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Zur Beurteilung der Situation

15. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2124 zur Beurteilung der Situation

Stimmung der Bevölkerung in der DDR

In der Stimmung der Bevölkerung wurden nach vorliegenden Berichten keine wesentlichen Veränderungen festgestellt.

Feindtätigkeit

Am 15.2.1954 wurden in der Nähe des Kulturhauses des VEB Tuchwerk II in Großenhain, [Bezirk] Dresden, sieben Hetzschriften gefunden. Inhalt: »Arbeiter, Bauern und Werktätige in der DDR streikt«, Rückseite: Mit einem Hakenkreuz bemalt. Die Hetzschriften waren mit der Hand in Blockschrift geschrieben. Die gleichen Hetzschriften wurden bereits am 17. und 18.1.1954 im Stadtgebiet Großenhain in Briefkästen bei Genossen unserer Partei gefunden.

Stimmung der Bevölkerung im demokratischen Sektor von Groß-Berlin

Das Interesse der Bevölkerung an der Außenministerkonferenz1 hat merklich nachgelassen. Eine ganze Reihe von Stimmen, die an eine befriedigende Lösung der Deutschlandfrage auf dieser Konferenz gerechnet haben [sic!], bringt jetzt Enttäuschung zum Ausdruck. Hierbei wird von großen Teilen den westlichen Außenministern die Schuld gegeben. Die fortschrittlichen Kräfte bringen zum Ausdruck, dass die SU auf dieser Konferenz laufend konkrete Vorschläge gemacht hat, die sowohl zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands führen konnten, als auch die Sicherheit Europas gewährleisten.2 Teile der Bevölkerung zeigen in ihren Meinungsäußerungen, dass sie die Stärke der Westmächte überschätzen, stehen aber für die Vorschläge Molotows.3 Insbesondere aus Kreisen der Hausfrauen wird der Wunsch zur Erhaltung des Friedens ausgesprochen.

Eine Hausfrau aus Berlin-Lichtenberg: »Wir hoffen zwar, dass es in den letzten Tagen der Konferenz noch einmal zur Aussprache über das Deutschlandproblem kommt, aber die Haltung, die der Westen zeigt, ist nicht angenehm. Möge doch die Einheit zustande kommen, aber ohne Krieg, denn davon haben wir alle die Nase voll.«

Ein Arbeiter aus Berlin O 112:4 »Bis jetzt sieht alles noch sehr flau aus, weil alle Friedens- und Zusatzanträge Molotows abgelehnt wurden. Bezeichnend ist ja, dass der Antrag für Volksabstimmung,5 über Militärpakt6 oder Friedensvertrag,7 von den westlichen Alliierten abgelehnt wurde. Man sieht, worauf sie hinauswollen. Schade, dass Molotow gegen drei kämpfen muss, das ist doch zu viel.«

Die negativen und feindlichen Stimmen, die einen verhältnismäßig kleinen Teil der Bevölkerung ausmachen, jedoch stärker als in der Republik sind, bringen zum Ausdruck, dass das Deutschlandproblem am besten nach dem Vorschlag Edens8 zu lösen wäre.9 Ein Teil dieser Stimmen erklärt den EVG-Vertrag als einen Friedenspakt.10 Andere Stimmen fordern eine Revision der Oder-Neiße-Grenze. Die negativen Stimmen kommen hauptsächlich aus kleinbürgerlichen Kreisen.11

Eine Hausfrau aus Berlin-Weißensee: »Ich hoffe, dass ich bald in meine ostpreußische Heimat zurückkehren kann. Dem amerikanischen Außenminister Herrn Dulles12 sind schon genügend Briefe aus der Ostzone bekannt geworden.«13

Eine Hausfrau aus Berlin-Mitte: »Die EVG ist besser für Deutschland, weil somit die Ruhe und der Frieden erhalten bleibt, während beim Vorhandensein eigener deutscher Streitkräfte kein Frieden gewährleistet ist.«

Ein Arbeiter aus Berlin-Baumschulenweg: »Wenn man zu Beginn noch ein klein wenig Hoffnung hatte, so ist diese längst im Ärmel. Die Gegensätze sind zu groß und aus Deutschland lässt sich noch genug herausholen. Jahrelang hat man bei uns etwas von freien Wahlen erzählt und wo jetzt Gelegenheit dazu ist, geht man drum rum wie die Katze um den heißen Brei.«14

Ein Geschäftsmann aus Berlin-Hohenschönhausen: »Aus der Einigung wird wieder nichts, denn Molotow sagt njet, und so können wir Deutschen nicht einmal zu Besuch fahren, wohin wir gerne fahren möchten.«

Westberlin

Das Interesse an der Konferenz hat nachgelassen und die zweifelnden Stimmen nehmen zu.

Die positiven Stimmen bringen allgemein die Hoffnung zum Ausdruck,15 dass, wenn nicht die Einheit Deutschlands, so doch wenigstens ein Schritt zur Wiedervereinigung auf dieser Konferenz getan wird. Diese positiven Stimmen begrüßen auch die Vorschläge des Genossen Molotow.

Ein Angestellter aus Westberlin: »Ich hoffe, dass, wenn auch nicht die Einheit Deutschlands auf dieser Konferenz erreicht wird, dass wir aber zumindest der Wiedervereinigung einen Schritt näherkommen, denn die friedliebenden Kräfte der Welt sind stärker als die Kriegstreiber mit ihrer Revanchepolitik.«

Ein Arbeiter aus Berlin W 6:16 »Molotow hat jedenfalls das Beste für uns getan, was ein Außenminister überhaupt tun kann. Wir wollen hoffen, dass die langersehnte Wiedervereinigung und ein Friedensvertrag uns recht bald beschieden sein werden.«

Zweifelnde Stimmen bringen allgemein zum Ausdruck, dass die Gegensätze zwischen der SU und den USA zu groß sind, um eine Einigung zu erreichen.

Eine Hausfrau aus Westberlin: »So wie Feuer und Wasser nicht zusammenkommen, so können Ost und West nicht zusammenkommen, oder es müsste ein Wunder geschehen.«

Eine Hausfrau aus Berlin-Spandau: »Mit der Einigung sieht es traurig aus und ich glaube, im Guten werden wir keinen Frieden bekommen.«

Eine Hausfrau aus Westberlin: »Wir haben auch nichts anderes erwartet und wir werden uns eben in das Unabänderliche der ewigen Teilung fügen müssen. Schließlich haben wir ja auch den Krieg verloren.«

Ein Angestellter aus Westberlin: »Die Besprechung lässt keine Hoffnung auf Einheit aufkommen. Wir hier auf unserer kleinen Insel fühlen diese räumliche Trennung von unseren Landsleuten besonders.«

Negative und feindliche Stimmen treten in den verschiedensten Formen auf und richten sich gegen die SU und deren Vorschläge bzw. gegen die DDR.

Ein Angestellter aus Westberlin: »Herr Molotow rast immer mit 120 Sachen durch die Potsdamer Straße. Wenn er im Kontrollratsgebäude17 doch auch mal so schnell schalten würde, aber da gibt es für ihn nur ein Njet.«

Ein Arbeiter aus Berlin-Steglitz: »Der Russe diktiert wie Hitler und will ganz Europa regieren. Der denkt nicht an freie Wahlen in Deutschland. Er hat ja selber gesagt, dass, wenn sein vorgeschlagener Europapakt von den Westmächten nicht akzeptiert wird, Deutschland weiter gespalten bleibt. Die Konferenz wird in Kürze ergebnislos auffliegen und wir können im nächsten Jahr bestimmt mit einem Krieg rechnen.«

Eine Angestellte aus Berlin-Wilmersdorf: »Die Westmächte wollen die Einheit Deutschlands, aber Molotow bringt im Prinzip nichts Neues, es ist immer wieder dasselbe Gedrehe wie bisher.«

Ein Arbeiter aus Westberlin: »Die Russen wollen ganz Deutschland kassieren, aber da haben sie kein Glück, die Westmächte halten die Augen auf. Na, die Russen werden noch gewinselt kommen. Nun wird erst recht der Europa-Vertrag zustande kommen, davor haben sie Angst.«

Eine Angestellte aus Berlin-Charlottenburg: »Einen anderen Weg als mit freien Wahlen beginnen, gibt es nicht, wenn wir keine Volksdemokratie werden wollen. Die Stimmung in der Zone ist auch dem Siedepunkt nahe und wir wollen hoffen, dass es in Ruhe ausgeht, denn wenn die Volksseele überkocht, fließt Blut und das wollen wir alle vermeiden.«

Ein Arbeiter aus Berlin-Wilmersdorf: »Der Westen will freie Wahlen und der Osten Volksbefragung. Freie Wahlen sind die richtige Volksbefragung.«

Eine Hausfrau aus Berlin-Tegel: »Hier fürchtet man Unruhen in Ostberlin und der Zone. Die Läden und Schaufenster im Ostsektor brechen vor Waren und in der ganzen Zone sind die Lebensmittel knapp.«

Tätigkeit der Westsender

RIAS 13.2.1954

In der volkseigenen Werft in Boizenburg wurde vor einigen Tagen der 54-jährige Betriebssanitäter [Name 1] vom SSD verhaftet. Wie der Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen hierzu erfährt,18 hat [Name 1] in einer Diskussion erklärt, dass die Viererkonferenz angesichts der Hinhaltepolitik Molotows keine positiven Ergebnisse bringen könne. Ähnliches wird berichtet aus der Maxhütte Unterwellenborn und von einem Einwohner aus Fürstenwalde. Am 15.2.1954 wiederholten sich ähnliche Nachrichten aus den Betrieben VEB Schott Jena, [Bezirk] Gera, und Transformatorenwerk Oberschöneweide.

Hamburger Rundfunk 14.2.1954

Aus Furcht vor neuen Unruhen und antikommunistischen Demonstrationen hat die Sowjetzonenregierung nach einer Mitteilung des Westberliner Untersuchungsausschusses Freiheitlicher Juristen bereits vor mehreren Wochen umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet.19 Seit Wochen, so wird erklärt, würden die Funktionäre der SED in Alarmbereitschaft gehalten und an zahlreichen Orten in der Sowjetzone Waffen konzentriert.

Anlage vom 15. Februar 1954 zum Informationsdienst Nr. 2124

Stimmung zur Viermächtekonferenz

Betriebe

Bei einem großen Teil der Werktätigen hat das Interesse an der Viermächtekonferenz nachgelassen, da mit Beginn des 3. Tagesordnungspunktes die Deutschlandfrage als abgeschlossen betrachtet wird.20 Kollege [Name 2] und [Name 3] vom Bahnbetriebswerk Senftenberg, [Bezirk] Cottbus: »Die Konferenz interessiert uns nicht mehr, die machen doch was sie wollen.«

Ein großer Teil begrüßt die Vorschläge des Genossen Molotow, geht aber nicht auf die einzelnen Vorschläge ein. Ein Teil nimmt zu dem letzten Vorschlag des Genossen Molotow zur Gewährung der kollektiven Sicherheit in Europa positiv Stellung.

[Name 4, Vorname] (parteilos) vom VEB Lederwerk Guben, [Bezirk] Cottbus: »Man sieht doch einwandfrei, dass Molotow die Einheit Deutschlands und die Garantie des Weltfriedens am Herzen liegt. Mit der Einheit Deutschlands fällt der Krieg der Imperialisten ins Wasser. Wir Arbeiter dürfen nie zusehen, wie wir von den Westmächten verkauft und versklavt werden sollen.«

[Name 5, Vorname] (parteilos) vom Kraftwerk »August Bebel« Zwickau,21 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Vorschläge von Molotow zeigen deutlich, dass die SU nur den Frieden und die Einheit Deutschlands schaffen will.«

[Name 6, Vorname] (parteilos) vom Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck« Schwarza, [Bezirk] Gera: »Die letzten Erklärungen von Molotow über die Gewährleistung der Sicherheit in Europa lassen erkennen, dass die SU den Frieden will. Die westlichen Vertreter wollen jedoch den EVG-Vertrag retten, der nicht nur uns Deutsche, sondern ganz Europa vernichten soll.«

[Name 7, Vorname] vom VEB Blema Aue,22 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich kann den Vorschlag Molotows über einen kollektiven Sicherheitspakt in Europa nur begrüßen, denn er ist auch für die Westländer annehmbar und würde einen neuen Krieg für die nächsten 50 Jahre bannen.«

Stimmen, die an einen erfolgreichen Abschluss der Konferenz zweifeln, treten stärker in Erscheinung. Ein Teil gibt den Westmächten die Schuld am Nichtgelingen der Konferenz, ein anderer Teil äußert sich nur allgemein bzw. gibt allen beiden Seiten die Schuld. Ein kleinerer Teil beschuldigt die SU an einem Misslingen der Konferenz.

Ingenieur [Name 8] vom VEB Feinmesszeugwerk Suhl: »Ich zweifle an einem Erfolg, denn die drei westlichen Außenminister sind bestimmt mit dem Vorsatz nach Berlin gekommen, die Vorschläge Molotows abzulehnen.«

[Name 9] vom Betrieb Sulfat des Elektrochemischen Kombinats Bitterfeld, [Bezirk] Halle: »Die Außenministerkonferenz wird bald beendet werden und es ist kein Erfolg zu verzeichnen, denn die Vier werden sich ja doch nicht einig.«

[Name 10, Vorname] vom VEB Volltuch Pößneck, [Bezirk] Gera: »Die Konferenz bringt uns keinen Erfolg, denn wenn es nicht nach dem Kopf der Russen geht, haut er ab.«

Negative bzw. feindliche Meinungen bringt ein kleiner Teil der Werktätigen zum Ausdruck. Hauptargumente sind »freie Wahlen« und Revidierung der Oder-Neiße-Grenze.

Chemiker [Name 11] vom VEB Glaswerk »Einheit« Weißwasser: »Wir wollen erst freie Wahlen und dann eine Regierung, die vom Volke gewählt wird. Unsere ist ja nur von 10 Prozent der Bevölkerung gewählt.«

[Name 12, Vorname] vom Kaliwerk Sollstädt, [Bezirk] Erfurt: »Die Oder-Neiße-Grenze muss wieder aufgehoben werden, damit wir wieder heimkommen. Es kann ja ruhig polnisches Gebiet bleiben.«

Kraftfahrer [Name 13] vom Verkehrsbetrieb Bad Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt: »Der erste 17.6.[1953] ist nicht gelungen, aber der zweite wird dafür besser gelingen.«

Elektriker [Name 14] aus Neubarnim, [Bezirk] Frankfurt: »Der 17.6.[1953] war keine politische Handlung Westberliner Agentenzentralen.23 Die Arbeiter in der DDR waren unzufrieden und haben sich Luft gemacht. Wenn hier solche Wahlen wie die letzten durchgeführt werden, ist es vielleicht wieder so.«

Landwirtschaft

Das Interesse der Landbevölkerung an der Außenministerkonferenz hat erheblich nachgelassen. Eine gewisse Enttäuschung ist festzustellen. Die Äußerungen sind meist allgemein und drücken den Wunsch nach Erhaltung des Friedens aus. Die fortschrittlichen Kräfte drücken sich konkret aus. Die meisten der Stimmen, die an kein positives Ergebnis der Konferenz glauben, stehen hinter den Vorschlägen des Genossen Molotow.

Der Brigadier [Name 15] von der MTS Gerdshagen, [Bezirk] Potsdam: »Wenn die Westmächte den Vorschlag Molotows über die Gewährleistung der internationalen Sicherheit nicht annehmen, dann ist klar ersichtlich, dass Dulles und die Westmächte den Krieg wollen.«

Ein Brigadier des VEG Drausendorf, [Bezirk] Dresden: »Ich bin der Meinung, dass sich die Außenminister auf keinen Fall einigen werden, denn Molotows Vorschläge werden vom Westen nicht angenommen. Man kann also nichts weiter machen als abwarten.«

Die negativen und feindlichen Stimmen, die verhältnismäßig geringfügig sind und hauptsächlich von Großbauern vertreten werden, beinhalten außer den bekannten Argumenten wie »freie Wahlen« usw. die Feindparole, dass die SU Schuld sei am Verlauf der Konferenz.

Der Großbauer [Name 16] aus Pensin, [Kreis] Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Der Außenminister der UdSSR hat nicht die Absicht eine Einigung herbeizuführen.«

Der Bauer [Name 17] aus Schönwalde, [Bezirk] Cottbus: »Der Russe muss gezwungen werden, damit er nachgibt, oder die Konferenz fällt auseinander.«

Der Bauer [Name 18] aus Vogelsburg, [Bezirk] Erfurt: »Die Vorschläge Molotows sind nicht vollständig, er hat nicht über das Umsiedlerproblem gesprochen. Diejenigen, die die Deutschen aus der ČSR ausgewiesen haben, sind Verbrecher.«

Der Molkereiarbeiter [Vorname Name 19] aus Klötze, [Bezirk] Magdeburg: »Drüben stehen schon die Panzer bereit und ich mache mit. Wenn es losgeht werden die aufgesucht, die einen gewissen [Name 20] eingesperrt haben.«

Bevölkerung

Bei einem großen Teil der Bevölkerung hat das Interesse an der Konferenz nachgelassen. Vom politisch aufgeklärten Teil der Bevölkerung wird jedoch der Konferenzverlauf weiter verfolgt und die Vorschläge des Genossen Molotow finden Zustimmung.

Der parteilose [Vorname Name 21] aus Schwallungen, [Bezirk] Suhl: »Ich erkläre mich mit den Vorschlägen der SU einverstanden, da sie eine Entspannung der internationalen Lage herbeiführen können. Besonders bin ich mit dem letzten Vorschlag von Molotow über den Europavertrag einverstanden, da wir dadurch in Frieden leben können.«

Der Rentner [Name 22] aus Oederan,24 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich erkläre mich voll und ganz mit den Vorschlägen Molotows einverstanden und wünsche, dass diese Vorschläge vom Westen anerkannt werden.«

Stadtbaumeister [Name 23] aus Oelsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Vorschläge Molotows sind sehr gut für uns Deutsche. Dulles sprach immer davon, dass das vorgeschlagene Wahlgesetz ein kommunistisches sei, dabei gingen sie jetzt nicht einmal auf das Weimarer Wahlgesetz ein, was doch nach dem Ersten Weltkrieg von ihnen anerkannt worden ist.«25

Ein Teil der Bevölkerung vertritt die Meinung, dass keiner der Verhandlungspartner an der Lösung der deutschen Frage interessiert ist. Sie vertreten keinen festen Standpunkt und nehmen eine abwartende Haltung ein.

Die Krankenschwester [Vorname Name 24] aus Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Was soll man zu der ganzen Sache noch sagen, es ist ja doch bloß alles Propaganda. Die sind sich alle schon einig und wissen ganz genau, was sie machen. Wir werden von allen verkauft. Die wollen uns doch bloß alle ausbeuten.«

Der Betriebsassistent [Name 25] beschäftigt bei der staatlichen Forstverwaltung Bischofswald, [Bezirk] Magdeburg: »Es ist ja alles nur Zirkus, was die machen. Es kommt nie zu einer Einigung.«

Eine Jugendliche aus Scheibenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn es dem Außenminister Molotow gelingt, seine Forderungen gegenüber dem Westen durchzusetzen, werden wir wieder aktiv innerhalb der FDJ arbeiten. doch wir müssen erst einmal abwarten, ob die Gesellschaftsordnung in der DDR bestehen bleibt.«

Negative und feindliche Diskussionen werden von einem geringen Teil der Bevölkerung geführt und treten in verschiedenen Formen auf.

Die Hausfrau [Vorname Name 26] aus Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg: »Die Wahlen, wie sie Herr Molotow haben will, kommen überhaupt nicht infrage, auch nicht solche, wie sie bei uns durchgeführt wurden, denn die waren ja unter Zwang. Außerdem können wir ja von den unkultivierten Russen sowieso nichts lernen, alles aber nicht den Kommunismus, denn das ist der Untergang des deutschen Volkes.«

Die Inhaberin eines Großhandelsgeschäftes in Saalfeld, [Bezirk] Gera: »Molotow kann in Berlin reden was er will, das glaubt drüben in Westdeutschland doch kein Mensch, weil die Russen nicht ehrlich sind und nur ein Sowjetdeutschland aus uns machen wollen.«

Die Frau eines Radiohändlers aus Frankfurt/Oder: »Auf der Konferenz werden doch keine Beschlüsse gefasst, weil man sieht, dass der Russe ganz Deutschland besetzen möchte.«

Der Angestellte [Name 27] aus Marienberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Eine provisorische Regierung, dem Vorschlag Molotows entsprechend, ist nicht das Richtige. Die durchgeführten Bundestagswahlen, das sind wirklich geheime Wahlen gewesen.26 Es ist keinerlei militärischer Druck zu spüren gewesen.«

Stimmen aus Westberlin

Positive Stimmen, vorwiegend von Arbeitern, begrüßen die sowjetischen Vorschläge und hoffen auf eine Wiedervereinigung. Ein Arbeiter aus Berlin W 66:27 »Molotow hat jedenfalls das Beste für uns getan, was ein Außenminister überhaupt tun kann. Wir wollen hoffen, dass die langersehnte Wiedervereinigung Deutschlands und ein Friedensvertrag uns recht bald beschieden sein werden.«

Die zweifelnden Äußerungen sehen im Allgemeinen keine Einigung Deutschlands auf der Berliner Konferenz. Ein Angestellter aus Berlin-Charlottenburg: »Es ist bedauerlich, dass unser Wunsch auf Wiedervereinigung nicht in Erfüllung gehen will. Wenn die Einheit nicht kommt, dann sehe ich schwarz. Dann wird das Wettrüsten auf der ganzen Linie losgehen.«

In den negativen und feindlichen Stimmen kommt eine offene feindliche Einstellung und Hetze gegen die SU und DDR oftmals zum Ausdruck.

Ein Arbeiter aus Berlin-Friedenau: »Der Osten braucht den Westen und der Westen den Osten, und eine Handvoll Menschen wollen die Einheit verhindern. Der Amerikaner will die Welt mit Geld regieren und der Russe will sie kommunistisch machen. Wir haben weder für das Eine noch für das Andere etwas übrig.«

Ein Angestellter aus Berlin-Neukölln: »Der Russe will die Vereinigten Staaten von Europa unter Russlands Führung, um dann den Amerikaner zu verdreschen.«

Eine Angestellte aus Berlin-Charlottenburg: »Einen anderen Weg als mit freien Wahlen zu beginnen, gibt es nicht, wenn wir nicht eine Volksdemokratie werden wollen. Die Stimmung in der Zone muss dem Siedepunkt nahe sein. Wir hoffen, dass alles noch in Ruhe ausgeht, denn wenn die Volksseele überkocht, dann fließt Blut und das wollen wir vermeiden.«

Eine Hausfrau aus Berlin-Tegel: »Bei uns befürchtet man Unruhen in Ostberlin und in der Zone. Die Schaufenster im Ostsektor brechen vor Waren und in der ganzen Zone sind die Lebensmittel knapp.«

Ein Arbeiter aus Berlin-Wilmersdorf: »Der Westen will freie Wahlen und der Osten will Volksbefragung. Freie Wahlen sind die richtige Volksbefragung.«

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