Zur Beurteilung der Situation
19. Juni 1954
Informationsdienst Nr. 2239 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Mittelpunkt der nur im geringen Umfang geführten Diskussionen über politische Fragen steht weiterhin die Volksbefragung.1 Dabei sind im Inhalt und Umfang der Diskussionen gegenüber dem Vortage keine Veränderungen eingetreten. Zu den negativen Diskussionen, wovon nur ganz wenige bekannt wurden, werden folgende Beispiele angeführt.
In einer Versammlung am 16.6.[1954] der 1. Schicht des Stahlwerkes Brandenburg wurde über die Volksbefragung gesprochen. Die Anwesenden, meist Jugendliche, zeigten eine negative Einstellung dazu. Ein Jugendfreund z. B. erklärte: »Die Versammlung könnt ihr ruhig abbrechen, ich habe die Schnauze voll vom Agitieren.« Ein anderer Jugendfreund: »Wenn sie es bei der Volksbefragung genauso machen, wie bei den Wahlen 1950, dann ist das Betrug. Ich habe einen vollständig ausgefüllten Wahlzettel erhalten.«2
Ein Hilfsarbeiter aus der Stoffdruckerei Großenhain, [Bezirk] Dresden: »Wenn die Volksbefragung mit 90 Prozent für den Frieden entscheidet, muss der Russe abziehen. Die Amis brauchen nicht gehen, denn drüben wird ja keine Volksbefragung durchgeführt.«3
Ein Maurer von der Bau-Union Jena, beschäftigt in Ziegenrück, [Bezirk] Gera: »Die Volksbefragung ist eine gezwungene Sache. Wir müssen eben wählen. Sollen sie uns aber einmal wirklich freie Wahlen lassen, dann würden sie schon sehen, wie wir entscheiden.«
Massenerkrankungen: Im VEB Leuchtstoff Bad-Liebenstein, [Bezirk] Suhl, sind 25 Personen, im VEB Kammgarnspinnerei Bad-Liebenstein 100 Personen leicht erkrankt. Ursache: Verwenden schlechter Fleischkonserven beim Werkküchenessen. Die Konserven kamen aus der HO, vom Konsum und von Privathändlern.
Zu Missstimmungen kam es in einigen Betrieben wegen Norm- und Lohnfragen. Im VEB Holz-Halle in Langewiesen,4 [Bezirk] Suhl, wurde eine höhere Norm festgesetzt, die die Arbeiter nicht erfüllen können. Zu den Beschwerden der Arbeiter hierüber äußerte der TAN-Sachbearbeiter:5 »Wer seine Norm nicht erfüllt, fliegt aus dem Betrieb raus.« Dies rief im Betrieb und im Ort heftige Diskussionen hervor.
Auf einer Baustelle in Dresden herrscht Missstimmung unter den Kollegen, da sie der Meinung sind, dass die Normen zu hoch seien. Sie würden dadurch nur wenig Geld verdienen.
Im VEB Trusetal in Schmalkalden,6 [Bezirk] Suhl, können die Normen nicht erfüllt werden, da in letzter Zeit schlechtes Material geliefert wurde. Unter den Arbeitern herrscht darüber eine negative Stimmung.
Im VEB Gaselan,7 [Bezirk] Frankfurt/Oder, sind ein Teil der Arbeiterinnen darüber unzufrieden, dass sie monatlich ca. 200 DM verdienen, während Arbeiter in der gleichen Abteilung bedeutend mehr erhalten.
In den Abteilungen Materialverwertung und Stanzerei des VEB Fernmeldewerkes Arnstadt, [Bezirk] Erfurt, wurde die Schmutzzulage ohne Begründung gestrichen. Darüber herrscht Unzufriedenheit unter einem Teil der Arbeiter.
Produktionsschwierigkeiten entstanden in einigen Betrieben wegen Material- und Arbeitskräftemangel. Im VEB Kirow-Werk Leipzig fehlen Getriebe für die Fertigstellung der Kräne, die bis Ende Juni an die Sowjetunion geliefert werden sollen. Die terminmäßige Fertigstellung ist nicht garantiert.
Im Zinkweißwerk Bernsdorf, [Bezirk] Cottbus, mangelt es an Filterstoff, wodurch viel Zinkweiß verloren geht.
Am 17.6.[1954] fiel die Spaltanlage des Synthesewerkes Schwarzheide, [Bezirk] Cottbus, aus, da kein Teer vorhanden ist.
Im VEB Baumwollspinnerei in Mittweida und VEB Papierfabrik Dreiwerden, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, fehlen Arbeitskräfte. So stehen z. B. in der Spinnerei Mittweida fast täglich 50 bis 60 Maschinen still. Der Arbeitskräftemangel ist darauf zurückzuführen, dass viele weibliche Kollegen wegen der Nachtschicht gekündigt haben.
Im VEB Hazet-Maschinenfabrik Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, fehlen Facharbeiter, wodurch es zu größeren Produktionsstörungen kommt. Viele Dreher haben das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil in anderen Betrieben höhere Verdienstmöglichkeiten bestehen.
Produktionsstörungen
Am 18.6.[1954] brach im VEB Lackwarenfabrik Spindlersfeld in Berlin-Köpenick in der Lackleinkocherei ein Brand aus. Ursache: Das Lackleinöl stieg beim Erhitzen über den Kesselrand in einem Maße, wie es bisher noch nie der Fall war, schoss zur Erde und entzündete sich. Materialschaden: 3 000 DM. Das Öl, was aus Westdeutschland stammt, wird untersucht.
Am 17.6.1954 setzte im VEB Spritzgusswerk Harzgerode, [Bezirk] Halle, die Gaszufuhr für sieben Stunden aus, wodurch der gesamte Betrieb stilllag.
Handel und Versorgung
Schwierigkeiten in der Lebens- und Genussmittelversorgung:
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Potsdam: Im Kreis Pritzwalk fehlt es an billigem Frischfisch und Fischkonserven. In Pritzwalk, Rathenow und Gransee an Bohnenkaffee, der sehr gefragt ist.
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Rostock: Die bereits berichteten Mängel halten an. Ein besonderer Engpass sind zzt. Getränke.
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Suhl: Mangel an Rindfleisch und Hartwurst.
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Gera: Im Kreis Schleiz fehlt es an der sehr gefragten Zigarette »Turf«. Die Herstellerfirma Mahalesi in Gera8 hat Rohstoffmangel. Im Kreis Jena mangelt es an Haferflocken und Graupen. Vermutlich werden diese Lebensmittel von den Käufern für Futterzwecke verwendet.
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Magdeburg: Im Kreis Zerbst wurden am 17.6.1954 12 t Fleisch freigegeben und damit die Fleischversorgung für den Monat Juni sichergestellt.
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Halle: Im Kreis Zeitz fehlen in den Großbetrieben im HO und Konsum Getränke.
Schwierigkeiten in der Textilwaren- und Wirtschaftsartikelversorgung:
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Halle: In Zeitz fehlen in der HO und im Konsum Arbeitshemden, Kleiderträger und Kinderschürzen, Windeln, Wickeltücher, Unterlagen, Oberhemden (außer den Größen 43, 45, 54), bunte und bedruckte Sommerstoffe sowie Bett- und Haushaltwäsche. Die letzte Belieferung erfolgte vor einem viertel Jahr.
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Dresden: In der DHZ Elektrotechnik Görlitz lagern für 140 000 DM Leitungsmaterial und für 150 000 DM Rundfunkröhren. Die staatliche Plankommission gibt dieses Material nicht frei, obwohl die Nachfrage der Bevölkerung in den Elektrogeschäften sehr stark ist. Die Meinung der Bevölkerung ist, dass dies an Sabotage grenzt.
Landwirtschaft
Die Landbevölkerung diskutiert nur wenig über politische Tagesfragen. Zur Volksbefragung ist in den Bezirken Gera, Suhl und Frankfurt teilweise eine Besserung der Stimmung zu verzeichnen. Jedoch ist der Umfang der Diskussionen noch gering. Die meisten und positiven Stimmen kommen, wie bereits berichtet, aus dem sozialistischen Sektor. Dort wurden teilweise auch Verpflichtungen übernommen anlässlich der Volksbefragung. In den MTS Popperode, [Bezirk] Halle, in der LPG Cosa, [Bezirk] Halle, und in der LPG Gerswalde, [Bezirk] Neubrandenburg, verpflichteten sich die Belegschaften, bereits am 27.6.[1954] ihre Stimme zur Volksbefragung abzugeben.
Die Argumentation der negativen bzw. feindlichen Stimmen ist die gleiche geblieben. Sie ist im Verhältnis zu den positiven Meinungen gering. Ein Bauer aus Lauter, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sagte: »Es hat doch keinen Zweck, wo ich mein Kreuz9 mache, denn es werden doch sowieso wieder 99 Prozent. Wer kann mir garantieren, dass nicht irgendein Funktionär beim Wahlgang dahintersteht.«
Hinzu kommen vereinzelte Stimmen von den Umsiedlern, die die Volksbefragung mit der Oder-Neiße-Friedensgrenze in Verbindung bringen. Ein Umsiedler aus Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden: »Die uns aus unserer Heimat vertrieben haben, sollen uns erst wieder nach Hause lassen, dann gehe ich zur Volksbefragung. In den Potsdamer Beschlüssen steht etwas anderes, als dass, was man mit uns gemacht hat.«10
Vorwiegend befasst sich die Landbevölkerung mit wirtschaftlichen Fragen. Die Mitglieder der LPG Alt Plestlin, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerten: »Im Herbst dieses Jahres werden wir die LPG auflösen, wenn die Schwierigkeiten vonseiten des Rates des Kreises beim Bau des Schweinestalles nicht beseitigt werden.«
In der MTS Blesewitz, [Bezirk] Neubrandenburg, kann der Reparaturplan nicht erreicht und der Einsatz der Erntemaschinen nur zu 60 Prozent erfüllt werden, weil es an Kugellagern für sämtliche Traktoren-Typen fehlt.
Ein Vertreter des Mähbinderwerkes Zella-Mehlis,11 [Bezirk] Suhl, erklärte, dass die Mähbinder nur mit dem II. Gang gefahren werden dürfen. Unter den Traktoristen der MTS des Bezirkes Potsdam herrscht darüber Missstimmung, da sie dabei ihr Soll 8,85 ha nicht erreichen und nur 5 ha erfüllen und dass dadurch der Kraftstoffverbrauch höher und der Lohn geringer wird.
Übrige Bevölkerung
Die Diskussionen zur Volksbefragung haben gegenüber dem Vortage an Umfang zugenommen. Die bekannt gewordenen Stimmen sind meist positiv. Darin bringt man den Friedenswillen zum Ausdruck. Eine Hausfrau aus Karnitz, [Bezirk] Neubrandenburg: »Es liegt an jedem Einzelnen, ob der Friede erhalten bleibt oder nicht. Ich verpflichte mich, am 27.6.1954 gleich morgens meine Stimme für den Frieden abzugeben.«
Jedoch treten auch oft Diskussionen in kleinbürgerlichen Kreisen auf, dass die Volksbefragung keinen Zweck hat, da ja sowieso alle für den Frieden sind. Ein Einwohner aus Hohenstein-Ernsttal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt (LDPD): »Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Volksabstimmung überflüssig ist, da das Ergebnis von vornherein schon festliegt. Kein Mensch wird sich für den Krieg aussprechen.«
Ein Zahnarzt aus Falkenhain, [Bezirk] Leipzig: »Es ist überflüssig, eine Volksbefragung durchzuführen, denn es ist doch selbstverständlich, dass jeder Deutsche für den Frieden ist und für den Abzug der Besatzungstruppen.«
Aus dem Bezirk Erfurt wird uns bekannt, dass LDPD- und CDU-Mitglieder versuchen die Volksbefragung zu negieren. Ein Kreissekretär der LDPD aus Zimmern, [Bezirk] Erfurt: »Es ist doch egal, ob man zur Volksbefragung hingeht oder nicht. Am Ende machen sie doch was sie wollen.«
Vereinzelt treten negative bzw. feindliche Diskussionen auf. Ein katholischer Pfarrer aus Geising, [Bezirk] Dresden: »In der DDR gibt es keine Freiheit, sondern nur in Westdeutschland. Ich fühle mich unfrei und dauernd bespitzelt. Ich gehe schon aus Protest nicht zur Volksbefragung.«
Ein Umsiedler aus Olbersdorf, [Bezirk] Dresden: »Für uns hat die Wahl überhaupt keinen Zweck, wir wollen nur eins, und das ist in die Heimat zurück.«
Eine Hausfrau aus Mittelherwigsdorf sagte zu einem Aufklärer der Nationalen Front:12 »Alles was sie mir aufzeigen, rührt mich nicht. Ich bin eine Christin, dies ist alles Menschenwerk und das entspricht meiner Glaubensgesinnung. Gott wird alles lenken. Zur Volksbefragung komme ich nicht. Das Verbot von Atom- und anderen Vernichtungswaffen ist wohl richtig, da wird aber Gott alles zum Besten lenken.«
In einer Versammlung zur Vorbereitung der Volksbefragung äußerten die anwesenden Bauern aus Mahlsdorf, [Bezirk] Cottbus: »Wenn man dauernd vom Frieden spricht und auch etwas dafür tun will, solle man doch erst die Gefangenen des letzten Krieges nach Hause lassen.«
Aufgrund des Gastspieles der Ungarischen Fußballmannschaft der Staatsliga in Gera fuhren die ungarischen Freunde nach Jena, um dort die Zeiss-Werke zu besichtigen. Dies war vorher mit dem Parteisekretär abgesprochen, jedoch, als sie in Jena ankamen, war der Parteisekretär nicht da und wir mussten eine Stunde warten. Schließlich wurden die ungarischen Freunde in einen kleinen Raum geführt, wo ein paar Zeiss-Geräte ausgestellt waren. Nach einer viertel Stunde fuhren wir wieder nach Gera zurück. Die ungarischen Freunde, die geglaubt hatten, dort etwas von der Produktion zu sehen, waren enttäuscht und sagten, dass so etwas in Ungarn nicht passieren kann.
Starke Diskussionen entwickelten sich wiederum im Kreise Eberswalde und Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt, über die Nichtaushändigung von Kartoffelkarten für diejenigen, die auf eigenem Land Kartoffeln anbauen. Das betrifft auch eine größere Anzahl Arbeiter. Bisher konnte diese Angelegenheit nicht geklärt werden.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
SPD-Ostbüro:13 Karl-Marx-Stadt 1 543, Halle 2, Neubrandenburg 3 665, Potsdam 5 884, Suhl 3 1 30 [sic!], Dresden 20.
»Deutsche der Bundesrepublik«14: Karl-Marx-Stadt 24, Halle 14 500, Erfurt 350, Rostock 80, Halle 14 500, Neubrandenburg 21 706, Potsdam 1 075, Gera 114, Cottbus 1 665, Magdeburg 3 300.
FDP-Ostbüro: Halle 3.
NTS:15 Neubrandenburg 30, Dresden 5.
In tschechischer Sprache: Dresden 75.
Verschied[ener] Art: Neubrandenburg 17 000 (im Karton).
Die Flugblätter wurden in den meisten Fällen mit Ballons eingeschleust und sichergestellt.
In der Nacht des 17.6.1954 wurden in Jena in vier Fällen Hetzschriften der verschiedenen Feindzentralen16 (KgU,17 SPD-Ostbüro u. a.) von bisher unbekannten Tätern an verschiedenen Stellen der Stadt angeklebt.
Am 17.6.1954 wurde auf einem Kleefeld im Kreis Seehausen, [Bezirk] Magdeburg, ein 7-m-langes und 1,15-m-breites Transparent mit der Aufschrift »Freiheit SPD« gefunden. Vermutlich durch Flugzeug abgeworfen.
Beim Rat des Kreises Eisenberg, [Bezirk] Gera, wurde in einem von dem VEB Polydor Pulsnitz, [Bezirk] Dresden, gelieferten Karton Kohlepapier ein Bild mit dem Rathaus in Breslau gefunden. Auf der Rückseite war ein Stempelaufdruck »alle Kraft für die Durchführung des neuen Kurses18 und die Einheit Deutschlands«.
Antidemokratische Tätigkeit
In neun Bezirken der DDR wurden insgesamt 15 Hetzlosungen angeschmiert, die sich gegen die Volksbefragung richten und teilweise faschistischen Charakter tragen (z. B. Hakenkreuze u. a.).
Am 17.6.1954 wurde in dem VEB Schwellenfabrik Gotha,19 [Bezirk] Erfurt, eine in Papier verpackte Walze gefunden, die mit einer Hetzlosung beschrieben war. Die Walze wurde vermutlich aus einem Zug geworfen. Im RAW Gotha, [Bezirk] Erfurt, wurde ein Hitlerbild gefunden. Im Bezirk Gera wurden in den Kreisen Eisenberg und Greiz Plakate zur Volksbefragung abgerissen.
Am 17.6.1954 wurden von unbekannten Tätern in der LPG Gerwisch, Kreis Burg, [Bezirk] Magdeburg, sechs Fahnen aus den Steinsockeln gehoben und umgeworfen.
Diversionen
Am Abend des 17.6.1954 wurde im RAW Malchin, [Bezirk] Neubrandenburg, eine Werkzeugkiste aufgebrochen und die Werkzeuge in die Karbidschlammkiste geworfen.
In der MTS Obergurig, Kreis Bautzen, [Bezirk] Dresden, wurde im Kühler des Traktors ein Putzlappen gefunden.
Vor der SED-Kreisleitung Bautzen, [Bezirk] Dresden, wurden am Motorrad eines Instrukteurs ein Lichtkabel und ein Bautenzug zerschnitten.
Vermutliche Feindtätigkeit
Die MTS Radeburg, [Kreis] Dresden, erhielt vor einigen Wochen zwölf Dreschsätze KT 32 vom VEB Fortschritt Neustadt, Kreis Sebnitz, [Bezirk] Dresden, geliefert, welche nach Anweisung der Arbeitsschutzinspektion nicht eingesetzt werden dürfen. Der Dreschsatz aus Stahl und die elektrische Anlage sind ohne Isolierung zusammengeschweißt, sodass bei einem Kurzschluss die ganze Maschine unter Strom steht. Die jetzt notwendigen Umarbeitungen erfordern längere Zeit und eine größere Menge Material.
Die Bauern von Milkwitz, Kreis Bautzen, [Bezirk] Dresden, erhielten ihre 6.00 Uhr angelieferte Milch mit dem Bemerken, dass sie sauer sei gegen 11.00 Uhr vom Milchhof Bautzen zurück. Nach Abkochen der Milch wurde noch nach einem halben Tag die Milch nicht als gesäuert festgestellt. Die Bauern sind jetzt sehr verärgert und geben die Milch den Schweinen.
Auf der Parzelle eines Kleingärtners in Friedrichsfelde wurden neben einigen Flugblättern eine größere Anzahl Kartoffelkäfer gefunden.
Am 18.6.1954, gegen 1.00 Uhr wurden vor der Bahnhofsgaststätte Lohsa in Hoyerswerda, [Bezirk] Cottbus, der Bauleiter des VEB Tiefbau Brandenburg sowie der BGL- und Parteisekretär des gleichen Betriebes von bekannten Tätern tätlich angegriffen. Täter wurden festgenommen.
Am 17.6.1954 wurden auf dem Bahnhof Blönsdorf, Kreis Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, Sonntagsrückfahrkarten verkauft. Vom Bahnhofspersonal wurde auf Befragen mitgeteilt, dass der 17.6.1954 Feiertag ist und die Fahrkarten zu Recht verkauft werden.20
Am 17.6.1954 fuhren vom Bahnhof Neuendorf, [Bezirk] Potsdam, mehrere Gruppen Jugendlicher in den Westsektor. Bei Abfahrt des Zuges rief ein Jugendlicher einem Grenzpolizisten zu: »Kommt mit, heute ist unser Befreiungstag«.
In den letzten Tagen erfolgten bei VEB und anderen Institutionen mehrfach anonyme bzw. pseudonyme Telefonanrufe: Bürgermeister von Kyritz, [Bezirk] Potsdam, – eine Person meldete sich als Org.-instrukteur und sagte, dass er die Trauerfeier anlässlich des 17.6. auf dem Platz der Einheit um 17.00 Uhr nicht vergessen soll. Fernmeldeamt Brandenburg, [Bezirk] Potsdam: Teilnehmer meldete sich mit VPKA und wollte wissen, wieviele Kabelschläuche und Kanäle in der Stadt vorhanden sind. Nach Ablehnung der Auskunft wurde nach den Worten »dann ist eben nichts zu machen« abgehangen.
Anlage vom 18. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2239
Produktionsschwierigkeiten, die in verschiedenen Betrieben meist wegen Materialmangel auftreten
Dem VEB Ellefelder Maschinenbau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, fehlen zur Fertigstellung der Maschinen die entsprechenden Elektromotoren. Ein Teil der Arbeiter ist stark interessiert an der Planerfüllung und verärgert, wenn aufgrund von Materialschwierigkeiten oder mangelnder Initiative der Werkleitung Hemmungen in der Produktion eintreten. Dazu sagte ein Arbeiter: »Es hat ja doch keinen Zweck, in den Produktionsberatungen etwas zu sagen. Es wird ja doch nicht beachtet und die Leitung macht doch was sie will. Aber sie sind unfähig und haben keine Ahnung.«
Bei der Bau-Union Potsdam treten Schwierigkeiten in der Materialbeschaffung für die Fertigstellung von Wohnhäusern auf. So wurde z. B. der Wohnungsbau in Premnitz der Bevölkerung ohne Klosettbecken übergeben, weil zurzeit keine beschafft werden können. Die gleichen Schwierigkeiten traten auch im Kreis Brandenburg bei mehreren Baustellen auf.
Die DHZ Metallurgie, Berliner Metallhandel hat trotz mehrmaliger Mahnung das zum festgesetzten Termin zu liefernde Kupfer an die VEB Metallwarenfabrik Doberlug,21 [Bezirk] Cottbus, nicht geliefert, sodass die Produktion von Massenbedarfsgütern ins Stocken gerät.
Auf der Baustelle Kraftwerke Trattendorf, [Kreis] Spremberg, [Bezirk] Cottbus, fehlen Arbeitskräfte. Vor allem Bauhilfsarbeiter.
In den MIFA-Werken Sangerhausen fehlt es an 10-mm-Automatenstahl, der zur Herstellung von Schrauben benötigt wird.
In der Bau-Union Halle fehlen über 1 000 Arbeitskräfte.