Zur Beurteilung der Situation
6. Juni 1954
Informationsdienst Nr. 2227 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Die Diskussionen über die Volksbefragung1 haben sich gegenüber dem Vortage nicht verändert. Negative Diskussionen wurden in verschiedenen Betrieben durch HO-Fleischmangel ausgelöst. Ein Arbeiter aus dem VEB Schott Jena, [Bezirk] Gera, führt den HO-Fleischmangel auf das II. Deutschlandtreffen zurück.2 Ein Arbeiter aus dem VEB Zellwolle Wittenberge, [Bezirk] Schwerin: »Der bestehende Mangel an HO-Fleisch zeigt, dass die Regierung niemals in der Lage ist, die Lebenslage der Werktätigen zu verbessern.«
In verschiedenen Betrieben nehmen feindliche Elemente die bestehenden Mängel zum Anlass, um die Arbeiter zu beeinflussen und sie für eine erneute Provokation zum 17. Juni [1954] zu gewinnen. Ein Arbeiter aus dem Phänomenwerk Bautzen, [Bezirk] Dresden: »Die sollen es ruhig so weitertreiben, denn der 17.6.[1954] ist ja nicht mehr weit.« Ein anderer Arbeiter aus demselben Betrieb: »So kann es nicht mehr weitergehen. Wenn noch einmal ein 17. [Juni] kommt, ist es nicht mehr aufzuhalten. Dies ist auch die Meinung anderer Kollegen.«
Ein Arbeiter aus dem Waggonbau Görlitz, [Bezirk] Dresden: »Man scheint sehr viel Furcht zu haben vor dem 17.6.[1954], sonst würde man nicht in jeder Versammlung davon sprechen.«
Ein leitender Angestellter der Glashütte Schönborn, [Bezirk] Cottbus: »Der 17.6.[1953] kommt wieder. Man darf ja hier nichts sagen, sonst wird man abgeholt.«
Ein Eisenbahner aus Cottbus: »Ihr mit eurem Bürokratismus werdet solange machen, bis ein neuer 17. Juni kommt.« (Er äußerte dies zum Pförtner des Kreisrates.)
Missstimmungen wurden uns aus verschiedenen Betrieben bekannt, die ihre Ursachen in Norm- und Lohnfragen sowie im Materialmangel haben.
Im Hydrierwerk Zeitz erheben seit etwa drei Wochen in der Hauptwerkstatt 36 Kollegen die Forderung, in eine höhere Lohnstufe zu kommen. Vor allen Dingen wurde die Forderung von den Drehern und den Arbeitern im Hochdruck-Prüfraum in der Brigade Wolf erhoben. Ein Kollege äußerte in diesem Zusammenhang: »Mit den Normen ist es dasselbe wie vor dem 17.6.1953.«
Im Betrieb TEWA, Kreis Weißenfels,3 [Bezirk] Halle, wird für einen bestimmten Personenkreis das Fahr- und Wegegeld nicht mehr zurückerstattet. Diese Anweisung der Abteilung Arbeit beim Rat des Kreises hat eine große Missstimmung hervorgerufen. Diese Anweisung wurde von der BGL dieses Betriebes nicht unterschrieben. Zwei Kollegen haben bereits gekündigt.
Gedrückte Stimmung herrscht unter den Intelligenzlern der Rathenower Optischen Werke, [Bezirk] Potsdam. Dies ist wahrscheinlich auf die Verhaftung einiger verantwortlichen Angestellten zurückzuführen.4
In verschiedenen Betrieben werden Entlassungen durchgeführt, die eine schlechte Stimmung unter den Arbeitern auslösen.
In der Energie-Versorgung Halle soll eine Reorganisation durchgeführt werden. Die Energieverteilung Halle, das Kraftwerk »Rudolf Breitscheid« [Halle], die Energieverteilung Bitterfeld (Sitz Halle) und das Kraftwerk »Karl Liebknecht« Bitterfeld sollen zusammengelegt werden. Am 15.6.[1954] werden die ersten Kündigungen ausgesprochen. Aufgrund dieser Maßnahme herrscht eine Unruhe unter den Angestellten, weil niemand weiß, wer entlassen – und wer umbesetzt wird.
60 Kollegen der Bau-Union Frankfurt/Oder, Sitz Stalinstadt, sollen gekündigt werden. Diese Entlassungen wurden vom Arbeitsdirektor veranlasst. Nur ein BGL-Mitglied gab die Zustimmung, da ein Arbeitskräftemangel vorliegt. Der Arbeitsdirektor berief sich auf eine Verordnung vom 20.12.1951 zur Senkung der Lohnkosten in der Bauindustrie.5 Diese Entlassungen konnten durch die Partei verhindert werden.
In dem VEB Berger Süßwarenfabrik in Pößneck, [Bezirk] Gera, wurden 60 Kollegen und Kolleginnen entlassen. Weitere sind noch vorgesehen. Die Entlassungen wurden damit begründet, dass der Jahresplan in seinen Auflagen um 300 t herabgesetzt worden ist.
Materialschwierigkeiten
Im Treuhandbetrieb Reißverschlussfabrik Hellendorf,6 [Bezirk] Dresden, ist eine sehr schlechte Belieferung von Material zu verzeichnen. Das Material ist zu spröde und kann teilweise nicht verwendet werden. Außerdem mangelt es an Fachkräften, es besteht die Gefahr, dass der Betrieb seinen Jahresplan nicht erfüllt.
Auf der Volkswerft Stralsund, [Bezirk] Rostock, mussten am 5.6.1954 wieder 400 Wartestunden geschrieben werden. Die Stimmung der Arbeiter ist schlecht.
Im Feinstrumpfwerk Oberlungwitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, stehen bereits 42 Perlonmaschinen still. In der Baumwollspinnerei Flöha können aufgrund von Arbeitskräftemangel gegenwärtig 92 Maschinen nicht bedient werden.
Produktionsstörung
In dem VEB OGEMA Magdeburg (Konservenfabrik) war ein Dachstuhlbrand. Der Dachstuhl des Produktionsgebäudes brannte ab, dort lagerten Kartonagen und ca. 2 t Bienenhonig. Der Schaden beträgt ca. 45 000 DM.
Erkrankungen
Im Stahlwerk Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, erkrankten 200 Kollegen an Übelkeit, Erbrechen und Schwindelanfällen. Hervorgerufen wurden diese Erscheinungen durch den Genuss des Werkessens am 2.6.1954 (Frikassee, welches aus gesalzenem Schweinefleisch hergestellt wurde und beim Privatfleischer gekauft wurde). Die Untersuchungen werden vom Bezirkshygieneinstitut durchgeführt. Arbeitsausfall entstand nicht.
Handel und Versorgung
Weiterhin besteht ein Mangel an HO-Fleischwaren in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, einschließlich Wismutgebiet,7 Cottbus, Schwerin und in den Kreisen Dessau, Wittenberg, Zeitz, Eisleben des Bezirkes Halle. Im Bezirk Suhl ist eine Besserung eingetreten.
Im Bad Klosterlausnitz, [Bezirk] Gera, lagern ca. 1 000 Konservenbüchsen mit Rind- und Schweinefleisch. Davon sind ca. 20 Prozent verdorben – mussten bis Juni 1953 verbraucht sein. (Es handelt sich um 400 g Büchsen.)
Im Schlachthof Bautzen, [Bezirk] Dresden, lagern seit vier Monaten 25 t Speck (außer der ständigen Reserve). Der Schlachthof ist nicht in der Lage, neuanfallenden Speck zu lagern, da es an Räumlichkeiten fehlt.
Landwirtschaft
Nach wie vor werden unter der Landbevölkerung wenige Diskussionen über aktuelle politische Probleme geführt, meist wird dazu nur in den Kreisen des sozialistischen Sektors Stellung genommen. Die gering bekannt gewordenen Stimmen zur Volksbefragung sind überwiegend positiv. Eine Genossenschaftsbäuerin aus dem MTS-Bereich Schrenz, [Bezirk] Halle: »Ich erwarte durch die Volksbefragung, dass sich der Kampf gegen den EVG-Vertrag8 gewaltig verstärken wird und dass wir schneller zur Einheit Deutschlands kommen.«
Die vereinzelt bekannt gewordenen negativen Stimmen sind meist von Einzelbauern. Ein Bauer aus Mellenthin, [Bezirk] Rostock: »… Der IV. Parteitag,9 die Volksbefragung und überhaupt die Politik der SED ist alles Mist.« Ein Mittelbauer aus dem Kreis Gera: »Was soll man groß über die Volksbefragung sprechen. Die oben machen ja doch was sie wollen und wir Kleinen müssen doch mitmachen.«
Das Interesse für wirtschaftliche und persönliche Belange ist bei Weitem stärker als das Interesse für politische Dinge. Aus dem Bezirk Cottbus wird berichtet, dass öfters die BHG sehr unterschiedlich mit Futtermitteln beliefert werden. Während z. B. die BHG Heinersbrück und Klein Kölzig über keine Futtermittel verfügen, werden die Bauern von der BHG Forst regelmäßig beliefert und darüber hinaus wird unberechtigterweise hochwertiges Kleiemehl zentnerweise ausgegeben.
In der BHG in Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ist ein starker Kornkäferbefall zu verzeichnen. Die Käfer wurden vermutlich durch Hafer, welcher aus anderen Kreisen angeliefert wurde, eingeschleust. (Die BHG wurde geschlossen, damit mit der sofortigen Bekämpfung begonnen werden kann.)
Im Kreis Lobenstein, [Bezirk] Gera, klagen die Bauern über eine starke Wildschweinplage. Dadurch werden große Schäden angerichtet. Trotz des eingesetzten Jagdkommandos der VP10 kann dieser Plage nicht Einhalt geboten werden. Die Bauern vertreten die Meinung, dass es möglich sein müsste, Genossen der SED einige Jagdflinten in ständigen Besitz zu geben, damit in den Gemeinden von den Bauern selbst etwas gegen diese Plage unternommen werden kann.
Im Bezirk Leipzig treten in letzter Zeit die Großbauern etwas stärker mit negativen Äußerungen gegen die LPG in Erscheinung. Zum Beispiel erklärte ein Großbauer aus Zinna: »So lange wie die LPG-Bauern da sind, wird es nicht anders. Die gesamte Generation muss ausgerottet werden. Mit den LPG-Bauern stelle ich mich nicht auf eine Stufe. Wenn ich so ein Soll hätte wie die, würde ich dem Staat beweisen, dass man liefern kann.«
Übrige Bevölkerung
Weiterhin ist zu verzeichnen, dass unter der übrigen Bevölkerung wenig zu politischen Tagesfragen Stellung genommen wird. Der Umfang der Stimmen zur Volksbefragung ist noch immer gering, aber überwiegend positiv. In den positiven Stellungnahmen wird die Volksbefragung begrüßt und in diesem Zusammenhang spricht man sich gegen den EVG-Vertrag aus und für die Erhaltung des Friedens.
In den vereinzelt bekannt gewordenen negativen Stimmen wird meist zum Ausdruck gebracht, da sowieso alle für den Frieden sind, die Volksbefragung zwecklos sei und zum anderen, dass sich der Westen sowieso nicht nach dem Ergebnis richtet. Ein Kohlenhändler aus Möser, [Bezirk] Magdeburg: »Das Geld für den ganzen Rummel kann die Regierung sich sparen. Diese Westdeutschen lachen nur darüber.« Ein Milchhändler, ebenfalls aus Möser: »Weshalb machen wir eigentlich diese Abstimmung? Die Antwort darauf ist doch schon vorneweg klar. Der Westen richtet sich sowieso nicht nach unserer Volksbefragung. Demnach ist sie zwecklos.«
Vorwiegend besteht das Interesse für wirtschaftliche und persönliche Belange, deshalb wird mehr über diese Fragen gesprochen. Stimmen über die HO-Fleischversorgung wurden nur aus dem Bezirk Frankfurt und aus dem Wismutgebiet bekannt. Eine Hausfrau aus Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt: »Es ist ärgerlich, dass es wegen dem Deutschlandtreffen kein Fleisch und keinen Kaffee in der HO gibt. Es ist schlecht, dass man der Bevölkerung in der DDR wegen dem Pfingsttreffen den Brotkorb höherhängt.«
In einigen Kreisen des Bezirkes Halle herrscht unter dem Verkaufspersonal der Konsumgenossenschaft Unzufriedenheit wegen der niedrigen Bezahlung. Aus diesem Grunde wechseln viele qualifizierte Kräfte in die Industrie über, sodass in vielen Verkaufsstellen nur mit ungelernten Kräften gearbeitet werden muss. Die gleichen Erscheinungen sind unter dem Personal der Sanatorien und Heime der SVK im Bezirk Dresden zu verzeichnen. Mitunter ist die Fluktuation so stark, dass die Frage steht, Heime oder Sanatorien zu schließen, wie z. B. das Sanatorium Gottleuba und das Sanatorium »Raupennest« in Altenberg.11
Vereinzelt werden feindliche Stimmen bekannt, die mit einem neuen »17. Juni«, drohen, oder zum Ausdruck bringen, dass ein neuer »17. Juni« bestimmt kommen wird. Eine Verkäuferin aus Magdeburg: »… Der 17. Juni kommt wieder. Er braucht nicht an dem Tage wiederkehren, aber er kommt bestimmt.«
Eine Jugendliche aus Genthin, [Bezirk] Magdeburg: »… Der kommende 17. Juni wird schlimmer als der letzte.« In Magdeburg äußerten einige Jugendliche: »… die wollen doch am 17. Juni [1954] einen Trauermarsch veranstalten.«
In einer HO-Verkaufsstelle in Schwerin äußerten zwei Personen, als die Verkäuferin mitteilte, dass es keine HO-Butter gibt: »Na, es werden bald andere Zeiten kommen.«
Auf einer Delegiertenversammlung der Konsumgenossenschaft in Schönebeck, [Bezirk] Magdeburg, erklärte eine Frau, dass sie vor Kurzem besuchsweise in Westdeutschland war und dass sie bei Unterhaltungen festgestellt hat, dass die Meinung vertreten wird, dass der 17. Juni 1953 verfrüht war, und dass er sich bestimmt wiederholen würde, denn der Zustand in der DDR wäre zurzeit untragbar.
Organisierte Feindtätigkeit
SPD-Ostbüro:12 Karl-Marx-Stadt 1 250, Potsdam 215.
In tschechischer Schrift: Karl-Marx-Stadt 608, Dresden 200.
NTS:13 Karl-Marx-Stadt 11, Potsdam 600, Potsdam 12.
»Freie Junge Welt«:14 Magdeburg ca. 120, Potsdam 113.
KgU:15 Potsdam 178, Suhl 1 500.
CDU-Ostbüro: Potsdam 12.
Am 5.6.1954 wurden von der VP Potsdam ca. 4 000 Flugblätter mit der Aufschrift »Parteitag der Schwäche« des »Ostbüros der SPD« in den Wäldern von Rädel in Richtung Brück gefunden. Der überwiegende Teil der Hetzschriften wurde sichergestellt und gelangte nicht in die Hände der Bevölkerung.
In der Konsum-Bäckerei Renzow, [Bezirk] Schwerin, macht sich eine Bewegung zum »Langsamarbeiten« bemerkbar, was auf feindliche Beeinflussung zurückzuführen ist.
Ein gefälschtes Schreiben erhielten die VEB Öl- und Fettwerke »Hans Schellheimer« in Magdeburg. Darin werden sie aufgefordert, 500 kg Margarine an die Verwaltung der Pionierrepublik »Ernst Thälmann« in der Wuhlheide Berlin16 zu übersenden. Absender: Konsumgenossenschaft Berlin-Lichtenberg.
Der FDJ-Sekretär von der Bau-Union Cottbus erhielt am 5.6.1954 einen Anruf mit der Aufforderung, abends auf dem Wege nach Bärwalde zu erscheinen und wenn er nicht kommt, würde es ihm dreckig gehen. (Am gleichen Tag fand seine Schwester vor der Haustür einen Zettel, auf dem ihnen mit Mord gedroht wurde.)
Am 4.6.1954 wurde auf dem Gelände der Volkswerft Stralsund ein Hakenkreuz17 aus Blech gefunden. (Größe 100 × 100 cm – es ist mit einem Schneidbrenner aus einer Blechplatte geschnitten.)
Anlage vom 6. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2227
II. Deutschlandtreffen der FDJ
Zu der am 5.6.1954 stattgefundenen Eröffnungsveranstaltung des II. Deutschlandtreffens im Walter-Ulbricht-Stadion waren ca. 80 000 Personen anwesend. Beim Eintreffen der Vertreter der Regierung erhoben sich die Zuschauer von den Plätzen und spendeten lebhaft Beifall. Große Begeisterung rief das Tagesfeuerwerk hervor. Der überwiegende Teil der Anwesenden war darüber sehr erfreut, dass die an Fallschirmen befestigten Fahnen durch den Wind nach dem Westsektor abgetrieben wurden. Die vielseitigen sportlichen Darbietungen wurden ebenfalls sehr begeistert aufgenommen.
Über Mängel bei der Verpflegungsausgabe
Im Bezirk Friedrichshain und Lichtenberg fehlten am 5.6.1954 zum Transport der fertiggestellten Warmverpflegung die notwendigen Transportmittel.
In der Verpflegungsstelle 229, Schule Niederwallstraße, wurde durch den Konsum zu wenig Brot geliefert, wodurch 70 bis 80 Jugendfreunde kein Brot erhielten. Außerdem gibt es anstelle der versprochenen Brötchen zum Frühstück nur Schwarzbrot. Die Ursache des Brotmangels liegt darin, dass eine Privatbäckerei 7 000 bis 8 000 Brote nicht geliefert hat.
Nicht alle Bezirksbüros der FDJ sind informiert, wo und wann18 die Stärkemeldungen abzugeben sind. Dadurch wurde durch einige Großküchen Essen an Ausgabestellen geliefert, welches nicht verbraucht wurde. Dadurch sind bis jetzt ca. 1 000 Portionen verdorben.
Bei der Sportvereinigung Rotation blieben am 4.5.1954 vier Essenkübel mit Essen stehen, während 200 m weiter im Territorialsektor der Sportler 400 Freunde kein Essen erhielten.
Bei der SV Aufbau war das Essen nicht ausreichend. Ein Teil der Sportler musste am 4.5.[1954] ohne Verpflegung zur Probe gehen, da das Essen zu spät angeliefert wurde.
Bei der Kontrolle des Quartiers 15. und 16. Schule in der Dimitroffstraße 50, wo DRK-Helfer liegen, herrschte ein völliges Durcheinander und es wurde sehr negativ diskutiert. Unterstützt wurde diese Stimmung durch den für das Objekt verantwortlichen Einsatzleiter des DRK, der sich unter anderem weigerte, Kontrollposten am Eingang aufzustellen.
Beim Eintreffen von Jugendfreunden am 5.6.[1954] in der Lindenstraße (Köpenick), in der Berliner und Blankenburger Straße (Pankow) waren die Quartiere nicht mit Stroh versorgt.
Die bekannt gewordene Zahl der Jugendlichen, die den Westsektor bisher aufsuchten, ist gering. Bis zum 5.6.[1954] um 11.30 Uhr wurden von der VP 164 FDJler erfasst, die in Westberlin waren. Außerdem wurden noch einige wenige Fälle bekannt, wo FDJler die Westsektoren aufsuchten bzw. aufsuchen wollten.
In der Scharnhorststraße versuchen laufend FDJler nach den Westsektoren zu gelangen.
Aus Westberlin wird bekannt, dass bei der »Kontaktstelle« Nauener Platz am 4.6.[1954] ca. 40 Jugendliche aus dem demokratischen Sektor waren, von denen jedoch sehr wenig negativ diskutiert wurde.
Auf dem Bahnhof Gesundbrunnen befand sich am 5.6.[1954] eine Gruppe FDJler aus dem d-S.,19 die von der Stupo20 kontrolliert wurden, in Gruppen von 2 bis 3 Mann durften sie dann weitergehen, nachdem ihnen Hetzmaterial überreicht wurde.
Im Jugendheim Lochowdamm21 waren am 4.6.[1954] insgesamt 80 FDJler (nicht überprüft).
Organisierte Feindtätigkeit zum II. Deutschlandtreffen der FDJ
Über dem Walter-Ulbricht-Stadion gingen während der Eröffnungsveranstaltungen am 5.6.[1954] viele Flugblätter nieder, die zum großen Teil durch Raketen abgeschossen wurden.
Im S-Bahnzug von Wannsee nach Oranienburg wurden Hetzschriften: »Der Tag«22 sichergestellt (ca. 400 Stück).
In Berlin-Tempelhof, Bosestraße 6 befindet sich ein Auffanglager für FDJler.
In Berlin-Hagefeld, Reichsstraße23 befindet sich ein Lager ehemaliger Angehöriger der Volkspolizei. Diese erhielten von Westberlin je 5,00 W-Mark und 20,00 DM und sollen zu je 2 bis 3 Mann in dem demokratischen Sektor gehen und FDJler nach Westberlin locken.
In der Nacht vom 4. zum 5.6.1954, in der Zeit von 1.00 bis 2.00 Uhr traten in der Marie-Curie-Allee 64 im Bezirk Lichtenberg zwei Jugendliche in FDJ-Kleidung auf und gaben sich als Funktionäre aus. Sie gaben die Anweisung, dass die in diesem Haus untergebrachten Jugendlichen ein anderes Quartier beziehen sollten. Als die Jugendlichen in das besagte Quartier kamen, war es schon belegt.
Ein Lautsprecherwagen des DGB fordert an der Sektorengrenze die Jugendlichen auf, den DGB in Westberlin aufzusuchen. Außerdem sollen sie Berufsberatungsstellen in Zehlendorf, Charlottenburg und Berlin W 15 besuchen.
Am 4.6.1954 warfen in der Stalinallee drei Jugendliche einen Verkaufsstand um. Ein Täter wurde festgenommen.
In gefälschten Schreiben werden die Leiter von Jugendherbergen aufgefordert, spätestens am 8.6.[1954] um 10.00 Uhr bei der FDJ-Kreisleitung Berlin, Prenzlauer-Berg zu erscheinen, um westdeutsche Wandergruppen abzuholen. Absender: Zentralrat der FDJ.