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Zur Beurteilung der Situation

20. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2133 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Über die Viermächtekonferenz sind das Interesse und damit die Diskussionen unter den Arbeitern,1 besonders unter den Angestellten und der technischen Intelligenz, weiter zurückgegangen, sodass nur noch in geringem Umfang darüber gesprochen wird. Diskussionen über betriebliche und örtliche Belange treten mehr in den Vordergrund. So wird z. B. in vielen Großbetrieben des Bezirkes Rostock besonders über den Materialmangel und die Wartezeiten diskutiert. Ein Schlosser von der Warnow-Werft Warnemünde: »Wir sind im Betrieb, um zu arbeiten und Geld zu verdienen, aber nicht um Wartezeiten zu schreiben und mit 90 Prozent des Grundlohnes nach Hause zu gehen.« Ein Angestellter von dem VEB Deutrans Rostock:2 »Was geht uns die Konferenz an? Wir hofften auch das Beste und doch ist nichts herausgekommen. Wir wenden uns einer viel interessanten [sic!] Sache zu, nämlich dem Sporttoto.«

In Stimmen zur Konferenz wird oft Enttäuschung über den Abschluss der Konferenz ausgedrückt,3 ohne dass für Deutschland sichtbare Ergebnisse erzielt wurden. Dabei werden besonders Stimmen laut, die besagen, dass eine Einigung der Außenminister von vornherein nicht zu erwarten war, wobei die Ursachen teils in zu großen Widersprüchen gesehen werden, teils wird von feindlichen Elementen angeführt, dass der RIAS dies vorausgesagt hätte.4 Ein Arbeiter aus dem Privatbetrieb Rössel und Vetter5 in Hohenstein-Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Der Ausgang der Konferenz war von vornherein klar. Der RIAS hat das bereits vorausgesagt. Bloß in der DDR wollte man wieder einmal etwas Unmögliches auftischen.«

Ein nicht geringer Teil der von Werktätigen geäußerten Stimmen zur Konferenz begrüßt die Vorschläge des Genossen Molotow6 und verurteilt oft die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister,7 insbesondere von Dulles.8 Des Weiteren wird die Konferenz als ein Erfolg angesehen, da durch die Stellung der westlichen Vertreter zu den Vorschlägen der SU vielen Menschen klar wurde, wer den Frieden und die Einheit Deutschlands wirklich will. In Verbindung hiermit wird in vereinzelt bekannt gewordenen Stimmen der Schweigemarsch Scharnowskis9 abgelehnt.10

Negative bzw. feindliche Diskussionen werden weiterhin in geringem Umfang bekannt.11 Bei Angestellten und Angehörigen der Reichsbahn ist der Umfang größer als bei Arbeitern. Hierbei zeigt sich immer wieder der Einfluss der gegnerischen Hetze, besonders des westlichen Rundfunks. Hauptargumente sind die Forderung nach »freien Wahlen« sowie Hetze gegen die SU und die Vorschläge des Genossen Molotow. Von verschiedenen Kollegen des VEB Baumwollspinnerei Adorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, werden in Diskussionen »freie Wahlen« gefordert, wie sie Dulles vorgeschlagen hat.12

Ein Kollege vom VEB Kreisbaubetrieb Prenzlau, [Bezirk] Neubrandenburg: »Wir haben ja im Westen schon freie demokratische Wahlen gehabt, was will denn da Molotow noch mit diesem Vorschlag.« Ein Arbeiter vom VEB Böhlen,13 [Beizirk] Leipzig: »Es ist falsch, wenn man bei der Durchführung freier Wahlen die ehemaligen Militaristen und Nazis ausschließen würde. Bei freien Wahlen müssen alle teilnehmen können.«14

Ein Eisenbahner vom Bahnhof Rostock: »Die Außenminister konnten sich nur nicht verständigen, weil Molotow nicht nachgab und stur auf seinem Standpunkt blieb.« Ähnlicher Meinung sind mehrere Kollegen des Bahnhofs. Ein Lehrling von der Volkswerft Stralsund, [Bezirk] Rostock: »Molotow ist schuld daran, dass die Berliner Konferenz kein Ergebnis zeigt, weil er auf die Vorschläge der drei westlichen Außenminister nicht eingegangen ist.«

Weiterhin werden negative Diskussionen in verschiedener Form geführt. Ein Zugführer vom Bahnhof Waren, [Bezirk] Schwerin:15 »Der Vorschlag Molotows über die kollektive Sicherheit in Europa ist genau das Gleiche wie die EVG.16 Man spricht viel über den Militarismus in Westdeutschland und vergisst, dass derselbe Zustand auch bei uns herrscht. Unser Staat hier wird sich nicht mehr lange halten können.«

Ein Meister vom VEB Simson Suhl: »Ich höre oft den Frankfurter Sender.17 Da bekommt man ein ganz anderes Bild von den Dingen. Adenauer18 will die Ostgebiete nicht auf Kosten neuer Gräber zurückerobern, sondern dies auf friedliche Art erreichen. Adenauer will ebenfalls die Einheit Deutschlands, jedoch nicht so, wie es sich die Russen vorstellen.«

Ein Schlosser vom Wismut19-Objekt 3720 in Karl-Marx-Stadt: »Wenn ich die wirkliche Wahrheit wissen will, muss ich den RIAS oder den NWDR hören. Man sollte auch bei uns die Reden der westlichen Außenminister bringen, damit man nicht nur einseitig orientiert wird.«

Ein Schlepper vom Braunkohlenwerk »Conrad« in Forst, [Bezirk] Cottbus: »Es hat keinen Zweck, irgendwelche Resolutionen zu verfassen. Alle haben nur ein Ziel, und das ist, Deutschland auszusaugen und alles rauszuholen, was nur irgend geht.«

Eine Kontrolleurin aus dem Funkwerk Erfurt: »Wenn die Arbeiter in der DDR ihre Forderung durchsetzen wollen, muss erst wieder ein 17. Juni [1953] kommen. Dann wird alles klappen.«

Ein Kollege aus dem VEB Schlepperwerk Nordhausen, [Bezirk] Erfurt: »In unserer Belegschaftsversammlung hat man schön erzählt, jedoch ist alles Blödsinn. Das könnten sie sich sparen, denn es kommt sowieso bald anders. Wartet nur noch ein Weilchen.«

Missstimmung: Im VEB Jenapharm, [Bezirk] Gera, hat sich die Stimmung unter den Beschäftigten verschlechtert, da erstens die Prämien nicht rechtzeitig ausgezahlt wurden und zweitens die Schichtzeiten geändert werden sollen, ohne dass mit den Werktätigen darüber gesprochen wurde. Hierzu äußerten z. B. ein Hilfsarbeiter: »Die Intelligenz kann sich alles kaufen, aber für den Arbeiter gibt es erst die Prämien, wenn der Inventurausverkauf vorbei ist und man nicht mehr zu verbilligten Preisen einkaufen kann.«21 Ein anderer Kollege des Betriebes: »Weshalb die Schichtzeiten verändert werden sollen, dazu wird die Belegschaft nicht gefragt. Ist das wohl gewerkschaftliche Demokratie.«

Im VEB Teppichkombinat Wünschendorf,22 [Bezirk] Gera, mussten wegen Materialmangel 83 Webstühle stillgelegt werden, wodurch eine schlechte Stimmung unter den Kollegen des Betriebes besteht.

Walzerzeugnisse und Edelmetalle fehlen im VEB Schleizer Metallwarenfabrik,23 [Bezirk] Gera, wodurch der Plan im ersten Quartal 1954 nicht erfüllt werden kann.

Handel und Versorgung

Im VEB Importlagerung, Zweigstelle Dresden,24 lagern zzt. seit Anfang des Jahres 1 200 t Talg. Am 13.1.1954 wurde die Zentralleitung Berlin25 C 2,26 Obere Wallstraße 6–7 auf die unhaltbaren Zustände hingewiesen und gefordert, Möglichkeiten zu schaffen, um den Talg im Republikmaßstab aufzuteilen. Bis heute hat die Zentrale Leitung jedoch nichts unternommen. Zurzeit lagert der Talg im Standard-Kühlhaus Dresden in einer Manipulationshalle. In dieser Halle ist nicht die Gewähr gegeben, dass mit Anbruch der warmen Jahreszeit der Talg seine Qualität behält. Es besteht die Gefahr des Verderbens.27

Landwirtschaft

Die Diskussionen über die Viererkonferenz unter der Landbevölkerung sind stark zurückgegangen.28 In den noch geführten Diskussionen hauptsächlich von Landarbeitern, fortschrittlichen Einzelbauern und Genossenschaftsbauern wird immer wieder unterstrichen, dass die Vorschläge des Genossen Molotow und seine Haltung auf der Konferenz den Interessen des deutschen Volkes entsprachen. Die Westaußenminister werden für den ergebnislosen Verlauf der Konferenz verantwortlich gemacht.29 Es wird zum Ausdruck gebracht, dass sie sich durch ihr ewiges »NO« nunmehr vollends entlarvt haben und als Kriegstreiber von allen friedliebenden Menschen verurteilt werden. Vielfach wird gefordert, dass in Kürze über das Deutschlandproblem wieder verhandelt werden soll.

Ein nicht unbedeutender Teil der Landbevölkerung aber sieht seine Hoffnungen auf einen erfolgreichen Verlauf der Konferenz enttäuscht, drückt in den Diskussionen aus, dass aufgrund der Gegensätze zwischen den Großmächten kaum noch Hoffnungen beständen, dass die deutsche Frage jemals friedlich gelöst werden kann und ihnen deshalb jetzt alles gleichgültig ist. So äußert ein Kleinbauer aus Schöllnitz, [Bezirk] Cottbus: »Kommt mir bloß nicht mit der Außenministerkonferenz. Ich hatte mir sehr viel davon versprochen, aber jetzt bin ich wirklich enttäuscht. Es ist ja nichts Greifbares herausgekommen, und was nun?«

In den negativen Diskussionen, die in der Hauptsache von großbäuerlichen Elementen und von diesen beeinflussten Kreisen geführt werden, stehen die Fragen der Oder-Neiße-Grenze, der »freien Wahlen«, der Hetze gegen die SU und gegen unsere Staatsordnung im Mittelpunkt. Die Diskussionen über die Frage der Oder-Neiße-Grenze haben nicht zugenommen, werden jedoch in besonders breiten Umfang noch in den Bezirken Frankfurt und Neubrandenburg geführt.30

Die Hetze gegen die DDR im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Fragen und gegen die SU tritt jetzt mehr in den Vordergrund, nachdem die Diskussionen über die Viererkonferenz abflauen. Hierbei gibt es Anzeichen, dass die Kirche verstärkte Aktivität entwickelt, besonders in einigen Gemeinden des Bezirkes Schwerin.

In der Gemeinde Lietzen, [Bezirk] Frankfurt, und auch anderen Gemeinden diskutieren die Umsiedler folgendermaßen: »Wir wollen wieder zurück in unsere Heimat. Das Land, was wir hier durch die Bodenreform erhalten haben, ist nicht unser Land. Die im Westen sich befindenden Besitzer werden bei einer eventuellen Einigung Deutschlands ihr Recht auf dieses Land geltend machen und wir müssen diese Scholle wieder verlassen.«

Ein Arbeiter von der Flachsröste Burg Stargard, [Bezirk] Neubrandenburg: »Warum werden wir nicht über das informiert, was die westlichen Außenminister sagen. Wir hören nur das, was Molotow sagt. Die Wahrheit bekommen wir nicht zu hören. Am besten ist, wenn man das Radio gar nicht anstellt. Denkt ihr vielleicht, die Besatzung geht heraus? Sie sollten über die Frage der Oder-Neiße-Grenze verhandeln, dies wäre gescheiter.«

Ein Mittelbauer aus Neuhof, [Bezirk] Rostock: »Am besten ist es, wenn man nichts mehr sagt. Jeder muss zusehen, dass er so gut wie möglich lebt, bis es vorbei ist. Zu hoffen hat die Ostzone nichts. Hoffentlich reist Molotow bald ab, er schadet uns nur. Ohne ihn hätten wir längst die Einheit Deutschlands und den österreichischen Staatsvertrag.31 Er will nur die Bolschewisierung ganz Europas und später der ganzen Welt.«

Ein Mittelbauer aus Zschorlau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich war in Russland, mir kann man nichts mehr weismachen, ich glaube nicht alles, was man sagt. Die Besatzungstruppen müssen hüben wie drüben raus. Wir brauchen wirklich freie Wahlen und keine Viehzählungen, wie sie 1950 bei uns durchgeführt wurden.32 Wir haben uns ja nicht getraut in die Wahlkabine zu gehen, weil man dann auf die sogenannte schwarze Liste gekommen wäre. Das ist doch keine Freiheit.«

Der Betriebsleiter des VEG Friedrichshöhe, [Bezirk] Magdeburg, äußerte: »Die Amis und Engländer werden zufrieden sein, wenn die Konferenz zu Ende ist. Denen hängt der Kram schon zum Halse heraus. Wie lange sollen sie sich den Quatsch von Molotow noch mit anhören. Es ist doch alles Mist, was der erzählt. Dulles macht dem was zu schaffen und das ist richtig. Es soll sich auch keiner von der SED einbilden, dass einer ungeschoren bleibt. Die Brüder kommen diesmal alle dran, hoffentlich dauert der Kram nicht mehr zu lange.«

Ein Gastwirt aus Wenigensömmern, [Bezirk] Erfurt, übt einen starken schädlichen Einfluss auf die LPG-Bauern aus. Er trübt die Stimmung und Arbeitsfreudigkeit dieser Bauern dadurch, dass er diese zum Trinken verleitet, und dann seinen negativen Einfluss auf sie geltend macht. Für die Trinkschulden nimmt er Getreide und andere Dinge an und hat auch schon verschiedentlich Vieh von der LPG aufgekauft.

Im Landkreis Lübz, [Bezirk] Schwerin, arbeitet die Kirche in den einzelnen Gemeinden sehr aktiv. Es werden dort Bibelstunden durchgeführt, an denen nicht wenige Bauern teilnahmen. So erschien in der Gemeinde Weisin, Kreis Lübz, die Kirchenhelferin in einer öffentlichen Bauernversammlung und forderte die Bauern auf, dass diese sofort die Versammlung verlassen sollten, um noch an der Bibelstunde teilzunehmen, denn der Pastor wartet. In anderen Gemeinden wurden Bauern aufgesucht, die schon vorher auf Listen erfasst waren. Unter der Tarnkappe der Kirche wird hier laufend Zersetzungsarbeit getrieben [sic!]. In der Gemeinde Rothspalk,33 [Bezirk] Schwerin, sind die Jugendlichen daran interessiert, dass die FDJ bald aufgelöst wird.

Die Schweinemästerei in Aga, Kreis Gera, Bezirk Gera, befindet sich in einem vernachlässigten Zustand. Die Ställe sind schlecht, die Schweine brechen aus und laufen im Gelände herum. Als Grund dafür werden Material- und Arbeitskräftemangel angeführt. Während der Kälteperiode herrschte in den Ställen oft eine Kälte von 12 Grad, dies führte zu hohen Ferkelverlusten. Genauso schlecht wie die Stallungen sind auch die Wohnungen der dort beschäftigten Arbeiter.

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Die Diskussionen zur Viererkonferenz sind weiter zurückgegangen. Ein großer Teil der Meinungsäußerungen ist jedoch positiv und verurteilt die ständig ablehnende Haltung der Westmächte. Als Erfolg der Konferenz wird von vielen gewertet, dass die Westmächte gründlich entlarvt worden sind. Überwiegend wird der Enttäuschung darüber Ausdruck gegeben, dass keine Einigung in der Deutschlandfrage erzielt werden konnte.34 Ein Teil sieht deshalb die Konferenz als völlig ergebnislos an und äußert dazu, dass alle vier Außenminister etwas hätten nachgeben müssen. Weiterhin wird befürchtet, dass sich die Kriegsgefahr jetzt verschärfen könne.35

Ein Schmiedemeister (NDP) aus Könitz, [Bezirk] Gera: »Die Außenminister haben nun vier Wochen lang in Berlin auf unsere Kosten gelebt und nichts kommt dabei heraus, weil keiner an uns, sondern jeder an sich denkt.«

Der Bürgermeister von Toltitz,36 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es war schon von vornherein zu sehen, dass es bei den vier Außenministern zu keiner Einigung kommt. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass sie sich auf unsere Kosten vollgefressen haben.«

Ein HO-Angestellter aus Schwerin: »Es hat ja gar keinen Zweck, über die Viererkonferenz zu sprechen. Beide Seiten unterbreiteten Vorschläge keiner gab nach. Man läuft jetzt wieder auseinander und herauskommt, dass die Westmächte den EVG-Vertrag durchsetzen.«

Ein parteiloser Angestellter aus Ludwigslust, [Bezirk] Schwerin: »Man hat drei Wochen verhandelt, trotzdem ist nicht das herausgekommen, was wir erwartet haben. Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll.«

Ein Gemüsehändler aus Lübtheen,37 [Bezirk] Schwerin: »Hitler hat auch schon Konferenzen durchgeführt und in den Tagen vor dem Kriegsausbruch wurde geheim getagt. Auf den Sitzungen im engeren Kreis der Außenminister wurde ebenfalls der Tag des neuen Krieges festgelegt. Die Meldungen, die veröffentlicht wurden, sollen nur zur Beruhigung der Bevölkerung dienen.«

Einige Geschäftsleute aus Halle: »Die Viererkonferenz ist geplatzt und nun müssen wir wieder warten, bis es den Ministern wieder einmal einfällt zusammenzukommen. Wenn sie sich nicht mehr zusammenfinden, um über das Deutschlandproblem zu verhandeln, dann ist eine Auseinandersetzung unvermeidlich. Der Russe hat seine Forderungen gestellt und diese wurden von den Westmächten nicht anerkannt, weil sie unannehmbar sind.«

Ein parteiloser Gastwirt aus Zoppoten, [Bezirk] Gera: »Es kommt bestimmt wieder zu einer bewaffneten Auseinandersetzung.«

Im gleichen Maße wie bisher werden Diskussionen mit den gegnerischen Argumenten über »freie Wahlen« und »Pressefreiheit« geführt. Einige Umsiedler äußern Enttäuschung darüber, dass die Oder-Neiße-Grenze auf der Konferenz nicht behandelt worden ist.

Eine parteilose Krankenschwester aus Ilmenau, [Bezirk] Suhl: »Molotow hätte doch auf die Vorschläge in Bezug auf freie Wahlen von den westlichen Außenministern eingehen sollen. Denn die bei uns im Jahre 1950 durchgeführten Wahlen waren keine freien Wahlen.«

Eine Angestellte der Kirche aus Magdeburg: »Eine bessere Sache als den EVG-Vertrag kann es nicht geben und die Wahlen in Westdeutschland könnten nicht demokratischer sein.«

Der Bürgermeister (CDU) von Thiemendorf,38 [Bezirk] Gera: »Wenn wir erst freie Wahlen haben, ist es für uns besser.«

Ein Umsiedler aus Thiemendorf,39 [Bezirk] Gera: »Freie Wahlen und dann erst eine Regierung. Die Oder-Neiße-Grenze kommt für mich nicht infrage. Alle Argumente kann ich zerschlagen, weil die Häuser in Ostpreußen und auch die Felder leer und brach liegen. Ich habe einen Brief von dort, in dem es drinsteht.«

Ein Rentner aus Lobsdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich bin enttäuscht über die Haltung der westlichen Außenminister auf der Konferenz. Meiner Ansicht nach ist die Frage der Oder-Neiße-Grenze, auf die wir eine Hoffnung gesetzt hatten und eine Rückkehr erwarteten, überhaupt nicht erwähnt worden. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass ich wieder einmal in meine Heimat zurückkehren kann.«

Der Bürgermeister von Zoppoten, [Bezirk] Gera (SED): »Es ist komisch das man in unserer Presse nur die Reden von Molotow findet und die Reden der westlichen Außenminister nur andeutungsweise in den Zeitungen findet. Dadurch wird doch die Bevölkerung stutzig.«

Ein Angestellter beim Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder: »Warum veröffentlicht unsere Presse nicht die Reden der westlichen Außenminister. Es entsteht der Eindruck, dass unsere Zeitungen nicht ehrlich sind und etwas verheimlichen wollen. Vielleicht wollten die westlichen Außenminister doch eine Einigung haben, uns wird es aber vorenthalten.«

In einzelnen Fällen wird der SU vorgeworfen, in Deutschland und Europa eine »bolschewistische Herrschaft« errichten zu wollen. Einzeln hetzt man auch gegen die Regierung der DDR.

Ein Angestellter aus Frankfurt/Oder: »Wer glaubt, dass Molotow die Deutsche Einheit will, hat insofern recht, dass Deutschland unter die Kontrolle der Russen kommt. Unsere Einheitspresse munkelt uns schon seit Beginn der Konferenz vor, dass nur der Westen an einer Nichteinigung Schuld hat. Wie dumm ist doch die Bevölkerung der Ostzone geworden, dass es unsere Regierung wagt, solche Erzeugnisse ihrer Verdrehungskunst ständig vorzusetzen. Wir sind ein erbitterter Gegner dieser Regierung und werden es bleiben.«

Ein Arbeiter aus Stevenshagen,40[Bezirk] Rostock: »Der Molotow-Plan bezweckt die Bolschewisierung Europas und die endgültige Unterdrückung der Arbeiterschaft durch die russische Knute. Ich glaube nicht mehr an eine bessere Lage für die Arbeiter in der Ostzone.«

Ein Fuhrunternehmer aus Boizenburg, [Bezirk] Schwerin: »Wenn man schon eine Regierung hat, die aus russischen Staatsbürgern besteht,41 kann man ja nie mit wahrem deutschem Interesse rechnen.«

Häufig wird von Pfarrern versucht, die Schulkinder während des Religionsunterrichtes negativ zu beeinflussen. Zum Beispiel verbietet ein Religionslehrer (Pfarrer) in Eilenburg den Kindern, das blaue Halstuch der jungen Pioniere zu tragen. Er erklärte gegenüber den Kindern, dass er nicht glaube, was in unseren Zeitungen steht.

In der Oberschule Waren, [Bezirk] Neubrandenburg, wurde eine Protestresolution gegen den in Westberlin geplanten Schweigemarsch verfasst. Die Schüler der Oberschule verweigerten ihre Unterschrift unter diese Protestresolution.

Feindtätigkeit

Flugblätter wurden in geringer Menge in den Bezirken Potsdam und Karl-Marx-Stadt gefunden.

Einzelne Briefe mit Hetzschriften wurden an Personen in den Bezirken Rostock, Cottbus, Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt durch die Post gesandt. Unterschrieben waren diese Briefe mit »Streikkomitee der Arbeiter Mitteldeutschlands«.

In mehreren Konsumverkaufsstellen in Rostock wurde am 17.2.1954 das Gerücht verbreitet, dass ab 1. Mai [1954] die Marken wegfallen und 1 Pfd. Butter dann 5,00 DM kosten solle.

Vermutliche Feindtätigkeit

Am 18.2.1954 nachmittags brach in der Gemeinschaftsstallscheune der Gemeinde Wesendorf, [Bezirk] Potsdam, ein Brand aus. Durch diesen Brand wurden acht Kleinbauern geschädigt. Der Gesamtschaden beträgt 20 000 DM.

Einschätzung

Diskussionen im Zusammenhang mit der Berliner Konferenz werden nur noch im kleinen Umfang geführt, inhaltlich hat sich dabei gegenüber dem Vortage nichts geändert.

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