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Zur Beurteilung der Situation

22. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2137 zur Beurteilung der Situation

Stimmung in der DDR

In der Stimmung der Bevölkerung wurden keine wesentlichen Veränderungen festgestellt.

Feindtätigkeit wurde aus den Bezirken nicht gemeldet.

Die Stimmung der Bevölkerung im demokratischen Sektor Berlins

Die Diskussionen unter der Bevölkerung über den Ausgang der Viererkonferenz sind nur noch vereinzelt.1 Mehr und mehr treten die Fragen des wirtschaftlichen Aufbaus, der Arbeit der Staatsorgane in den Mittelpunkt der Diskussionen. Eine konkrete Einschätzung der Stimmung kann jedoch im heutigen Bericht nicht gegeben werden, da nur vereinzelte Berichte vorliegen.

Die negativen Diskussionen werden über folgende Probleme geführt.

Eine Anzahl Fahrgäste der Straßenbahnlinie 63 äußerten auf dem Alexanderplatz ihr Missfallen über die Absperrung aufgrund der Abreise des sowjetischen Außenministers Molotow.2 Sie brachten zum Ausdruck: »So ein Blödsinn, morgens den Verkehr zu sperren. Man soll lieber dafür sorgen, dass wir pünktlich zur Arbeit kommen.« Auch aus dem Bezirk Lichtenberg werden von den Haltestellen der U-Bahn und Straßenbahn ähnliche Diskussionen gemeldet. Hier wurde erklärt, dass es immer dasselbe sei, keine richtige Organisation und Planung und dann hätten die Arbeiter noch den Verlust des Arbeitsausfalles zu tragen.

Im VEB Kabelwerk Oberspree äußerte sich der Abteilungsleiter der Abteilung Montage: »Die sozialen Einrichtungen während der Zeit des kapitalistischen Systems waren besser, denn damals wurde beispielsweise bei Krankheit für volle sechs Wochen das Gehalt gezahlt.«

Es wurde festgestellt, dass die Kinder der 3. Schule Pankow sich sehr oft und sehr abfällig über die Volkspolizei aussprechen. Hier ist es gebräuchlich, dass man nicht von Volkspolizisten, sondern von »Volkspennern« spricht.

Westberlin

Adenauer3 soll am Dienstagvormittag gegen 11.00 Uhr auf dem Flugplatz Tempelhof eintreffen. Sein Absteigequartier befindet sich in Berlin-Dahlem. Die Kundgebung, auf der er sprechen wird, beginnt um 18.00 Uhr in der Sporthalle am Funkturm.4

In einem S-Bahnzug diskutierten einige Arbeiter über die bevorstehende Ankunft Adenauers. Allgemein wurde die Meinung vertreten: »Er soll bleiben wo er ist, er hat bisher nichts für uns getan, und wir brauchen ihn auch nicht.« Zwei Arbeiter meinten: »Der Kerl will bestimmt etwas anderes als man offiziell angibt. Vielleicht bekommt er noch einen Posten im Aufsichtsrat eines größeren Betriebes. Wenn er uns etwas erzählen will, so kann er das doch im RIAS tun, aber da hört ja doch keiner zu.«

Heute wurden in Westberlin Flugblätter verteilt, in denen zu einer Großkundgebung der NTS5 am 24.2.1954, 19.00 Uhr, im Kasino am Funkturm aufgerufen wird.6 Über das Thema »Das andere Russland zur Berliner Konferenz« sprechen fünf leitende Funktionäre von dieser Organisation.

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