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Zur Beurteilung der Situation

6. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2108 zur Beurteilung der Situation

Die Stimmung in der DDR

Betriebe

Wie aus den Bezirken berichtet wird, sind in der Stimmung keine wesentlichen Veränderungen eingetreten.

Feindtätigkeit

Am 4.2.1954 wurden in Erfurt in einem Sammelbriefkasten 35 kleine mit Stempeldruck angefertigte Hetzzettel gefunden.

Am 5.2.1954 wurden in Erfurt 14 Hetzzettel in einer Toilette gefunden. Inhalt: »Wir fordern sofortigen Regierungsrücktritt der Regierung Otto Grotewohl1 und Genossen – wir fordern wirklich freie gesamtdeutsche Wahlen«2 (mit Schreibmaschine geschrieben).

Am 5.3.1954 wurden in Bischofswerda, [Bezirk] Dresden, zwölf Hetzblätter gefunden. Inhalt: »Unterstützt den Eden3-Plan, freie Wahlen«4 (Handdruck).

Der Hamburger Rundfunk5 und der RIAS brachten heute wieder eine Reihe Sendungen, die geeignet sind, einen Teil der Bevölkerung in der DDR zu beunruhigen und die feindlichen Gruppen zu Provokationen zu ermuntern.6 Dazu einige Auszüge:

Hamburg: »In Wirklichkeit fürchtet sie (SED) sogar die schlimmsten Zwischenfälle, die dadurch entstehen könnten, dass die Bevölkerung ihre wahre Meinung zeige und wiederum, wie am 17. Juni [1953], den Rücktritt der Regierung Otto Grotewohl und freie Wahlen fordern könnte … Sie (SED) befürchtet für den Fall eines Scheiterns der Berliner Konferenz,7 … einen Ausbruch des gerechten Zornes. Sie fürchtet die Meinung des Volkes …«

»Das Sowjetzoneninnenministerium hat … angewiesen … die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken. Nach Korrespondentenberichten sind diese Maßnahmen durch die zunehmenden Proteste der Arbeiterschaft und der Bevölkerung gegen die Haltung der SU auf der Berliner Konferenz notwendig geworden.«

Der RIAS bringt laufend Lügenmeldungen über angeblich zahlreiche Verhaftungen von Arbeitern, weil sie »ihre Hoffnung auf ein Gelingen der Viererkonferenz Ausdruck gegeben« hätten. »Im VEB IFA-Werk Chemnitz8 beispielsweise wurden Arbeiter vom SSD verhaftet, weil sie sich offenherzig über die Chancen der Viererkonferenz geäußert hatten.«

Vorstehende »Meldungen« werden jetzt oft gebracht.

Stimmung der Bevölkerung im demokratischen Sektor von Groß-Berlin

Die fortschrittlichsten Kräfte, insbesondere aus der Arbeiterklasse, unterstützen die Forderung Molotows9 und wirken aktiv aufklärend auf die Bevölkerung ein.10 Ein Arbeiter aus Berlin-Niederschönhausen: »Wenn Molotow auf dieser Konferenz nicht die Initiative hätte und einen guten Vorschlag nach dem anderen zur Lösung der deutschen Frage machen würde, käme ja auch nichts heraus. Eines wird auf alle Fälle auf der Konferenz erreicht, dass den USA die Maske vom Gesicht gerissen wird und sie öffentlich bekennen müssen, dass sie keinen Friedensvertrag und keine Entspannung wollen.«

Bei einem Teil der Bevölkerung aus allen Schichten, insbesondere jedoch bei Hausfrauen, bei niederen Angestellten und sehr stark bei der Intelligenz, fehlt die Zuversicht an den Sieg unserer Sache auf dieser Konferenz. Eine Hausfrau aus Karlshorst verweigerte die Unterschrift mit folgender Begründung:11 »Wenn es mal anders kommt, ist meine Unterschrift nicht dabei und man kann mich nicht belangen.«

Die Aufklärungsarbeit ist in den Betrieben teilweise noch mangelhaft. Im VEB Berliner Möbelwerke verhält sich die Betriebsparteiorganisation ruhig und befindet sich nicht in der Offensive, darum wird in diesem Betrieb sehr viel über »freie Wahlen« nach Edens Muster diskutiert. Im DIA-Kompensation Mitte12 sind sich die Angestellten auch nicht im Klaren über Molotows Vorschläge und man diskutiert mehr den Eden-Vorschlag.

Im VEB Kali-Chemie wird ebenfalls viel über »freie Wahlen« nach westlichem Muster diskutiert. Ein Schlosser aus diesem Betrieb äußerte sich: »Bei uns wird es doch keine ›freien Wahlen‹ geben, weil die SED davor Angst hat.«

Im VEB Berliner Kindl vertritt ein großer Teil der Belegschaft die Meinung, dass die Konferenz ohne Ergebnis sei, weil weder die SU noch die USA von ihrem Standpunkt abweichen würden.

Ein Teil der Bevölkerung verhält sich inaktiv oder zweifelt an einem erfolgreichen Ausgang der Konferenz. Ein Schneider von Passmann & Söhne, Linienstraße: »Wir sind unpolitisch, unsere Politik ist die Lohntüte.« Eine Hausfrau aus Berlin O 17:13 »Es sieht nicht gut aus für uns, weil zwei Parteien da sind, die sich nicht einigen können.«

Der negative und feindliche Einfluss macht sich in allen Schichten der Bevölkerung bemerkbar, insbesondere jedoch unter kleinbürgerlichen Elementen. Das Hauptargument ist: »freie Wahlen« nach westlichem Muster. Ein Neubürger14 aus Berlin N 4:15 »Der Eden-Plan wird bestimmt vom ganzen deutschen Volk, besonders aber in der DDR, gutgeheißen und mit Freuden aufgenommen. Molotows Plan, Bildung einer provisorischen deutschen Regierung unter Beteiligung der DDR und des Bundesgebietes, geht darauf hinaus, dass erst die freien Wahlen vorbereitet werden müssen. Das würde sich, und das ist damit wohl auch seitens Molotows beabsichtigt, sehr in die Länge ziehen und außerdem zwischen den Mitgliedern der provisorischen Regierung der Bundesrepublik und Mitgliedern der DDR niemals zu einer Einigung kommen.«

Eine Angestellte des Haupttelegrafenamtes: »›Freie Wahlen‹ haben wir im Osten noch nie gehabt. Wir durften noch nicht einmal ja oder nein wählen, es waren ein paar Kandidaten aufgestellt, alles die gleiche Sorte.«16

Eine Jugendliche aus Berlin-Baumschulenweg: »Durch ›freie Wahlen‹ würde es sich in Gesamtdeutschland zeigen, ob Adenauer17 oder Pieck18 mehr Stimmen bekommt. Wenn man einmal zur Besinnung gekommen ist, bleibt man auf dem rechten Pfad, denn auf dem linken wird zu viel falsch gemacht.«

Ein Teil der Diskussionen unter der Bevölkerung geht um die Fragen nationale Streitkräfte, wie sie von Molotow im Entwurf des Friedensvertrages vorgebracht wurden und um den EVG-Vertrag.19 In der Oberschule Karlshorst, Ehrlichstraße, wird in der 11. Klasse diskutiert, dass wir das Potsdamer Abkommen nicht eingehalten hätten,20 wir hätten KVP und das wäre Militär.21 Auch hätten wir Panzer, die sich in Prora/Mecklenburg befinden.22

Ein Oberreferent der DHZ Gummi und Asbest: »Der Osten wie der Westen sind für Frieden, wird immer gesagt. In Wirklichkeit haben jedoch beide Streitkräfte. Was ist denn mit Vincenz23 Müller und anderen höheren KVP-Offizieren?«

Ein Arbeiter aus Berlin-Baumschulenweg: »Dieser verfluchte EVG-Vertrag soll ja wieder allerhand Militär auf die Beine bringen und wohin das letzten Endes führt, haben wir schon kennengelernt. Wir wollen keinen Krieg mehr.«

Ein Mechaniker vom VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik: »Der EVG-Vertrag ist doch eine gute Sache, denn Frankreich würde Russland nicht angreifen, auch wenn wir Deutsche es wollten. Die Russen machen einen entscheidenden Fehler, indem sie die Oder-Neiße-Grenze gutheißen. Die 10 Millionen Flüchtlinge in Westdeutschland sind auf übervölkertem Raum zusammengedrängt und werden immer einen Unruheherd darstellen.«

Die überwiegende Mehrheit der Kollegen des VEB Fortschritt Werk I24 sind mit dem Vorschlag für einen Friedensvertrag vonseiten Molotows einverstanden, jedoch nicht mit dem Punkt, der von den nationalen Streitkräften und den dazu nötigen Waffen spricht. So sagte ein Kollege aus diesem Werk: »Für diese Gelder sollten lieber Kochtöpfe hergestellt werden.«

Im VEB Transformatorenwerk25 wird von einem Teil der Kollegen die Meinung vertreten, dass der EVG-Vertrag noch nicht ratifiziert sei und deshalb die Forderung, Beseitigung des EVG-Vertrages, nicht diskutabel sei und unnötiges Geschrei wäre.

Ein Student der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität: »Wenn wir den EVG-Vertrag ablehnen, müssen wir auch alle Verträge ablehnen, die die DDR abgeschlossen hat. Diese Verträge müssten eben rückgängig gemacht werden.«

Von der mathematischen-naturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Frage des EVG-Vertrages ein Problem sei, das man erst nach den Wahlen entscheiden könne.

In der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät der Humboldt-Universität läuft die Diskussion über Kesselring26 und Paulus.27 Man ist der Meinung, dass Paulus auch ein Kriegsverbrecher ist. Dass man ihn nicht verherrlichen sollte in der DDR und über Kesselring schimpfen würde.

Stimmen aus Westberlin

Der politisch aufgeklärte Teil der Westberliner Arbeiter und einzelne Angehörige anderer Kreise erkennen, dass die Westmächte nicht an einer Einheit Deutschlands interessiert sind. Sie erkennen die Vorschläge des Genossen Molotow als den einzig richtigen Weg an. Ein Westberliner Arbeiter: »Die Westmächte müssen auf die Vorschläge von Außenminister Molotow ernsthaft eingehen, denn sie sind für ganz Deutschland von großem Nutzen und verhindern einen Dritten Weltkrieg.«

Ein Westberliner S-Bahnschaffner: »In jedem Punkt hat Molotow recht. Es liegt nur an uns, ein einheitliches Deutschland zu schaffen.«

Ein Geschäftsinhaber aus Berlin-Neukölln, Karl-Marx-Straße 103: »Ich bin kein Kommunist, muss aber die Vorschläge Molotows unterstreichen. Wir brauchen ein neutrales Deutschland, um einen Krieg zu vermeiden, denn der Letzte hat genügt.«

Ein Jugendlicher: »Es ist doch unerhört, dass die drei Alliierten dem von Russland angebotenen Frieden nicht einwilligen. Man sieht doch genau, wer nicht den Frieden will.«

Ein Gastwirt aus der Masurenallee: »Eine Einigung kommt nicht zustande, dazu sind die Gegensätze zwischen Ost und West zu groß. Das, was Molotow vorschlägt, ist gut, aber der westliche Einfluss in der Ostzone ist zu stark.«

Ein Westberliner Arbeiter: »Die Argumente von Molotow sind so klar und deutlich, dass sie selbst von Kindern verstanden werden. Wenn sein Antrag, deutsche Vertreter hinzuziehen, von den Westmächten abgelehnt wurde, so zeigt das, dass die Westmächte von vornherein eine deutsche Verständigung fürchten und deshalb ablehnen.28 Viel Erfolg wird die Konferenz nicht haben, höchstens dass sie sich über Berlin einigen.«

Ein Angestellter aus Westberlin: »Es glaubt niemand mehr an eine Verständigung. Allgemein wird die Ansicht vertreten, der Ami will nicht aus Berlin heraus, da er viel zu viel Werte investiert hat.«

Der Bürgermeister (CDU) aus Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Der neue Vorschlag Molotows ist gut, aber, dass die Westmächte diesem Vorschlag zustimmen, vor allem dem Abzug der Besatzungsmächte noch vor den Wahlen, das glaube ich nicht. Man muss sehen, was in den letzten Monaten seitens der Westmächte noch getan wurde, um ihre Militärstützpunkte noch zu verstärken und weiter auszubauen. Trotzdem muss es für das gesamte Volk ein Ruf für verstärkte Einsatzbereitschaft und Aktivität zur Stärkung des Friedenslagers in Ost und West sein.«

Ein parteiloser Sattlermeister aus Saalburg, [Bezirk] Gera: »Ich bin ja gespannt, was nun wieder herauskommt auf den neuen Vorschlag Molotows, noch vor den Wahlen aus Deutschland die Besatzungstruppen abzuziehen. Dass das die Westmächte wieder ablehnen, kann ich schon im Voraus sagen, denn dem Ami geht es doch in Westberlin und Westdeutschlands ganz gut. Ich wünsche jedoch, dass sie auch einmal eine schwere Pleite erleben werden.«

In gleichem Umfange wie bisher halten die Diskussionen über »freie Wahlen« im westlichen Sinne an. Besonders kleinbürgerliche Kreise hegen hierbei bestimmte Hoffnungen auf einen Sieg der reaktionären Kräfte. In einigen Stimmen wird die Volkswahl von 1950 mit den »Hitlerwahlen« verglichen. Dabei werden die »Hitlerwahlen« als demokratische Wahlen dargestellt im Gegensatz zu den Oktoberwahlen 1950. Ein Gastwirt aus Steinkirchen,29 [Bezirk] Cottbus: »Die Wahlen in der Ostzone waren ein Hohn. Die Hitlerwahlen waren ja noch Gold dagegen, die hatten wenigstens den geheimen Charakter gewahrt.« Eine Hausfrau aus Güldendorf, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Die Wahlen, die bisher in der DDR durchgeführt wurden, waren keine richtigen Wahlen, da man nicht in die Wahlkabine gehen konnte, sonst wurde man als staatsfeindlich angesehen. Bei Hitler ist das anders gewesen, da konnte man in die Kabine gehen und da wussten die Leute, was sie wollten.«

Ein Stellmacher aus Saalfeld, [Bezirk] Gera: »Ich bin kein Politiker, ich bin Handwerker und weiter interessiert mich nichts. Vor allem soll doch Molotow die Vorschläge der Westmächte annehmen, damit gesamtdeutsche Wahlen durchgeführt werden können. Nach den gesamtdeutschen Wahlen wird es schon werden wie es werden soll.«

Ein Arbeiter aus Westberlin: »Die Meinung der Arbeiter ist: ›Es ist alles zwecklos, da der Westen nicht will.‹ Außerdem ist doch nichts mehr zu machen, da der Russe in spätestens zwei Jahren am Atlantik stehen wird.«

Der von der Westpresse und dem RIAS stark beeinflusste Teil der Bevölkerung Westberlins betreibt eine freche Hetze gegen die SU und die DDR und propagiert »freie Wahlen« nach westlichem Muster. Ein Gewürzhändler aus Berlin-Steglitz, Markelstraße:30 »Wenn Molotow geblieben wäre, wo er herkam, wäre es besser für alle gewesen. So wird nun wieder unnötige Zeit vergeudet und Westdeutschland kommt dadurch nicht weiter. Für den Westen gibt es nur eins, so schnell wie möglich eine starke Wehrmacht und dann nichts, wie den Russen in Klumpen schlagen.«

Ein Angestellter aus Westberlin: »Es wird höchste Zeit, dass die Außenminister auseinandergehen und die Kanonen anfangen zu sprechen.«

Ein Westberliner: »Die Russen wollen nur die SED-Bonzen in Ostdeutschland unterstützen. Die Durchführung von freien Wahlen ohne Einmischung der Besatzungsmächte in der Ostzone ist unmöglich. Der SED-Terror würde das Wahlergebnis ungünstig beeinflussen. Die Menschen in der Ostzone sind für den Westen, werden aber von der SED-Clique und sowjetzonalen Regierungen freier Meinungsäußerungen gehindert. Der 17. Juni [1953] hat das bewiesen.«

Ein Radiohändler aus der Admiral-Straße: »Ich bin nicht für den Ami, aber für den Osten erst recht nicht, denn da kann ich als Geschäftsmann nicht leben, so bin ich also gezwungen, westlich zu denken. Auch die Ostbewohner wünschen nicht, dass der Russe noch lange in Ostdeutschland bleibt.«

Eine Angestellte aus Berlin-Steglitz: »Drei von den Herren sind sich einig, damit Deutschland wieder groß werden soll, wie 1938. Sie wollen uns die Möglichkeit geben, dass Deutschland wieder der Mittelpunkt in Europa wird. Nur der Eine macht immer einen Strich durch die Rechnung und sagt zu allem ›njet‹.«

Stimmen aus Westdeutschland

Wie aus vorliegendem Material ersichtlich ist, sprechen sich Menschen der verschiedensten Bevölkerungsschichten Westdeutschlands für die Beseitigung der Zonengrenzen und den Abschluss eines Friedensvertrages aus. Es wird jedoch an dem Erfolg der Konferenz gezweifelt. Ein Arbeiter aus Emmendingen: »Wir würden uns im Westen alle freuen, wenn endlich die Verständigung der großen Vier herbeigeführt würde, damit uns Deutsche ein Korea erspart bleibt.31 Wir sind doch ein Volk und müssen wieder zusammenkommen. Hoffen wir also, dass der Zeitpunkt günstig ist und unsere Regierungen das Notwendige tun.«

Ein Arbeiter aus Önsbach: »In diesen Tagen ist der Blick aller Deutschen nach Berlin gerichtet, um die großen Ereignisse zu verfolgen. Doch was wird das Resultat sein? Wir wollen hoffen und wünschen, dass nun endlich die Schranken zwischen Ost und West fallen und wir wieder in Ruhe und Frieden leben können.«

Eine Hausfrau aus München: »Alles blickt zur Stunde nach Berlin, aber wir wissen heute schon, dass keine Einheit zustande kommen wird.«

Ein Angestellter aus München: »Dass ihr alle große Hoffnungen auf Berlin habt, glaube ich gern, aber wenn ich ehrlich sein soll, ich habe wenig Hoffnung, dass es zu gesamtdeutschen Wahlen kommt, denn die Bedingungen, die euer Ministerpräsident stellt, erst eine gemeinsame Regierung und dann Wahlen, sind meiner Ansicht nach auch nicht richtig. Der Friedensvertrag wäre das Wichtigste, aber der Russe macht doch da nicht mit.«

In einem Teil der vorliegenden Meinungsäußerungen kommt eine feindliche Haltung gegenüber der SU und der DDR zum Ausdruck. Zum Teil wird die Rückgabe der Ostgebiete gefordert. Ein Arbeiter aus Laufen: »Die Zusammenlegung Deutschlands unter russischer Herrschaft, wird nicht kommen. Und unter amerikanischer Herrschaft, das gibt der Russe nicht zu. In Berlin kommt nichts zustande. Unsere Rückkehr kann nur mit der Waffe in der Hand erfolgen.«

Anlage 1 (o. D.) zum Informationsdienst Nr. 2108

Anhang: Versammlung in Westberlin32

Am 5.2.1954 wurde in Berlin-Halensee, Kurfürstendamm 156,33 eine Versammlung durchgeführt, in der das Mitglied des Britischen Unterhauses »Labourparty«, Emerys Hughes,34 sprach. In den Ausführungen wurde zum Ausdruck gebracht, dass Deutschland nur einen besseren Lebensstandard erreichen könne, wenn eine Vereinigung aller Völker, nicht nur in politischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht erzielt wird. Er zeigte an Beispielen die Ausgaben der Aufrüstung in England auf (z. B. ein Atom-U-Boot 450 Millionen Mark). Die englischen Industriellen sind dafür, dass auch Deutschland wie alle westeuropäischen Staaten aufrüstet. Der zzt. geführte Kalte Krieg koste ebenso viel wie der Krieg selbst. Durch die in England betriebene Aufrüstung lebe das englische Volk schlechter als das deutsche. Hughes versuchte, den von Außenminister Eden auf der Viermächtekonferenz vorgeschlagenen Plan als unannehmbar darzustellen. Unter anderem äußerte er, dass in Westdeutschland unheimliche Summen für die Wahl ausgegeben wurden. Die von Genossen Molotow eingebrachten Vorschläge, die Volksrepublik China als Großmacht anzuerkennen, wurden von ihm befürwortet.35 Er zeige auf, dass England gegenüber China eine andere Haltung vertritt als Amerika. England sei interessiert, die Handelsbeziehungen mit China zu erweitern. Zum Schluss zeigte er auf, dass Nord-Korea von den westlichen Mächten überfallen wurde. Die Beteiligung Chinas am Krieg begründet er damit, dass sich China aufgrund der entstandenen Situation bedroht sah.

In der im Anschluss durchgeführten Diskussion sprachen sich von zehn Diskussionsrednern sieben positiv für die Viermächtekonferenz aus. Ein Diskussionsredner, der versuchte, Zeitungszitate über die Ausführungen Dulles36 zu bringen, wurde durch die Zwischenrufe und Wortentzug zum Abtreten gezwungen.

Anlage 2 vom 6. Februar 1954 zum Informationsdienst Nr. 2108

Stimmung zur Viermächtekonferenz

Betriebe

Zum Vorschlag des Genossen Molotow, Abzug der Besatzungstruppen vor Durchführung der Wahlen, wird bisher nur vereinzelt diskutiert. Die Mehrzahl der bekannt gewordenen Meinungsäußerungen sind positiv. Der Hauer [Name 1] vom Thomas-Müntzer-Schacht Eisleben, [Bezirk] Halle: »Die Westmächte werden immer mehr überrumpelt, gerade der letzte Vorschlag, dass zuerst die Besatzungstruppen abgezogen werden, zeigt uns, dass eine freie Wahl durchgeführt werden kann. Die Westmächte haben dann keinen Einfluss wie bei der Bonner Wahl im Vorjahr.«37

Der Angestellte [Name 2] vom VEB Schiffswerft Rechlin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Argumente und Vorschläge von Molotow beweisen der Weltöffentlichkeit, wer wirklich für den Frieden und die internationale Entspannung ist. Er zwingt die westlichen Außenminister, ihren Standpunkt zu ändern. Die neuen Vorschläge der SU werden den westlichen Außenministern keine Gelegenheit bieten, die Konferenz vorzeitig zu verlassen.«

Drei Küchenfrauen vom VEB Sachsenwerk Radeberg, [Bezirk] Dresden: »Jetzt ist uns erst einmal zum Bewusstsein gekommen, was überhaupt der EVG-Vertrag bedeutet. Es ist erstaunlich mit welcher Beharrlichkeit die SU für den Frieden kämpft, was in ihren Vorschlägen erneut zum Ausdruck kommt.«

Der Arbeiter [Name 3] vom VEB Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck« in Schwarza, [Bezirk] Gera: »Kein Deutscher hätte bessere Vorschläge für einen Friedensvertrag mit Deutschland machen können, als die SU es getan hat. Wir wollen keinen EVG-Vertrag, sondern in Frieden und Einheit leben. Warum wird der Vorschlag der SU von den Westmächten nicht angenommen?«

Der Ingenieur [Name 4] aus dem technischen Konstruktionsbüro des VEB Kranbau Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Ich stehe auf dem Standpunkt, dass der Außenminister Molotow erst dann seine Zustimmung geben wird (zu den Vorschlägen der Westmächte), wenn die SU die Garantie erhält, dass sie nicht wieder überfallen wird. Es ist verständlich, wenn ein Land, wie die SU, diese Forderungen stellt und danach handelt.«

In geringem Maße nur wurden gegenteilige Meinungen bekannt. Der Lokführer [Name 5] vom Bahnbetriebswerk Waren, [Bezirk] Schwerin:38 »Lasst mal die freien Wahlen kommen, dann geht die SED baden.«

Die Brigade [Name 6] vom RAW Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, bringt zum Ausdruck: »Wir wollen erst freie Wahlen und dann eine gesamtdeutsche Regierung.«

Die Arbeiterin [Name 7] vom VEB Finora aus Hohenstein-Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich bin auch für freie Wahlen, aber nicht für solche, wie wir sie in der Ostzone schon einmal hatten. Das waren keine freien Wahlen, weil man offen wählen musste und dabei aufgepasst wurde. Ich will solche Wahlen, wie sie vom Westen vorgeschlagen wurden.«

Der Kraftfahrer [Name 8], beschäftigt bei der Wismut:39 »Molotow hat von Dulles eine ganz schöne auf den Deckel bekommen. Dulles hat Molotow vorgeworfen, dass er derjenige gewesen sei, der mit Hitler einen Nichtangriffspakt abgeschlossen hätte, während die Westmächte so etwas nie getan hätten.«

Ein Arbeiter aus den Chemischen Werken Buna: »Wenn alle Besatzungstruppen abziehen und es wirklich zu freien Wahlen kommt, muss man auch wieder die SPD zulassen.«

Landwirtschaft

Zu den Vorschlägen Molotows, Durchführung einer Volksbefragung40 sowie freien gesamtdeutschen Wahlen bei vorhergehendem Abzug aller Besatzungstruppen, äußerten sich bisher nur wenige Stimmen, jedoch überwiegend positiv. Ein Traktorist der MTS Zittau, [Bezirk] Dresden: »Wenn der Amerikaner den Vorschlag Molotows ablehnt, welcher sich auf Abzug der Besatzungsmächte noch vor den Wahlen bezieht, so wird es einmal der Amerikaner sehr bitter bereuen müssen.« Der Landarbeiter [Name 9] vom VEG Lüssow, [Bezirk] Rostock: »Die Volksbefragung ist das einzig Richtige, dann braucht man nicht lange zu überlegen, sondern dann wäre der Wille des deutschen Volkes eindeutig geklärt.«

Durch die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister zu den Vorschlägen des Genossen Molotow zweifeln viele Menschen aus allen Schichten der Landbevölkerung an positiven Ergebnissen der Konferenz. Neubauer [Name 10] aus Alt-Pastitz, [Bezirk] Rostock: »Ich will lieber Tag und Nacht arbeiten, aber nur nicht wieder einen Krieg. Nach den bisherigen Verhandlungen kann man aber kaum annehmen, dass sie sich einig werden.«

Die negativen und feindlichen Stimmen, hauptsächlich von Großbauern geführt, fordern erst »freie Wahlen« und dann eine Regierung sowie Beseitigung der Oder-Neiße-Grenze. In der Blocksitzung der Gemeinde Viezen, [Bezirk] Schwerin, wo 26 Personen anwesend waren, forderte die Mehrzahl erst freie Wahlen und dann eine Regierung.

In der Gemeinde Bismark, [Bezirk] Magdeburg, wo 1 200 Umsiedler wohnen, sind starke negative Diskussionen über die Oder-Neiße-Grenze. Der Oberbuchhalter [Name 11] aus dieser Gemeinde: »Im Potsdamer Abkommen steht ausdrücklich, dass die Grenzen erst nach Abschluss eines Friedensvertrages festgelegt werden.«41

Im Bezirk Frankfurt/Oder sind in vielen Dörfern ebenfalls Stimmen laut geworden, die die Revision der Oder-Neiße-Grenze fordern. Lagerverwalter [Vorname Name 12] MTS Angermünde: »Wenn die Ostgebiete nicht zurückgegeben werden, wird nie Ruhe sein und die vier Außenminister einigen sich auch nicht.«

Bevölkerung

Die Vorschläge des Genossen Molotow, Abzug aller Besatzungstruppen und freie, demokratische Wahlen, werden allgemein von der Bevölkerung begrüßt. Ein Mitarbeiter des Kreisvorstandes der NDPD Gera: »Ich begrüße die Vorschläge des sowjetischen Außenministers Molotow. Wer nicht auf die klaren und konkreten Vorschläge Molotows, wie Abzug der Besatzungstruppen, provisorische Regierung und freie Wahlen, eingeht, ist nichts an der friedlichen Lösung der deutschen Frage gelegen.«

Ein Friseurgeselle aus Suhl: »Molotow hat einen großen Schachzug gemacht. Ich hätte die Gesichter der anderen Außenminister sehen mögen, als Molotow den Vorschlag brachte, Abzug der Besatzungstruppen aus ganz Deutschland vor den Wahlen. Durch diesen Vorschlag wurden die Westmächte an die Wand gedrückt, denn die Mehrheit des deutschen Volkes wird diesen Vorschlag sehr begrüßen.«

Der parteilose [Name 13] aus Strelitz-Alt,42 [Bezirk] Neubrandenburg: »Der Vorschlag, dass die Besatzungsmächte vor einer gesamtdeutschen Wahl Deutschland verlassen sollen, ist gut. Wir brauchen den Amerikaner und die anderen nicht, wir können unsere deutsche Regierung selber wählen.«

Die Lehrerin [Vorname Name 14] aus Karl-Marx-Stadt: »Die SU macht den Westmächten derartige Konzessionen, dass es diesen bald nicht mehr möglich sein wird abzulehnen. Durch die von Molotow vorgeschlagene Volksbefragung sowie Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland werden die Westmächte in die Enge getrieben.«

Die negativen Stimmen betrachten die Vorschläge des Genossen Molotow als einen Hinterhalt und verbreiten, dass die SU nicht für freie Wahlen sein kann.

Der Tankstellenbesitzer [Name 15, Vorname] aus Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Molotow kann Reden halten und Vorschläge bringen wie er will, die Westmächte, vor allen Dingen der Ami, gehen auf keinen Kompromiss ein. Wenn Molotow neuerdings auch auf den Abzug der Besatzungstruppen aus ganz Deutschlands pocht, um dann erst freie Wahlen durchzuführen, so betrachte ich dies als Falle.«

Der Ofenmeister [Name 16] aus Grimma, [Bezirk] Leipzig: »Bei der Viererkonferenz wird nicht viel herauskommen. Man ist sich so lange Jahre nicht einig geworden und diesmal wird die Konferenz auch wieder platzen, dafür wird schon Molotow sorgen, das sieht man an seinen Vorschlägen.«

Der Angestellte [Name 17, Vorname] aus Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Konferenz wird scheitern, da Molotow die Verhandlungen torpediert. Er lehnt alle guten Vorschläge des Westens ab und bringt seinerseits seine alten Knochen. Unseren Rundfunk kann man überhaupt nicht mehr hören, denn da wird man nur einseitig unterrichtet. Der 17. Juni [1953] wird sich noch einmal wiederholen.«

Der Ofensetzer [Name 18] aus Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Bei den Verhandlungen der vier Großen kann man ganz deutlich erkennen, dass sich die sogenannten kapitalistischen Staaten von dem Mann aus dem Osten nicht einschüchtern lassen. Wenn Molotow in seiner gestrigen Rede zum Ausdruck brachte, den Abzug aller Besatzungstruppen und dann freie Wahlen durchzuführen, so ist die westliche Seite bestimmt dafür. Nehmen wir aber Russland her, so wollen diese nur die Amis loshaben, um Gesamtdeutschland zu bolschewisieren. Für die freien Wahlen bin ich jederzeit, denn es gibt schon genügend Stimmzettel.«

Umsiedlerkreise erhoffen durch die freien Wahlen, eine Rückkehr in ihre alte Heimat zu erreichen. Frau [Name 19] aus Schiffmühle, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Man soll geheime Wahlen durchführen, dann können wie wenigstens wieder in unsere Heimat zurück.« In der Privatdruckerei [Name 20] in Rehna, [Kreis] Gadebusch, [Bezirk] Neubrandenburg,43 wurde in einer Versammlung von ca. 20 Personen gefordert, dass die Ostgebiete wieder an Deutschland zurückgegeben werden.

Stimmen aus Westberlin

Ein Arbeitsloser aus Westberlin: »Dulles ist ein Vertreter der Geldsäcke und Molotow ist Vertreter und Verfechter des Sozialismus. Am Verhandlungstisch sitzen nur zwei Partner, Molotow und Dulles. England und Frankreich ist abhängig von Amerika, Eden und Bidault44 sagen nur das, was ihnen von Dulles gestattet ist.«

Ein Rentner aus Berlin N 20,45 Osloerstraße: »Die Wiedervereinigung ist gut und schön, wird aber am EVG-Vertrag scheitern.«

Die Verkäuferin vom Milchgeschäft [Name 21] Berlin N 20, Osloerstraße: »Wenn jeder der vier Mächte ein Loch zurücksteckt, könnte schon eine Einigung zustande kommen. Es wäre für jeden besser, wenn er wieder seine Arbeit hätte und könnte in Ruhe und Frieden dieser wieder nachgehen.«

Ein Einwohner von Berlin-Steglitz, Albrechtstraße 118: »Die vier Außenminister und deren Regierungen bestimmen ja doch über das Schicksal Deutschlands und wir kleinen Leute können dazu gar nichts tun. Die Bevölkerung der DDR wünscht gar keine Einigung Deutschlands auf der Grundlage der Vorschläge von Molotow. Sie lehnen diese Vorschläge sowieso ab und orientieren sich nach dem Westen.«

Ein Einwohner aus Westberlin: »Die Regierung der DDR will gar keine Einigung Deutschlands, dies beweist die Ablehnung von freien Wahlen.«

Einwohner aus Berlin-Wilmersdorf: »Die Russen wollen nur die SED-Bonzen in Ostdeutschland unterstützen. Die Durchführung von freien Wahlen ohne Einmischung der Besatzungsmächte ist in der Ostzone unmöglich. Der SED-Terror würde das Wahlergebnis ungünstig beeinflussen. Die Menschen in der Ostzone sind für den Westen, werden aber von der SED-Clique und der sowjetzonalen Regierung an der freien Meinungsäußerung gehindert. Der 17. Juni [1953] hat es bewiesen.«

Ein Angestellter aus Westberlin: »Der Russe will uns wieder ein Bein stellen, er will ganz Deutschland unter einer ostzonalen Regierung haben. Gott gebe es, dass wir endlich Ruhe bekommen.«

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