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Zur Beurteilung der Situation

26. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2141 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Viermächtekonferenz:1 Diskussionen über die Viermächtekonferenz werden von den Werktätigen nur noch vereinzelt geführt und die betrieblichen Fragen treten mehr in den Vordergrund. In der Mehrzahl sind es fortschrittliche Arbeiter von VEB, die sich positiv über die Vorschläge des Genossen Molotow2 äußern und die Haltung der Westmächte auf der Konferenz verurteilen.3 Ein Teil ist der Meinung, dass wir Deutschen jetzt selbst die Sache in die Hand nehmen müssen, um die Einheit Deutschlands zu erringen. Unter Angestellten und [der] Intelligenz tritt stärker eine Zurückhaltung bei politischen Fragen auf.4 Ein großer Teil der Werktätigen ist von der Konferenz enttäuscht, da nicht der gewünschte Erfolg eingetreten ist. Ein kleiner Teil sieht einen neuen Krieg als unvermeidlich kommen. Ein Arbeiter vom VEB Espenhain,5 [Bezirk] Leipzig: »Die Vorschläge, die von der SU gemacht wurden, sind einwandfrei, und wir können sie nur begrüßen, aber ein Dritter Weltkrieg kommt doch, auch wenn die Außenministerkonferenz stattgefunden hat.«

Die negativen und feindlichen Stimmen sind etwas zurückgegangen und treten nur bei einem kleinen Teil der Werktätigen in Erscheinung. Die Argumente sind die gleichen wie bisher (»freie Wahlen«),6 Revidierung der Oder-Neiße-Grenze, Hetze gegen die SU und DDR u. A.). Eine Arbeiterin von der Gepäckabfertigung Bahnhof Weimar, [Bezirk] Erfurt: »Was hat die Konferenz genützt, nichts. Man muss erst ›freie Wahlen‹ durchführen und dann eine Regierung bilden.«

Ein Mechaniker der Energieverteilung Halberstadt, [Bezirk] Magdeburg: »Wir wollen kein Sowjetdeutschland, wir wollen ein friedliches Deutschland.« (Er ist Mitglied der SED.)

Ein Arbeiter der VEB Spinnerei und Weberei Ebersbach, [Bezirk] Dresden: »1945 waren sie sich alle einig über die Zerschlagung Deutschlands, aber jetzt will keiner ein Loch zurückstecken. Man soll doch den EVG-Vertrag annehmen,7 dadurch verschwinden die Arbeitslosen in Westdeutschland. Vor 1933 gab es auch viele Arbeitslose und nach 1933 hat sie Hitler alle von der Straße geholt.«

Ein Arbeiter vom Privatbetrieb Mörz in Saalfeld,8 [Bezirk] Gera: »Mit den Kundgebungen ist es nicht getan,9 mehr zu essen wollen wir und keine großen Reden. Der Lebensunterhalt bei uns ist noch viel zu hoch und bevor der nicht heruntergesetzt wird, wird es auch nicht besser.«

Ein Fräser vom VEB DEGUFA Berlin:10 »Ich war mit meiner Mutter auf der Kundgebung am Funkturm und war davon ganz begeistert. Adenauer11 hat gesprochen wie der Vater zu seinen Kindern.12 Zum Schluss wurde das Deutschlandlied gesungen, dies war sehr ergreifend.«

Verpflichtungen: In der Kohlenindustrie des Bezirkes Cottbus wurden Verpflichtungen übernommen, um die entstandenen Planrückstände aufzuholen. So verpflichteten sich die Kumpel der Brikettfabrik »Impuls« vom Braunkohlenwerk Senftenberg, in der Woche der Höchstleistungsschichten mindestens 500 t Briketts über den Plan zu produzieren.

Unzufriedenheit unter den Arbeitern besteht vereinzelt in Betrieben der Bezirke Schwerin, Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt. Sie wird hervorgerufen durch Material- und Rohstoffmangel, Absatzschwierigkeiten, Auftragsmangel, was sich finanziell auf die Arbeiter auswirkt, sowie Unzufriedenheit in der Prämienfrage. Im VEB »Diamant« Karl-Marx-Stadt13 kam durch Materialmangel die Produktion fast zum Stillstand und die Arbeiter mussten für andere Arbeiten eingesetzt werden. Im VEB Eisenwerk Erla, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ist die Produktion nur noch bis zum 27.2.1954 gesichert, da es an Schrottzufuhr fehlt. Die Papierfabrik Neu Kaliss,14 [Bezirk] Schwerin, hatte wegen Rohstoffmangel einen Tag Produktionsstillstand. Es besteht die Gefahr, dass weitere Produktionsstörungen eintreten.

In der Mitteldeutschen Süßwarenfabrik Werk Delitzsch, [Bezirk] Leipzig, bestehen Absatzschwierigkeiten, zzt. lagern 80 t Süßwaren im Werk.

Die VEB Stahlwerke Karl-Marx-Stadt können infolge Auftragsmangel ihren Plan für große Gussteile für Monat Februar nicht erfüllen.

Im VEB Waggonbau Bautzen werden weiterhin Diskussionen über Prämienfragen geführt. Ein Dreher (parteilos) vom VEB Waggonbau Bautzen, [Bezirk] Dresden: »Es ist nicht richtig, Prämien so zu verteilen. Es müssen die Arbeiter in erster Linie berücksichtigt werden.« Ein Dreher vom gleichen Werk: »Die Prämienverteilung in dieser Form ruft überall böses Blut hervor. Niemand hätte etwas gesagt, wenn man die Arbeiter mit prämiert hätte.« Ein Telefonist vom gleichen Werk: »Die Prämienzahlung für unsere Herren ist eine tolle Sache. Die Arbeiter werden dabei vergessen. Ich mache nichts mehr und die anderen werden sehen. Wenn sich der 17.6.[1953] wiederholt, kommt es anders, denn die haben aus den Fehlern nichts gelernt. Sollen sie nur so weitermachen.«

Eine Produktionsstörung trat am 24.2.1954 im Kraftwerk Bleichenroda, [Bezirk] Erfurt, an den Turbinen I und II auf. Ursache ist ein Riss in der Wasserkammer, welcher durch Kühlwassermangel entstand. Turbine I fällt ca. sechs Tage aus.

Negative Diskussionen über »Leipziger Volkszeitung«: Ein großer Teil der Arbeiter des Kombinats Böhlen,15 [Bezirk] Leipzig, äußert Missfallen darüber, dass die »Leipziger Volkszeitung« nicht wahrheitsgemäß berichtet. Anlass dazu war ein Artikel, der am 24.2.1954 in dieser Zeitung erschien, und wo man berichtete, dass die Förderbrücke in Böhlen am 23.2.1954 wieder ihren vollen Betrieb aufgenommen hat. Tatsache ist jedoch, dass die Förderbrücke am 24.2.1954 zu 50 Prozent und am 25.2.1954 zu 75 Prozent eingesetzt wurde. Einzelne Arbeiter brachten zum Ausdruck, dass man von der »Leipziger Volkszeitung« nur noch das Datum als Wahrheit ansehen kann.16

Unklarheiten über Bildung von Kampfgruppen:17 In verschiedenen Betrieben des Bezirkes Gera ist unter Arbeitern, auch unter Genossen, die Schaffung der Kampfgruppe und ihre Notwendigkeit noch nicht völlig klar. Es wird in dieser Hinsicht noch oft eine ablehnende bzw. negative Stellung bezogen. So fand im VEB Drehmaschinenwerk Zeulenroda, [Bezirk] Gera, vor einigen Tagen eine Parteileitungssitzung statt, an der auch die Agitatoren des Betriebes teilnahmen. Als es zur Abstimmung über die Schaffung einer Kampfgruppe kam, stimmten nur drei Genossen dafür, während sich die übrigen acht der Stimme enthielten.18

Handel und Versorgung

Wie aus Neubrandenburg berichtet wird, treten im Kreis Ueckermünde Schwierigkeiten in der Versorgung mit Brot und HO-Butter ein.19 Der Bedarf der Bevölkerung beträgt für das 1. Quartal 225 t Weißbrot. Die Abteilung Handel und Versorgung konnte der Bäckerhandwerksgenossenschaft lediglich 60 t Mehl zuweisen. Ähnlich verhält es sich bei Roggenbrot und Kleingebäck. Die HO-Butterzuteilung wurde laut Anweisung des Rates des Bezirkes von 6,7 t auf 4 t gekürzt. Bereits 3 t wurden aber schon verkauft.

Landwirtschaft

Viermächtekonferenz: Wie schon in den Vortagen berichtet, wird über die Viermächtekonferenz nur noch vereinzelt diskutiert. Meist sind es Angehörige der LPG, MTS und fortschrittliche Kräfte auf dem Lande, die noch über die Vorschläge des Genossen Molotow diskutieren und die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister verurteilen.

Wirtschaftliche Fragen, die mit der Frühjahrsbestellung im Zusammenhang stehen, treten demgegenüber stärker in Erscheinung. Ein Großbauer aus Priester, [Bezirk] Leipzig, begründet in einer Bauernversammlung seine hohe Düngemittelanforderung folgendermaßen: »Früher brauchte ich kein Soll abzugeben, da war es gleich, was ich geerntet habe. Aber heute brauche ich so viel, um mein Soll zu erfüllen und noch freie Spitzen20 zu liefern.«

Ein Mittelbauer aus Saatel, [Bezirk] Rostock: »Ich hatte im Frühjahr 1953 einen Mangel an Pflanzkartoffeln und konnte meine vorgeschriebenen Anbaupläne nicht bestellen. Im Herbst wurden nun wieder alle Kartoffeln erfasst und wenn ich keine Pflanzkartoffeln erhalte, weiß ich nicht, wie ich wirtschaften soll. Es bleibt mir dann nichts weiter übrig, als Haus und Hof zu verlassen.«

In der LPG Lanz, [Bezirk] Schwerin, fehlt es an Futter, die Kühe sind abgemagert, einige sind verendet bzw. mussten notgeschlachtet werden. Die Lieferung von Kraftfutter durch den Rat des Kreises kam zu spät.

Zum »Tag der Bereitschaft«21 und anlässlich des bevorstehenden IV. Parteitages der SED22 wurden verschiedentlich Selbstverpflichtungen übernommen. So verpflichtet sich z. B. die LPG in Vielank, [Bezirk] Schwerin, als erste im Kreis [Ludwigslust], das Getreide an den Staat zu liefern und bis zum IV. Parteitag der SED das Soll an tierischen Produkten zu erfüllen.

Die negative bzw. feindliche Argumentation ist etwas zurückgegangen und tritt zzt. noch in geringem Maße mit den bekannten Argumenten »freie Wirtschaft«, »unsere Regierung ist nicht gewählt« usw. in Erscheinung. Teilweise macht sich auch der Einfluss großbäuerlicher Elemente bemerkbar, obwohl diese nicht selbst in Erscheinung treten. Ein Mittelbauer aus Trebnitz, [Bezirk] Gera: »Solange die LPG besteht, ist der Frieden im Dorf gestört.« Dazu äußerte der LPG-Vorsitzende, dass das Verhältnis zwischen LPG und Einzelbauern nicht gut sei. Dies zeigt sich schon darin, dass Einzelbauern sich mit LPG-Mitgliedern in den Gaststätten nicht an einen Tisch setzen.

Bei einem Agitationseinsatz in Steckby, [Bezirk] Magdeburg, kam zum Ausdruck, dass die Bevölkerung der Gemeinde wünscht, dass die Bezeichnung Großbauer verschwindet und die Großbauern als Mittelbauern behandelt werden.23

Ein Großbauer aus Ecklingerode, [Bezirk] Erfurt: »Ich bin mit den Vorschlägen Molotows nicht einverstanden, sie haben alle Hintertüren, die wir nicht sehen, um das kommunistische System auf ganz Deutschland zu verbreiten. Warum soll erst eine provisorische Regierung gebildet werden,24 die Wahlen können ruhig die Besatzungsmächte durchführen helfen.«

Ein Mittelbauer aus Lohmen, [Bezirk] Dresden: »Zu unserer Regierung habe ich kein Vertrauen mehr, man wird dauernd belogen. In der Zeitung las ich, dass es keine Stromabschaltungen mehr gibt, ich war aber noch nicht ganz fertig, da war es schon finster.«

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Viermächtekonferenz: Auch unter der übrigen Bevölkerung wird nur noch vereinzelt über die Viermächtekonferenz diskutiert. Der größte Teil der Bevölkerung ist über die Ergebnisse der Konferenz enttäuscht, da man sich allgemein die Einheit Deutschlands erhofft hatte. Fortschrittliche Kräfte und politisch aufgeklärte Personen diskutieren noch im positiven Sinne über die Viermächtekonferenz bzw. über die Vorschläge des Genossen Molotow. Ein Angestellter vom Rat der Stadt Ribnitz, [Bezirk] Rostock: »Wenn auch auf dieser Konferenz nichts weiter erreicht wurde, so hat Molotow doch durchgedrückt, dass in diesem Jahr eine Fünfmächtekonferenz stattfindet.25 Dort werden die Westmächte nun endgültig Farbe bekennen müssen.«

Negative bzw. feindliche Meinungsäußerungen, die meist auf westlichen Einfluss zurückzuführen sind, halten in geringem Maße weiterhin an. Im Verhältnis zu den Tagen der Viermächtekonferenz treten diese jedoch nicht mehr so stark in Erscheinung. So wird z. B. aus Frankfurt/Oder berichtet, dass unter der Intelligenz, besonders aber unter privaten Ärzten, die Meinung vertreten wird, dass sich die DDR nicht mehr lange hält. Weiterhin wendet man sich gegen Ärzte, die in Ambulatorien usw. arbeiten. Ein Arzt aus Letschin, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Eine neue Ordnung ist ganz gut, aber was bringt sie uns? Der Eden26-Plan ist der beste.27 Nimmt man ihn an, wird Ruhe und Frieden geschaffen werden. Eine neue Weltanschauung, ganz gleich wie sie sich nennt, bedeutet genauso Krieg, wie die neue Weltanschauung die Hitler ›Nationalsozialismus‹ nannte.«

Wie aus dem Bezirk Magdeburg mitgeteilt wird, sind es meist kleinbürgerliche Elemente, Handwerker, besonders aber Friseure, die den Aufklärungsgruppen der Nationalen Front mit solchen Worten wie: »In unseren Geschäften gibt es keine Diskussionen, wir machen keine Politik« usw. entgegentreten. Ähnlich bei Intellektuellen, die den Aufklärern die Tür verweisen, oder sich provozierend gegen die DDR äußern. Eine Hausfrau aus Ziegra, [Bezirk] Leipzig: »Man kann doch nicht die richtige Meinung sagen, es werden ja so viel Leute eingesperrt in der DDR. Es ist gerade wie bei den Nazis.«

Im Zug von Grünstädtel nach Rittersgrün, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, unterhielten sich einige Umsiedler, wobei zum Ausdruck gebracht wurde: »Die Hoffnung, dass wir wieder in unsere Heimat zurückkommen, wird immer geringer. Von drüben hat man ganz schön auf die Pauke geschlagen, ehe die Konferenz begonnen hatte. Bei den Verhandlungen aber, hat man kein Wort gehört.«

Unzufriedenheit wird immer wieder von ausländischen Seeleuten, die die Ostseehäfen der DDR anlaufen, über die Ausgangssperre nach 23.00 Uhr zum Ausdruck gebracht. So sagte z. B. ein westdeutscher Kapitän: »Ich lehne es in Zukunft überhaupt ab, hier an Land zu gehen, wenn ich darum betteln muss wie ein Kind oder wie ein Verbrecher behandelt werde und nur bis 23.00 Uhr an Land gehen darf. Diese Maßnahme der Regierung der DDR ist eine prima Propaganda, die die DDR in Westdeutschland und den anderen Ländern in ein schlechtes Licht stellt.«

Organisierte Feindtätigkeit

Flugblätter

Cottbus: 1 600 Stück NTS28 wurden gebündelt sichergestellt. Inhalt: Hetze gegen die DDR. 27 Stück Fahrkarten,29 Inhalt: Hetze gegen die SU und Volkschina.

Potsdam: 440 Stück NTS wurden teilweise sichergestellt und gefunden. Inhalt: Hetze gegen die SU. 32 Stück FDP30 wurden gefunden. Inhalt: Hetze gegen die DDR.

Frankfurt: 500 Stück NTS wurden gefunden. Inhalt: Hetze gegen die SU. 20 Stück SPD31 wurden gefunden. Inhalt: Aufruf zur Langsamarbeit. Fünf Stück »Freiheitsrat der sowjetischen Besatzungszone«32 wurden gefunden. Inhalt: »Für freie Wahlen«.

Karl-Marx-Stadt: 44 Stück SPD wurden gefunden, 58 Stück NTS wurden gefunden. Inhalt: Hetze gegen die SU.

Leipzig: 20 Stück NTS. Inhalt: wie oben.

Hetzschriften

Gera: Einzelne Hetzbriefe der KgU33 und SED-Opposition,34 Inhalt: Hetze gegen das SfS und ZK der SED.

Rostock, Frankfurt/Oder und Erfurt: Je ein Hetzbrief (SED-Opposition, Widerstandsgruppe Mecklenburg, Streikkomitee der Arbeiter Mitteldeutschlands. Inhalt: Hetze gegen das SfS und Aufruf zum illegalen Kampf gegen die DDR.

»Kettenbriefe«: Im Kreis Stadtroda, [Bezirk] Gera, werden bei der Landbevölkerung sogenannte Kettenbriefe verschickt. Inhalt: Aufforderung zum passiven Widerstand, ab Februar keine Versammlungen mehr zu besuchen, keiner LPG beitreten, ab März in keiner HO mehr einkaufen sowie an den Landsonntagen die Tore zu schließen.35 Die Empfänger werden aufgefordert, die Briefe fünfmal abzuschreiben und weiterzuschicken.

Antidemokratische Tätigkeit: In den Bezirken Erfurt und Gera wurden vereinzelt Plakate entfernt. Im Bezirk Potsdam wurde eine Fahne entfernt und im Bezirk Schwerin an verschiedenen Stellen die Losung: »Freie Wahlen« angebracht.

Terrorakte: Am 25.2.1954 wurde vor der Gaststätte »Konzerthaus Görlitz«, [Bezirk] Dresden, ein Genosse der Betriebsparteiorganisation der Bau-Union, Baustelle Kühlhaus, von zwei Personen überfallen und niedergeschlagen. Ihm wurde eine stark blutende Wunde am Kopf beigebracht.

In der Nacht vom 20. zum 21.2.1954 wurden in der Gemeinde Kodersdorf, [Bezirk] Dresden, bei der FDGB-Kassiererin mit Steinen drei Fensterscheiben im Schlafzimmer zerschlagen.

Schädlingstätigkeit: Am 24.2.1954 wurde auf dem Schiffsobjekt »Sovetskiy Soyuz«36 im Betriebstelefonverteiler das Hauptkabel durchgeschnitten. Schaden: ca. 1 000 DM.

In der Nacht vom 24.2. zum 25.2.1954 wurden im VEB Buntweberei »Clara Zetkin« in Langensalza, [Bezirk] Erfurt, acht Treibriemen zerschnitten. Gesamtschaden: ca. 2 000 DM.

Gefälschte Anweisungen: An den Konsumverband und an die HO-Zentrale Berlin wurden gefälschte Schreiben gerichtet mit dem Inhalt, dass während der kalten Wetterperiode Erleichterungen für elektrische Heizung in Büroräumen und Kiosken auf [dem] Reichsbahngelände gestattet sind.

Bettelpakete:37 Im Bezirk Frankfurt/Oder mehren sich die Fälle, wo Pfarrer und Angestellte der Pfarrämter an Personen Gutscheine für Pakete ausgeben, die in Westberlin abgeholt werden können. Solche Gutscheine gab u. a. ein Pfarrer in Fürstenwalde und Bernau sowie eine Angestellte des Pfarramtes Strausberg aus.

Vermutliche Feindtätigkeit

Brand: Am 25.2.1954 brannte die Baracke des VEM Anlagenbau Rostock in Marienehe nieder. Schaden: ca. 35 000 DM. Die Baracke ist ein Neubau und war ihrer Bestimmung noch nicht übergeben worden.

Stimmen aus Westberlin

In der unmittelbar nach der Adenauer-Kundgebung am 23.2.1954 in Westberlin stattgefundenen Pressekonferenz, die Bundespressechef Eckardt38 leitete, wurde Adenauer u. a. von einem »Telegraf«-Korrespondenten gefragt, wie er sich die »geistige Hilfe Westdeutschlands für die Bevölkerung der Ostzone« vorstelle. Adenauer antwortete darauf, er wolle darüber nichts Näheres sagen, das wäre sonst unklug und es gebe ja »viele Möglichkeiten einer solchen Hilfe«. Adenauer bat die Journalisten, diese Bemerkungen nicht in der Presse zu veröffentlichen.

Einschätzung der Situation

Die Stimmung zu den Ergebnissen der Berliner Konferenz und zum Kampf um Frieden und Einheit hat sich nicht wesentlich verändert.

In geringem Umfang tritt die Meinung in Erscheinung, dass ein Krieg unvermeidlich sei. Die negativen und feindlichen Diskussionen sind allgemein etwas zurückgegangen.

In einzelnen Betrieben einiger Bezirke herrscht Unzufriedenheit wegen betrieblicher Schwierigkeiten, Prämienzahlungen oder Lohnfragen.

Anlage (o. D.) zum Informationsdienst Nr. 2141

Anhang: Stimmen der Bevölkerung der DDR zur Regierungserklärung v. 24.2.195439

Zur Regierungserklärung vom 24.2.1954 wurden erst vereinzelt Stimmen bekannt.

Ein Arbeiter vom VEB Chemie Silberhütte,40 [Bezirk] Halle: »Mit Empörung verfolgte ich die Durchpeitschung des Wehrgesetzes durch Adenauer.41 Ministerpräsident Grotewohl42 rief durch seine Worte die Jahre der Schrecken von 1933 wieder wach. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Westdeutschland soweit kommen kann, denn wozu haben wir dort Arbeiterparteien und Gewerkschaften.«

Ein Kollege aus der Farbenfabrik Wolfen, [Bezirk] Halle: »In der Diskussion über den Abschluss der Außenministerkonferenz und über die Ausführungen Otto Grotewohls auf der Volkskammersitzung wurden die Vorschläge Molotows von den meisten Kollegen für richtig erklärt. Sie brachten zum Ausdruck, dass sie nichts mit freien Wahlen, wie sie Eden sich vorstellt, zu tun haben wollen. Es muss doch einmal der Zeitpunkt kommen, wo die Einheit Deutschlands kommt.«

Ein Angestellter aus Langensalza, [Bezirk] Erfurt: »Die Regierungserklärung hat uns wiederum ganz klar gezeigt, dass unsere Regierung auf der Grundlage der Potsdamer Beschlüsse,43 die auch die Vertreter der Westmächte unterschrieben haben, die Einheit Deutschlands herbeiführen will.«

Ein parteiloser Genossenschaftsbauer von der LPG »7. Oktober« in Rieder, [Bezirk] Halle: »Ministerpräsident Grotewohl hat in seiner gestrigen Rede aufgezeigt, mit welchem Ziele sich Adenauer und die Westmächte uns und dem Weltfriedenslager immer wieder entgegensetzen. Leider ist ein großer Teil der Menschheit mit Blindheit geschlagen, die dies nicht erkennen wollen.«

Ein parteiloser Agronom vom VEG »August Bebel«, [Bezirk] Halle: »Ich sehe für die Zukunft auch in der Rede des Ministerpräsidenten Grotewohl keine andere Möglichkeit aus der jetzigen Situation, als dass entweder westlicherseits durch Provokationen ein Krieg angezettelt wird oder die Lebenslage der in Westdeutschland wohnenden Menschen sich derart verschlechtert, dass durch eine Revolution das Adenauer-Regime hinweggefegt wird.«

Bei einem Gemeinschaftsempfang in der MTS Altenhof, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerte ein Brigadier, als Genosse Grotewohl auf den Besuch Adenauers zu sprechen kam: »Prima«. Weiterhin bemerkte er, als über die Frage des Saatgebietes44 und die damit zusammenhängenden Ziele Adenauers gesprochen wurde: »Und was wird mit den Ostgebieten?«

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