Flintenweiber«.40 Vom Revierleiter forderten sie, er solle befehlen, dass keine weiblichen VP-Angehörigen mehr in den Betrieb gehen.

Vermutliche Feindtätigkeit

Brände: In der Nacht zum 3.2.1954 brach im KVP-Objekt Löbau, [Bezirk] Dresden, ein Brand aus, dem die Kraftfahrzeugwerkstatt und die Kleiderkammer zum Opfer fielen.

Am Abend des 2.2.1954 brach bei der DHZ Feinmechanik Dresden im Versandraum ein Brand aus. Schaden 10 000 DM.

In Prädikow, [Kreis] Strausberg, [Bezirk] Frankfurt/Oder, entstand bei einem Brand auf dem dortigen VEG ein Sachschaden von 40 000 DM.

In Rensdorf, [Kreis] Hagenow, [Bezirk] Schwerin, brannte die Scheune einer LPG nieder.

In letzter Zeit wurden auf Bahnhöfen im Bezirk Karl-Marx-Stadt mehrfach Waggons mit brennenden Briketts aus dem Verkehr gezogen und gelöscht. Die Waggons waren auf dem Weg vom Braunkohlenwerk »Franz Mehring«, [Kreis] Senftenberg, nach Bayern. Die Kohle muss zu heiß verladen worden sein.

Die Feuerwehr des Wismut-Objektes Auerbach,41 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, erhielt eine Sendung »Tetra«-Feuerlöscher vom VEB Polygraph, [Kreis] Neuruppin.42 Davon waren 200 Stück leer, obwohl die Plomben unversehrt waren.

Gerüchte: Im Kreis Freital, [Bezirk] Dresden, kursiert ein Gerücht, wonach in den nächsten Tagen mit einer HO-Preissenkung zu rechnen sei.

Im Kreis Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, kursiert ein Gerücht, wonach die kürzlich aus Bautzen und Waldheim entlassenen Häftlinge43 demnächst wieder eingesperrt werden sollen. Das Gerücht tauchte auch in Stahnsdorf im Kreis Potsdam auf.

Einschätzung der Situation

Das ablehnende Verhalten der westlichen Außenminister zu den Vorschlägen Molotows ruft nicht nur den Protest eines Teils der Werktätigen hervor, sondern verstärkt auch die Skepsis und Zweifel an einem Erfolg der Konferenz bei einem großen Teil der Bevölkerung. Großen Einfluss hat auch der RIAS und die Kirche auf das passive Verhalten eines großen Teils der Bevölkerung. Beachtlich sind auch die hauptsächlich durch die Westsender hervorgerufenen Diskussionen unter der Bevölkerung über sogenannte Freie Wahlen.

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