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Zur Beurteilung der Situation

17. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2127 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Das Interesse an der Viermächtekonferenz1 hat aufgrund des bisherigen Verlaufs unter einem großen Teil der Arbeiter, stärker noch bei Angestellten und der technischen Intelligenz, nachgelassen, was sich darin ausdrückt, dass einerseits die Diskussionen geringer geworden sind, andererseits eine gleichgültige, pessimistische Haltung wächst.2

Im VEB FIMAG Finsterwalde,3 [Bezirk] Cottbus, diskutiert nur noch ein kleiner Teil der Kollegen über die Viererkonferenz, während über 50 Prozent der Belegschaft nur Unterhaltungen über Sport-Toto führen.

Positive Diskussionen zu den Vorschlägen des Genossen Molotow4 werden weiterhin von einem nicht geringen Teil der Arbeiter, in kleinerem Umfange von Angestellten geführt, worin meist die Vorschläge im Allgemeinen begrüßt werden.5 Des Öfteren wird im Zusammenhang hiermit gegen die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister, insbesondere gegen Dulles,6 Stellung genommen.

Die meisten der im geringen Umfang bekannt gewordenen Stimmen zum Vorschlag des Genossen Molotow über den Abschluss eines Vertrages zur kollektiven Sicherheit begrüßen diesen Vorschlag.7

Negative bzw. feindliche Diskussionen treten weiterhin allgemein im geringen Umfange auf, jedoch zeigt sich, dass sie in den Bezirken Magdeburg, Suhl und Frankfurt/Oder (besonders in den Randgebieten von Berlin) anwachsen. Sie werden von einem Teil der Arbeiter und Angestellten geäußert. Hierbei werden oft RIAS-Argumente vorgebracht.8

Hauptargumente sind die Forderungen nach »freien Wahlen«9 sowie Revision der Oder-Neiße-Grenze (ist jedoch etwas zurückgegangen).10 Die Forderung nach »freien Wahlen« wird besonders von Arbeitern aus Baubetrieben erhoben.11 Mehrere Kollegen der Abteilung Hochbau im VEB Wälzlager Fraureuth, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wir wollen geheime Wahlen und nicht Wahlen, wie im Oktober 1950 bei uns.«12

Im Kreisbauhof Klötze, [Bezirk] Magdeburg, herrscht die Meinung vor, dass freie Wahlen durchgeführt werden müssen und dass unsere Regierung dann nicht wieder gewählt wird. Ein Zimmermann-Brigadier aus diesem Betrieb äußerte: »Bei einer wirklich freien Wahl würde ich unsere Regierung nicht wieder wählen. Dieser Ansicht sind auch alle meine Arbeitskollegen.«13

Ein Kollege aus dem Kreisbaubetrieb Delitzsch, [Bezirk] Leipzig: »Die freien Wahlen der DDR kennen wir schon. Da brauchen wir nur den Wahlzettel in die Urne zu stecken. Wer in die Wahlkabine geht, kommt auf die schwarze Liste.«

Ein Arbeiter aus Stolzenhagen, Kreis Bernau, [Bezirk] Frankfurt: »In den Versammlungen traut sich keiner zu diskutieren, aber in den Arbeiterzügen nach Berlin wird rege diskutiert. Wer positiv diskutiert, wird als Spitzel bezeichnet. Die häufigste Diskussion tritt über die freien Wahlen auf. Oft wird geäußert, dass die SED ruhig freie Wahlen durchführen kann, dann könne sie mit ihrer Regierung nach Hause gehen.«

Weiterhin haben sich negative Äußerungen verstärkt, in denen gegen die SU und die Vorschläge des Genossen Molotow gesprochen wird, wobei in diesem Zusammenhang der SU die Schuld an einem Scheitern der Konferenz gegeben wird.

Des Öfteren bringen feindliche Kräfte zum Ausdruck, dass sich die vier Außenminister von vornherein einig waren und dass sie keine Einigung für Deutschland herbeiführen wollten. Eine Angestellte vom Ministerium für Eisenbahnwesen: »Der Vorschlag Molotows über die kollektive Sicherheit in Europa erschwert nur die Vereinigung Deutschlands und ist dazu angetan, die Konferenz zu sprengen.« Ähnliche Diskussionen werden des Öfteren von Arbeitern und Angestellten der Reichsbahn geführt.

Ein Kollege vom VEB Bautzener Lederwaren, [Bezirk] Dresden: »Das bisher bei der Konferenz nichts herausgekommen ist, liegt bei Molotow, denn er hat immer andere Vorschläge gebracht, die die drei westlichen Außenminister nicht annehmen konnten.« Diese Diskussionen werden von mehreren Kollegen des Betriebes geführt.

In verschiedenen Abteilungen der Buna-Werke14 wird von einigen Kollegen gesagt, dass Genosse Molotow nicht für die Einigung unter den Großmächten sei, da er sonst auf freie Wahlen eingehen würde.

Eine Brigadierin vom VEB Trikotagenwerk Lübben, [Bezirk] Cottbus: »Aus dem RIAS ist mir bekannt, dass Molotow mit nichts einverstanden ist. Ich könnte ihm am liebsten ein paar in die Fresse hauen.«

Ein parteiloser Kollege aus dem Kombinat »Ernst Thälmann« Merkers,15 [Bezirk] Suhl: »Die Konferenz ist nur ein Schauspiel gegenüber der Öffentlichkeit. Die Vier waren sich schon vorher einig, was beschlossen werden sollte.«

Ein Arbeiter aus dem Georgi-Dimitroff-Werk in Magdeburg16 äußerte auf einer Kurzversammlung: »Bei der Konferenz geht es nur um die Weltherrschaft. Ob Russland oder Amerika, beide wollen das Gleiche.«

In weiteren negativen Diskussionen wird in verschiedener Form zur Konferenz Stellung genommen.

Sämtliche Kollegen der Bauabteilung vom Betrieb ›Fahlberg und List‹ in Magdeburg sind der Meinung, dass schon viele Unterschriften zur Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz gesammelt wurden, jedoch alles abgelehnt wurde.17 Aus diesem Grunde sei es zwecklos, dass noch weitere Bemühungen zur Konferenz gemacht werden.

Ein Abteilungsleiter von der Mathias-Thesen-Werft in Wismar, [Bezirk] Rostock: »Es hat keinen Zweck mehr, über die Viererkonferenz zu reden. Bald wird es nicht mehr ›Kollege‹, sondern wieder ›Herr‹ heißen.«

Ein Arbeiter vom VEB Gaselan Fürstenwalde,18 [Bezirk] Frankfurt: »Wenn die Konferenz ergebnislos verläuft, hat es keinen Zweck, in der DDR zu bleiben. Ich setze mich nach dem Westen ab.« Diese Meinung wird von mehreren Arbeitern aus den Randgebieten Berlins vertreten.

Ein sozialdemokratischer Arbeiter aus dem Berliner Glühlampen-Werk: »Molotows Vorschläge haben keinen Zweck. Es sind zu viele Menschen auf der Erde, deshalb wird es immer Kriege geben, um das Land, das sie zur Ernährung brauchen.«

Eine Arbeiterin vom VEB Zigarrenfabrik »Hammonia« Ilmenau,19 [Bezirk] Suhl: »Vorläufig sind die Kommunisten noch am Ruder und da müssen wir ruhig sein. Doch lange dauert es nicht mehr, dann werden Aufstände wie am 17. Juni [1953] wieder kommen. Warten wir bis die Konferenz zu Ende geht.«

Missstimmung: besteht unter den Kumpels vom Objekt 96 Schacht 209 in Freital,20 [Bezirk] Dresden, da in den nächsten Tagen ca. 30 Kranke wegen Personaleinschränkung entlassen werden sollen. Weiterhin besteht bei den Brigaden vor Ort eine fehlerhafte Normenberechnung, wodurch der Lohn verhältnismäßig gering ist.21

Die Schweißer vom VEB Waggonbau Bautzen, [Bezirk] Dresden, fordern die Einführung der 46-Stunden-Woche und wollen sonnabends nur sechs Stunden arbeiten, damit der Schichtbetrieb bereits um 24.00 Uhr beendet ist.

Handel und Versorgung

Im Kreis Ilmenau, [Bezirk] Suhl, gibt es unter der Bevölkerung teils negative Äußerungen, da die von der Fleischerhandwerksgenossenschaft und dem Konsum benötigten 45 Tonnen Fleisch, die vom Kontor für Import und Lagerung Zentrale Berlin bereits zugesagt wurden, bisher nicht eingetroffen sind.

Im Kreis Sonneberg, [Bezirk] Suhl, herrscht bei den Klempnern und Installateuren Mangel an Ersatzrohren, um Wasserleitungsrohrbrüche zu reparieren. Dies führte vielfach zu negativen Diskussionen.

In Bauernversammlungen in Drehsa,22 Spittel und Neudorf,23 Kreis Bautzen, [Bezirk] Dresden, wurden die schlechte Belieferung der Landbevölkerung mit Textilien, frischem Fisch, Wassereimern und Mistgabeln kritisiert. Einzelne Handwerksgenossenschaften des Bezirkes Gera führen Klage über mangelhafte Zuteilung von Handelsware. Die Handelsgenossenschaft Gera berichtet, dass alle Genossenschaften bis heute entweder gar keine oder verschwindend kleine Mengen an Handelswaren erhalten haben.

Landwirtschaft

In allen Bezirken der DDR zeigt sich, dass das Interesse der Landbevölkerung an der Viererkonferenz stark nachgelassen hat und große Teile aller Schichten der Landbevölkerung den Ereignissen gleichgültig gegenüberstehen. Diese Gleichgültigkeit und eine gewisse Enttäuschung kommen in den Diskussionen zum Ausdruck. Die zweifelnden Stimmen werden in ihren Äußerungen konkreter, indem sie ihre Vermutungen des ergebnislosen Verlaufes der Konferenz als bestätigt ansehen. So sagt ein Bauer aus Burgholzhausen, [Bezirk] Halle: »Bei der ganzen Konferenz kommt ja doch nichts heraus, da sich hier zwei Systeme gegenüberstehen, die nie zusammenarbeiten können.«

Ein werktätiger Bauer aus Parey, [Bezirk] Magdeburg: »In Berlin ist nun praktisch drei Wochen verhandelt worden, aber Ergebnisse sind nicht erzielt. Da hat bald die ganze Arbeit keinen Zweck mehr. Ich bin der Meinung, wenn die Deutschen nicht bald selbst die Schlagbäume beseitigen und die Einheit herstellen, ist alle Arbeit vergebens.«

Ein gewisser Teil dieser Stimmen sieht die Ursachen in dem ablehnenden Verhalten der West-Außenminister, ein anderer nicht geringerer Teil gibt dem sowjetischen Außenminister Molotow die Schuld,24 dass er nicht auf die Vorschläge der Westmächte, »freie Wahlen« durchzuführen, eingegangen ist. Andere Teile der Landbevölkerung, besonders Landarbeiter, werktätige Einzelbauern und Genossenschaftsbauern stellen die Frage, was nun werden soll, da doch keine Einigung auf der Konferenz erzielt wird. Wie wird die Deutschlandfrage überhaupt gelöst, wird es zum Kriege kommen, bestehen noch Perspektiven, eine Einigung auf anderem Wege zu erzielen? Diese Diskussionen treten besonders im Bezirk Schwerin hervor. So erklärte z. B. ein werktätiger Bauer aus Hermannshagen, [Bezirk] Schwerin: »Ich sehe jetzt nicht mehr ganz klar, wenn sich die vier Außenminister nicht einigen, gibt es keine Lösung mehr. Was wird nun, wenn man keine Einigung auf der Konferenz erzielt?«

Im Bezirk Potsdam und Cottbus ist die Zurückhaltung der Äußerungen zur Konferenz besonders stark. Von Landarbeitern der MTS und werktätigen Bauern wird zum Ausdruck gebracht, dass man sich nicht mehr traut, offen über die Viererkonferenz zu sprechen, da man befürchtet, dass jeder bei der Äußerung eines falschen Wortes sofort inhaftiert wird. So sagte der Bürgermeister der Gemeinde Koblenz, [Bezirk] Cottbus: »Die Auswertung der Stellungnahmen einzelner Personen wirkt sich nachteilig aus. Während bisher die Meinung offen zum Ausdruck gebracht wurde, weichen jetzt alle mit ihren tatsächlichen Ansichten aus, um nicht in der Zeitung zu erscheinen.«

Ein Traktorist von der MTS Zossen, Bezirk Potsdam: »Wir trauen uns nicht richtig, über die Konferenz zu diskutieren. Die meisten Kollegen haben Angst ihre Meinung zu sagen, denn sie befürchten, wenn sie einmal ein falsches Wort sagen, dass sie dann abgeholt werden.«

Die negativen, feindlichen Elemente, hauptsächlich Großbauern, bedienen sich in ihrer Hetze gegen die DDR der Argumente der Westsender, bevorzugt der des RIAS, um Unsicherheit und Panik in die Landbevölkerung hineinzutragen.25 Hierbei werden die zuletzt genannten Fragen in den Diskussionen neben der Frage der »freien Wirtschaft«, der Aufforderung des Abhörens der Westsender und Forderung nach Veröffentlichung der Reden der West-Außenminister besonders hervorgehoben. Verstärkte negative Diskussionen gibt es in den Bezirken Frankfurt und Suhl,26 aber auch zunehmend in den anderen Bezirken.

Ein LPG-Bauer aus Ferchland, [Bezirk] Magdeburg: »Ich möchte nur wissen, warum wir aufklären sollen. Bis jetzt sind nur Vorschläge gemacht worden, aber etwas Genaues ist nicht herausgekommen. Man redet um die deutsche Frage immer herum. Ich frage mich, was sollen wir da machen, die machen mit uns, was sie wollen und kehren sich nicht daran, ob Deutschland wieder hochkommt oder vollkommen erledigt ist. Die Russen sollen doch abziehen, dann wird der Ami schon gehen und wir Deutsche können selber die Sache klären.«

Ein Landarbeiter vom VEG27 Görlsdorf, [Bezirk] Cottbus: »Der Außenminister Molotow ist ein Mensch, der zu allem nein sagt. Die Rüstung in Westdeutschland wird noch lange nicht so vorangetrieben wie hier bei uns.«28

Ein Traktorist erklärte auf einer Versammlung der MTS Wriezen, [Bezirk] Frankfurt: »Warum wird über eine Militärmacht diskutiert. Wenn wir drüben den Militarismus ablehnen, warum bauen wir ihn dann bei uns wieder auf.«

Ein Mittelbauer aus Zöthendorf,29 [Bezirk] Frankfurt: »Man wird vonseiten der Westmächte ein Ultimatum stellen, und Molotow wird mit seinen Truppen die Ostzone verlassen. Es dauert nicht mehr lange, und die Oder-Neiße-Grenze wird revidiert. Wir bekommen Hinterpommern und das Preußen wieder zurück.«30

Ein Großbauer aus Nassau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »In allen Zeitungen der DDR werden große Artikel über die Vorschläge Molotows veröffentlicht. Die westlichen Außenminister bringen ebenfalls gute Vorschläge, diese soll man aber nicht lesen. Unsere Zeitungen schreiben nur negative Dinge über die Vorschläge der westlichen Außenminister.«31

Ein Mittelbauer aus Lossa, [Bezirk] Halle: »Man soll endlich die Hetze gegen Westdeutschland sein lassen. Damit kann man keine Einigung erzielen. Des Weiteren soll man keine Störsender bauen, sondern jedem frei den Sender hören lassen, den er hören will.«32

In der Grenzgemeinde Ummerstadt, [Bezirk] Suhl, wird unter den Einzelbauern die freie Marktwirtschaft gefordert. Jeder soll anbauen und abliefern, was er will. Die Außenministerkonferenz interessiert sie nicht, weil dort »ja doch keine Einigung zustande kommt.«

Ein Bauer aus Sömmerda, [Bezirk] Erfurt: »Bei uns ist alles überspitzt, wir müssen alles annehmen, was die SU vorschreibt. Es sieht so aus, als wenn die Deutschen noch nichts geleistet haben und nichts tun würden. Es kann kommen was will, ich werde keinen Stiefel wieder anziehen, ob braun oder schwarz. Die Bildung der LPG sind Maßnahmen zur Einschränkung der persönlichen Freiheit.«

Grüne Woche:33 Drei werktätige Bauern aus Großröhrsdorf, [Bezirk] Dresden, äußerten: »Wir waren zur Grünen Woche in Westberlin. Dort gibt es bessere und größere Landwirtschaftsmaschinen zu sehen, als bei uns, besonders Mähdrescher. Wir waren gerade dort, als die westlichen Außenminister die ›Grüne Woche‹ besuchten.«34

LPG: In der LPG Neuendorf, [Bezirk] Potsdam, sind 300 Zentner Saatkartoffeln in der Miete erfroren. Der Brigadier, der für die ordnungsgemäße Einmietung verantwortlich war, hatte die Miete mit zu wenig Stroh ausgelegt.

MTS: Die MTS des Kreises Bützow, [Bezirk] Schwerin, haben immer noch mit Schwierigkeiten in der Ersatzteilbeschaffung zu kämpfen.

Im Bezirk Frankfurt/Oder wird unter den Bauern besonders über die Saat- und Pflanzengutfrage diskutiert. In der Gemeinde Schmargendorf, Bezirk Frankfurt, fehlen fast allen Bauern Saatgutkartoffeln. Die Erfassungskommission hatte im Herbst des vergangenen Jahres erklärt, dass für Saat- und Pflanzengut vom Staat gesorgt wird. Da sie jetzt nichts haben, betonen sie, dass die Regierung nicht Herr der Lage ist.

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Vom größten Teil der Bevölkerung wird der Enttäuschung darüber Ausdruck gegeben, dass auf der Konferenz der Außenminister keine Einigung in der Deutschlandfrage erzielt wurde. Der fortschrittliche Teil der Bevölkerung erkennt klar die Schuld der Westmächte und unterstützt die Vorschläge der sowjetischen Delegation. Ein größerer Teil der Bevölkerung bringt zum Ausdruck, dass die vier Mächte von vornherein keine Einigung in der Deutschlandfrage erzielen wollten. Einige sind der Meinung, dass die vorhandenen Gegensätze nicht durch Verhandlungen zu überbrücken seien, und dass nach den gescheiterten Verhandlungen mit einem Krieg zu rechnen wäre.

Ein parteiloser Tischler aus Wiedersberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Konferenz wird so verlaufen, wie sie vorgesehen war, nämlich dass sie sich nicht einigen. Die Konferenz kostet dem Staat nur einen Haufen Geld und nichts kommt dabei heraus.«

Der Gemeindeschreiber von Hermannsfeld, [Bezirk] Suhl: »Die Außenministerkonferenz ist nur eine Vertröstung des deutschen Volkes. Auf dieser Konferenz kommt sowieso nichts Gescheites heraus.«

Ein Einwohner aus Bad Doberan, [Bezirk] Rostock: »Auf der Konferenz kommt gar nichts heraus. Was die da gemacht haben, ist alles Veralberei. Dort wird nicht über den Frieden, sondern über den Krieg verhandelt.«

Ein Schuhmacher, SED, aus Roggenhagen, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Viererkonferenz wird durchgeführt zugunsten der Imperialisten. Ein neuer Krieg steht vor der Tür. Auch dieser Krieg wird zugunsten der Imperialisten auslaufen. Die Imperialisten haben Geld und wir haben doch nichts.«

Bei den negativen und feindlichen Stimmen, welche etwas stärker als bisher in Erscheinung treten, machen sich die Argumente des RIAS bemerkbar. Hierbei kommt zum Ausdruck, dass die sowjetische Delegation die Einigung verhindert habe. Die Forderung nach »freien Wahlen« wird unterstützt und auch geäußert, dass die Informationen unserer Presse einseitig wären. Es müssten auch die Reden der westlichen Außenminister in vollem Wortlaut veröffentlicht werden.

Ein Tischlermeister aus Rätzlingen, [Bezirk] Magdeburg: »Der Außenminister Molotow will immer anders als die drei Westmächte. Er will die Zerstückelung Deutschlands so weiter haben und vor allem, dass Deutschland weiter unter der Knute der SU lebt.«

Ein Viehaufkäufer aus Kröpelin, [Bezirk] Rostock: »Man versucht von östlicher Seite deshalb unbedingt eine provisorische Regierung zu bilden, um mindestens eine gleichgroße Zahl von Vertretern in dieser Regierung zu haben wie die Bundesrepublik. So besteht die Möglichkeit, das Wahlgesetz entscheidend zu beeinflussen. Später wird man, wie das schon immer gemacht wurde, natürlich die westlichen Vertreter mehr und mehr versuchen auszuschalten, damit, wenn erst ein Friedensvertrag zustande kommt, der Bolschewisierung nichts mehr im Wege steht. Auf ähnliche Weise wurden die CDU-Bürgermeister in Aue durch SED-Bürgermeister ersetzt.«35

Ein Angestellter aus Bernsbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die ganze Konferenz war Blödsinn, wenn man bedenkt, dass überall sowjetische Truppen zusammengezogen werden, dass in allen Städten Polizei und Militärkontrollen gehen, dass Polizei und Sicherheitsdienst in höchster Alarmbereitschaft liegen und viele Verhaftungen als Auftakt zu freien Wahlen vorgenommen wurden. In Wirklichkeit weiß die Regierung der Ostzone nicht mehr aus noch ein.«

Ein Angestellter aus Wustrow,36 [Bezirk] Rostock: »Warum veröffentlicht unsere Presse nur die Reden Molotows und nicht die Stellungnahmen der westlichen Außenminister. Man liest und hört nur Kommentare von Molotow.«

Ein HO-Angestellter aus Frankfurt/Oder: »Ich kann keine Stellungnahme zur Viererkonferenz abgeben. Die Zeitungen hier sind einseitig und bringen keine objektive Beurteilung der Lage. Außerdem bin ich der Meinung, dass sich die DDR unter den jetzigen Verhältnissen keine Wahlen erlauben kann, denn wir erhoffen doch keine Wahlen nach sowjetischem Muster.«

Ein Rentner aus Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Zum Schluss geht wieder jeder nach Hause wie er gekommen ist. Es muss aber damit gerechnet werden, dass der wirkliche Flüchtlingsstrom erst im Frühjahr richtig einsetzt.«

Aus offiziellen Berichten der CDU-Kreisverbände und der Bezirksorganisation von Halle geht hervor, dass die Stimmung innerhalb der Mitgliedschaft zur Außenministerkonferenz positiv ist. Tatsächlich trifft jedoch das Gegenteil zu. So erklärte z. B. ein Instrukteur der CDU von Halle Folgendes: »Unsere Mitglieder begrüßen lebhaft den Tag der Befreiung, denn wir sind überzeugt, dass unsere CDU-Mitglieder sich nicht länger betören lassen. Zu einem Krach wird es nicht kommen, denn das Volk wartet auf die Entscheidung. Erst wenn die Sache schief geht, wird das Volk zur Revolution schreiten. Wir müssen mitmachen, denn sonst sind wir beim Ami verkauft. Wir haben genug von dem Joch des Bolschewismus.«37

Aus einigen Orten der Bezirke Potsdam und Magdeburg wird gemeldet, dass die Arbeit des DFD sehr schwach ist. Das drückt sich aus in äußerst mangelhaften Versammlungsbesuchen und ungenügender Beitragszahlung.

Organisierte Feindtätigkeit

Flugblattfunde in geringer Anzahl38 werden aus den Bezirken Potsdam, Frankfurt, Karl-Marx-Stadt und Rostock gemeldet.

Verschiedene Schmierereien, u. a. Hakenkreuze und Hetzlosungen wurden auf Reklameschildern und an Wänden in den RAWs Cottbus, Zwickau, Oebisfelde39 und Wittenberge40 angebracht.

Am 15.2.1954 gegen 2.00 Uhr wurden bei dem LPG-Vorsitzenden in der Gemeinde Sahlassen,41 [Bezirk] Leipzig, von mehreren unbekannten Tätern die Fensterscheiben seiner Wohnung durch Steinwürfe zertrümmert sowie die Türen des Schweinestalles und der Scheune geöffnet.

Am 15.2.1954 gegen 24.00 Uhr wurden im Konsumkaufhaus Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam, von bisher unbekannten Tätern zwei Hydranten völlig geöffnet, sodass ein Teil der Verkaufsräume unter Wasser gesetzt war. Zu bemerken ist, dass vor ca. vier Wochen schon einmal die Hydranten geöffnet waren.

Während eines Maskenballes der MTS Zeestow, [Bezirk] Potsdam, am 13.2.1954 wurden ein Genosse der Kreisparteischule und der Politleiter der MTS von zwei angetrunkenen Traktoristen tätlich angegriffen.

Ein Funktionär der Betriebsparteiorganisation Bergmann-Borsig, Berlin, wurde am 14.2.1954 gegen 6.30 Uhr auf dem Wege vom Bahnhof Velten zu seiner Wohnung von unbekannten Tätern überfallen und mit einem harten Gegenstand zu Boden geschlagen. Mit einer schweren Gehirnerschütterung, Nasenbeinbruch und Platzwunden musste er ins Kreiskrankenhaus Oranienburg eingeliefert werden.

Vermutliche Feindtätigkeit

Durch die VP-Bereitschaft Potsdam wurde gemeldet, dass in der vom HO-Lager empfangenen Butter Glasscherben waren. Die bisherigen Ermittlungen ergaben, dass diese Glasscherben bereits im Produktionsbetrieb, Genossenschaftsmolkerei Potsdam, in die Butter gelangt sind. Es wurde festgestellt, dass in den Kellerräumen der Genossenschaftsmolkerei die Glasscheibe einer Kellerverbindungstür herausgeschlagen war. Es wird vermutet, dass die Glasscherben vorsätzlich der Butter zugefügt worden sind. Circa 250 bis 300 kg Butter mussten sichergestellt werden.

Laut Mitteilung des »Telegraf« vom 17.2.195442 haben die Westberliner Gewerkschaftsleitungen zu einem »Protest-Schweigemarsch als Demonstration des freien Berlin« am Donnerstag um 18.00 Uhr aufgerufen. Die Marschroute: Wittenbergplatz – Kleiststraße – Martin-Luther-Straße – Grunewaldstraße – Potsdamer Straße bis in die Nähe des Kontrollratsgebäudes.43 Dort soll das Ende der letzten Sitzung abgewartet werden. Dann solle sich der Zug die Potsdamer Straße entlang über den Bülowbogen zum Magdeburger Platz bewegen. Dort beabsichtigen Scharnowski44 und andere zu sprechen.45

Einschätzung

Allgemein lässt das Interesse an der Konferenz weiter nach.46 Zu den Vorschlägen Molotows wird größtenteils zustimmend von Arbeitern, in geringerem Umfang von Angestellten und von den fortschrittlichen Kräften der übrigen Bevölkerung Stellung genommen. Dabei wird oft die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister verurteilt.

Pessimistische Stimmungen werden in allen Bevölkerungskreisen umfangreicher.47 Dabei wird auf dem Lande und bei der übrigen Bevölkerung verschiedentlich ein Krieg befürchtet. Die negativen Diskussionen nehmen ebenfalls in allen Schichten der Bevölkerung zu.48 Dabei macht sich neben den bekannten Parolen, wie »Freie Wahlen« usw. besonders der verstärkte Einfluss der Westsender in solchen Argumenten bemerkbar, wie »die Schuld, dass keine Einigung in der Deutschlandfrage erzielt wurde, trägt die SU« oder »alle vier Mächte wollten keine Einigung«.

Nach längerer Zurückhaltung beginnt jetzt auch wieder die Feindtätigkeit stärker zu werden.

Anlage (o. D.) zum Informationsbericht Nr. 2127

Anhang: Bericht über den Verderb von Schmalz in den Lagern der Staatsreserve

Zwischen dem Staatssekretariat für Staatsreserven und drei Berliner volkseigenen Großbetrieben wurden im 4. Quartal 1953 Verträge über die Lieferung von Schmalz für die Staatsreserve abgeschlossen. Das erste Schmalz wurde am 5.11.1953 in das Standart-Kühlhaus, Leninallee eingeliefert. Durch den Objektleiter des Kühlhauses wurde darauf hingewiesen, dass sich das Schmalz nicht lange halten könnte, da die Verpackung mangelhaft war, in Kisten die aus nassem Holz gefertigt waren. Ab 17.12.1953 wurde in das Kühlhaus vom Osthafen für die Staatsreserve eingelagert, wobei dieselbe Feststellung getroffen wurde. In beide Kühlhäuser kam eine Menge von ca. 1 800 t Schmalz mit einem Wert ohne Berechnung der HO-Akzise von ca. 2,5 Mio. DM.

Das Staatssekretariat für Staatsreserven wurde am 12.11.1953 durch den Leiter des Kühlhauses Leninallee und am 18.12.1953 durch den Leiter des Kühlhauses Osthafen von der Einlagerung verständigt und darauf hingewiesen, dass das Schmalz aufgrund der mangelhaften Verpackung und der von den Lieferfirmen nicht eingehaltenen Rezepturen keine Lagerfähigkeit von acht Monaten besitzt und schon vorher verdirbt.

Das Staatssekretariat unternahm aufgrund dieser Signale keine Maßnahmen, um das Schmalz in den Handel zu bringen49 und durch wertvolle Importwaren mit guter Verpackung die Staatsreserve wieder aufzufüllen. Es wurden lediglich am 7.1.[1954] die Lieferfirmen darauf hingewiesen, dass das Schmalz nicht den angegebenen Rezepturen entspricht und bis zum 25.1.1954 zurückzunehmen ist. Von dieser Lage erfuhr das SfS-Verwaltung Groß-Berlin am 22.1.1954. Am selben Tage fand durch den Referatsleiter eine Besprechung mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission Genossen Strassenberger50 statt, wobei auf die Gefahr des Verderbens dieser 1 800 t Schmalz hingewiesen wurde. Die Lieferbetriebe erklärten, dass sie nur Teilmengen zurücknehmen könnten. Seit dieser Zeit bis zum 12.2.1954 hat sich nichts geändert, es wurde weder eine Prüfung vom Staatssekretariat für Staatsreserven noch vom Ministerium für Handel und Versorgung durchgeführt. Von den gleichen Dienststellen wurde auch versäumt, eine genaue Analyse der Qualität und Haltbarkeit des Schmalzes anzufertigen und eine entsprechende Rezeptur festzulegen. Am 12.2.1954 wurde dem SfS vom Genossen Schulz vom Staatssekretariat für Staatsreserven mitgeteilt, dass aus beiden Lagern Berichte vorliegen, dass größere Mengen Schmalz bereits verschimmeln.51

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