Zur Beurteilung der Situation
23. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2138b zur Beurteilung der Situation
Die Stimmung in der DDR
In der Stimmung der Bevölkerung wurden keine wesentlichen Veränderungen gemeldet.
Zu einer kurzen Arbeitsniederlegung kam es am 23.2.1954 im VEB Schamottewerk Beierdorf,1 [Bezirk] Leipzig. Von dem früheren Besitzer des Betriebes wurden die Arbeiter übertariflich bezahlt.2 Eine durchgeführte Reorganisation brachte eine teilweise Schlechterstellung mit sich. Unstimmigkeiten sollten vom Rat des Kreises und vom FDGB behoben werden, wurden aber nachlässig behandelt. Die Arbeitsniederlegung dauerte eine halbe Stunde, wobei eine konkrete Entscheidung von der Betriebsleitung gefordert wurde. Durch das Eingreifen des 1. Kreissekretärs der SED wurde die Arbeit wieder aufgenommen.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriften wurden in geringer Menge im Bezirk Karl-Marx-Stadt gefunden.
Westberlin
Am 23.2.1954 gegen 11.00 Uhr traf Adenauer3 auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof ein.4 Beim Verlassen des Flughafens durch den Nebeneingang fanden sich ca. 200 Zuschauer ein. In der Hauptsache handelte es sich um gut angezogene Menschen. Am Platz der Luftbrücke waren ca. 350 Personen, überwiegend aus bürgerlichen Schichten anwesend. Sie brachten Adenauer Ovationen dar. Gegen 11.30 Uhr passierte die Autokolonne die Kochstraße an der Friedrichstraße. Dort waren ca. 50 Zuschauer. Ovationen wurden nicht dargebracht.
Gegen 16.30 Uhr befanden sich am Eingang des Funkturms ca. 600 bis 700 Personen, überwiegend Jugendliche. Gegen 18.00 Uhr waren im Versammlungssaal »Kasino am Funkturm« ca. 3 000 Menschen. In den anliegenden Messehallen am Funkturm waren noch ca. 3 000 Versammlungsteilnehmer. In den Versammlungsräumen befand sich ein starkes Aufgebot von Kriminalpolizei.
In Berlin-Friedenau, Am Lauterplatz versah ein Maler, der in einem neugebauten Geschäft tätig war, die eingesetzten Schaufensterscheiben mit einem großen Kreis auf der einen Scheibe »HO-Konsum« und auf der anderen Scheibe »EVG-Vertrag«.5 Über den Kreis mit der Innschrift »EVG-Vertrag« setzte er ein großes Nein. Ein Stupo6 forderte kurze Zeit darauf den Maler auf, das »Nein« zu entfernen. Daraufhin überstrich der Maler die gesamte Schaufensterscheibe mit weißer Leimfarbe, ließ jedoch »HO-Konsum« stehen. Dies wurde nicht beanstandet.
In Diskussionen Westberliner Arbeitsloser vor dem Arbeitsamt Sonnenallee brachte ein arbeitsloser Dachdecker zum Ausdruck, dass er empört sei über die Ankündigung der erneuten Brotpreiserhöhung.7 Weiterhin sprach er sich gegen die Westberliner Polizei im Zusammenhang mit dem Schweigemarsch aus.8 Er sagte: »Eine wirkliche Arbeiterdemonstration wie in Neukölln wurde zusammengeknüppelt und der Verbrecher Scharnowski9 wird gleichzeitig von der Polizei unterstützt.« Weiterhin bemerkte er noch, dass unter den Arbeitslosen große Verbitterung über die Bonner Regierung herrsche. Von der Regierung der DDR halte man jedoch ebenfalls nicht viel.