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Zur Beurteilung der Situation

18. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2129 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

In den Berliner Betrieben fanden gestern Kurzversammlungen statt, in denen über die heutige Demonstration gesprochen wurde, um die Werktätigen zur Beteiligung zu mobilisieren.1 Berichte von solchen Versammlungen liegen aus einigen Betrieben vor. Entschließungen gegen die EVG2 und über die Teilnahme an der Demonstration wurden überall einstimmig angenommen, wobei diese Tatsache natürlich nicht als reales Bild gewertet werden kann. Im VEB Turbonit Weißensee wurde z. B. festgestellt, dass mehrere Arbeiter bei der Abstimmung über die Entschließung hämisch grinsten.3 Diskutiert wurde in den Versammlungen nur sehr wenig, in vielen Versammlungen gar nicht. Auffallend ist, dass fast gar keine negativen Diskussionen geführt wurden;4 lediglich aus dem VEB »7. Oktober«5 wurde in der Großdreherei das Problem der »freien Wahlen« in die Debatte geworfen.

Im Transformatorenwerk »Karl-Liebknecht«-Werk II und im VEB Stern-Radio, beide in Weißensee, wurde der Wunsch geäußert, dass die Demonstration wegen der Kälte nicht zu lange dauern möge.

In den Bauobjekten der Stalinallee wurden Delegationen gewählt, die mit Bauarbeitern in Westberlin über den Sinn des Schweigemarsches diskutieren sollen.6 Mehrere Brigaden verpflichteten sich, geschlossen an der Demonstration teilzunehmen.

Das Interesse an der Konferenz hat aufgrund des bisherigen Verlaufs unter einem großen Teil der Arbeiter aus den Betrieben der DDR,7 stärker noch bei Angestellten und der technischen Intelligenz, nachgelassen, was sich einerseits im Rückgang der Diskussionen bemerkbar macht, andererseits im Anwachsen der gleichgültigen, pessimistischen Haltungen. Im »Ernst-Thälmann«-Werk Magdeburg werden über die Viererkonferenz fast keine Diskussionen geführt.8

Des Weiteren nehmen die Stimmen zu, die ihre Enttäuschung über den Abschluss der Konferenz zum Ausdruck bringen,9 ohne dass für Deutschland bisher etwas Positives herauskam. Aus dem Bezirk Cottbus wurde gemeldet, dass in einer Belegschaftsversammlung der Großkokerei Lauchhammer eine Resolution verfasst wurde, in der die Weiterführung der Verhandlungen gefordert wird.

Positive Diskussionen zu den Vorschlägen des Genossen Molotow10 werden weiterhin von einem nicht geringen Teil der Arbeiter, in kleinerem Umfange von Angestellten, geführt, worin meist die Vorschläge im Allgemeinen begrüßt werden.11 Oft wird im Zusammenhang hiermit gegen die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister, insbesondere gegen Dulles,12 Stellung genommen.

Negative bzw. feindliche Diskussionen treten weiterhin allgemein im geringen Umfange auf. Diese Stimmen verstärken sich etwas, wie gemeldet wurde, im Gebiet der Wismut.13 Bisher wurden jedoch keine Konzentrationen festgestellt. Hierbei werden oft RIAS Argumente vorgebracht. Hauptargumente sind weiterhin die Forderungen nach »freien Wahlen«14 und im geringeren Maße, Revision der Oder-Neiße-Grenze.15 Ein Arbeiter aus dem VEB Schuhfabrik »Vorwärts« in Weißenfels, [Bezirk] Halle: »Man sollte freie Wahlen durchführen unter den Voraussetzungen, wie sie in Westdeutschland vorhanden sind. Hier würde sich zeigen, wo die SED bleibt.«

Ein Lokfahrer vom Schacht 126 in Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Alle machen sie nur großes Gerede von freien Wahlen. Wenn man unsere Sender hört, fordern sie freie Wahlen, hört man die anderen Sender, so fordern sie auch freie Wahlen. Es müsste also ganz einfach sein sie durchzuführen. Aber unsere fürchten sich dabei, dass sie den Kürzeren ziehen könnten.«

Von mehreren Arbeitern des Leuna-Werkes »Walter Ulbricht« wird zum Ausdruck gebracht, dass es deshalb zu keiner Einigung kommt, weil die westlichen Außenminister die Frage der Oder-Neiße-Grenze klären wollen, jedoch der sowjetische Außenminister nicht darauf eingeht.

Weiterhin haben sich negative Äußerungen verstärkt, in denen gegen die SU und die Vorschläge des Genossen Molotow gesprochen wird, wobei in diesem Zusammenhang der SU die Schuld an einem Scheitern der Konferenz gegeben wird. Desgleichen wird gegen die DDR gehetzt. Ein Kollege aus dem Präzisionsmaschinenwerk Schmölln,16 [Bezirk] Leipzig: »Molotow ist derjenige, der auf der Viererkonferenz kein Interesse an der Einheit Deutschlands hat.«

Mehrere Kollegen des VEB Thermos Langewiesen, [Bezirk] Suhl: »In den ersten Tagen haben wir die Konferenz mit Interesse verfolgt. Da aber Molotow von seinem Standpunkt nicht abging und er den Kommunismus in den westlichen Ländern verbreiten will, kümmern wir uns nicht mehr darum. Wenn die Konferenz scheitert, so ist es seine Schuld.«

Ein Kollege aus dem Karl-Marx-Werk in Pößneck, [Bezirk] Gera: »Dass die Einheit Deutschlands noch in weiter Ferne liegt, ist die Schuld der sowjetischen Deutschlandpolitik.« Ähnlich äußerten sich mehrere Arbeiter dieses Betriebes.

Ein Eisenbahner des RAW Malchin, [Bezirk] Schwerin: »Die Politik unserer Regierung und was die Russen machen, ist Blödsinn.« Ähnliche negative Stimmen werden von mehreren Eisenbahnern dieses Betriebes geäußert.

Vereinzelt wird von Werktätigen zum Ausdruck gebracht, dass die Viererkonferenz ergebnislos sei17 und deshalb überhaupt zwecklos war. In diesem Zusammenhang äußern feindliche Elemente, dass sich die Außenminister am Tage streiten werden, jedoch abends einig seien und zusammen essen.

Im Industriewerk Ludwigsfelde, [Bezirk] Potsdam, diskutieren mehrere Schlosser, dass die Konferenz überhaupt keinen Erfolg hätte, sie sind ferner der Meinung, dass man die Konferenz überhaupt nicht hätte einberufen sollen.

Ein Jugendlicher vom VEB Kammgarnspinnerei Glauchau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Erst sind die Vier politische Gegner und abends geben sie sich Festessen. Die wollen doch alle Vier keine Einung für Deutschland.«

In weiteren negativen Diskussionen wird in verschiedener Form zur Konferenz Stellung genommen, wobei Forderungen nach Veröffentlichung der Reden aller Außenminister vorherrschen. Im VEB Möbelwerk Walthersdorf,18 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, fordert der überwiegende Teil der Belegschaft, dass die Stellungnahmen der westlichen Außenminister ebenfalls bei uns veröffentlicht werden.

Ein Hochöfner vom Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin«: »Die vier wissen nicht mehr ein noch aus, vor allem Molotow. Er soll es nicht auf die Spitze treiben. Wenn es noch mal zum Klappen kommt (17.6.), machen wir roten Hochöfner ebenfalls mit.«19

Ein Arbeiter aus Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt: »Es ist klar, was die Russen wollen. Die Amis sollen abziehen und die Russen gehen zum Schein bis hinter die Oder. So sind sie jederzeit in der Lage, schnell wieder in Deutschland zu sein, um auch Westdeutschland zu russifizieren.«

In einer Diskussion über die Viererkonferenz äußerten die meisten Kollegen der Bahnschutzbrigade des Bahnbetriebswerkes Hagenow, [Bezirk] Schwerin, u. a.: »Wenn wir keine Waffen anpacken, dann wird auch der Gegner keine Waffen anfassen. Ein Vertrag über die Sicherheit in Europa ist dann überflüssig.«20

Missstimmung: Die Kumpels der Steinkohlenwerke Deutschland und »Karl Liebknecht« in Oelsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sind darüber verärgert, dass in der Presse Verpflichtungen über Solidaritätsschichten für die Braunkohlenwerke veröffentlicht wurden, bevor die Werkleitung mit den Kumpels über die Verpflichtungen überhaupt gesprochen hatte.21 Ferner sehen sie die Notwendigkeit für diese Verpflichtungen nicht ein, da die Presse die Sollerfüllung für Braunkohle im Januar 1954 mit 102 Prozent gemeldet hat.

Über schlechte Arbeitsorganisation im VEB Zinnerz Altenberg, [Bezirk] Dresden, äußern die Arbeiter ihr Missfallen. Die Erzförderung erfolgt nur in der 2. und 3. Schicht, wodurch die Arbeitszeit dauernd in den Nachmittagsstunden und in der Nacht liegt.

Nach dem neuen Stellenplan sind die technischen Angestellten des Industriewerkes Ludwigsfelde, [Bezirk] Potsdam, größtenteils um eine Stufe herabgestuft worden. Hierbei handelt es sich meistens um fortschrittliche TAN-Sachbearbeiter,22 während negative Kräfte in der alten Tarifstufe verblieben sind. Dieser unreale Stellenplan hat größere Diskussionen im Werk hervorgerufen. Weiterhin wird berichtet, dass fortwährend gute Facharbeiter aus der Halle 7 des Betriebes kündigen, weil sie eine Entlassungswelle befürchten.

Die Stimmung der Kollegen an den Hochöfen im Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin« ist sehr schlecht, da aufgrund der schlechten Produktionserfüllung Lohnabzüge erfolgen müssen.

Materialmangel: Im VEB Büromaschinenwerk Karl-Marx-Stadt fehlt Rundmaterial von 3,5 mm Durchmesser in Sondergüte, wodurch ein Produktionsrückgang eintreten muss. Des Weiteren fehlen 100 kg Temperguss23 für die Produktion im 3. Quartal. Da der Temperguss eine lange Fertigungszeit beansprucht, ist die Erfüllung des Planes im 3. Quartal gefährdet.

Im VEB Kunstlederwerk »Lehkufa« in Falkenberg,24 [Bezirk] Cottbus, mussten infolge Materialmangels 13 Kündigungen ausgesprochen werden. Die vorhandenen Rohstoffe reichen nur noch zehn Tage.

Im VEB Blechbearbeitungswerk Zeulenroda,25 [Bezirk] Gera, ist die termingerechte Lieferung von neukonstruierten Zweiblechbearbeitungsmaschinen für den Export nach Indien infrage gestellt, da verschiedene Zulieferbetriebe ihren Liefertermin nicht einhalten. Das Ministerium für Maschinenbau, das davon in Kenntnis gesetzt ist, hat bisher noch keine Maßnahmen ergriffen.

Handel und Versorgung

Im Kreis Bergen, [Bezirk] Rostock, gibt es Schwierigkeiten in der Versorgung mit Brennstoffen für das Krankenhaus und die Schule. Gleichzeitig verfügen die Fleischer und Bäcker des gleichen Ortes nur noch über einen Vorrat von zwei Tagen und man ist nicht in der Lage, die Bevölkerung mit Brennstoffen zu beliefern. Der Bezirk Wittow,26 Kreis Bergen, ist als Schwerpunkt anzusehen, da der Fährbetrieb zu dieser Halbinsel eingestellt ist und die Transportmöglichkeiten sehr gering sind. Eine regelmäßige Versorgung ist daher behindert.

Landwirtschaft

Auf dem Lande haben die Diskussionen über die Viererkonferenz in allen Bezirken stark nachgelassen.27 Infolge des ergebnislosen Verlaufes der Konferenz an der Deutschlandfrage, macht sich unter allen Schichten der Landbevölkerung eine starke Enttäuschung bemerkbar. Es äußern sich hierzu zunehmend negative Stimmen, die zum Ausdruck bringen, dass eine Einigung Deutschlands jetzt Sache der Deutschen allein sein müsse, dass man die alten Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Grenze sich gewaltsam holen müsse.28 So äußerte der Schweinemeister vom VEG Nuhnen, [Bezirk] Frankfurt: »So lange Schlesien nicht zu Deutschland gehört, solange wird Deutschland kein Deutschland sein. Es bleibt gestohlenes Gebiet.«

Der Dorfstellmacher einer LPG des Bezirkes Frankfurt äußerte: »Der Bau eines Kuhstalles sei nicht mehr nötig, mit den LPG ist es sowieso vorbei, wenn die Außenministerkonferenz auch nicht zu einer Einigung führt.« Er spielte in der weiteren Diskussion auf einen neuen Krieg an.

Ein werktätiger Bauer aus der Gemeinde Roggendorf, [Bezirk] Schwerin: »Die Viererkonferenz hat nichts Gutes gebracht. Wir werden nach wie vor gespalten bleiben. Der Ami braucht die Deutschen, um die SU zu besiegen.« Nach seiner Meinung sind »nur wir in der Lage, das zu erreichen«.

Während einer Schulung der MTS Langhagen, [Bezirk] Schwerin, brachten mehrere Angestellte im Zusammenhang mit der Viererkonferenz zum Ausdruck, wenn »zu Hitlers Zeiten nicht Verrat gewesen wäre, dann hätte Deutschland Russland besiegt«.

Ein Mittelbauer aus Spergau, [Bezirk] Halle: »Bei der ganzen Konferenz ist deshalb nichts herausgekommen, weil von sowjetischer Seite keinerlei Zugeständnisse gemacht wurden. Jeder vertrat seine Ansicht und somit kann es zu keiner Einigung kommen.«

Ein Genossenschaftsbauer, Mitglied der SED, von der LPG Hundshübel, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sagte: »Ich werde mich an keiner Versammlung mehr beteiligen, denn wenn die Außenministerkonferenz schiefgeht, werden die Genossenschaftsbauern wieder enteignet.«

Vielfach wird die Meinung zum Ausdruck gebracht, dass unter den vier Außenministern Einigkeit in der Frage besteht, wie man Deutschland am besten ausbeuten kann. Die Bestätigung finde man darin, dass abends in schönster Einigkeit Feste gefeiert werden. So äußerte sich ein werktätiger Bauer, Mitglied der DBD, aus Obernitz, [Bezirk] Gera: »Bei der Viererkonferenz wird nichts erreicht. Die vier haben gar kein Interesse an der Einheit Deutschlands. Sie sind sich im Großen und Ganzen einig, das zeigt, dass sie zusammen große Essen veranstalten.«

Ein werktätiger Bauer aus Gützkow,29 [Bezirk] Rostock: »Die Außenministerkonferenz geht zu Ende und was ist jetzt dabei herausgekommen? So gut wie gar nichts. Am Tage haben sie sich in der Wolle gehabt und abends wurde schwer gesoffen. Dagegen war Bismarck30 ganz anders, der wusste was er wollte und hat mit der Faust auf den Tisch geschlagen.«

Diese Tendenzen, die teilweise auch sehr stark unter den Landarbeitern, werktätigen Einzelbauern und Genossenschaftsbauern verbreitet sind, werden von den großbäuerlichen und feindlichen Elementen bewusst geschürt und mit einer wüsten Hetze gegen die Regierung der DDR, die fortschrittlichen Parteien, in der Hauptsache DBD und die SU, verbunden. Diese Elemente bedienen sich in der Hauptsache der Argumente der Westsender.31 So verstärkten sich die negativen Diskussionen aufgrund der RIAS-Hetze und des feindlichen Einflusses der Großbauern, besonders in den Bezirken Frankfurt, Suhl und Neubrandenburg.

Ein Großbauer aus Crösten, [Bezirk] Gera: »Die vier Außenminister in Berlin sind genau solche Arschlöcher wie unsere Regierung. Der Russe möchte die ganze Welt unter seine Peitsche bringen, aber das wird ihm nicht gelingen. Wenn es zum Klopfen kommt und das hoffentlich bald, werde ich sofort von hier verschwinden und vielleicht später als alliierter Soldat wiederkommen. Dann werde ich mich rächen, denn die wollen ja nur lauter Kolchosen aus uns machen.«32

Ein werktätiger Bauer aus Schmölln,33 [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich zahle keine Steuern mehr, denn Pieck34 zahlt auch keine. Warum sollen wir denn alle zahlen, seid doch nicht so dumm. Die ganze Regierung lebt ja nur von unseren Steuern, gleichfalls alle Angestellten. Dem Bürgermeister schlage ich bei der nächsten Gelegenheit die Knochen blau.«

Der Leiter der örtlichen Landwirtschaftsbetriebe in Siedentramm,35 [Bezirk] Magdeburg, äußerte: »Die Regierung der DDR ist nicht fähig, selbst Entscheidungen zu treffen und macht lauter Mist. Vor Kurzem habe ich geglaubt, dass es noch anders kommen würde, aber leider ist bis jetzt nichts eingetroffen.«

Bei einer öffentlichen Gemeindevertretersitzung am 9.2.1954 in Watzkendorf, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerte ein werktätiger Bauer, »dass der Standpunkt der drei Westmächte, der richtige ist, denn bei uns in der DDR herrscht eine Diktatur«. Weiterhin ist er der Meinung, dass die DBD die Beschlüsse der SED und Regierung nicht annehmen dürfe. »Die DBD nimmt ihre Mitglieder nicht genügend in Schutz, sonst würde sie es nicht zulassen, dass die LPG gegründet werden.«

Ein werktätiger Bauer aus Obernitz, [Bezirk] Gera: »Die Bauern sind bei uns nicht frei. Der Zwang muss aufhören. Die DBD wird alle Mitglieder verlieren, weil sie auf die Großbauern schimpft. Auch das ›Bauern Echo‹36 wird keiner mehr lesen, weil die Großbauern darin ausgeschmiert werden. Die Bauern sagen, dass die DBD schlimmer ist als die SED

MTS: Die MTS des Kreises Parchim, auch die MTS Perleberg und Schwerin klagen über Mangel an Ersatzteilen.

In mehreren Gemeinden des 5-km-Gebietes des Kreises Hildburghausen,37 [Bezirk] Suhl, sind die Bauern bei den Vertragsabschlüssen mit der MTS zurückhaltend und bringen zum Ausdruck, dass sie erst das Ergebnis der Viererkonferenz abwarten wollen.

LPG: Am 16.2.1954 wurde durch den Kreistierarzt in der LPG »Rotes Banner« in Schönhausen, [Bezirk] Magdeburg, festgestellt, dass unter dem Bestand der Pferde (176 Stück) eine Seuche ausgebrochen ist. Diese Seuche macht sich bemerkbar durch Blutarmut und ist ansteckend. Verendet sind bis jetzt noch keine Tiere, Sicherheitsmaßnahmen wurden angeordnet.

VEG: Im VEG Ziethenhorst, [Bezirk] Potsdam, sind die Arbeiter sehr missgestimmt, weil die Wohnungsbauten nicht zum Abschluss kommen. Sie bemängeln, dass zwar schon sehr viel versprochen wurde, eine Änderung jedoch bis heute noch nicht erfolgt ist. Ein Landarbeiter sagte, »das Wohnungsproblem ist eines der wichtigsten Fragen, weil die besten Familien wegen der schlechten Wohnungen, in denen sie wie Hunde wohnen, abhauen«.

Im Bezirk Potsdam wurde durch Kontrollen festgestellt, dass 42 staatliche Betriebe und LPG eine beängstigend schwache Futtergrundlage haben. Es fehlen auch große Mengen an Saatkartoffeln, Rüben und Futtergetreide. Heu und Stroh reicht sehr oft nur noch einige Wochen. Ein Austausch mit anderen staatlichen Betrieben und LPG ist nicht möglich. Der Rat des Kreises Potsdam,38 Abteilung Landwirtschaft hat bisher diese Frage sehr leichtgenommen und sich fast gar nicht darum gekümmert.39 Ein werktätiger Bauer aus Köpernitz sagte zu diesen Schwierigkeiten: »Das Pflanzgut ist ja bei einem größeren Teil der Bauern noch gesichert, aber dann reicht meistens das Futter nicht aus und die Saatkartoffeln werden zum Verfüttern genommen.«

Im Bezirk Leipzig, besonders Kreis Leipzig, gibt es große Schwierigkeiten in der Versorgung der Bauern mit Pflanzkartoffeln. Bisher erhielt dieser Kreis den höchsten sogenannten obligatorischen Wechsel von Saat- und Speisekartoffeln. In diesem Jahr ist es so, dass aber für eine bestimmte Menge Saatkartoffeln 50 Prozent Speisekartoffeln zurückgeliefert werden. Die Kartoffelernte lag im Kreisgebiet Leipzig im Jahre 1953 weit unter dem Durchschnitt, viele Betriebe konnten ihr Soll nicht erfüllen. Dadurch ist auch ein Pflanzkartoffelaustausch gegen Speisekartoffeln nicht möglich.

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Die Hoffnungen auf einen Erfolg der Konferenz haben einer allgemeinen Enttäuschung Platz gemacht. Nur wenige erhoffen sich noch vom letzten Tag der Konferenz eine Einigung in der Deutschlandfrage. Die fortschrittlichen Kräfte sehen einen Erfolg der Konferenz in der Tatsache, dass durch die Reden und Vorschläge des Genossen Molotow die Westmächte gründlich entlarvt wurden. Die Enttäuschung der Bevölkerung äußert sich verschieden, wobei sich zum Teil politisches Unverständnis und auch feindliche Beeinflussung zeigt. Ein Teil bringt zum Ausdruck, dass »wir Kleinen« nichts für einen Erfolg der Konferenz tun könnten, wir müssten nur bezahlen. Keiner sei bereit, nachzugeben. Ein anderer Teil meint, dass eine Einigung nur möglich sei, wenn Molotow nachgebe.

Eine Hausfrau aus Frankfurt: »Was sind wir armen kleinen Menschen gegen die Herren, die an der Macht sitzen.«

Ein Gastwirt (LDP) aus Dalldorf, [Bezirk] Magdeburg: »Es ist schade um das Geld, das wir Steuerzahler für den Pomp, für das Essen und für die Veranstaltungen aufbringen müssen. Hoffentlich nimmt der Rummel bald ein Ende.«

Ein Geschäftsinhaber aus Gera: »Ich halte die Konferenz für wenig aussichtsreich, da jeder auf dieser Konferenz seine Interessen wahrnimmt und nicht gewillt ist nachzugeben.«

Ein Angestellter aus Frankfurt: »Wie will man zu einem Einvernehmen kommen, wenn einer den anderen über das Ohr hauen will. Wem soll man nun die Schuld am Scheitern der Konferenz zuschieben. Einer hetzt über den anderen, so können sie ja zu keinem Ergebnis kommen.«

Ein Fotograf aus Parchim, [Bezirk] Schwerin: »Ich habe vorausgesehen, dass die Viererkonferenz keine positiven Ergebnisse bringen wird. Ich bin der Meinung, dass der sowjetische Außenminister in seinen Forderungen etwas nachgeben müsste, dann würden in einigen Punkten bestimmt Klärungen kommen.«

Der Kreissekretär der DBD in Aue: »Ich sehe im weiteren Verlauf der Außenministerkonferenz keine Erfolge. Über den österreichischen Staatsvertrag werden die sich auch nicht einigen. Der sowjetische Außenminister hat gute Vorschläge gemacht, aber er hätte doch etwas zurückgehen müssen, damit eine bessere Verständigung erreicht werden könnte.«

Ein Student der Universität Jena: »Die Außenminister waren sich im Wesentlichen über den österreichischen Staatsvertrag einig. Molotow jedoch, der den Vorschlag einbrachte, die Besetzung Österreichs bis zum Friedensvertrag mit Deutschland beizubehalten,40 hätte praktisch den Anlass gegeben zur Sprengung der Außenministerkonferenz.«

Einige Stimmen befürchten, dass sich nach der Konferenz die Kriegsgefahr verstärken könne. Ein Lehrer (SED) aus Eisenach, [Bezirk] Erfurt: »Bei der Viererkonferenz wird sowieso keine Einigung erzielt. Was danach geschieht, werden wir erleben. Drüben haben die schon schnell Militär aufgestellt und dann wird es für uns Nationale Streitkräfte geben. Damit ist es um unseren Nachwuchs im Fußball geschehen und sie werden alle eingezogen.«

Ein Friseurmeister aus Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Aus dieser Außenministerkonferenz wird sowieso nichts, denn die Amerikaner sagen ja zu einer Einheit Deutschlands immer ›NO‹. Es wird soweit kommen, dass zum Schluss sich zwei Militärblocks gegenüberstehen und der deutsche Michel beginnt wieder einen neuen Krieg.«

Feindliche Stimmen werden besonders in bürgerlichen Kreisen festgestellt. Viele negative Stimmen werden auch immer wieder von Lehrern bekannt. Zum Ausdruck kommen hierbei Argumente über »freie Wahlen« sowie Nichtanerkennung unserer Regierung.

Ein Lehrer, SED, aus Woldegk, [Bezirk] Neubrandenburg: »Molotows Vorschläge anzunehmen, wäre von den Westmächten vollständig unmöglich, dann müssten sie abziehen und es gäbe keine Freien Wahlen. Freie Wahlen, wie der Außenminister Molotow sie vorgeschlagen hat, würden dann so durchgeführt werden, wie sie bei uns in der DDR durchgeführt worden sind.41 Die freien Wahlen müssen unter Aufsicht der Besatzungsmächte durchgeführt werden.«

Ein Privatunternehmer aus Bernau, [Bezirk] Frankfurt: »Wenn vernünftige Menschen, die geschult wären, in der Regierung säßen, so würde alles anders sein. Es gibt kein Material und wir kommen nicht vorwärts. Freie Wahlen würden zeigen, was die Deutschen wollen.«

Der LDP-Vorsitzende aus Neuhaus, [Bezirk] Suhl: »Die vier Außenminister sollen sich endlich bereiterklären, dass das deutsche Volk in Ost und West wählen kann. Sie sollen wählen, welche Regierung sie wollen, aber nicht so, was man hier unter »demokratischen Wahlen« versteht. Wir haben ja die letzte ›demokratische Wahl‹ miterlebt.«

Eine Hausfrau aus Zittau, [Bezirk] Dresden: »Ich habe 1950 nicht gewählt, da es keine freien Wahlen waren. Die Regierung ist nicht gewählt, sondern eingesetzt. Ich bin für freie Wahlen, deshalb erkenne ich den Vorschlag von Eden42 vollkommen an.«43

Ein Einwohner von Magdeburg: »Ein 17.6.1953 war und ein 17.6. wird sich auch 1954 wiederholen. Der wird aber anders kommen als 1953.«

Aus den Bezirken Leipzig und Cottbus wird gemeldet, dass die bürgerlichen Parteien bei den in letzter Zeit durchgeführten Aufklärungseinsätzen sehr wenig bzw. gar nicht in Erscheinung traten.

In der Bevölkerung des Bezirkes Frankfurt/Oder ist die Meinung stark verbreitet, dass die Randgebiete von Berlin anlässlich der Viererkonferenz bevorzugt mit Waren beliefert werden.44 So äußerte eine Angestellte (SED) der HO aus Freienwalde: »Diese bevorzugte Belieferung ist eine Vortäuschung falscher Tatsachen. Die anderen, die weiterfahren, merken doch, dass in Wirklichkeit gar nicht so viel Ware da ist.«

Feindtätigkeit

In den Bezirken Cottbus und Dresden, etwas stärker im Bezirk Karl-Marx-Stadt, wurden Flugblätter festgestellt.

In den Bezirken Dresden und Karl-Marx-Stadt wurden verschiedene Plakate beschädigt oder beschmiert und Hetzlosungen angebracht.

Nach der Äußerung eines Umsiedlers und CDU-Mitgliedes soll am 21.2.1954 in der HO-Gaststätte »Burghof« in Görlitz ein Umsiedlertreffen stattfinden.

Einschätzung

Die Lage hat sich gegenüber dem Vortage nicht geändert.

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