Direkt zum Seiteninhalt springen

Zur Beurteilung der Situation

21. Juni 1954
Informationsdienst Nr. 2240 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Politischen Fragen steht weiterhin ein großer Teil der Werktätigen interesselos gegenüber. Im Vordergrund der Diskussionen steht die Volksbefragung.1 Der Umfang der Diskussionen hat infolge der in vielen Betrieben durchgeführten Aufklärungseinsätze etwas zugenommen. Der größte Teil der Stimmen ist positiv. Darin wird die Volksbefragung begrüßt als Maßnahme für die Erhaltung des Friedens und der Erlangung der Einheit Deutschlands. Die meisten Meinungen stammen von Arbeitern und etwas geringer von Angestellten, während sich die Intelligenz nur ganz vereinzelt äußerte. Im Zusammenhang hiermit werden weiterhin Verpflichtungen eingegangen, bereits am 27.6.[1954] früh die Stimme abzugeben bzw. Sonderleistungen in der Produktion zu vollbringen. Die Kumpel im [Wismut-]Schacht 31 in Johanngeorgenstadt2 verpflichteten sich, am 27.6.[1954] vormittags zu wählen und am 26.6.[1954] eine Hochleistungsschicht zu fahren.

Die Kollegen im VEB Baubetrieb Weißenfels und die Kollegen der Nachtschicht im Kraftwerk Rudolf Breitscheid Halle werden am 27.6.[1954] in den Vormittagsstunden ihre Stimme abgeben. Zehn Jugendfreunde im Schuhlehrkombinat »Junge Garde« in Weißenfels wollen die Volksbefragung durch Agitationseinsätze unterstützen. 27 Lehrlinge des VEB Baubetrieb Weißenfels haben sich verpflichtet zum Arbeitseinsatz in der LPG Hettstedt.

Mehrfach treten Unklarheiten über die Bedeutung der Volksbefragung auf. Dabei wird oft diskutiert, dass die Volksbefragung nicht notwendig sei, weil alle für den Frieden sind. Ein Hofmeister im VEB Blema Aue: »Nun ist wieder eine Wahl. Ich denke, die bisherigen Wahlen, wobei es auch immer um die Erhaltung des Friedens ging, müssten doch bewiesen haben, dass die Bevölkerung die Erhaltung des Friedens will. Warum nun schon wieder Volksbefragung.«

Ein Ladeschaffner vom Bahnhof Zwickau: »Wir können ja wählen was wir wollen, die geben uns doch keinen Friedensvertrag.« Eine Arbeiterin aus der Spinnerei II des Kunstseidenwerkes Premnitz, [Bezirk] Potsdam: »Ich kann nicht wählen gehen, denn ich kann doch nicht gegen meine Verwandten in München wählen.«

Feindliche Diskussionen werden nur ganz vereinzelt geführt, wobei die Argumentation sehr unterschiedlich ist. Ein Rangierer vom Bahnhof Schönberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn die Volksbefragung wieder so durchgeführt wird, wie die letzten Volkskammerwahlen,3 so ist das nicht demokratisch. Wir wollen frei wählen.«

Eine Arbeiterin aus dem Stahlwerk Riesa: »Die Volksbefragung ist großer Quatsch, denn jeder will den Frieden. Man müsste die Frage stellen, ob man den Russen oder den Amerikaner will.«

Ein Arbeiter aus dem VEB IFA-Phänomen Zittau: »Ob ich für den Frieden oder für die EVG4 stimme, das ist doch letzten Endes egal, das Abstimmungsergebnis steht ja schon jetzt fest.«

Ein Schmied aus dem Waggonbau Bautzen, [Bezirk] Dresden: »Die Volksbefragung hat keinen Zweck, denn dann würde man auch in Westdeutschland volkseigene Betriebe aufmachen. Die Ausbeutung in den VEB ist aber genauso groß wie im Kapitalismus.«

Unzufrieden sind die Werktätigen in einzelnen Betrieben über die Entlohnung, die Regelung des Urlaubs und über die Vergünstigungen in der Schwerindustrie. Im VEB Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal, Werk Blankenberg,5 sind die Kollegen unzufrieden, dass die Lohneinstufungen allgemein niedriger sind als im Werk Rosenthal, obwohl beide Werke zum gleichen Betrieb gehören. Das Hauptwerk Rosenthal ist der IG Druck und Papier angeschlossen, während das Werk Blankenberg der Industriegewerkschaft Grundstoffe angeschlossen ist.

Das Personal der U-Bahn in Berlin ist sehr verärgert, weil es aufgrund des Arbeitskräftemangels seinen festgesetzten freien Tag nicht bekommen kann. Weiterhin hat ein großer Teil der Kollegen seinen Urlaub noch nicht erhalten.

In der Kammgarnspinnerei Brandenburg sind die Arbeiterinnen der Ansicht, dass den Arbeitern der Schwerindustrie viel mehr Vergünstigungen gewährt werden als ihnen in der Leichtindustrie und sie fordern, dass auch sie Vergünstigungen erhalten, wie z. B. Textilien zu verbilligten Preisen.

Produktionsschwierigkeiten traten in verschiedenen Betrieben wegen Materialmangel, Arbeitskräftemangel und schlechter Qualität des Materials auf. Im VEB Audiwerk Zwickau mangelt es an Hinterkotflügeln, während zurzeit ca. 2 000 Vorderkotflügel im Werk bereitliegen. Ende 1953 waren dagegen nur Hinterkotflügel vorhanden. Die Werktätigen des Betriebes sind darüber verärgert. Verschiedentlich wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Mängel an Sabotage grenzen.

Im Braunkohlenwerk Königsaue, [Bezirk] Halle, fehlen Schienen. Das Ministerium für Schwerindustrie und das Ministerium für Verkehrs- und Eisenbahnwesen verhandeln bereits seit einem halben Jahr darüber, haben sich jedoch bis jetzt noch nicht einig werden können. Dadurch muss der Tagebau in Königsaue ab 1.9.1954 eingestellt werden.

Im VEB Märkische Ölwerke Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, fehlen Dichtungskugeln für Öllampen. Im VEB Nähmaschinenwerk Wittenberge mangelt es an Automatenstahl.

Im Glaswerk Bernsdorf, [Bezirk] Cottbus, entstehen laufend große Produktionsausfälle an den Hafenöfen durch schlechtes Hafenmaterial,6 wodurch die Exportaufträge nicht erfüllt werden können.

Im Kraftwerk Sonne, [Kreis] Senftenberg, [Bezirk] Cottbus, fehlen im Verteiler Sammelschienen, wodurch die Inbetriebnahme der neuen Brikettfabrik ab 1.7.1954 infrage gestellt ist.

In den volkseigenen Baubetrieben des Bezirkes Potsdam mangelt es an Arbeitskräften, aber besonders an Putzern. Ein großer Teil der Facharbeiter hat nach Berlin gekündigt, weil sie dort mehr Geld erhalten.

Weiterhin bestehen Schwierigkeiten durch schlechtes Material. So hat z. B. die Ziegelei Zehdenick 640 000 Ziegelsteine geliefert, die kaum 50 Prozent der vorgeschriebenen Fertigkeitswerte enthielten.

Im Ernst-Thälmann-Werk Magdeburg7 fehlen 290 Arbeitskräfte, wodurch die Erfüllung des Jahresplanes gefährdet ist.

Im VEB Transformatorenwerk Berlin-Oberschöneweide ist das Isolierpapier für Trafos nicht verwendbar. Der Lieferbetrieb VEB Papierfabrik Wolfswinkel, [Bezirk] Frankfurt/Oder, verarbeitet das Isolierpapier unsachgemäß.

Produktionsstörung

Am 19.6.1954 stürzte auf den [Wismut-]Schacht 6 in Oberschlema ein Hunt8 mit Munition von einer Sohle bis zur tieferliegenden Sohle durch Verschulden des Hauptanschlägers aufgrund falscher Signalaufgabe. Schaden ca. 2 000 DM.

Über die Lage im VEB Bau-Union Berlin wird Folgendes berichtet: Die Normenabteilung der Bau-Union soll auf 3 bis 4 Kollegen verkleinert werden, ohne dass die Polierer für die Bearbeitung von Normenfragen geschult sind. Die Maurer erfüllen ihre Normen nicht so hoch, wie in den vergangenen Jahren und Monaten. Man ist der Ansicht, dass dies aufgrund feindlicher Propaganda (langsam arbeiten) geschieht. In der Transportabteilung ist der Einsatz der Fahrzeuge schlecht organisiert, was mit dazu beiträgt, dass der Betrieb einen so großen Planrückstand hat. In der Maschinentechnischen Abteilung ist keine genaue Übersicht über die einzelnen Maschinen und Geräte sowie ihren Einsatz vorhanden.

Über mangelhafte Einsatzbereitschaft der Kampfgruppen9 verschiedener Objekte bzw. Schächte des Wismutgebietes berichten folgende Beispiele.

In Johanngeorgenstadt waren die meisten Kampfgruppen zum 17.6.[1954] nicht einsatzbereit. Die Mitglieder sind nur papiermäßig erfasst, dabei ist nicht bekannt, ob alle Erfassten überhaupt noch bei der Wismut arbeiten (aufgrund der laufenden Veränderungen). Der Parteisekretär vom Schacht 98 in Johanngeorgenstadt wurde auf diesen Zustand mehrmals hingewiesen, hat jedoch bisher nichts unternommen.

In Oberschlema ist ein Rückgang in der Aktivität der Kampfgruppen festzustellen. Ursache dafür ist wahrscheinlich, dass bisher nur praktische Ausbildung erfolgte, womit alle einverstanden waren, jetzt jedoch auch ideologischer Unterricht gegeben wird, wozu nur wenige Kampfgruppenmitglieder erscheinen.

Feindliche Diskussionen: Ein Arbeiter vom Walzwerk Kirchmöser, [Bezirk] Magdeburg,10 äußerte gegenüber einem Kollegen, der ihn auf eine schadhafte Stelle in einem Werkstück aufmerksam machte: »Für unsere ›Freunde‹, die uns im vorigen Jahr zusammengedroschen haben, ist das gut genug.« (Es handelte sich um ein Werkstück für den Export.)

Handel und Versorgung

In der Versorgung mit HO-Fleischwaren ist im Bezirk Suhl eine Besserung eingetreten. Schwierigkeiten in der Belieferung mit HO-Fleisch bestehen noch in einigen Kreisen des Bezirkes Schwerin, ebenso in der Fischbelieferung. In Groß-Berlin ist das Rindfleisch knapp.

In Forst, [Bezirk] Cottbus, kommt Butter zum Verkauf, die nach 3 bis 4 Tagen schwarze Flecke bekommt. Über den Milchhof in Potsdam wird Beschwerde geführt, dass die gelieferte Milch im Sommer fast jeden Tag sauer ist. Die Ursache dafür soll die schlechte Reinigung der Gläser sein, die vom Milchhof vorgenommen wird.

Landwirtschaft

An politischen Tagesfragen ist die Landbevölkerung weiterhin wenig interessiert. Die wenigen Diskussionen zur Volksbefragung sind überwiegend positiv und stammen meist aus Kreisen des sozialistischen Sektors. Teilweise ist die schwache Beteiligung auf die mangelhafte Aufklärungsarbeit der Nationalen Front,11 wie in den Bezirken Dresden und Schwerin, zurückzuführen, teilweise beschäftigen sich die Bauern mit der Heuernte, wie z. B. im Bezirk Gera.

Vereinzelt wurden auch Verpflichtungen zur Volksbefragung übernommen. Die LPG-Bauern der LPG Rosa Luxemburg,12 [Bezirk] Neubrandenburg, verpflichteten sich, am 27.6.1954 geschlossen ihre Stimme für Frieden und Einheit abzugeben. In Weseram, [Bezirk] Potsdam, verpflichteten sich die Genossenschaftsbauern, im Monat Juni 5 000 l Milch und jeden weiteren Monat 1 000 l Milch für den freien Verkauf zu liefern. Ähnliche Verpflichtungen wurden auch in anderen Gemeinden übernommen.

Vorwiegend befasst sich die Landbevölkerung mit wirtschaftlichen Fragen. In der MTS Neusalza[-Spremberg, Bezirk] Dresden, fehlen Mähbalken, Bolzen, Lager, Treibstangen, Messer- und Blechköpfe.

Der MTS Guteborn, [Bezirk] Cottbus, wurden zwei Getreidebinder geliefert, die nicht einsatzfähig sind.

In den MTS des Bezirkes Schwerin wird des Öfteren die Qualität der Landmaschinen kritisiert, die aus der DDR stammen. Es kommt dort täglich zu Brüchen von Maschinenteilen.

In Rathenow, [Bezirk] Potsdam, wurde der Bau [verschiedener]13 Viehställe eingestellt wegen Mangel an Nägeln und Zement.

In Aschersleben, [Bezirk] Halle, wollen zwei Leiter der LPG-Teilbetriebe ihr Arbeitsverhältnis lösen, da ihnen der Monatslohn zu niedrig ist. Sie erhalten monatlich 320 DM Netto.

Im VEG Hillmersdorf, [Bezirk] Cottbus, mussten 18 an der Schweinepest erkrankte Ferkel und ein Mutterschwein notgeschlachtet werden.

Ein Großbauer aus Weißenfels, [Bezirk] Halle, lockt die Kinder zum Rübenverziehen auf seine Felder, indem er sie zum Fernsehempfang einladet [sic!]. Dadurch haben Kinder sogar von LPG-Mitgliedern bei ihm gearbeitet, obwohl die Felder der LPG in einem schlechten Zustand sind.

In Schlieben, [Bezirk] Cottbus, wirbt ein Großbauer die Kinder des Ortes über den Schulfunk, mit Genehmigung des Lehrers, während der Ferien zur Landarbeit auf seine Felder. Als Entlohnung sollen sie die Stunde 0,50 DM erhalten.

Übrige Bevölkerung

Im Mittelpunkt der Diskussionen über politische Tagesfragen steht die Volksbefragung. Jedoch ist der Umfang der Diskussionen im Allgemeinen noch gering. Die uns bekannt gewordenen Stimmen sind überwiegend positiv, darin bringt man zum Ausdruck, dass es richtig ist, die Stimme für den Frieden abzugeben. Ein Angestellter, Mitglied der CDU aus Obercrinitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es ist ganz gleich, welcher Partei man angehört, alle Menschen müssen sich für den Frieden einsetzen. Ich werde deshalb am 27.6.1954 meine Stimme für den Frieden abgeben.«

Ein Einwohner aus Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl: »Es ist für mich selbstverständlich für einen Friedensvertrag zu stimmen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass es bei uns noch Menschen gibt, die für die EVG sich entscheiden werden. Sollte es doch welche geben, dann muss ich sagen, dass diese Menschen keine eigene Meinung haben und charakterlich wankelmütig sind.«

Vereinzelt wurden uns negative bzw. feindliche Stimmen zur Volksbefragung bekannt. Ein Architekt aus Magdeburg äußerte sich zu einem Aufklärer der Nationalen Front wie folgt: »Die Russen haben mir einen Schaden von 25 000 DM zugefügt und außerdem haben sie mir die Zähne eingeschlagen. Freundschaft mit der SU kommt daher für mich nicht infrage. Lieber Bomben auf den Kopf, als dem Frieden zustimmen. Aber damit ich nicht eingesperrt werde, gehe ich trotzdem zur Abstimmung.«

Ein Rentner (Umsiedler) aus Clodra, [Bezirk] Gera: »Bei der letzten Volksbefragung ist Betrug gemacht worden, weil offen gewählt worden ist und außerdem, mit meiner Rente von 75,00 DM kann man nicht leben, in Westdeutschland geht es den Rentnern besser.«

Ein SPD-Mitglied aus Berlin-Weißensee:14 »Man muss jetzt den Menschen klarmachen, dass die sogenannte Abstimmung nicht gegen EVG und für einen Friedensvertrag gedacht ist, sondern es solle eine Gegenmaßnahme gegen den 17. Juni werden. Man wird mit dem Ergebnis hausieren gehen und behaupten, all diese Stimmen sind eigentlich ein Bekenntnis für die Pankower Regierung,15 gegen den Aufstand vom 17.6.[1953] und man wird damit den politischen Wert des 17. Juni zu beschmutzen versuchen. Das sollten wir allen denen sagen, die zu uns kommen und um Rat bitten für ihre Haltung zur Abstimmung.« (Diese Äußerungen wurden in einer Sekretariatssitzung der SPD-Kreisleitung gemacht.)

Aus dem Wismutgebiet wird uns berichtet, dass die Bevölkerung Klage darüber führt, dass die GST unverantwortlich mit dem anvertrauten Volkseigentum umgeht. Zum Beispiel sind von 30 Motorrädern nur noch 17 einsatzfähig.16

Im Kreis Königs Wusterhausen wurden 70 Kinder zum Erholungsurlaub nach Bad Schandau geschickt, diese Kinder sollten bereits Pfingsten wieder zu Hause sein, sind aber bis heute noch nicht eingetroffen. Einige Eltern fuhren nach Bad Schandau, um zu sehen, was mit den Kindern ist, dabei stellten sie fest, dass die Kinder krank sind, darüber sind die Eltern dieser Kinder empört und bringen zum Ausdruck, dass man sie zumindest hätte benachrichtigen müssen.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverteilung

»Deutsche der Bundesrepublik«17: Karl-Marx-Stadt 2 452, Gera 11, Dresden 128, Neubrandenburg.18

SPD-Ostbüro:19 Karl-Marx-Stadt 9, Schwerin 14 000, Halle 5.

NTS:20 Dresden 8.

In tschechischer Sprache: Karl-Marx-Stadt 220, Dresden 189.

Die Flugblätter wurden in den meisten Fällen sichergestellt.

In den Kreisen Potsdam, Jena, [Bezirk] Gera, Senftenberg, [Bezirk] Cottbus, Ilmenau, [Bezirk] Suhl, und Staßfurt, [Bezirk] Magdeburg, wurden vereinzelt Hetzlosungen gegen die Volksbefragung angebracht.

Im RAW »7. Oktober« in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde an einem Tender einer neuen Lok eine Losung wie folgt umgeändert: »Für den Abschluss eines gesamteuropäischen Vertrages zur kollektiven Sicherheit mit dem EVG«.

In den Kreisen Güstrow, [Bezirk] Schwerin, Kyritz, [Bezirk] Potsdam, und Ilmenau, [Bezirk] Suhl, wurden vereinzelt Plakate zur Volksbefragung abgerissen.

Diversionen

In der LPG »Neues Leben« Döbeln, [Bezirk] Leipzig, wurden bei der Heuernte Rasierklingen von unbekannten Personen in das Heu geworfen.

Am 19.6.1954 wurden im VEB Sodawerk Staßfurt, [Bezirk] Magdeburg, die Ölreinigungsvorrichtungen an einem Kompressor gewaltsam durchlöchert, wodurch Sand in das Lager gelangte und sich die Maschine heißlief.

In der Gemeinde Kuchelmiß, Kreis Güstrow, [Bezirk] Schwerin, wurde der Bürgermeister (SED) in der Nacht von unbekannten Personen mit den Worten provoziert, dass er noch einmal einen Stein auf den Kopf bekommen würde. In der gleichen Gemeinde wurden dem Vorsitzenden der Nationalen Front in den späten Abendstunden Hetzflugblätter in das offene Fenster in die Wohnung geworfen.

Am 18.6.1954, gegen 21.45 Uhr zogen in Teichwolframsdorf, [Bezirk] Gera, drei Arbeiter grölend durch die Straßen, wobei sie immer riefen »Heil mein Führer« und ein anderer vollendete »Adolf Henecke«.21

In der Gemeinde Testorf, Kreis Hagenow, [Bezirk] Schwerin, versuchten fünf bekannte Personen eine Versammlung zur Volksbefragung durch negative Diskussionen zu unterbrechen. Alle fünf Personen, darunter ein Großbauer, wurden festgenommen.

Der Bürgermeister der Stadt Goldberg, Kreis Lübz, [Bezirk] Schwerin, wurde von einer Versammlung kommend tätlich angegriffen. Der Täter wurde festgenommen.

Vermutliche Feindtätigkeit

Bei Groß Wasserburg, [Kreis] Lübben, [Bezirk] Cottbus, wurden in einer Schonung zwei ca. 150 m auseinanderliegende kleine Brandherde festgestellt. Fahrradspuren und die Scherben einer Flasche mit dem Etikett »VEB Kombinat Otto Grotewohl, Pyrozin«22 wurden gesichert.

In der Nacht vom 17. zum 18.6.1954 wurde beim Betriebsschutz des Objektes Wustermark,23 [Bezirk] Potsdam, angerufen und gesagt »jetzt gehts los«. Auf die Frage nach dem Namen des Teilnehmers wurde geantwortet: »Das werdet ihr merken, wenn es soweit ist.«

Nach einer LPG-Versammlung in Ebersdorf, [Bezirk] Gera, wurde diese von dem LPG-Vorsitzenden mit dem faschistischen Gruß geschlossen. Die Frau des LPG-Vorsitzenden sagte dann zu einer Genossin am nächsten Tag, sie solle über die Versammlung nichts erzählen, da ihr Mann das öfter machen würde.

Anlage vom 21. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2240

Auswertung der Westpresse (16. bis 19.6.1954)

17. Juni 1954

Am 16. und 17. Juni 1954 standen die Sendungen der Westsender voll und ganz im Zeichen der Hetze und Verleumdung der DDR anlässlich des ersten Jahrestages des 17. Juni [1953]. Vielfach wurden Reportagen, Augenzeugenberichte, Briefe über die Ereignisse am 17.6.1953 und Übertragungen der »Feierstunden« in Westberlin und Westdeutschland gebracht. Folgende Probleme wurden dabei hauptsächlich berührt:

  • Sender »Freies Berlin« spricht von »Geschichtsfälschungen«, wenn zwischen dem 17.6.1953 und den westlichen Agentenzentralen24 eine Verbindung geschaffen wird.25

  • Sender »Freies Berlin« spricht von angeblichen »positiven« Auswirkungen auf die Volksdemokratien.

  • Über die Lage in den Strafanstalten werden wüste Gräuelmärchen berichtet. Bes[onders] erwähnt werden Halle und Görlitz.

  • Meldungen über Verhaftungen, Verurteilungen und Hinrichtungen in Zahlen, die sich in den einzelnen Sendungen und Artikeln der Presse laufend widersprechen.

  • Der DGB stellt sich die Aufgabe, den »verschütteten Gewerkschaftsgedanken … wachzuhalten«. Hetze gegen FDGB.

  • Stellung der Jugend zum 17. Juni 1953.

Volksbefragung

Nach Versuchen vielfältigster Art vonseiten der Westpresse, die Volksbefragung negativ zu beeinflussen, versuchen jetzt die westlichen Rundfunkstationen, die Bevölkerung durch die neue Meldung zu verwirren, wonach die Leitungen bei den Wahlhandlungen nur durch SED-Mitglieder ausgeübt werden dürfen und eine enge Verbindung zum SfS bestünde.

Volkswirtschaft der DDR

Vom RIAS wird bei Behandlung des Volkswirtschaftsplanes 1954 in verleumderischer Weise zu folgenden Fragen Stellung genommen: Privatindustrie, Produktion von Massenbedarfsgütern in der Maxhütte,26 Beschaffung von Rohstoffen, Wohnungsbau.

Freie Deutsche Jugend

In der Sendung »Jugend spricht zur Jugend« zitiert der RIAS aus einem Hörerbrief aus Dessau, welcher zum gesamtdeutschen Jugendkongreß27 Stellung nimmt. Unter anderem wird darin der Vorschlag unterbreitet, für jeden Bezirk der DDR durch republikflüchtige Jugendliche in Westdeutschland »Landesjugendringe zu bilden …, denen dann die Vorbereitung freier Jugendarbeit in Mitteldeutschland übertragen werden könnte«.

  1. Zum nächsten Dokument Zur Beurteilung der Situation

    22. Juni 1954
    Informationsdienst Nr. 2241 zur Beurteilung der Situation

  2. Zum vorherigen Dokument Zur Beurteilung der Situation

    19. Juni 1954
    Informationsdienst Nr. 2239 zur Beurteilung der Situation