Zur Beurteilung der Situation
27. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2142 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Viermächtekonferenz:1 Die Diskussionen über die Viermächtekonferenz werden nur noch vereinzelt von den Werktätigen geführt. Die Mehrzahl der fortschrittlichen Kräfte spricht sich positiv über die Vorschläge des Genossen Molotow2 aus3 und verurteilt die ablehnende Haltung der Westmächte. Ein großer Teil der Werktätigen ist enttäuscht, da auf der Konferenz keine Lösung der Deutschlandfrage erreicht wurde.4 Eine politische Interesselosigkeit macht sich jetzt wieder stärker bemerkbar. Negative und feindliche Stimmen treten bei einem kleineren Teil der Werktätigen in Erscheinung. Die Argumente haben sich nicht verändert.
Zur Regierungserklärung5 wurden erst wenige Stimmen bekannt, die aber in der Mehrzahl einen positiven Inhalt haben. So wurde im VEB Waggonbau Niesky, [Bezirk] Dresden, vom größten Teil der Belegschaft die Regierungserklärung begrüßt.
Ein Kraftfahrer aus Eisenach, [Bezirk] Erfurt: »Endlich hat Genosse Grotewohl6 dem Adenauer7 einmal tüchtig Bescheid gesagt. Ja, wir können eine scharfe Sprache sprechen. Grotewohl hat sehr richtig gesagt, dass Adenauer eine infame Hetze treibt. Dies erkennen aber nur wenige, weil sie noch vom Westen geblendet sind.«
Ein Arbeiter vom VEB Grosskokerei »Mátyás Rákosi«: »Grotewohl hat zu scharf gesprochen und er hätte nicht sagen dürfen, dass er Adenauer ganz gewaltig auf die Finger klopfen würde.«8
Ein Lagerverwalter vom Leuna-Werk »Walter Ulbricht«: »Es ist doch eigenartig, dass Grotewohl dasselbe spricht wie Molotow. Sie bringen alle nur einheitliche Berichte. Die Vorschläge der Westmächte sind ganz in Ordnung. Bei uns spricht man nur von Molotow, der ganz Europa schlucken will. Wenn wir freie Wahlen durchführen würden, würden wir feststellen, dass kein vernünftiger Mensch die SED wählt.«
Verpflichtungen: Zu Ehren des IV. Parteitages9 verpflichteten sich zwei Arbeiter vom VEB Eisenbau Leipzig, 400 freiwillige Aufbaustunden zu leisten, wo sie alle anfallenden Reparaturen an elektrischen Maschinen und Geräten in Tag- oder Nachteinsatz ausführen wollen und somit Produktionsunterbrechungen verhindern wollen. In dem VEB Wurzener Teppichfabrik, [Bezirk] Leipzig, verpflichteten sich anlässlich der Vorbereitung des IV. Parteitages 25 Kollegen, ihre Norm freiwillig zu erhöhen.
Zu Ehren der SED-Bezirksdelegiertenkonferenz10 verpflichteten sich die Kollegen der Feuergasanlage des Braunkohlenwerkes »Glück Auf« Cottbus,11 ihr Soll von 520 t auf 600 t zu erhöhen, um somit die Planrückstände aufzuholen.
Produktionsstörungen: Am 24.2.1954 fiel im Funkwerk Brehmin Burg,12 [Bezirk] Magdeburg, ein Hochspannungstransformator aus. Ursache: Herausspringen der Wicklungen. Dies ist in letzter Zeit bereits der 3. Transformator, der auf diese Weise ausfällt. Dies trat jedoch bei anderen Werken ebenfalls auf. Schaden: 5 000 DM. Die Probesendungen müssen eingestellt werden.
Am 25.2.1954 fiel im VEB Gummitextilwerk Bad Blankenburg, [Bezirk] Gera, ein Kondensator durch Kurzschluss aus. Schaden: 1 500 DM.
Materialmangel wird aus einigen Betrieben der Bezirke Schwerin, Rostock, Leipzig und Karl-Marx-Stadt gemeldet. Da sich dies auf den Verdienst der Arbeiter auswirkt, besteht eine starke Unzufriedenheit in diesen Betrieben.
Der VEB Maschinenfabrik Wurzen, [Bezirk] Leipzig, kann infolge Materialmangel seine Exportaufträge nicht erfüllen.
In allen Werften von Rostock besteht weiterhin Materialmangel und die Arbeiter haben dadurch lange Wartezeiten.
In der Gießerei des VEB Nähmaschinenwerk Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, bestehen Schwierigkeiten im Gussbruch. Aufgrund schlechter Lieferungen lag die Planerfüllung im Januar mit 28 t und im Februar mit 40 t im Rückstand. Weiterhin fehlt es in diesem Betrieb an Arbeitskräften.
In den Schächten der Wismut13 mangelt es vereinzelt an Bohrstangen. So konnten z. B. im Schacht 18/53 Revier 514 die Häuer in der Schicht nicht voll ausgelastet bohren. Dadurch verlieren die Brigaden die Progressivprämien.
Im VEB Motorenwerk Thurm,15 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, fehlt es an Kugellagern.
Absatzschwierigkeiten: In der Ölfabrik der Chemischen Werke Buna, [Bezirk] Halle, staut sich die Produktion an Motorenöl. Sämtliche Behälter und Kesselwagen sind bereits gefüllt, die Produktion muss eingeschränkt werden.
Im VEB Spezialglaswerk »Einheit« in Weißwasser, [Bezirk] Cottbus, lagern ca. 20 000 Fernsehglaskolben. Das HF-Werk Berlin16 hat noch nichts von dieser Produktionsserie abgenommen. Dadurch entsteht dem Werk ein Schaden von 160 000 DM. Der Betrieb sieht sich gezwungen, die Produktion demnächst einzustellen, dadurch würde die gesamte Bildröhrenproduktion in der DDR zum Stillstand kommen.
Waggonmangel: Im VEB Kombinat »Albert Kuntz« in Wurzen,17 [Bezirk] Leipzig, ist man nicht in der Lage, die Auslieferung von Futtermehl und Kleie für die landwirtschaftlichen Betriebe vorzunehmen, da es diesem Betrieb an Waggons mangelt.
Unzufriedenheit unter den Werktätigen besteht in einzelnen Betrieben der Bezirke Dresden, Karl-Marx-Stadt, Gera und Suhl. Die Ursache sind Unstimmigkeiten in Lohnfragen und bei Normen. Bei der Reichsbahn im Bezirk Gera werden weiterhin Diskussionen über zu niedrige Entlohnung geführt.18 So will der Aufsichtshabende vom Bahnhof Saalfeld bei diesem Verdienst nicht länger bei der Reichsbahn bleiben, sondern sich Arbeit in der Maxhütte19 besorgen.
Im VEB Zeiss Jena, [Bezirk] Gera, wird über die Lohnerhöhung der Gruppen V bis VII diskutiert. Man versteht nicht, dass dadurch Meister oder Vorarbeiter der Lohngruppe I schlechter bezahlt werden als die ihm unterstellten Arbeiter.
Im VEB Plasta Sonneberg 3, [Bezirk] Suhl, ist in Bezug der Lohnfrage eine schlechte Stimmung. Die Arbeiter erklären, dass sie jetzt, wo sie zwei Pressen bedienen, weniger Geld erhalten als früher, wo sie nur an einer Maschine arbeiteten.
Im VEB Erzgebirgische Seilerwarenfabrik Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, werden die Arbeiter nach Textiltarif bezahlt. Während die Papierspinnerei dieses Betriebes Sondertarif erhält. Die Arbeiter in der Seilerei sind unzufrieden, da sie weniger verdienen, obwohl in der Seilerei qualifiziertere Kräfte arbeiten und es auch eine körperlich anstrengendere Arbeit ist.
In dem VEB Feldschlösschenbrauerei Werdau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wollen verschiedene Arbeiter, besonders Frauen, sich in der Textilindustrie bewerben, da ihnen hier nicht der 8 Prozent Nässezuschlag gezahlt wird.
In den VEB Riesaer Mühlenwerken, [Bezirk] Dresden, sollten neue Normen für das Absacken von Mehl aufgestellt werden. Alle drei Schichten sprachen sich dagegen aus und stellten ein eigenes niedriges Soll auf. Neu eingerichtete Arbeiter erreichten jedoch eine weitaus höhere Norm. Die alten Betriebsarbeiter stellen sich diesen neuen Arbeitern feindlich gegenüber. Zu bemerken ist, dass der Betrieb, als er noch privateigen war, eine weitaus höhere Norm erreichte als jetzt.
Handel und Versorgung
1,8 t Zitronen (erfrorene) wurden dem Konsum Wittstock, [Bezirk] Potsdam, von der DHZ Nauen geliefert. Bei der DHZ lagern noch weitere Bestände an erfrorenen Zitronen und Apfelsinen.
245 kg Puten sind bei der HO in Reichenbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, durch das bürokratische Verhalten der Abteilung Handel und Versorgung dieses Kreises verdorben.
Landwirtschaft
Viermächtekonferenz: Wie bereits in den Vortagen berichtet, ist bei dem größten Teil der Landbevölkerung eine gewisse Enttäuschung und Uninteressiertheit festzustellen. Nur noch vereinzelt, meist von Angehörigen der LPG, MTS und fortschrittlichen Kräften auf dem Lande, wird über die Vorschläge des Genossen Molotow diskutiert. Diese Kräfte verurteilten auch die Politik der Westmächte und ablehnende Haltung ihrer Außenminister. Auch die negativen bzw. feindlichen Stimmen, die sich gegen die Vorschläge des Genossen Molotow richten (Argumente wie an den Vortagen), treten nur noch vereinzelt in Erscheinung.20
Über die Regierungserklärung vom 24.2.1954 wurden bisher nur vereinzelte Stimmen bekannt, die fast ausschließlich einen positiven Inhalt haben. Ein Angestellter der MTS Dingelstädt, [Bezirk] Erfurt (SED): »Otto Grotewohl sagte sehr richtig, dass der Kampf nicht abgeschlossen ist, sondern weitergeht. Ich selbst bin mir klar darüber, dass die Genfer Konferenz unter Mithilfe der Volksrepublik China einen weiteren Erfolg für das Weltfriedenslager darstellen wird.«21
Wirtschaftliche Fragen treten wieder stärker in Erscheinung. Bestehende Mängel werden teilweise von großbäuerlichen Elementen ausgenutzt, obwohl diese nicht immer selbst in Erscheinung treten. So wird z. B. aus Rostock berichtet, dass es an Briketts und Kleie fehlt, um die bezugsberechtigten Bauern zu beliefern. Dazu äußern diese: »Vom Staat wurde uns die Gegenlieferung versprochen und gesetzlich garantiert, wir aber erhalten nichts.« Andere äußern gegenüber den Erfassern: »Liefert uns erst die rückständige Kleie, dann liefern wir auch Vieh ab. Wenn der Staat seine Verpflichtungen nicht einhält, brauchen wir es auch nicht.«
Ein Mittelbauer aus Wiesa, [Bezirk] Dresden: »Ich habe noch für eine Woche Heu und Stroh zum Füttern, was ich dann nehmen soll, weiß ich nicht. Meine Rinder sind bald zum Umfallen. Ich kann nicht verstehen, dass sich unsere Regierung in der Futterbeschaffung nicht einschaltet.«
Ein Kleinbauer aus Rosengarten, [Bezirk] Rostock: »Im Herbst haben sie uns die letzten Kartoffeln weggenommen und im Frühjahr sollen wir zusehen, woher wir Saatkartoffeln bekommen. Wenn man keine hat, kann man auch keine in die Erde bringen. Wie soll man aber dann sein Soll erfüllen, wer nicht erfüllt, wird bestraft. Man sollte sich in den obersten Verwaltungen einmal darüber Gedanken machen.«
Ein Großbauer aus Zwochau, [Bezirk] Leipzig: »Ich beschäftige mich nicht mehr mit der Sollablieferung. Ich befasse mich damit, wie ich am besten im Frühjahr nach Westdeutschland komme. Es kommt sowieso mal anders, es braucht nur seine Zeit, dann kommen alle die Verbrecher ins Zuchthaus, wo ich auch gewesen bin, dort können sie dann verfaulen.«
Die Delegierten des IV. Deutschen Bauerntages vertreten zum größten Teil eine positive Meinung.22 Das trifft auch überwiegend auf die Delegierten aus Westdeutschland zu. Negative Stimmen treten nur vereinzelt in Erscheinung.
Stimmung der übrigen Bevölkerung
Viermächtekonferenz: Auch unter der übrigen Bevölkerung wird nur noch vereinzelt über die Viermächtekonferenz diskutiert. Bei einem großen Teil der Bevölkerung ist eine Enttäuschung und eine gewisse Uninteressiertheit, teils sogar eine ablehnende Haltung gegenüber politischen Fragen zu verzeichnen. Meist sind es fortschrittliche Kräfte und politisch aufgeklärte Personen, die noch im positiven Sinne über die Vorschläge des Genossen Molotow diskutieren und die ablehnende Haltung der Westmächte verurteilen. Auch die negativen bzw. feindlichen Stimmen treten nur noch vereinzelt in Erscheinung. Diese Kräfte, meist aus bürgerlichen Kreisen, sind in ihrer Argumentation etwas vorsichtiger geworden.
Zur Regierungserklärung vom 24.2.1954 wurden nur vereinzelte Stimmen bekannt. Ihrem Inhalt nach sind diese in der Mehrzahl als positiv zu werten. Nachfolgend einige Beispiele:
Ein Arbeiter aus Gräfenthal, [Bezirk] Suhl: »Ich begrüße, dass durch den Ministerpräsidenten Grotewohl noch einmal allen Menschen klargemacht wurde, dass das Ergebnis der Konferenz durchaus als positiv zu bezeichnen ist, denn trotz der sturen Haltung von Dulles23 und seiner Sprachrohre, wurde die Konferenz nicht abgebrochen, wie es die Kriegsbetreiber sich wünschten. Wir als Deutsche haben aus der Konferenz entscheidende Schlussfolgerungen zu ziehen für unseren weiteren Kampf.«
Ein Schneider aus Grappenthin,24 [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Erklärung des Ministerpräsidenten Grotewohl begrüße ich. Es ist in erster Linie jetzt Aufgabe der Deutschen selbst, zu entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen.«
Demgegenüber stehen einige negative Äußerungen. Ein Angestellter aus Waren, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Volksbefragung ist gut,25 aber auch über die Ostgebiete muss eine Volksbefragung stattfinden. Warum behandelt man diese Frage überhaupt nicht?«
Ein selbstständiger Bauunternehmer aus Dolgelin,26 [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Beim Zusammenschluss der Arbeiterparteien sind genügend Anhänger der SPD dagewesen.27 Diese werden sich wohl zur rechten Zeit finden und die anderen, die von der KPD, an die Wand drücken.«
Ein Lehrer aus Bredow, [Bezirk] Frankfurt/Oder:28 »Lieber vorsichtig mit Äußerungen sein, man weiß nicht, wie es noch einmal kommt.«
Organisierte Feindtätigkeit
Flugblätter
Cottbus: 12 000 Stück in einem Karton sichergestellt. 5 000 Stück NTS29 wurden gefunden. Inhalt: Hetze gegen die SU.
Potsdam: 200 Stück NTS wurden gefunden. Inhalt: wie oben.
Berlin: 23 Stück SPD wurden gefunden. Inhalt: »freie Wahlen«. 20 Stück NTS. Inhalt: Aufforderung zur Kundgebung am Funkturm.30 Acht Stück Klebezettel in der S-Bahn angebracht. Inhalt: Gegen Genossen Molotow.
Frankfurt/Oder: 13 Stück NTS wurden gefunden. Inhalt: wie oben. Zwölf Stück SPD-Ostbüro31 wurden gefunden. Inhalt: Gegen Walter Ulbricht.32 Zehn Stück SPD-Freiheitsrat33 wurden gefunden. Inhalt: Aufruf zum Widerstand gegen die DDR.
Karl-Marx-Stadt: 17 Stück SPD wurden gefunden. Inhalt: Gegen die Viermächtekonferenz. Zwölf Stück NTS wurden gefunden. Inhalt: wie oben. Zwei SED-Opposition34 wurden gefunden. Inhalt: Gegen die Partei.
Dresden: Fünf Stück SPD[-Ostbüro] wurden gefunden. Inhalt: Hetze gegen die SU und die Volksdemokratien. Fünf Stück KgU35 wurden gefunden. Inhalt: Hetze gegen die DDR. Zwei Stück SPD-Freiheitsrat wurden gefunden. Inhalt: Aufruf zum Langsamarbeiten.
Erfurt: Vier Stück SPD wurden gefunden. Inhalt: Gegen die Viermächtekonferenz.
Gera: Zwei Stück SPD wurden gefunden. Inhalt: Gegen die Viermächtekonferenz.
Rostock: Ein Stück wurde gefunden SPD. Inhalt: Hetze gegen die KPD, SED und SU.
Halle: Vereinzelt SPD wurden gefunden. Inhalt: gegen die Viermächtekonferenz.
Hetzbriefe
Leipzig: 15 Stück KgU festgestellt. Inhalt: gegen Genossen Molotow.
Potsdam: Zwei Stück Kirche festgestellt. Inhalt: gegen materialistische Weltanschauung. Ein Stück von jugoslawischer Botschaft in Westdeutschland festgestellt. Inhalt: VI. Kongress der kommunistischen Partei Jugoslawien 1952.36
Berlin: Zwei Stück KgU und UfJ,37 Inhalt: Hetze gegen die SU und DDR.
Gera: Ein Stück SED-Opposition. Inhalt: Gegen das ZK.
Magdeburg: Vereinzelt SPD. Inhalt: gegen Genossen Molotow und Regierung der DDR und Partei.
Antidemokratische Tätigkeit
Im Kreis Pirna, [Bezirk] Dresden, sind wiederholt Güterwagen, die für die ČSR bestimmt sind, mit Hetzlosungen beschrieben.
Terrorakt: In der Gastwirtschaft Arlt in Kyritz, [Bezirk] Potsdam, wurde der FDJ-Sekretär von einem Einwohner mit einem Stuhl bedroht und beschimpft.
Diversion: In einem Krad der freiwilligen Feuerwehr in Zossen, [Bezirk] Potsdam, wurden in das Kolbengehäuse zwei Messingstücke eingeworfen.
Bettelpakete:38 Von der Grenzpolizei im Kontrollpunkt Eichwalde, [Bezirk] Potsdam, wurden in stärkerem Maße Personen festgestellt, die aus Westberlin Bettelpakete abholen. Nach noch unüberprüfter Mitteilung39 wurde bekannt, dass ab 1.3.1954 in Westberlin eine neue Paketaktion für Bewohner der »Zone«40 durchgeführt werden soll. Zur Ausgabe sollen gelangen: Lebensmittel, Arzneien und Bekleidung.
RIAS: In einer Nachrichtensendung am 23.2.1954 wurde unter anderem vom RIAS folgende Mitteilung gegeben: »… in den nächsten Tagen wird Ollenhauer41 nach Berlin kommen und am 1. März auf einer sozialdemokratischen Kundgebung am Funkturm zum Thema: ›Berlin muss ein Anfang sein‹ sprechen. Dabei wird Ollenhauer die Haltung der SPD nach der Viermächtekonferenz festlegen.«42
Vermutliche Feindtätigkeit
Gerücht: In der Bahnmeisterei V des Hauptbahnhofes Leipzig wurde das Gerücht verbreitet, dass es im Monat März zu einem 17. Juni [1953] kommen soll (unüberprüft).
Einschätzung der Situation
Die Lage ist gegenüber den beiden Vortagen im Wesentlichen unverändert.
Interesselosigkeit zu politischen Fragen macht sich in allen Schichten der Bevölkerung etwas stärker bemerkbar.
Zur Regierungserklärung vom 24.2.1954 wird nur wenig diskutiert, in den meisten Fällen positiv. Die negativen Diskussionen halten weiterhin in kleinem Umfang an.
Anlage (o. D.) zum Informationsdienst Nr. 2142
Anhang: Aus Westberlin
Kundgebung der NTS am Funkturm,43 Masurenallee. Die Halle war nur wenig besetzt, ca. 1 000 Personen. An die Besucher [wurde] die Hetzschrift »Russland und wir« verteilt. Das Mitglied des Rates der NTS, Dr. Poremsky,44 der die einleitenden Worte sprach, rief offen zum Widerstand gegen die SU und DDR auf. Als 2. sprach der Chefkorrespondent [Name 1], der neben einer wüsten Hetze gegen Genossen Molotow und die SU aufzeigte, dass es das Ziel der NTS sei, die sowjetische Armee durch Flugblätter zu unterminieren und so den Zerfall herbeizuführen. Diesem folgten einige Deserteure der sowjetischen Armee, die im Wesentlichen das Gleiche äußerten, zum Teil über ihre Flucht und Agententätigkeit berichteten. Am Ende dieser Kundgebung wurden die Teilnehmer aufgefordert, falls sie den NTS aktiv unterstützen wollen, sich im Büro Hohenzollerndamm zu melden.
Versammlung der FDP (für Flüchtlinge der LDP), Thema: »Wie helfen wir der sowjetisch besetzten Zone?« Am 25.2.1954 am Kurfürstendamm 193. Anwesend waren 120 bis 150 Personen, vorwiegend Flüchtlinge aus der DDR. Schwennicke45 zeigte auf, dass es nicht genügt, nur Flugblätter in die DDR einzuschleusen. Wichtig sei, eine breite Aufklärungsarbeit über die »Ostzone« in Westdeutschland zu entfalten. Weiterhin, dass, wenn der »Tag der Befreiung der Ostzone« komme, es die Hauptaufgabe jedes Flüchtlings sei mitzuhelfen, Landwirtschaft und Industrie zu normalisieren. Neben einer wüsten Hetze gegen Genossen Molotow hob er die Geschlossenheit der westlichen Außenminister hervor. Gleichzeitig schimpfte er gegen die SPD, die für Verhandlungen sei, nun aber gesehen habe, wie die Verhandlungen mit »Russland« aussehen. Es liegt an uns, ob wir Kressmann46 als Bürgermeister in Berlin weiterhin dulden. Zur Diskussion sprachen einige Flüchtlinge, die im Wesentlichen das von Schwennicke Gesagte mit anderen Worten wiederholen.
SPD-Versammlung im Bezirk Wedding. Anwesend ca. 90 Personen. In der Eröffnung führte der Bezirksverordnete [Name 2] aus, dass der Ausgang der Viererkonferenz die Hoffnung auf Wiedervereinigung Deutschlands zunichtegemacht hat. Es wurde der Film »Zum Gedenken Reuters«47 aufgeführt. Am Ende des Filmes wurden Bilder vom 17.6.[1953] und die Beisetzung der »Opfer« durch Reuter gezeigt.48 Zum Schluss wurde aufgefordert, dem Kampf um die »Freiheit« die Treue zu wahren.