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Zur Beurteilung der Situation

13. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2120 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Viermächtekonferenz:1 Wie aus vorliegenden Berichten zu ersehen ist, lässt das Interesse für die Konferenz weiter nach, da man mit Beginn des 3. Tagesordnungspunktes2 im Allgemeinen die Deutschlandfrage als abgeschlossen betrachtet. Des Weiteren macht sich bei einem großen Teil der Arbeiter, stärker bei den Angestellten und der Intelligenz, eine abwartende Haltung bemerkbar. Ein Konstrukteur der Warnow-Werft Warnemünde, [Stadt] Rostock: »Was interessiert mich die Konferenz, ich spiele lieber Toto, das ist interessanter.«

Ein parteiloser Arbeiter vom VEB Sprengstoffwerk Gnaschwitz, [Bezirk] Dresden: »Mich kann nichts mehr interessieren, es springt sowieso nichts dabei heraus. Ich höre keinen Rundfunk mehr, denn es ist ja doch nichts zu hören.«

Ein großer Teil der Belegschaft des Mercedes-Werkes in Zella-Mehlis, [Bezirk] Suhl, ist in Diskussionen sehr zurückhaltend, jedoch wünscht man einen Erfolg auf dieser Konferenz. Ähnlich ist die Stimmung in den Magdeburger Verkehrsbetrieben, des Bahnhofes Buckau, Magdeburg, der Konsummühle Magdeburg und der Fernmeldestelle Greiz, [Bezirk] Gera.

Ein großer Teil der Werktätigen äußert Zweifel über einen erfolgreichen Abschluss der Konferenz in Berlin. Ein nicht geringer Teil der Werktätigen begrüßt jedoch die Vorschläge des Genossen Molotow3 und erkennt, dass diese Vorschläge den Interessen des deutschen Volkes entsprechen. In den meisten Fällen wird jedoch nicht auf die einzelnen Vorschläge eingegangen.4

Ein großer Teil der Beschäftigten des Werkes IV vom Karl-Marx-Werk Magdeburg5 zweifelt an einer Einigung in Berlin über die Deutschlandfrage, begrüßen jedoch die sowjetischen Vorschläge auf der Konferenz.

Im RAW Meiningen, [Bezirk] Suhl, zweifelt ein großer Teil der Arbeiter und Angestellten an einer Einigung.

Die Kollegen der Forschungsabteilung des Kunstfaserwerkes »Wilhelm Pieck« in Schwarza, [Bezirk] Gera, begrüßen die sowjetischen Vorschläge, besonders die letzten über die Gewährleistung der Sicherheit in Europa.6 Weiterhin werden die Vorschläge des sowjetischen Außenministers von einem großen Teil der Belegschaft des VEB Maxhütte Unterwellenborn, des VEB Lederfabrik Hirschberg, [Bezirk] Gera, der Farbenfabrik Wolfen, [Bezirk] Halle, den Rohrlegern der Filmfabrik Wolfen, [Bezirk] Halle, den Angestellten des »Karl-Liebknecht«-Werkes Magdeburg,7 dem Manometerbau des Karl-Marx-Werkes Magdeburg,8 der technischen Intelligenz des Stahlbaus Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, und des Lernaktivs des Ausbildungsbahnhofes Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/Oder, begrüßt.

Die Belegschaft des VEB Gubener Wolle Werk IV, sprach sich gegen den EVG-Vertrag9 aus und fordert einen Friedensvertrag. 20 Kollegen traten in die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft10 ein.

Von einem Teil der Werktätigen wird die Veröffentlichung der Reden und Vorschläge der westlichen Außenminister in unserer Presse und im Rundfunk gefordert.11 Teilweise bringt man auch zum Ausdruck, dass man die Westsender hört, um sich »richtig« zu informieren. Ein Arbeiter aus dem VEB Handschuhfabrik Ilmenau, [Bezirk] Suhl: »Um mir einen Überblick zu verschaffen, bin ich gezwungen, westliche Sender zu hören, da unsere Sender davon zu wenig bringen.«

Ein kleinerer Teil der Werktätigen äußert sich in negativer bzw. in feindlicher Form zur Viermächtekonferenz.12 Dabei werden besonders die Forderungen »freie Wahlen« nach westlichem Muster13 und die Revidierung der Oder-Neiße-Grenze gestellt, letztere besonders von ehemaligen Umsiedlern. Diese negativen und feindlichen Äußerungen werden in verschiedenen Formen zum Ausdruck gebracht, Hetze gegen die SU und DDR, »Schuld an einem Misslingen der Konferenz trägt die SU«, Verherrlichung der westlichen Verhältnisse u.  Ä. Bei diesen Stimmen zeigt sich besonders der westliche Einfluss. Desgleichen treten diese Stimmen in Privatbetrieben stärker als in VEB in Erscheinung. Von einem Teil der Belegschaft des Autowerkes Torpedo in Bernau, [Bezirk] Frankfurt/Oder, werden »freie Wahlen« und Zulassung der SPD gefordert.14 Ebenso fordert ein kleiner Teil der Belegschaft des Elektromotorenwerkes Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg, »freie Wahlen«. Bei einer solchen Wahl würden dann die Kommunisten viele Stimmen verlieren.

Ein Techniker vom Elbetalwerk Heidenau, [Bezirk] Dresden: »In der USA herrschen demokratische Verhältnisse, dort können die Menschen frei wählen.«

Ein Probenehmer der Wismut,15 Schacht 12 Oberschlema, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es ist nicht richtig, dass man die Oder-Neiße-Grenze festgelegt hat. Damit sind Deutschland wertvolle Gebiete verloren gegangen, da dort die meisten Kohlen liegen. Jetzt liegt alles brach, denn die faulen Hunde (gemeint sind Volkspolen) machen doch nichts.«

Ein Professor vom Arbeitsschutz der Leuna-Werke »Walter Ulbricht«, [Bezirk] Halle: »Vom Krieg spricht man nur in der Ostzone. Man legt in Westdeutschland nur Militärstützpunkte an und stationiert Atomgeschütze,16 weil der Westen weiß, dass eines Tages die Russen doch zum Angriff übergehen werden. Aus diesem Grunde muss er sich sichern, damit er nicht überrannt wird.«

Ein Teil Arbeiter der »Klement-Gottwald«-Werke Schwerin sehen keine Einigung auf der Konferenz, weil der »Russe nicht nachgibt«. Ein Ingenieur vom Zentralen Konstruktionsbüro Warnemünde, [Stadt] Rostock: »Es gibt keine Einigung mehr. Molotow ist zu unbeweglich. Deutschland muss an den Westen gebunden werden.«

Ein Ingenieur vom VEB Jenapharm Jena, [Bezirk] Gera: »Was ihr nur faselt, es gibt überhaupt keine Prämien mehr. Nach der Konferenz braucht doch jeder sein Geld für kleine Kanonen.«

Landwirtschaft

Das Interesse der Landbevölkerung an der Außenministerkonferenz lässt weiter nach. Außerdem ist eine gewisse politische Gleichgültigkeit festzustellen. Bei vielen Stimmen, die auf eine Einigung in der Deutschlandfrage gehofft haben, macht sich jetzt eine Enttäuschung bemerkbar. Die meisten Äußerungen zur Konferenz sind allgemein und beinhalten den Wunsch, in Frieden zu leben. Solche Meinungen werden meist von Landarbeitern und werktätigen Bauern kundgetan. Die fortschrittlichsten Kräfte auf dem Lande äußern sich konkret zu den Vorschlägen des Genossen Molotow. Zum Vorschlag des Genossen Molotow vom 10.2.1954 liegen noch wenig Stimmen vor. Ein Betriebsschutzangehöriger vom VEG Schleiz, [Bezirk] Gera: »Mich freut der neue Vorschlag Molotows. Die westlichen Außenminister wissen schon bald nicht mehr was sie machen sollen, so werden sie in die Enge getrieben.«

Dem Abrüstungsvorschlag des Genossen17 Molotow stimmten viele Landarbeiter und Bauern der Gemeinden Grebs und Netzen, [Bezirk] Potsdam, zu. Insbesondere wurde er von Frauen unterstützt, deren Männer im Zweiten Weltkrieg gefallen sind.18

Eine Reihe von Stimmen bringt zum Ausdruck, dass sie an kein Ergebnis der Konferenz glauben, ein Teil davon bezweifelt, dass sich Molotow gegen die Westmächte durchsetzen kann. In der MTS Trebnitz, [Bezirk] Frankfurt/Oder, ist folgende Auffassung stark vertreten: »Was will schon ein einzelner Außenminister gegen drei Außenminister machen.«

Ein Kleinbauer aus Seidewinkel, [Kreis] Hoyerswerda, [Bezirk] Cottbus: »Da kommt sowieso nichts raus. Wenn sie sich hätten einigen wollen, so wäre das schon längst geschehen.«

Immer wieder treten bei einem Teil Neubauern oder LPG Erscheinungen auf, wo man sich zurückhaltend verhält oder Befürchtungen zum Ausdruck bringt. Teilweise weicht man vor Feindeinfluss zurück. Ein LPG-Vorsitzender aus Hohenroda, [Bezirk] Leipzig: »Ich befürchte, dass im Falle der Durchführung von Wahlen die SED nicht durchkommen wird. In Westdeutschland ist die Reaktion nämlich konzentriert, dann werden vielleicht die in der DDR geschaffenen Errungenschaften rückgängig gemacht.«

Eine Reihe von Kleinbauern aus Bantikow, [Bezirk] Potsdam, äußerten sich: »Wir wollen erst abwarten. Wenn die Konferenz zugunsten des Westens ausfällt, bleiben wir Einzelbauern, fällt sie aber zugunsten des Ostens aus, treten wir der LPG bei.«

Aufgrund eines Drohbriefes eines enteigneten Großbauern haben die Neubauern aus Erdeborn, [Bezirk] Halle, Angst, der LPG beizutreten.

Bei den negativen und feindlichen Stimmen, die einen verhältnismäßig geringen Teil ausmachen, sind hauptsächlich folgende Argumente vertreten: »Die SU trägt die Schuld am Konferenzverlauf«, »freie Wahlen« nach westlichem Muster und »freie Wirtschaft«. Diese Stimmen werden hauptsächlich von Großbauern und feindlichen Elementen anderer Schichten vertreten. Viele dieser Stimmen hoffen auf eine Veränderung in den demokratischen Verhältnissen der DDR. Unter einem Teil ehemaliger Umsiedler auf dem Lande wird weiterhin negativ über die Oder-Neiße-Grenze diskutiert.19

Ein enteigneter Großbauer aus Lübs, [Bezirk] Magdeburg: »Die Ostzone muss erst amerikanisiert werden, dann wird auch eine Einigung erzielt und wir bekommen unsere Wirtschaften wieder.«

In der Gemeindevertretersitzung in Quappendorf, [Bezirk] Frankfurt/Oder, brachten einige Einwohner der Gemeinde zum Ausdruck, dass nach Abbruch der Konferenz ein zweiter 17. Juni [1953] stattfindet.

Ein Schlosser der MTS Murchin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich bin der Ansicht, dass bei einem Scheitern der Konferenz ein Krieg unvermeidlich ist.«

In einer Parteiversammlung der LPG in Marzahna, [Bezirk] Potsdam, wurde von einem Anwesenden zum Streik aufgerufen. Grund: weil sein Schwager, der LPG-Vorsitzende, wegen parteifeindlichen Verhaltens aus der Partei ausgeschlossen wurde.

Ersatzteilmangel: In mehreren MTS des Bezirkes Magdeburg sowie in den MTS des Kreises Seelow, [Bezirk] Frankfurt/Oder, besteht starker Ersatzteilmangel.

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Das Interesse für die Außenministerkonferenz hat in den letzten Tagen bei einem Teil der Bevölkerung merklich nachgelassen. Zu dem eingebrachten Vorschlag Molotows, zwecks Gewährung einer kollektiven Sicherheit, wird nur vereinzelt Stellung genommen. Politisch interessierte und aufgeklärte Teile der Bevölkerung unterstützen die Vorschläge des Genossen Molotow und erwarten eine Entspannung der internationalen Lage. Ein Angestellter aus Gera: »In Fortführung der konsequenten Friedenspolitik hat nunmehr der Außenminister Molotow einen erneuten Vorschlag über einen gesamteuropäischen Vertrag der kollektiven Sicherheit vorgebracht. Alle Deutschen müssen in Ost und West dafür kämpfen, dass dieser erneute Beweis friedlicher Gesinnung entsprechende Beachtung und Verwirklichung findet.«

Eine Hausfrau aus Bautzen: »Man erkennt immer besser, welch große Mühe Molotow sich gibt, um dem deutschen Volk eine Einheit auf friedlichem Wege zu geben.«

Außer dem merklichen Nachlassen des Interesses für die Konferenz wird von einem Teil der Bevölkerung eine Zurückhaltung in Diskussionen gewahrt, oder es wird nur sehr wenig Hoffnung auf einen Erfolg der Konferenz zum Ausdruck gebracht. Bei einem Aufklärungseinsatz in der Gemeinde Bettenhausen, [Bezirk] Suhl, wurde festgestellt, dass eine allgemeine Zurückhaltung vorhanden ist und keine Meinungen zur Außenministerkonferenz geäußert werden. Ähnlich wird auch aus anderen Bezirken berichtet, wo ein sehr schwacher Versammlungsbesuch ist und keine Diskussionen geführt werden. Ein Lehrer aus Frankfurt/Oder: »Langsam aber sicher verliert man das Interesse an dieser Konferenz, da ja doch immer wieder nichts herauskommt.«

Ein Geschäftsinhaber aus Dingelstädt, [Bezirk] Erfurt: »Mich können die Beratungen in Berlin kaum noch interessieren, denn was wird schon herauskommen, für uns bestimmt nichts Gutes.«

Ein Arzt aus Parchim, [Bezirk] Schwerin: »Ich habe anfangs die Viererkonferenz mit großem Interesse verfolgt und begrüße auch die Vorschläge Molotows, doch jetzt ist mein Interesse an der Konferenz herabgesunken, da ich festgestellt habe, dass die Westmächte keinerlei Interesse und guten Willen für die Deutschlandfrage zeigen.«

Vom westlichen Rundfunk beeinflusste und feindliche Elemente propagieren »freie Wahlen« und hetzen zum Teil gegen die SU und DDR. Wie aus den vorausgegangenen Berichten schon ersichtlich ist, wenden sie dabei die verschiedensten Argumente an.

Ein Stellmacher [Name 1] aus Weisdin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Molotow will keine freien Wahlen. Durch freie Wahlen würde Russland ja verlieren. Der Westen will aber freie Wahlen und wird auch nicht davon abgehen. Hier im Osten wird ja nur die vom Russen angeführte Politik vertreten. Die letzten Wahlen haben es ja bewiesen wie gemein sie waren. Unsere Regierung wurde von Russen eingesetzt.«

Ein Baumeister aus Schwerin: »Wenn die Konferenz scheitert, dann werden sie hier in der DDR den Rubel einführen und wir werden sowjetisiert.«

Ein ehemaliger Umsiedler aus Eisenach, [Bezirk] Erfurt: »Ich hoffe auf ein baldiges Ende der Bolschewistenherrschaft. Im Falle der freien Wahlen werde ich richtig wählen.«

Organisierte Feindtätigkeit

Vereinzelte Hetzschriftenfunde werden aus den Bezirken Potsdam, Suhl, Cottbus, Frankfurt/Oder und Schwerin, etwas stärker aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt berichtet. Es handelt sich um bereits bekannte Ausgaben der SPD und NTS.20

Vereinzelt wurden in den Bezirken Dresden, Leipzig, Potsdam und Rostock Briefe mit Hetzschriften von Personen, die diese durch die Post erhalten hatten, abgegeben. Auch hier handelt es sich um bereits bekannte Ausgaben der KgU21 und UfJ.22

37 Briefe mit Hetzmaterial wurden im Bezirk Potsdam sichergestellt.

Vereinzelte antidemokratische Schmierereien und Handlungen, wie Abreißen von Plakaten usw., werden aus den Bezirken Dresden und Erfurt bekannt.

Vermutliche Brandstiftung: Im VEB Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck« in Schwarza, [Bezirk] Gera, brannte der dort stationierte Röntgenzug (geschätzter Schaden 50–60 000 DM).

Am 10.2.1954 brannte der Wasserturm in Münchehofe, [Bezirk] Frankfurt/Oder, nieder (geschätzter Schaden 15 000 DM).

Einschätzung der Situation

Das Interesse an der Konferenz lässt weiter nach. Ein großer Teil der Bevölkerung ist hauptsächlich wegen der ablehnenden Haltung der Westmächte pessimistisch. Zum großen Teil werden die Vorschläge Molotows unterstützt, ein kleiner Teil vertritt feindliche Meinungen.

Anlage 1 (o. D.) zum Informationsdienst Nr. 2120

Anhang: Unzufriedenheit unter Arbeitern in einigen Betrieben

Schlechte Stimmung durch Materialmangel: Schlechte Stimmung unter den Arbeitern besteht in einigen Betrieben durch Materialmangel. So z. B. im VEB Kranbau Eberswalde,23 Abteilung Stahlbau, wo die Brigade Schremmer die Norm mit 140 Prozent erfüllte, sie jedoch nur mit 120 Prozent angerechnet bekam, da man ihnen die Wartestunden, die durch Materialmangel eintraten, nicht anrechnete.

Negative Diskussionen treten in ehemaligen SAG-Betrieben des Bezirkes Leipzig auf,24 da jetzt öfters größere Materialschwierigkeiten auftreten.25 Man äußert dabei, dass jetzt, wo diese Betriebe volkseigen sind, es an Material und Aufträgen mangelt. So fehlt es im VEB Kirow-Werk Leipzig26 an Grobblechen. Wenn in Kürze nicht die Lieferungen eintreffen, müssen einige Abteilungen stillgelegt werden. Im VEB Bleichert Leipzig27 besteht in einigen Abteilungen Arbeitsmangel, da es an Material fehlt. Es mussten bereits Arbeiter mit anderen Arbeiten betraut werden. Desgleichen bestehen in der Patentpapierfabrik Rochlitz,28 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, Materialschwierigkeiten und im VEB Kreisbauhof Beelitz, [Bezirk] Potsdam, fehlt die Planauflage für 1954.

Arbeitskräftemangel: In den Ziegelwerken Zehdenick, [Bezirk] Potsdam, besteht ein Mangel an Arbeitskräften, da die Löhne hier niedriger liegen, als in anderen Baubetrieben.

Bei der Reichsbahn im Bezirk Karl-Marx-Stadt ist beim Zugbegleitpersonal in letzter Zeit eine starke Fluktuation zu verzeichnen. Die Ursachen sind angeblich zu niedrige Entlohnung und Nichtvergütung der hohen Ausbleibezeiten.

Unzufriedenheit über Senkung der Qualitätsprämie: Im VEB Kautschuk (ehemalige SAG-Betriebe) Bad Blankenburg,29 [Bezirk] Gera,30 werden negative Diskussionen über die Senkung der Qualitätsprämie von 35 auf 20 Prozent geführt. Ein Reparaturschlosser der Abteilung Labor (SED) AGL-Mitglied: »Man müsste das Geld (Qualitätsprämie), wenn es kommt, nicht annehmen, sondern sich hinsetzen und streiken, vielleicht bekommt man dann noch mehr.«

Unzufriedenheit bei Reisenden: Zu heftigen Diskussionen unter ca. 600 Reisenden (vorwiegend Arbeiter) kam es auf dem Bahnhof Michendorf, [Bezirk] Potsdam, am 10.2.1954, als man nur eine Sperre geöffnet hatte. Dabei wurde der diensthabende Kontrollposten beschimpft. Es fielen unter anderem die Worte: »Acht Stunden haben wir gearbeitet und jetzt zum Feierabend müssen wir an der Sperre noch drängen und werden dazu noch bewacht.« Hierbei wurden auch einzelne Pfui-Rufe laut.

Negative Diskussionen bei Werbung zur Volkspolizei: Bei der Werbung zur Volkspolizei in verschiedenen Betrieben in Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder, machten sich eine Reihe negativer Diskussionen bemerkbar.31 So äußerte z. B. ein Jugendlicher vom VEB Kranbau Eberswalde: »In den Sauhaufen gehe ich nicht. Wenn ich einen Gestellungsbefehl bekomme, haue ich einfach ab.«

Anlage 2 vom 13. Februar 1954 zum Informationsdienst Nr. 2120

Stimmung zur Außenministerkonferenz

Betriebe

Das Interesse für die Konferenz lässt weiterhin allgemein nach. Des Weiteren macht sich bei einem großen Teil der Arbeiter, stärker bei den Angestellten und der Intelligenz, eine abwartende Haltung bemerkbar. Ein nicht geringer Teil der Werktätigen begrüßt jedoch die Vorschläge des Genossen Molotow, geht aber meist nicht auf die einzelnen Vorschläge ein.

Der Kollege [Name 2] von der Bohrabteilung Schmirchau,32 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich werde meine ganze Kraft dafür einsetzen, um unsere gesamte Belegschaft über die Vorschläge des sowjetischen Außenministers aufzuklären, die den Interessen des gesamten deutschen Volkes entsprechen.«

Der Eisenbahner [Name 3] aus Werchow, [Bezirk] Cottbus: »Den Vorschlag Molotows über den Abzug der Besatzungstruppen kann man nur begrüßen. Es ist schon richtig, wenn darin an die drei westlichen Außenminister gesagt wird, dass zum Schutze nur Polizei-Truppen notwendig sind.«

Ein nicht großer Teil der Werktätigen äußert sich negativ bzw. feindlich zur Konferenz, wobei Haupt-Argumente weiterhin die Forderungen auf »freie Wahlen« und Revision der Oder-Neiße-Grenze sind. Der Stellwerkwärter [Name 4] vom Braunkohlenwerk Zipsendorf, [Bezirk] Leipzig: »Die von uns durchgeführte Wahl war überhaupt keine Wahl. Da ist es im Westen ganz anders.«33

Der Arbeiter [Name 5] von der Konsummühle Magdeburg: »Wir müssen bei uns freie Wahlen durchführen, wie sie im Westen durchgeführt wurden. Das wäre das Beste.«

Der Probenehmer [Name 6] vom Wismut-Schacht 12 in Oberschlema, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es ist nicht richtig, dass man die Oder-Neiße-Grenze festgelegt hat. Die Gebiete östlich der Oder haben für uns einen großen Wert. Durch die Außenministerkonferenz müssten sie wieder an uns zurückkommen.«

Die Umsiedlerin [Name 7] vom VEB Kabelwerk Schönow, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Gut wäre es, wenn die Außenminister beschließen, dass wir unsere Ostgebiete wiederbekommen.« Weiterhin führte sie aus: »Freie Wahlen sind gut, aber warum sollen die Besatzungsmächte vorher abziehen? Wenn alle weg sind, ist der Ami weit, aber die Russen sind dicht dran.«

Der Kollege [Name 8] vom Eisenwerk Waren, [Bezirk] Neubrandenburg: »Es ist zwar für uns eine Erleichterung, wenn Molotow vorschlägt, Abzug der Besatzungstruppen und Befreiung von den Besatzungskosten.34 Die Menschen in Westdeutschland leben aber trotzdem besser als wir. Für die sind diese Lasten keine großen Hindernisse.«

Der parteilose Kollege [Name 9] vom VEB Karl-Marx-Werk in Pößneck,35 [Bezirk] Gera: »Ich bin der Meinung, dass der Russe nicht nachgibt und dass daran auch die Außenministerkonferenz scheitern wird.«

Kollege [Name 10] vom VEB Formenbau in Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Molotow mit seinen ewigen Vorschlägen kann sich bald einwickeln lassen. Er soll sich lieber mit den anderen Außenministern einigen.«

Der Konstrukteur [Name 11] von der Neptun-Werft Rostock: »Die Konferenz der vier Außenminister in Berlin ist nutzlos. Molotow ist viel zu stur. Deutschland muss an den Westen gebunden werden.«

Landwirtschaft

Unter der Landbevölkerung macht sich in den letzten Tagen eine gewisse Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit gegenüber dem Verlauf der Viererkonferenz bemerkbar. In vielen Diskussionen kommt eine gewisse Enttäuschung zum Ausdruck, es werden Zweifel gehegt, dass sich Genosse Molotow mit seinen Vorschlägen gegen die Westmächte durchsetzen kann. In der MTS Trebnitz, [Bezirk] Frankfurt/Oder, ist folgende Auffassung stark vertreten: »Was will schon ein einzelner Außenminister gegen drei Außenminister machen?«

Der Kleinbauer [Name 12] aus Seidewinkel, [Bezirk] Cottbus: »Da kommt sowieso nichts dabei raus, denn wenn sich die in Berlin einigen wollten, so wäre das in einigen Tagen erledigt.«

Der Großbauer [Name 13] aus Thierbach, [Bezirk] Gera: »Molotow kann ja vorschlagen so viel er will und solange er Lust hat. Die westlichen Außenminister werden ja doch immer ablehnen, denn das vereinbart sich ja überhaupt nicht mit der Politik des Westens«. (Gemeint sind die Vorschläge Molotows).

Der LPG-Vorsitzende [Name 14] aus Hohenroda, [Bezirk] Leipzig: »Ich befürchte, dass im Falle der Durchführung freier Wahlen die SED nicht durchkommen wird. Es ist eine Tatsache, dass in Westdeutschland 60 Millionen Menschen leben und sich dort starke Kräfte der Reaktion konzentrieren. Ich befürchte deshalb, dass die bisher in der DDR geschaffenen Errungenschaften rückgängig gemacht werden können.«

Die Argumente der feindlichen Elemente sind unverändert.

In der Gemeinde Pürsten, [Bezirk] Leipzig, erklären die Großbauern, dass die SED sowieso hinten runter rutscht, wenn bei »freien Wahlen« die Deutsch-Nationalen wieder aufgestellt werden.36

Der Großbauer [Name 15] aus Mannhausen, [Bezirk] Magdeburg: »Um die Verhältnisse bei uns zu bessern, sollte man sich dem Vorschlag der Westmächte anschließen, dass eine freie Wirtschaft erreicht wird, somit ist dann die Sollfrage, welche unsere Lebensexistenz behindert, liquidiert.«37

Bevölkerung

In den letzten Tagen ist bei einem Teil der Bevölkerung festzustellen, dass das Interesse für die Außenministerkonferenz merklich nachgelassen hat. Zum letzten Vorschlag Molotows über den Abschluss eines gesamteuropäischen Vertrages zur kollektiven Sicherheit liegen nur vereinzelt Stellungnahmen vor. Diese sind jedoch überwiegend positiv. Der Kreissekretär der LDP in Gera, Günter Höfer:38 »In Fortführung der konsequenten Friedenspolitik hat nunmehr der Außenminister Molotow einen erneuten Vorschlag über einen gesamteuropäischen Vertrag der kollektiven Sicherheit vorgebracht. Alle Deutschen müssen in Ost und West dafür kämpfen, dass dieser erneute Beweis friedlicher Gesinnung entsprechende Beachtung und Verwirklichung findet.«

Während der fortschrittliche und aufgeklärte Teil der Bevölkerung aktiv für die Vorschläge Molotows eintritt, wird von einem Teil der Bevölkerung zurückhaltend in Diskussionen gesprochen. Von einem großen Teil wird nur sehr wenig Hoffnung auf einen Erfolg der Konferenz zum Ausdruck gebracht. Bei einem Aufklärungseinsatz in der Gemeinde Bettenhausen, [Bezirk] Suhl, wurde festgestellt, dass eine allgemeine Zurückhaltung vorhanden ist und keine Meinungen zur Außenministerkonferenz geäußert werden. Ähnlich wird auch aus anderen Bezirken berichtet, wo ein sehr schwacher Versammlungsbesuch ist und keine Diskussionen geführt werden.

Der parteilose Chefarzt der Kreis-Poliklinik Parchim, [Bezirk] Schwerin, Dr. [Name 16]: »Ich habe anfangs die Viererkonferenz mit großem Interesse verfolgt und begrüße auch die Vorschläge Molotows. Doch jetzt ist mein Interesse an der Konferenz herabgesunken, da ich festgestellt habe, dass die Westmächte keinerlei Interesse und guten Willen für die Deutschlandfrage zeigen.«

Feindliche und vom westlichen Rundfunk beeinflusste Elemente hetzen gegen die SU und DDR, propagieren »freie Wahlen« und wenden die verschiedensten »Argumente« an. Der selbstständige Stellmachermeister [Name 17] aus Weisdin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Molotow will keine freien Wahlen. Durch freie Wahlen würde Russland ja verlieren. Der Westen will aber freie Wahlen und wird auch nicht davon abgehen. Hier im Osten wird ja nur die vom Russen angeführte Politik vertreten. Die letzten Wahlen haben es ja bewiesen, wie geheim sie waren. Unsere Regierung wurde vom Russen eingesetzt.«

Der ehemalige Umsiedler [Vorname Name 18] aus Eisenach, [Bezirk] Erfurt: »Ich hoffe auf ein baldiges Ende der Bolschewistenherrschaft. Im Falle der freien Wahlen werde ich richtig wählen.«

Stimmen aus Westberlin

Auf dem Arbeitsamt in der Sonnenallee in Neukölln kam es am 11.2.1954 gegen Mittag zu Zwischenfällen bei der Auszahlung der Unterstützung. Dabei kamen auch Diskussionen über die Viererkonferenz zustande. Oft wurde so diskutiert: »Solange wir den Amerikaner in Deutschland haben, werden wir wohl keine Arbeit mehr bekommen. Warum haben die in Ostberlin und in der Zone keine Arbeitslosen, weil sich dort die Leute aus eigener Kraft ihre Wirtschaft aufbauen.«

Ein Arbeitsloser meinte: »Nun bin ich schon wieder fünf Monate ohne Arbeit. Ich setze alle Hoffnungen auf die Viererkonferenz. Ich kann es einfach nicht verstehen, dass eine so wichtige Deutschlandbesprechung ohne deutsche Vertreter durchgeführt wird. Molotow hat mir aus dem Herzen gesprochen.«39

Negative und feindliche Stimmen kommen sehr oft aus Angestelltenkreisen.

Ein Angestellter aus Charlottenburg: »Herr Molotow gibt sich die größte Mühe, keine Einigung herbeizuführen. Es wäre wirklich traurig, wenn es zu keinen Wahlen käme. Warum hat Herr Molotow so große Angst, wo er doch immer meint, dass Volk sei mit der Führung so einverstanden.«

Ein Angestellter aus Tempelhof: »Molotow hat dafür gesorgt, dass bis jetzt noch nichts erreicht worden ist. Der Russe will eben ein Gesamtdeutschland nur in seinem Sinne. Zu allen anderen Fragen sagt er njet.«

Ein Angestellter aus Grunewald: »Die Berliner Konferenz scheint festgefahren zu sein. Die Welt wird nichts für Deutschland tun. Es ist alles auf Sturm eingestellt, und ich befürchte neue Unruhen in der Sowjetzone.«

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