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Zur Beurteilung der Situation

12. August 1954
Informationsdienst Nr. 2285 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Allgemein sind die Diskussionen über politische Tagesfragen gering. Zum Schritt Dr. Johns1 zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten2 und zur Note der Sowjetregierung3 wird nur noch ganz vereinzelt meist positiv diskutiert, wobei sich der Inhalt gegenüber den Vortagen nicht verändert hat. Zum Schritt Dr. Johns zeigt sich, dass die Meinungen, Dr. John ist freiwillig in die DDR gekommen, im Verhältnis zu den negativen Stimmungen zunehmen.

Etwas mehr wird über die Volkskammerwahlen4 und die Streiks in Westdeutschland5 gesprochen. Jedoch ist der Umfang der Diskussionen weiterhin gering. Zur bevorstehenden Volkskammerwahl wird neben positiven Stimmen, die die einheitliche Kandidatenliste begrüßen, vereinzelt in negativen Meinungen eine Parteiwahl gefordert.6 Dabei zieht man teilweise Vergleiche mit den Wahlen in Westdeutschland, die angeblich demokratisch seien.

Im VEB Maxhütte Unterwellenborn, [Bezirk] Gera, vertritt ein nicht unbedeutender Teil der Werktätigen die Meinung, dass es besser wäre, wenn jede Partei ihre Kandidaten getrennt aufstellen würde. So äußerte z. B. ein Kollege aus der Abteilung Hochofen: »Warum kann denn nicht jede Partei für sich ihre Wahllisten aufstellen, so wie es im Westen ist. Das wäre demokratisch. Aber unter dem Namen der Nationalen Front Wahllisten aufstellen, ist nicht richtig.« Ein anderer Kollege äußerte sich ähnlich, fügte jedoch hinzu: »Unsere Regierung ist ja gar nicht vom Volk gewählt, sondern hat sich selbst eingesetzt.«

Die Forderung nach Listenwahlen erhoben ferner drei Arbeiter aus dem VEB Guss in Frankenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt. Ein großer Teil der Jugendfreunde vom Bau 165 der Leuna-Werke »Walter Ulbricht«, wovon einige die Blockwahlen als Trick der SED bezeichneten, sowie von einigen Genossen im VEB Wasserwerk Hosterwitz, [Stadt] Dresden, die eine ähnliche Stellung bezogen.

Zu den Streiks in Westdeutschland haben die Diskussionen etwas zugenommen, besitzen jedoch noch keinen bedeutenden Umfang. Ein Teil der Kollegen, die in Versammlungen über die Streiks aufgeklärt wurden, erklären sich solidarisch mit den Streikenden und unterstützen sie durch Geldsammlungen. So erklärten sich z. B. die Arbeiter im VEB Textima Wittenberge,7 [Bezirk] Schwerin, in Kurzversammlungen mit den streikenden Arbeitern solidarisch. Desgleichen die Kollegen aus dem Karl-Marx-Werk Magdeburg, wo ebenfalls in den Abteilungen Kurzversammlungen durchgeführt wurden. In der Abteilung 520 des Werkes IV im Karl-Marx-Werk Magdeburg verpflichten sich 250 Kollegen, je einen Stundenlohn für die Streikenden zu spenden.

Vereinzelt lehnte man eine Unterstützung der streikenden Arbeiter ab. Im VEB Drehmaschinenwerk in Zeulenroda, [Bezirk] Gera, vertrat ein großer Teil der Belegschaft die Meinung, dass eine Unterstützung nicht erforderlich sei, weil die westdeutschen Arbeiter mehr verdienen würden und sich dafür mehr kaufen könnten als die Arbeiter der DDR.

Eine feindliche Haltung zeigten einige Kollegen aus der Schweißerei des »Hans-Ammon-Werkes« ([Bezirk] Frankfurt/Oder) in Eberswalde, wo z. B. ein Arbeiter erklärte: »Wer hat uns denn etwas gegeben, als wir früher (17.6.1953) einmal gestreikt haben?«

Im VEB Askania Teltow, [Bezirk] Potsdam, nimmt die Mehrzahl der Kollegen eine positive Stellung zu den Streiks ein, jedoch verhält sich ein nicht unbedeutender Teil gleichgültig und vertritt die Meinung, die Arbeiter sollten zufrieden sein, dass sie überhaupt etwas verdienen.

Verschiedentlich wurden von Arbeitern die Preise in der DDR als zu hoch bemängelt und die Meinung vertreten, dass bald eine Preissenkung erwartet wird. Solche Meinungen werden in einigen volkseigenen Betrieben, besonders im Kreis Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, verbreitet, ferner im VEB Vulkanfiber in Werder, [Bezirk] Potsdam, unter einigen Kollegen des VEB Holzindustrie Halberstadt, [Bezirk] Magdeburg, und des VEB AUFA Eisenach, [Bezirk] Erfurt. Dazu äußerte z. B. ein Genosse aus dem VEB Feinprüf in Schmalkalden, [Bezirk] Suhl: »In letzter Zeit ist unter den Arbeitern eine zunehmende Unzufriedenheit festzustellen. Einmal schimpfen sie über die schlechte Qualität und dann wieder über die zu hohen Preise in der DDR. Die Arbeiter sagen, bei uns wird nur immer viel gesprochen, aber wenig getan. Viele meinen, es würde höchste Zeit sein, wieder einmal eine Preissenkung zu beschließen. Die Lebenshaltung sei für die Arbeiter noch immer viel zu teuer.«

Unzufriedenheit entstand in einzelnen Betrieben wegen Nachtarbeit, Normenerhöhungen und Lohnfragen.

Am 7.8.1954 weigerten sich die Kumpels der Nachtschicht des VEB »Ernst Thälmann«-Kombinates in Merkers, in den Schacht einzufahren. Der größte Teil von ihnen betrank sich und fuhr erst nach Mitternacht ein. Ein Teil weigerte sich überhaupt zu arbeiten. Die Ursache hierfür ist, dass die Kumpels jetzt laufend Nachtschicht machen müssen, da im Kraftwerk eine Großreparatur vorgenommen wird, die nur am Tage durchgeführt werden kann.

Im VEB Holzindustrie Halberstadt, [Bezirk] Magdeburg, herrscht unter den Arbeitern eine schlechte Stimmung, weil von den Normensachbearbeitern Normen überprüft und erhöht werden.8 Als Begründung führt man an, »wir müssen billiger produzieren«.

Auf den Baustellen der Bau-Union »Kohle« in Lauchhammer, [Bezirk] Cottbus, besteht unter den Kollegen eine Unzufriedenheit, weil einigen Kollegen die genehmigten Lohnerhöhungen von der Gruppe III auf Lohngruppe IV durch die Verwaltung gestrichen wurden, obwohl der Bauleiter und Lohnkommission diese bewilligten. Im Zusammenhang hiermit wird geäußert, dass in der Verwaltung dagegen Gehaltserhöhungen von 50,00 bis 100 DM bewilligt wurden, ohne dass die Lohn- und Gehaltskommission darüber entschieden hätte.

Verschiedentlich wird eine ablehnende Haltung zu Ernteeinsätzen eingenommen. So hat z. B. der VEB Schott Jena,9 [Bezirk] Gera, Schwierigkeiten, genügend Arbeiter für Ernteeinsätze zu gewinnen.

Im VEB Porzellan Freienorla, [Bezirk] Gera, weigerte sich der Betriebsleiter, dem Patenort zu helfen,10 mit der Bemerkung: »Das Geschrei nach Arbeitskräften erfolgt fast ausnahmslos von allen LPG

Verschiedene Arbeiter der Volkswerft Stralsund wollen sonntags keine Ernteeinsätze mehr mitmachen, weil sie verschiedentlich falsch organisiert waren. So wurden z. B. einige Werftarbeiter zu einem Bauern geschickt, der an diesem Sonntag mit seinem Sohn zu einem Fußballspiel gefahren war. Anderen Werftarbeitern wurde von Bauern erklärt, dass sie die ganze Woche von früh bis spät arbeiten müssen und sonntags ihre Ruhe haben wollen.

Produktionsstörungen

Am 11.8.1954 explodierte im Kalischacht Thomas Müntzer, Kreis Worbis, [Bezirk] Erfurt, ein Zünder vorzeitig, wodurch drei Personen schwer verletzt wurden, von denen einer inzwischen verstarb. Ermittlungen nach der Ursache werden noch geführt.

Im VEB Waggonbau Görlitz, Abteilung Schmiede und Ölhärterei brach am 12.8.[1954] ein Brand aus. Ursache: Beim Härten von Schraubenkupplungen, die auf 830 °C erhitzt wurden, setzte der Kran aus, als sich glühende Kupplungen zur Hälfte in Öl und zur anderen Hälfte außerhalb befanden. Dadurch fing das Öl im Behälter (ca. 9 000 l) zu brennen an. Schadenhöhe noch nicht bekannt.

Nach 24-stündiger Laufzeit ist im Kraftwerk IV des Braunkohlenwerkes Friedenswacht in Lauchhammer, [Bezirk] Cottbus, der Kessel I wieder außer Betrieb gesetzt worden. Ursache: starke Verschmutzungen in den Rohrleitungen und im Kessel. Durch einen Schaltfehler im Kraftwerk V des gleichen Betriebes entstand ein Stromausfall von 40 Minuten, wodurch in dieser Zeit die Stromzufuhr auf das gesamte Braunkohlenwerk und auf die Großkokerei Lauchhammer ausfiel.

Handel und Versorgung

Überplanbestände bzw. verdorbene Lebensmittel

Im Auslieferungslager der DHZ Oschersleben, [Bezirk] Magdeburg, lagern 4 000 Flaschen kondensierte, entrahmte Milch, die nicht mehr zu gebrauchen ist. Die Milch wurde vom Kontor Import-Lagerung bereits am 3.8.1954 in diesem Zustand geliefert und stammt aus dem Herstellungsbetrieb VEB Molkerei »Naschkatze« Waren-Müritz, [Bezirk] Magdeburg.11

Im Kreis Hagenow, [Bezirk] Schwerin, lagern in der DHZ 1 t Fleischkonserven, die dem Verderb ausgesetzt sind. Ein Teil davon ist bereits verdorben.

In der VEAB Schwerin lagern 2 000 t Frühkartoffeln, die nicht abgesetzt werden können und wegen schlechter Lagerung dem Verderb ausgesetzt sind. Das Staatssekretariat für Erfassung hat davon Kenntnis, schaffte jedoch keine Abhilfe.

Mängel in der Verteilung

Nährmittel fehlen im Bezirk Neubrandenburg. In einigen Kreisen des Bezirkes Magdeburg fehlen hauptsächlich Kindernährmittel, wie Maizena und Haferflocken. In der HO Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, fehlen Stärkeerzeugnisse.

HO-Fleischmangel besteht in einigen Kreisen des Bezirkes Magdeburg. Der Bezirk Halle dagegen kann die gelieferten Mengen Hammelfleisch nicht verbrauchen und hat ca. 40 Hammel auf Lager. Versuche, dieses Fleisch zur Wurst zu verarbeiten, haben ergeben, dass die Wurst nach kurzer Zeit grün wird. Im Kreis Bützow, [Bezirk] Schwerin, fehlt oft an mehreren Tagen HO-Fleisch.

Zigarettenmangel besteht nach wie vor in den Kreisen Sangerhausen, Artern, [Bezirk] Halle, in denen sich eine große Anzahl Kurorte befinden. Die DHZ in Allstedt, [Bezirk] Halle, die diese Kreise beliefert, benötigt noch in diesem Monat 1,7 Millionen Zigaretten.

Eine angespannte Lage in der Zigarettenversorgung besteht auch im Bezirk Neubrandenburg. Im Bezirk Suhl ist dieser Mangel ebenfalls zu verzeichnen und die Arbeiter führen darüber, insbesondere über das Fehlen der »Turf«, negative Diskussionen.

Benzinmangel ist im Kreis Neuhaus, [Bezirk] Suhl, zu verzeichnen, wo sämtliche Tankstellen leer sind. Dies hat unter den Fahrzeugbesitzern und Fahrern Verärgerung und negative Diskussionen ausgelöst.

Im Konsum des Kreises Heiligenstadt, [Bezirk] Erfurt, wirkt sich der zzt. bestehende Benzinmangel nachteilig auf die Lebensmitteltransporte aus. Das Gleiche ist auch in verschiedenen Kreisen des Bezirkes Karl-Marx-Stadt zu verzeichnen, z. B. im Kreis Glauchau, wo seit 1.8.1954 schon wiederholt das Benzin ausgegangen ist und dadurch Transportschwierigkeiten in lebenswichtigen Betrieben wie bei Molkerei- und Krankentransporten entstehen.

Landwirtschaft

Die sehr schwache Beteiligung an politischen Tagesfragen hält unter der Landbevölkerung durch die Inanspruchnahme bei der Ernte weiterhin an. In der Berichtszeit sind lediglich zwei positive und eine negative Stimme zum Schritt Dr. Johns und eine positive Stimme zum Massenstreik der westdeutschen Arbeiter bekannt geworden. Die positiven Stimmen zu Dr. John haben den bereits an den Vortagen berichteten Inhalt.

Negativ zu Dr. John äußerte sich ein werktätiger Bauer aus Budendorf,12 [Bezirk] Halle: »Die Flucht des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzamtes ist meiner Meinung nach nicht mit rechten Dingen zugegangen. Ich glaube nicht, dass er aus Überzeugung geflüchtet ist, wenn er eine so einflussreiche Stellung im Westen hatte, denn so eine wird er in der DDR nicht wieder erhalten und solche Leute wollen doch im öffentlichen Leben etwas darstellen.«

Zum Massenstreik in Westdeutschland sagte ein Brigadier aus der LPG »Jonny Schehr« in Delitz, [Bezirk] Halle: »Der umfassende Streik der 250 000 Arbeiter in Bayern und Hamburg beweist uns, welche Erfolge die Sowjetunion in Genf errungen hat. Diese Vorschläge der SU und die friedliche Entwicklung in der DDR haben unseren westdeutschen Arbeitern die Augen geöffnet und deshalb kämpfen sie für eine Verbesserung des Lebensstandards.«

Im Mittelpunkt der Diskussionen unter der Landbevölkerung stehen nach wie vor wirtschaftliche Fragen und die Mängel auf dem Lande. So beklagen sich die werktätigen Bauern aus dem Kreis Güstrow, [Bezirk] Schwerin, dass die MTS ihre Verträge sowohl bei der Einbringung als auch beim Drusch und beim Abtransport des Getreides nicht bzw. schlecht erfüllt. Die Bauern sagen: »Wir haben schon immer gesagt, auf die MTS kann man sich nicht verlassen.«

In der LPG des Kreises Jena, [Bezirk] Gera, macht sich ein stärkerer Kräftemangel bemerkbar, der auf die schlechte Arbeitsorganisation, Buchführung und persönliche Reibereien zurückzuführen sind [sic!].

In verschiedenen LPG des Bezirkes Gera gibt es Differenzen zwischen den »landlosen« und landbesitzenden Mitgliedern der LPG. In der LPG Schorba, [Bezirk] Gera, z. B. erhalten die landbesitzenden Mitglieder für 1 ha Bodenanteil 170 DM, teilweise 3 000 bis 4 000 DM im Jahr, womit die »landlosen« nicht einverstanden sind.13

In Wolgast, [Bezirk] Rostock, sind die Bauern über die Anordnung des Kreisrates, nur an Nachmittagen zu dreschen, empört. Sie sagen: »Am Nachmittag fahren wir Getreide ein und haben keine Zeit zum Dreschen.«

In der LPG Demmin, [Bezirk] Magdeburg,14 sagte der Instrukteur der FDJ den Jugendlichen, dass sie nur 40 Stunden in der Woche arbeiten brauchen. Seitdem halten die Jugendlichen die 40-Stunden-Woche ein und gehen nach Feierabend zu Großbauern für 2,00 DM die Stunde arbeiten, obwohl die LPG diese Kräfte selbst dringend benötigt.

Im Zusammenhang mit den Anbauplänen und der Sollablieferung fordern Bauern, besonders aber Großbauern, immer wieder die »freie Wirtschaft«. Ein Großbauer aus Dollgow, [Bezirk] Potsdam, sagte hierzu: »Freie Wirtschaft ist ›freie Wirtschaft‹ und man muss anbauen können, was am meisten Geld einbringt.« Ein Großbauer aus Glambeck, [Bezirk] Potsdam: »Man soll Kulturen anbauen, die man noch nie angebaut hat. Man spricht immer von Fehlermachen und schon wieder werden neue Fehler gemacht.«

Schweinepest

Seit dem 10.8.1954 ist im Kreis Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, in zwei weiteren Orten die Schweinepest aufgetreten, z. B. in der LPG Seuna15 und der Gemeinde Wolferbütt. Nach Feststellung des Kreistierarztes und des Bezirkstierarztes ist dies darauf zurückzuführen, dass die Schweinepest durch Wildschweine übertragen wurde. Der Kreistierarzt hat bei zwei Wildschweinen einwandfrei die Schweinepest festgestellt.

Maul- und Klauenseuche wurde in der LPG Dimmitroff,16 [Bezirk] Halle, festgestellt. Von der Seuche sind 44 Stück Rindvieh befallen. Schutzmaßnahmen wurden eingeleitet.

Übrige Bevölkerung

Über politische Tagesfragen wird unter der übrigen Bevölkerung nur wenig diskutiert. Zur Volkswahl im Oktober wurden uns nur vereinzelt Diskussionen bekannt. Ganz vereinzelt hofft man im Zusammenhang mit der Volkskammerwahl auf eine Preissenkung. Aus Erfurt wurden uns Diskussionen bekannt, wonach man die Ansicht vertritt, dass noch vor den Wahlen eine Preissenkung kommen muss. In den negativen Diskussionen nimmt man gegen die Aufstellung von Kandidaten der Massenorganisationen Stellung. Der Bürgermeister aus Sangerhausen, Mitglied der LDPD, brachte in einer Mitgliederversammlung zum Ausdruck, dass es nicht richtig wäre, wenn man bei der Volkswahl auch Kandidaten von den Massenorganisationen aufstellt. Denn die Macht im Staate würde doch von der Partei verkörpert. Daraufhin äußerte ein Mitglied der LDPD aus Oberröblingen, dass dies nur gemacht würde, damit die SED die Mehrheit hat.17 Denn die anderen Parteien hätten sowieso nichts zu melden.

Zur Rechenschaftslegung der Abgeordneten im Zuge der Vorbereitung für die Volkswahl werden nur ganz selten Diskussionen bekannt.18

In einer Wählerversammlung in Zeulenroda, [Bezirk] Gera, waren nur wenige Personen anwesend, meistens waren es Funktionäre aus den Verwaltungen und Betrieben. Unter den Anwesenden waren nur sehr wenig Produktionsarbeiter. Einige parteilose Kollegen des VEB Möbelwerk in Zeulenroda äußerten sich wie folgt: »Es kann uns wenig interessieren, von was der Volkskammerabgeordnete spricht. Die Hauptsache ist, dass sich die Regierungen von Ost und West bald einig werden, damit wir wieder ein ganzes Deutschland haben. Es ist ja zwecklos, die Versammlungen zu besuchen, wir haben ja doch nichts zu sagen.«

Aus dem Bezirk Frankfurt/Oder wurden ganz vereinzelt Diskussionen zur Erklärung der Frau Knospe, deren Mann Agent der Gehlen-Organisation war und verurteilt ist, bekannt.19 Dabei kommt teilweise zum Ausdruck, dass die Regierung der DDR sehr großzügig war. Man vertritt auch die Meinung, dass es von der Frau schlecht war, dem eigenen Mann in den Rücken zu fallen.

Eine Angestellte aus Frankfurt/Oder: »Unsere Regierung hat sehr anständig an dieser Frau gehandelt, denn sie hätte verdient, dass sie eingesperrt wird. Nach dem Artikel will sie ja eingesehen haben.«

Eine Hausfrau aus Frankfurt/Oder: »Diese Frau Knospe ist nicht das Anspucken wert, man kann doch dem eigenen Mann nicht in den Rücken fallen. Sie wusste doch schon länger davon.«

Ein Kaufmann aus Halle äußerte sich, als man ihn nach den Geschäften befragte, wie folgt: »Gehen sie mir fort, wir haben doch nichts zu verkaufen. Alles, was die DHZ oder HO und Konsum übrig lässt, dürfen wir verkaufen und den Erlös beim Finanzamt abliefern. Keinen Käse, keinen Tee, keine Zigaretten sind zu haben, und das nennt sich höherer Lebensstandard.«

Organisierte Feindtätigkeiten

Hetzschriftenverteilung

SPD-Ostbüro:20 Gera 15 000, Rostock 5 000, Dresden 8, Neubrandenburg 280, Erfurt 50.

KgU:21 Karl-Marx-Stadt 15 000, Dresden 6, Potsdam 3 000.

UFJ:22 Gera 12, Potsdam 30.

NTS:23 Rostock 70, Halle 27, Dresden 53, Frankfurt 500, Potsdam 4 500.

Versch[iedener] Art: Dresden 230, Potsdam 13 300.

»Der Tag«24: Frankfurt 3 000.

Die Hetzschriften wurden in den meisten Fällen sichergestellt und gelangten nicht in die Hände der Bevölkerung.

Diversionen: In einem Dreschsatz der MTS-Außenstelle Beetz in Ludwigsaue, Kreis Oranienburg, [Bezirk] Potsdam, wurde eine Isolierpuppe eines Lichtmastes gefunden.

Am 7.8.1954 entwendeten unbekannte Täter ein gummibereiftes Erdrad von einem Mähbinder der MTS Fröhden, Kreis Jüterborg, [Bezirk] Potsdam.

Vermutliche Feindtätigkeit

Ein Werkleiter aus Görlitz, [Bezirk] Dresden, wird in einem Brief aus Schweden, Abs[ender] »Dozent Dr. Ingenieur [Vorname Name], Stockholm«, aufgefordert, zur Vervollständigung eines herauszugebenden Buches Abbildungen und Klischees der neuesten Konstruktion von Maschinen und Geräten zu schicken. Gleichzeitig sollen kurze Darlegungen über Konstruktionsvorteile von Spezialmaschinen beiliegen.

In den letzten zwei Tagen hatten die Traktoren der MTS Damme, Kreis Rathenow, [Bezirk] Potsdam, jedes Mal kurz vor ihrem Einsatz auf den Feldern insgesamt sechs Reifenpannen. Die Traktoren sind vor ihren Einsätzen auf den Höfen der LPG abgestellt.

Einschätzung der Situation

Die in geringem Umfang über aktuelle politische Probleme geführten Diskussionen sind überwiegend positiv.

Gegner und von der feindlichen Propaganda beeinflusste Kreise argumentieren hauptsächlich gegen die Volkswahlen; zu anderen politischen Fragen nehmen sie nur vereinzelt Stellung.

Unzufriedenheit wegen Lohn- und ähnlichen Fragen treten in letzter Zeit in verschiedenen Betrieben etwas mehr in Erscheinung.

Die verschiedenartigen Mängel in Handel und Versorgung beschränken sich meist auf einige Kreise und zum Teil auf einzelne Bezirke.

Die Feindtätigkeit in der Landwirtschaft, besonders Diversionen, hält weiter an.

Anlage 1 vom 12. August 1954 zum Informationsdienst Nr. 2285

Auswertung von Hetzschriften

Hetzschriften des SPD-Ostbüro

Versuchte Beeinflussung der Arbeiter der volkseigenen Industrie

Die von dem SPD-Ostbüro herausgegebene »Tribüne«,25 welche mit der Post an einen unbestimmten Personenkreis versandt wird, bringt immer wieder Artikel über »Maßnahmen zur Ausbeutung der Arbeiter« in der DDR. In der letzten Hetzschrift beschäftigt sie sich unter der Überschrift »Ulbricht26 plant Normenerhöhungen über die Hintertreppe der WLK« mit den Wirtschaftszweiglohngruppenkatalogen.27 Es heißt, dass die Arbeiter durch die WLK »zu erhöhten Leistungen getrieben werden, … da der Zweck ihrer Einführung die Erhöhung der individuellen Arbeitsleistung, also die Verstärkung der Ausbeutung« sei. Das Ostbüro der SPD will diese Hetze mit Ausführungen über die Festlegung der Merkmale der Lohngruppen beweisen, z. B. Fachprüfungen. Es heißt dann weiter, dass infolge der Ereignisse des 17. Juni 1953 bisher die 100-prozentige Einführung der WLK zurückgestellt sei und jetzt versucht würde, »die WLK sukzessive in den einzelnen Wirtschaftszweigen einzuführen«. Zum Schluss fordert das SPD-Ostbüro zum Widerstand auf, indem geschrieben wird: »Das neue Betrugsmanöver der SED, das nichts anderes als eine getarnte neue Normenerhöhung bedeutet, wird am Widerstand der Arbeiterschaft scheitern«.

In der gleichen Hetzschrift und gleichzeitig auf einem anderen Flugblatt beschäftigt sich das SPD-Ostbüro mit den Erfolgen unseres neuen Kurses.28 Die Hetze erfolgt in der üblichen Art mit der Feststellung, dass der neue Kurs keine Erfolge gebracht habe. Eine Zwischenüberschrift lautet z. B.: »Die gesamte Wirtschaft steuert einer Katastrophe zu«. Gleichzeitig wird die Theorie wieder aufgestellt, dass der neue Kurs durch die Arbeiter »erzwungen« worden sei und dass der 17. Juni [1953] damit im unmittelbaren Zusammenhang steht.

Das Flugblatt gibt eine Gegenüberstellung der angeblichen Lebenshaltungskosten in der DDR und in Westdeutschland und schließt mit der Hetze gegen die Produktion von Massenbedarfsgütern. Die Ausführungen dieses Flugblattes decken sich voll und ganz mit den hetzerischen Ausführungen der Westsender zu den gleichen Problemen.

Verleumdung des FDGB

Die Hetzschrift »Tribüne« nimmt auch zur Mitgliedschaft im FDGB Stellung und bezeichnet diese als »Zwang«, da Nichtmitglieder verschiedenen Repressalien ausgesetzt seien. Es wird aufgefordert, die Konfliktkommissionen der Betriebe anzurufen, »wenn jemand im Betrieb wegen seiner Nichtzugehörigkeit zum FDGB benachteiligt wird, … da eine unterschiedliche Behandlung der Nichtorganisierten durch die Gewerkschaften ein Verstoß gegen das ›Gesetz der Arbeit‹29 ist«.

Hetze gegen unsere Staatsorgane

Über die Arbeit der VP und des SfS hetzt das SPD-Ostbüro, dass zur »Bespitzelung der Betriebe … Beschattungskarteien« geschaffen würden. Versuchsweise würden diese Karteien erstmalig im Bezirk Cottbus eingeführt und alle negativen und positiven Punkte der Betriebe in ihr erfasst.

Hetzschriften der KgU

Beeinflussung der Landbevölkerung

Die Bewohner von Reesdorf, Kreis Loburg, [Bezirk] Magdeburg, werden mit Schreiben der KgU – Land Sachsen-Anhalt aufgefordert, ihr Ablieferungssoll nicht vorfristig zu erfüllen, da sie dadurch zu »Antreibern anderen Gemeinden gegenüber« würden. Gleichzeitig sollen sie bei den Erfassungen auf die Schwierigkeiten infolge der Witterung usw. hinweisen, um eine Minderung des Solls zu erreichen.

Mit der Anschrift an einen Großbauern »Weindorf,30 Späningen, Kreis Calbe/Milde« werden von der gleichen Feindzentrale weitere Hetzbriefe an Bauern gesandt, in denen geraten wird, »die Vorteile, die man Ihnen zurzeit gnädigst zukommen lässt, in jeder Beziehung auszunutzen«. Es heißt dann weiter, dass der neue Kurs nicht von langer Dauer sei, und der Bauer sich vorbereiten soll, noch einen möglichst großen Gewinn zu behalten, »wenn der Hof einmal der sogenannten Sozialisierung unterliegt«. Auch hier wird wieder gefordert, auf die Missstände hinzuweisen, was Erfolg verspräche, da sich unsere Regierung zzt. »davor hüte, noch mehr landwirtschaftliche Fachkräfte zur Republikflucht zu treiben«.

Bürgermeister werden von der KgU aufgefordert, die Kommissionen zur Feststellung der Hochwasserschäden anzuhalten,31 alle Schäden vollständig zu erfassen, damit unsere Regierung »von dem unerhörten Ausmaß der Not« erfahre.

Hetzschriften des »UFJ«

Hetze gegen die Hochschularbeit

Der UFJ versendet Hetzschriften »An die Professoren und die akademische Jugend Mitteldeutschlands«, in denen grobe Beleidigungen gegen unsere Hochschulen und Universitäten ausgesprochen werden. Unter anderem werden diese als »Zuchtinstitute der kommunistischen Ideologie und des Funktionärnachwuchses« bezeichnet. Gleichzeitig wird aber versucht, zu beweisen, dass unsere Partei an einigen Hochschulen keinen großen Einfluss besitzt, da zahlreiche Professoren Widerstand leisten. Sie würden sich nur von ihren wissenschaftlichen Grundsätzen leiten lassen, im »vertrauten Kreise regelmäßig Sitzungen durchführen«, in politischen Prozessen ihre Verbundenheit mit den angeklagten Studenten zum Ausdruck bringen und durch rechtzeitiges Warnen Professoren und Studenten zur Flucht verhelfen.

Das Flugblatt schließt mit Drohungen gegen Professoren und Dozenten der Humboldt-Universität, Karl-Marx-Universität Leipzig, Technischen Hochschule Dresden, Universität Halle – u. a. gegen Prof. Dr. Steiniger.32

Aufforderung zur Missachtung unserer Justiz

In einer für den Bezirk Magdeburg herausgegebenen Hetzschrift des UFJ werden u. a. »Hinweise für Rechtssuchende« gegeben. Die Notare des Staatlichen Notariats werden als unfähig und politisch beeinflusst bezeichnet und es wird aufgefordert, sich an die freien Notare zu wenden, »solange diese noch zugelassen und nicht von der Justizverwaltung beseitigt sind«.

Anlage 2 vom 12. August 1954 zum Informationsdienst Nr. 2285

Anhang zur Industrie und Landwirtschaft

Materialmangel – Industrie

Im VEB Kalikombinat »Ernst Thälmann« in Merkers, [Bezirk] Suhl, fehlen seit einiger Zeit Ersatzteile für Getriebe. Ebenfalls besteht ein Mangel an Nadelholzschwellen für die Grubenbahn.

Im VEB Walzengießerei Coswig, [Bezirk] Dresden, bestehen weiterhin Materialschwierigkeiten, was sich nachteilig auf die Produktion auswirkt. Außerdem besteht ein Auftragsmangel für die Schmiede und die Tischlerei dieses Betriebes.

Im Schlachthof Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, ist die Viehbelieferung ungenügend, wodurch in der Woche durchschnittlich nur zwei Tage produktiv gearbeitet werden [sic!].

Arbeitskräftemangel – Industrie

Im VEB Textima Wittenberge fehlen ca. 500 Arbeitskräfte.

In der Elbewerft Boizenburg, [Bezirk] Schwerin, besteht ein Mangel an Facharbeitern aller Berufe. Beim Kreisbauhof Hagenow, [Bezirk] Schwerin, fehlen viele Fach- und Hilfsarbeiter. Eine Ursache hierfür ist die geringe Bezahlung gegenüber anderen Betrieben.

Im Martinwerk I des Stahlwerkes Riesa, [Bezirk] Dresden, fehlen Arbeitskräfte, da ca. 18 Arbeiter, meistens Schmelzer, gekündigt haben.

Im VEB Kreisbaubetrieb Dipoldiswalde, [Bezirk] Dresden, fehlt es an Arbeitskräften, viele Arbeiter kündigen und zur Bau-Union nach Dresden gehen. [sic!] Dort wird nach einer höheren Ortsklasse entlohnt.33

Produktionsrückgang besteht im Martinwerk I des Stahlwerkes Riesa in der Stahlproduktion, wodurch der Monatslohn der Arbeiter sinkt. Die Ursachen hierfür sind noch nicht festgestellt.

Materialmangel – Landwirtschaft

In der MTS Döberitz, [Bezirk] Magdeburg,34 fehlen Ketten für Binder. Die gelieferten Ketten halten alle nur ca. 30 bis 35 ha aus, sodass ein großer Bedarf an diesen Ketten vorhanden ist, der im Augenblick nicht gedeckt werden kann.

Anlage 3 vom 12. August 1954 zum Informationsdienst Nr. 2285

Schwierigkeiten, die in verschiedenen Berliner Betrieben aus verschiedenen Gründen auftraten

Dem Leiter der Abteilung Massenbedarfsgüter beim VEB Bergmann-Borsig ist es unverständlich, wie sich die Betriebsleitung vorstellt, für 4 Millionen [DM] Massenbedarfsgüter zu produzieren. Als großer Mangel wird von ihm aufgezeigt, dass keine zentrale Lenkung der Produktion von Massenbedarfsgütern vorhanden ist. Der Abteilung Massenbedarfsgüter untersteht lediglich die Fertigung von Schlitt- und Rollschuhen. Die Herstellung anderer Artikel untersteht der jeweiligen Fertigungsabteilung. Neuerdings ist die Abteilung Massenbedarfsgüter der Abteilung Turbinenbau unterstellt worden und keine selbstständige Abteilung mehr. Durch diese Umorganisation wird die Arbeitsweise sehr erschwert.

Ein Mangel ist das Fehlen einer zentralen Leitung für die Herstellung von Massenbedarfsgütern. Von der Werkleitung z. B. ist geplant, einen elektrischen Rasierapparat zu fertigen. Die Verhandlungen bei der Werkleitung gehen bereits sechs Wochen. Der Verantwortliche für die Massenbedarfsgüterproduktion hat weder35 offiziell etwas davon erfahren, noch ist er nach seiner Meinung hierüber gefragt worden, er hätte sonst darauf aufmerksam gemacht, dass es richtiger wäre, elektrische Rasierapparate in einem Werk für Feinmechanik herzustellen. Für die Verwaltung der Materialien, die für die Produktion von Massenbedarfsgütern bestimmt sind (Tausende von Einzelteilen), ist trotz mehrfacher Mahnung noch kein Kollege eingesetzt worden.

Im VEB EAW »J. W. Stalin«36 bereitet die Herstellung von Lichtmaschinen Schwierigkeiten, da die Fa. Lutke Berlin-Hohenschönhausen37 zum Teil unbrauchbare oder fehlerhafte Anker liefert.

Bei der Herstellung von Massenbedarfsgütern im Berliner Bremsenwerk sind Schwierigkeiten dadurch aufgetreten, dass es an Spezialwerkzeugen für die Lederverarbeitung mangelt und diese in der DDR nur schwer zu erhalten sind. Vor Aufnahme der Produktion wurde versäumt, die Einzelteile (Muster) auf ihre Passfähigkeit zu überprüfen. So konnte es geschehen, dass die Produktion für die Fototaschen »Perfekta«, die im Preis auf DM 6,00 kommen sollten, bedeutend teurer wird. Die im Plan aufgenommenen Fahrradanhänger sollten im September zur Auslieferung kommen. Dem Betrieb war es jedoch noch nicht möglich, die Herstellung zu beginnen, da neun Wochen auf die Bestätigung durch die Abnahmekommission gewartet werden musste. Dadurch konnten die benötigten Materialien nicht rechtzeitig genug bestellt werden.

Die im Transformatorenwerk »Karl Liebknecht« Oberschöneweide, Berlin bisher hergestellten kleinen Transformatoren sollten künftig in Dresden und Reichenbach/Vogtland hergestellt werden. Als Grund wird angegeben, dass diese Gebiete ungenügende Arbeitsaufträge haben. Der Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung im Transformatorenwerk Oberschöneweide [TRO] äußerte hierzu, dass es besser wäre, wenn Kleintrafos weiterhin beim TRO hergestellt werden, da sie aus Abfällen der Großtransformatoren hergestellt werden können und der Transport des Materials nach Dresden unrentabel wird.

Von den Kollegen der Baustelle Bersarinplatz (VEB Hochbau) wird darüber Klage geführt, dass die Arbeitsaufträge erst nach Beendigung der Arbeiten ausgehändigt werden. Beanstandet wird, dass der Betriebsleiter und der Arbeitsdirektor sich nur dann auf der Baustelle sehen lassen, »wenn etwas nicht mehr weitergeht«. Ein schlechter Kontakt besteht auch zwischen den Kollegen und ihrer BGL, da sich diese ebenfalls sehr selten auf der Baustelle sehen lässt.

Aus dem VEB Funkwerk Köpenick gehen leitende Kollegen auf Urlaub, ohne Rücksicht auf den ordnungsgemäßen Arbeitsablauf zu nehmen. Zum Teil können dadurch die vorbereitenden Arbeiten für den Plan 1955 nicht ordentlich durchgeführt werden. Es wird besonders auf die Urlaubseinteilung der Abteilung Konstruktionsbüro verwiesen, wo Zeichnungen nicht mehr fristgemäß fertiggestellt werden können.

Anlage 4 vom 12. August 1954 zum Informationsdienst Nr. 2285

Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften

Verschiedentlich wird von den Genossenschaftsbauern, wie z. B. in Wolmirstedt, [Bezirk] Magdeburg, darüber geklagt, dass sie in Krankenfällen bei Arbeitsunfähigkeit kein Krankengeld erhalten, weil diese Einrichtung wahrscheinlich in den LPG vergessen wurde. Die Genossenschaftsbauern bringen zum Ausdruck, dass man diese Einrichtung auch in den LPG durch Einführung der Sozialversicherungsbeiträge schaffen soll, damit sie ebenfalls ein Recht auf Krankengeld bekommen.

Einigen LPG fehlt das Material für notwendige Bauten, z. B.: Die LPG Niedermützkow, [Bezirk] Rostock, bemüht sich schon seit Langem, einen Schweinestall zu bauen. Dieser Versuch ist jedoch immer wieder am Fehlen des Bauholzes gescheitert. Demzufolge liegt der größte Teil der Schweine draußen im Dreck. Der augenblickliche Bestand beträgt 188 Stück und die Stallungen reichen bei Weitem nicht aus. Dadurch kann die LPG auch die abgeschlossenen Mastverträge nicht einhalten, obwohl sie über genügend Futter verfügt. Wenn bis zum Winter keine Abhilfe geschaffen wird, entsteht der LPG ein Schaden von 60 000 DM, weil dann die LPG gezwungen sein wird, einen großen Teil des Schweinebestandes abzuschaffen.

Einige LPG werden von den LPG-Vorsitzenden schlecht geleitet, z. B. die LPG Steumern,38 [Bezirk] Magdeburg. Der Vorsitzende dieser LPG hat entgegen dem Anbauplan 71 ha Getreide mehr angebaut, was sich jetzt auf das Fehlen der Kartoffeln und des Gemüses auswirkt. Der Viehhalteplan wurde ebenfalls nicht eingehalten, sodass jetzt 200 Schweine fehlen. Den mit dem Kreiskontor abgeschlossenen Vertrag über 88 Läuferschweine konnte er daher nicht einhalten. Außerdem gab er Futtermittel und Ferkel an fremde Personen ab, wofür bis zum heutigen Tag die Bezahlung noch aussteht.

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