Zur Beurteilung der Situation
12. Juni 1954
Informationsdienst Nr. 2233 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Mittelpunkt der politischen Diskussionen steht die Volksbefragung.1 Jedoch ist der Umfang der Diskussionen noch gering. Die uns bekannt gewordenen Stimmen sind meist von Arbeitern und Angestellten und überwiegend positiv. Teilweise sieht man in der Volksbefragung einen weiteren Schritt zur Einheit Deutschlands. Ein Schlosser (parteilos) von der Schiffswerft Stralsund, [Bezirk] Rostock: »Hoffentlich kommt die Einheit Deutschlands bald, ich denke, die Volksbefragung wird hierzu ein weiterer Schritt sein.«
Verschiedentlich ist man der Meinung, dass die Volksbefragung nicht durchgeführt werden braucht, da sowieso alle deutschen Patrioten für den Frieden sind. Ein Strumpfwirker aus dem Privatbetrieb Rößler und Vetter in Hohenstein Ernstthal,2 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die müssen doch gar nicht mehr richtig sein, eine solche Volksabstimmung zu machen, als wenn wir Arbeiter nicht alle für den Frieden wären.«
Vereinzelt wurden uns negative bzw. feindliche Äußerungen bekannt. Ein Arbeiter aus dem Blechwalzwerk Olbernhau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Warum so eine Volksabstimmung. Man sollte doch lieber das Geld nehmen und eine Preissenkung durchführen. Was nützt eine Volksbefragung in der DDR. Wir hatten doch schon im Jahre 1951 eine und dabei ist doch auch nicht herausgekommen.«3 Ein Arbeiter aus der Bettfederfabrik Güstrow, [Bezirk] Schwerin: »Die Volksbefragung ist großer Schwindel.«
Über die Verurteilung der Verschwörergruppe Dertinger4 wird wenig gesprochen. In den uns bekannt gewordenen Stimmen bringt man zum Ausdruck, dass das Urteil zu mild sei. Ein Arbeiter von der Möbelwerkstatt Grma [sic!]: »Ich kann es nicht verstehen, dass Dertinger nur 15 Jahre Zuchthaus bekommen hat. Ein Mensch, der seit 1946 eine feindliche Tätigkeit gegen die DDR getrieben hat, müsste härter bestraft werden.«
Über die Preisherabsetzung wurden uns nur ganz vereinzelt Stimmen bekannt.5 Ein Schichtführer aus dem VEB Jenapharm, [Bezirk] Gera: »Ich war mit meiner Frau in sämtlichen Geschäften. Es sind nirgends Schuhe zu verbilligten Preisen zu bekommen. Die werden wieder zurückbehalten und als bessere Qualität dann zu den alten Preisen verkauft.« In einem VEB in Cottbus äußerten zwei Kollegen: »Die jetzt stattgefundene Preissenkung ist ja lächerlich, denn es kauft niemand mehr Schweinslederschuhe.«
Über den 17. Juni wurden uns folgende Diskussionen bekannt: Ein Arbeiter aus Neukirch, [Bezirk] Dresden, der von der TAN-Sachbearbeiterin6 genormt werden sollte, äußerte: »Ihr habt wohl vergessen, oder wisst ihr nicht mehr, dass der 17. [Juni] schon wieder vor der Tür steht?«
Eine Arbeiterin aus Gera: »Nun kommt ja bald wieder der 17.6. und wenn dieses Jahr wieder etwas passiert, wird es schlimmer als im vorigen Jahr.«
Ein Arbeiter aus dem Privatbetrieb Rößler und Vetter in Hohenstein-Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Hoffentlich ist der 17.6.1953 nicht der letzte Versuch gewesen. Es wird bald Zeit, damit einige Änderungen geschaffen werden.«
Eine Arbeiterin aus der Baumwollspinnerei Gelenau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, warf ihren FDJ-Ausweis auf den Tisch und äußerte: »Hier habt ihr den Mist, ihr werdet schon sehen, was am 17.6.[1954] los ist. In zwei bis drei Wochen sieht es sowieso ganz anders aus.«
Ein Angestellter, beschäftigt in der Plamag Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, war mit der Einführung neuer Lohnkarten nicht einverstanden und sagte: »Die Brüder haben wohl den 17. Juni [1953] vergessen, die wollen wohl wieder sowas haben.«
Ein Genosse aus dem Berliner Verlag teilt mit, dass in den Geschäften von Frauen und Bauarbeitern diskutiert wird, dass die Bauarbeiter für den 17. Juni [1954] nach Westberlin eingeladen sind.
Missstimmungen wurden uns aus verschiedenen Betrieben bekannt, die ihre Ursachen in Lohn- und Normenfragen sowie Materialmangel haben. Im Gaswerk Rathenow, [Bezirk] Potsdam, bestehen seit ca. zwei Monaten Unzufriedenheiten, die auf Normerhöhungen zurückzuführen sind. Innerhalb der letzten zwei Monate haben bereits zehn Kollegen gekündigt, mit der Begründung, dass sie sich woanders Arbeit suchen. Von der Fachabteilung wird überprüft, ob die Normerhöhung zu Recht besteht. (Zu bemerken ist, dass sich sieben Kollegen am faschistischen Putsch am 17.6.1953 beteiligt haben.)
Im Rüdersdorfer Zementwerk ist eine Brigade von 16 Kollegen am 9.6.[1954] nicht zur Spätschicht erschienen. Durch Ausfall von Maschinen und schlechte Arbeitsorganisation haben einzelne Arbeiter im Durchschnitt 60,00 DM bis 80,00 DM weniger Lohn bekommen. Der Brigadier veranlasste die Arbeiter zum Trinken und die Arbeit zu verweigern. Beim Trinken wurden Gespräche über den 17. Juni geführt und das Deutschlandlied gesungen.
Eine Brigade von der Werft Boizenburg, [Bezirk] Rostock,7 war zur Montage auf der Volkswerft [Stralsund] und erhebt jetzt die Forderung, dass sie den gleichen Lohn bekommen wie die Angehörigen der Volkswerft, dieser Lohn liegt bekanntlich höher. Falls dies nicht geschieht, wollen sie ihre Forderungen auf andere Art durchsetzen.
Kündigungen
Auf der Baustelle VEB Silika[t]-Werk, Bad Lausick, [Bezirk] Leipzig, verließen in der Zeitspanne von 5 bis 6 Wochen bisher 40 Bauarbeiter die Arbeitsstelle. Als Begründung führten sie an, dass sie zu wenig verdienen und die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als z. B. bei den Bauarbeitern der Reichsbahn Naumburg.
Aus dem VEB Metallgusswerk Leipzig wurde bekannt, dass in der Abteilung Stahl und in der Abtg. Werkerhaltung eine Anzahl von Arbeitern die FDGB-Beiträge nicht mehr entrichten. Sie begründen dies damit, dass sie aufgrund ihres Verdienstes dazu nicht mehr in der Lage sind.
Produktionsschwierigkeiten
Im VEB IFA Walterhausen,8 [Kreis] Gotha, ist die Erfüllung der Exportaufträge von Tankwagen für die Volksdemokratien dadurch gefährdet, weil der Zubringerbetrieb in Roßwein9 die erforderlichen Achsen nicht lieferte. Aufgrund dessen können in diesem Monat 400 Fahrzeuge nicht fertiggestellt werden. Deshalb ergeben sich Lohnschwierigkeiten, wodurch die Arbeiter verärgert sind.
Im VEB Kosmetik Naumburg10 muss die Produktion gedrosselt werden, da dem Betrieb nicht genügend Flaschen zur Verfügung gestellt werden können.
Im VEB Temperatur- und Rückmeßgerätebau Ilmenau,11 [Bezirk] Suhl, ist nicht genügend Automatenstahl in den richtigen Dimensionen vorhanden. Außerdem fehlt es noch an Messingrohren.
Im VEB Federnfabrik TEWA Hellerau, [Stadt] Dresden, fehlt es an Profilfedernstahldraht.12 Dies beeinträchtigt die Planerfüllung.
In dem VEB Zigarettenindustrie Dresden13 sind Materialschwierigkeiten in Rohtabaken aufgetreten. Deshalb muss ein Teil der Belegschaft aufhören zu arbeiten. Diese Kollegen werden mit 90 Prozent ihres Grundlohnes bezahlt.
Im VEB IFA Wilsdorf,14 [Bezirk] Dresden, mangelt es an Achsen. Dadurch ergeben sich in der Planerfüllung Schwierigkeiten.
Produktionsstörungen
Am 8.6.1954 erfolgte im VEB Kombinat Weißandt-Gölzau,15 [Bezirk] Halle, in der nördlichen Spritzkolonne der Krackanlage eine Explosion, es wird Selbstentzündung vermutet.
Im Kupfer- und Blechwalzwerk Ilsenburg, [Bezirk] Magdeburg, fiel am 11.6.1954 die Walze III a durch Riss im Fundament der Spannrolle aus. Produktionsausfall ca. 200 t.
Am 10.6.1954 brach in der Spritzerei des VEB IFA-Karosseriewerk Glauchau ein Brand aus. Schaden ca. 30 000 DM.
Im Kunstseidenwerk Premnitz, [Bezirk] Potsdam, fielen sechs Spinnmaschinen aus. Ursache: Falschbedienung, eine bewusste Handlung liegt hier nicht vor.
Im Walzwerk des EHW Thale, [Bezirk] Halle, kamen die Walzen 6, 7, 9 und 10 wegen Platinmangel zum Stillstand. Produktionsausfall 70 t Walzgut.
Im Hydrierwerk Zeitz sind die Kompressoren 1, 5 und 6 wegen Blitzeinschlag ausgefallen.
Handel und Versorgung
Die Schwierigkeiten in der Versorgung mit HO-Fleischwaren sind in den Bezirken Halle und Erfurt noch nicht ganz behoben. Im Bezirk Cottbus ist eine allgemeine Besserung eingetreten, ebenfalls im Bezirk Magdeburg. In einigen Kreisen des Bezirkes Suhl besteht noch ein Mangel an Rindfleisch.
Verschiedentlich wird über eine ungenügende Warenbereitstellung geklagt, z. B. fehlt es im Bezirk Karl-Marx-Stadt an Kunstseidenstrümpfen sowie Perlon II. und III. Wahl. Im Bezirk Suhl mangelt es an Bettwäsche. In Sangerhausen, [Bezirk] Halle, klagen Hausfrauen über das Fehlen von Einkochapparaten und Gießkannen. Die Versorgung mit Getränken hat sich im Bezirk Potsdam noch nicht gebessert. (Es fehlt an Bier, Brause und Selter.)
Im Bezirk Neubrandenburg ist die Kraftstoffversorgung für den Monat Juni nicht gesichert. Es fehlen ca. 130 000 Liter. Das bedeutet, dass ab 20. Juni [1954] in verschiedenen Kreisen kein Kraftstoff mehr zur Verfügung stehen wird.
In den Kreisen Potsdam, Königs Wusterhausen und Zossen beklagen sich die Hausfrauen über den Verkauf von nicht einwandfreier Butter in den Konsumverkaufsstellen. Die Butter wird in ganz kurzer Zeit ranzig und buntfleckig. (Die Butterlagerung im Konsum ist einwandfrei – geliefert wird sie von der DHZ Teltow.)
In der Molkerei Marnitz, Kreis Parchim, [Bezirk] Schwerin, lagern 100 Ztr. Käse. Von den verantwortlichen Stellen wird nichts getan, dass er zur Verteilung kommt.
Bei den HO- und Konsumverkaufsstellen im Kreis Bützow, [Bezirk] Schwerin, bestehen Schwierigkeiten in der Lagerung leicht verderblicher Ware (50 kg Schleie bereits verdorben).
Landwirtschaft
Nach wie vor wird unter der Landbevölkerung wenig zu aktuellen politischen Problemen Stellung genommen, meist nur in den Kreisen des sozialistischen Sektors. Im Mittelpunkt der politischen Diskussionen steht die Volksbefragung. Die gering bekannt gewordenen Stimmen sind überwiegend positiv. Ein Traktorist aus dem Kreis Potsdam: »Wir müssen alle für den Frieden stimmen, denn wir wollen nicht, dass unsere neuaufgebaute Industrie, die herrliche Stalinallee16 und alles andere, was wir in unserer Arbeit geschaffen haben, durch einen neuen Krieg zerstört wird.«
Ein Teil erkennt die Bedeutung der Volksbefragung nicht, was mitunter auf die ungenügende Aufklärungsarbeit zurückzuführen ist und es kommt zu Äußerungen wie z. B.: Ein Neubauer aus Bröllin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die ganzen Bemühungen zur Volksbefragung werden wenig nützen, denn die Amerikaner und die Adenauer-Regierung17 reagieren ja doch nicht darauf. Sie werden trotzdem den EVG-Vertrag abschließen.«18
Vereinzelt wurden negative bzw. feindliche Äußerungen bekannt, meist von Groß- und Mittelbauern. Ein Großbauer aus dem Kreis Seelow, [Bezirk] Frankfurt: »Die Volksbefragung können sie sich sparen. Nach uns Kleinen geht es ja doch nicht, denn wir sind ja alle gegen einen Krieg. Wir wollen eine ›Freie Wirtschaft‹, dann kommt jeder zurecht.«
Die Versammlungen und Vorbereitungen der Volksbefragung verlaufen im Allgemeinen gut. Nur vereinzelt wurden darüber negative Beispiele bekannt. Bei einer Blockausschusssitzung in der Gemeinde Pretzier, [Bezirk] Magdeburg, erklärte der Vorsitzende der LDP: »Wenn die SED den Vorsitz bei der Volksbefragung führt, dann weiß ich schon heute, dass kein Einwohner von Pretzier zur Wahl kommt.« (Der Vorsitzende der CDU schloss sich diesen Worten an – in dieser Gemeinde ist die CDU und LDP vorherrschend.)
Aus dem Bezirk Potsdam wird berichtet, dass die Vorbereitungen zur Volksbefragung von den Blockparteien, vor allem von der CDU, nicht genügend unterstützt werden.
Über die Aburteilung der Verschwörergruppe Dertinger wurden nur ganz vereinzelt Stimmen bekannt, die allgemein zum Ausdruck bringen, dass die Bestrafung zu milde ist. Zum Beispiel äußerte der Bürgermeister der Gemeinde Waltersdorf, [Bezirk] Potsdam: »Dass Dertinger nur zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, ist viel zu wenig, aufgrund seiner Funktion müsste er zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt werden.«
Vorwiegend befasst sich die Landbevölkerung mit wirtschaftlichen Problemen, die den Mittelpunkt ihrer Gespräche bilden. Im Kreis Bützow, [Bezirk] Schwerin, ist die Ablieferung von Rindern sehr schlecht, was von den Bauern mit der mangelhaften Futtergrundlage begründet wird.
Im Kreis Saalfeld, [Bezirk] Gera, wird die Stimmung durch die starke Wildschweinplage negativ beeinflusst. Dazu äußerte der VdgB-Vorsitzende aus Neuenbeuthen: »Wenn die Wildschweine unser Gebiet nicht verlassen, so verlassen es eventuell verschiedene Bauern. Die schlechte Stimmung kann sich auch negativ auf die Volksbefragung auswirken. Es ist durchaus möglich, dass einige Bauern auf ihre Stimmzettel schreiben, beseitigt erst die Wildschweinplage.«
Im gleichen Kreis wird unter einigen Großbauern wie folgt diskutiert: »Voriges Jahr haben wir den neuen Kurs bekommen und Walter Ulbricht19 sagte selbst, dass mit den Großbauern zu hart vorgegangen worden sei,20 heute, nach einem Jahr, geht es schon wieder los. Wir sind doch keine Verbrecher. Im Gegenteil, wir haben doch wirtschaftlich alles Mögliche getan.« (ein Großbauer (CDU) aus Chursdorf)
Die Schweinepest wurde in der LPG Heldrungen, [Bezirk] Halle, festgestellt. Von 95 Schweinen wurden auf Anweisung des Kreistierarztes 44 notgeschlachtet.
Am 10.6.1954 fand in der Gemeinde Zitz, Kreis Brandenburg, eine Einwohnerversammlung mit dem Thema »Ein Jahr neuer Kurs« statt. (Anwesend waren 52 Einwohner.) Während der Diskussion sprang ein Mittelbauer auf und schrie laut in den Raum: »Ihr beschwindelt uns nach Strich und Faden. Von wegen der Sollherabsetzung im Jahre 1953,21 das hat es überhaupt nicht gegeben, sondern unser Soll wurde heraufgesetzt. Wenn ihr denkt, mit uns machen zu können, was ihr wollt, dann habt ihr Euch geirrt. Gebt uns die ›freie Wirtschaft‹ wieder, sodass wir kein Soll mehr erfüllen brauchen.« Ein großer Teil der Anwesenden zollte Beifall und stimmte ihm zu. Als der Referent die Diskussion des Mittelbauern widerlegen wollte, brüllten die meisten Anwesenden: »Du hast keine Ahnung, mach dass Du nach Hause kommst. Die Regierung will nur von uns haben, aber geben tut sie uns nichts.« Von mehreren Anwesenden wurde indirekt die Forderung erhoben, die Regierung abzusetzen und weiter, dass alle Bauern die Lebensmittelkarten erhalten sollen. In Diskussionen nach der Versammlung wurde die Forderung von einigen Bauern erhoben, die Oder-Neiße-Grenze zu revidieren.
Übrige Bevölkerung
An politischen Tagesfragen ist die übrige Bevölkerung weiterhin nur wenig interessiert. Im Mittelpunkt der wenigen Diskussionen steht die Volksbefragung, zu der meist positiv Stellung genommen wird, jedoch ist der Umfang noch gering. Teilweise wird die Volksbefragung als unnötig hingestellt und vereinzelt eine feindliche Stellung zur Volksbefragung eingenommen.
Zur Verurteilung Dertingers wird im Allgemeinen die Strafe als zu milde betrachtet und eine höhere oder die Todesstrafe gefordert.
Über den 17. Juni wurden nachstehende Stimmen aus den Kreisen der übrigen Bevölkerung bekannt: Vereinzelt werden besonders von den bürgerlichen Elementen Diskussionen geführt, in denen man eine Wiederholung eines neuen Tages X22 mit einem anderen Ausgang ankündigt. Zum Beispiel ein Mitglied der LDP aus Schönberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Am 17. Juni 1953 hat es nicht geklappt. Dieses Jahr klappt es besser, wir haben daraus gelernt.«
Die Inhaberin eines Blumengeschäftes in Meerane sagte: »Alles hört auf. Wir werden sowieso immer eingeengt, wir steuern sowieso auf einen 17. Juni zu, aber diesmal wird es anders.«
Ein Einwohner aus Heiligenstadt sagte: »Ich habe noch nicht gemerkt, dass es nach dem 17.6.1953 in der DDR für die Arbeiter besser geworden ist. Im Gegenteil, es müssen wieder dieselben hohen Steuern gezahlt werden und wer sein Soll nicht erfüllt, kann wieder mit hohen Strafen rechnen. Sollte es wieder einmal zu einem 17. Juni kommen, dann geht es aber andersrum als beim ersten Mal.«
Es wurde bekannt, dass in verschiedenen Geschäften der Stadt Cottbus Gespräche geführt werden, dass am 17. Juni [1954] allerhand los sein wird, vor allem in den Betrieben.
Ein Gespräch westlicher Interzonenreisender im Zug von Erfurt nach Jena am 5.6.1954: Der 17. Juni sei in Westdeutschland als nationaler Feiertag23 erklärt worden. Sie wollten schon am 16.6.[1954] zurückfahren, da zu erwarten sei, dass ein neuer 17.6.[1953] gestartet würde und sie dann nicht mehr zurückkehren könnten.
Im Konsum Waltersdorf, Kreis Zittau, [Bezirk] Dresden, sagte eine Hausfrau: »Es müsse erst wieder einen 17.6.[1953] geben, ehe wieder alles in Ordnung ist.« Gemeint war damit die Zuteilung an Rindfleisch.
Die VP berichtet über einen Schulstreik der Grundschule Muskan,24 [Bezirk] Cottbus, der am 9.6.1954 bekannt wurde. Die Schüler fordern die Wiedereinstellung des wegen Schlagen eines Kindes fristlos entlassenen Lehrers (Mitglied der SED). Die Schulzäune wurden mit den Worten »Streik« bemalt. Am 10.6.1954 wurde der Schulbetrieb wieder aufgenommen.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
SPD:25 Halle 5 800, Karl-Marx-Stadt 3 100, Gera 30, Wismutgebiet26 25 (größte Teil älteren Datums).
NTS:27 Schwerin ca. 15 000 (Paket), Frankfurt 40, Rostock 16.
In tschechischer Schrift: Dresden 258, Karl-Marx-Stadt 58, Cottbus einige.
KgU:28 Potsdam 15.
FDP: Schwerin 10.
Der größte Teil der Hetzschriften wurde in Ballons eingeschleust und sichergestellt.
Die bekannten Hetzschriften der KgU zum 17.6.[1953] wurden heute aus sechs Bezirken gemeldet. Ein Teil war in Berlin N 4,29 ein anderer Teil in Lutherstadt-Eisleben bei der Post aufgegeben worden.
Terror: Am 10.6.1954 wurde der 2. Sekretär der BPO des Postamtes N 18 in Leipzig von drei unbekannten Tätern geschlagen und mit einem Messer bedroht.
Diversion: In der MTS Malliß, [Bezirk] Schwerin, wurde eine Schädlingsbekämpfungsmaschine unbrauchbar gemacht (Täter festgenommen).
Im VEB Lichtspielbetrieb Bützow, [Bezirk] Schwerin, wurde eine Telefonleitung durchgeschnitten und zwei Filmapparate beschädigt.
In den letzten 14 Tagen wurde zweimal ein Waggon mit Koks vom Gaswerk Karl-Marx-Stadt an den VEB Fettchemie und Fewa-Werke Karl-Marx-Stadt geliefert, worin größere Eisenstücke, Steine und Holz waren. Dadurch wäre die automatische Förderung im Fewa-Werk zum Stillstand gekommen.
In der LPG Tümpling, [Bezirk] Gera, verendeten am 3.6.1954 zwei Jungrinder an Arsenik (Täter unbekannt). Ebenfalls wurden in Tümpling, [Bezirk] Gera, von 200 im Park neu angepflanzten Eschen ca. 25 abgeschnitten und abgebrochen.
Antidemokratische Tätigkeit: Am 10.6.1954 wurden an verschiedenen Maschinenteilen im Schuppen des Hafens Rostock Hakenkreuze angeschmiert.
Einige Plakate zur Volksbefragung wurden in Waltersdorf, [Bezirk] Potsdam, und im VEB Kaliwerk Heiligenroda, [Bezirk] Suhl, abgerissen.
In Wurgwitz, [Bezirk] Dresden, wurden alle an einer Litfaßsäule angebrachten Plakate mit folgendem Stempel überdruckt: »W – NTS.«30 In der Schule Wurgwitz wurden zwei handgeschriebene Hetzzettel angebracht. Inhalt: »Nieder mit den Kommunisten. Es lebe die Revolution«. (Ein gleicher Zettel wurde in russischer Schrift angebracht.) und »Deutsche, befreit Euch vom russischen Joch«.
Das sächsische Realgymnasium Oberursel (Taunus)31 forderte von der evangelischen Gemeinde in Oberdorla32), [Bezirk] Erfurt, Adressen für eine Päckchenaktion, die diese Schule durchführen will.
Gefälschtes Schreiben: Die Abteilung Industrie beim Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder erhielt ein vervielfältigtes Schreiben, worin es heißt, dass Beschränkungen von Literaturbestellungen aus dem kapitalistischen Ausland, besonders aus den USA, künftig wegfallen. Absender: Zentralstelle für wissenschaftliche Literatur, Berlin.33
Vermutliche Feindtätigkeit
Im staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Doberlug, Revierförsterei Dahme, [Bezirk] Cottbus, brach am 5.6.1954 durch vermtl. Brandstiftung ein Waldbrand aus.
Am 10.6.1954 wurden in der Gemeinde Stücken, [Bezirk] Potsdam, mehrere amerik. Ölkäfer gefunden (identifiziert durch Biolog. Zentralanstalt Kleinmachnow34). Dieser Käfer tritt erstmalig auf und richtet den dreifachen Schaden eines Kartoffelkäfers an.
Westberlin
In Westberlin werden in der Roten-Kreuz-Zentrale, Bundesallee 755 in Friedenau35 täglich Pakete an Bewohner der DDR und des DS verteilt.
Der Apothekerverband in Westberlin hat für Apotheker aus dem DS 20-kg-Pakete bereitgestellt und fordert die Apotheker aus dem DS auf, sie in Westberlin abzuholen.
Einschätzung der Situation
Bei allgemein wenigen politischen Gesprächen steht die Volksbefragung im Vordergrund, besonders in Produktionsbetrieben. Diskussionen sind überwiegend positiv. Es ist öfter die Meinung zu hören, dass die »Volksbefragung« zwecklos sei.
Die Strafe für Dertinger wird allgemein als zu niedrig bezeichnet.
Die Lage in der HO-Fleischversorgung wurde weiterhin spürbar besser.
Unzufriedenheit besteht weiterhin in verschiedenen Betrieben wegen Lohn- und Normenfragen sowie Produktionsschwierigkeiten.
In einigen Berliner Betrieben zeigt sich ein stärkerer Einfluss des Gegners. Die feindlichen Elemente versuchen weiterhin, Stimmung für einen neuen 17. Juni zu machen.
Anlage 1 vom 12. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2233
Zur Lage in den Berliner Betrieben
In diesen Tagen finden in vielen Berliner Betrieben Versammlungen mit dem Thema: »Ein Jahr neuer Kurs« statt.
Auf den Baustellen des VEB Bau-Union Treptow, Segelfliegerdamm; Johannisthal, Sterndamm; Johannisthal VP-Ledigenheim; Köpenick, Seelenbinderstraße trugen die durchgeführten Versammlungen einen negativen Charakter. Sehr negativ wurde von den Arbeitern der Baustelle VP-Ledigenheim diskutiert.
Auf dem Lehrbauhof Proskauer Straße36 des VEB Industriebau wurden am 9.6.1954 Kurzversammlungen durchgeführt, auf denen u. a. Entschließungen gegen den EVG-Vertrag vorgeschlagen wurden. Jugendliche brachten zum Ausdruck, dass sie noch nicht stimmberechtigt seien, da sie noch unter 18 Jahren sind und die Entschließung wurde von ihnen nicht angenommen.
Im Berliner Glühlampenwerk fand am 10.6.[1954] eine Versammlung statt, auf der zum Schluss eine Entschließung angenommen werden sollte. Die Entschließung beinhaltete u. a., dass sich die Kollegen für eine 100-prozentige Beteiligung der jeweiligen Hausgemeinschaften an der Volksbefragung einsetzen. Die Kollegen brachten daraufhin zum Ausdruck, dass dies eine Zwangsmaßnahme sei und enthielten sich bei der Abstimmung 70 Prozent der Kollegen ihrer Stimme.
Bei den Ausführungen des Referenten über den neuen Kurs auf einer Kurzversammlung am 9.6.[1954] im VEB Yachtwerft Köpenick wurden von den Kollegen Zwischenrufe gemacht, wie: »Stimmt ja nicht. Propaganda. Die Arbeitslosen in Westberlin leben besser als hier bei uns.« Als der Referent auf das Wesen des 17. Juni [1953] einging, trat eine solche Unruhe ein, dass er nicht weiter sprechen konnte und der Versammlungsleiter eingreifen musste. Dem Referenten wurde in Zwischenrufen vorgeworfen, dass seine Ausführungen in Bezug auf die Erhöhung der Lohngruppen Schwindel sind: »Jawohl, die Lohngruppen I bis IV habt ihr erhöht, habt uns aber dafür eine Lohngruppe herabgesetzt, sodass die Lohnerhöhungen Schwindel sind.« Der Aufforderung zur Diskussion kam nicht ein Kollege, auch kein Genosse, nach. Der Referent nahm zum Schluss Stellung zur Volksbefragung. Bei der Abstimmung einer Entschließung stimmten nur knapp 50 Prozent der Kollegen für die Annahme. Auf die Frage, wer von den Kollegen dagegen stimmt, meldete sich niemand, sodass eine klare Übereinstimmungsbasis überhaupt nicht zustande kam. Es wird festgestellt, dass die Versammlung schlecht organisiert war. Der Versammlungsleiter Genosse Kaiser37 machte zum Schluss dem Referenten den Vorwurf, dass er über politische Dinge gesprochen hat, er hätte nur auf die Belange im Betrieb eingehen dürfen.
Im VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik fand während der Arbeitszeit eine Kurzversammlung statt. Anwesend waren 100 Kollegen der Abteilung Technisches Büro. Als zur Diskussion aufgefordert wurde, herrschte eisiges Schweigen. Nur die anwesenden Genossen gaben positive Erklärungen ab.
Auf der Baustelle VEB Industriebau am Bersarinplatz fand gestern eine Kurzversammlung statt, an der ca. 100 Kollegen teilnahmen. Das Referat hielt der Kollege [Name]. Der anwesende Direktor, Genosse Sprafke,38 verstand es in ausgezeichneter Weise, die Kollegen anzusprechen, sodass alle Anwesenden begeistert seinen Aufführungen folgten. Sprafke sprach einen Arbeiter an, der anlässlich des 17. Juni vorigen Jahres gesagt hatte: Er müsse hier verhungern. Der Arbeiter erklärte hierzu, dass er längst eingesehen hat, dass seine Äußerung nicht richtig war. Die Abstimmung, an der Volksbefragung teilzunehmen, ergab einstimmige Annahme.
Anlage 2 vom 11. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2233
Handel und Versorgung
Nachfolgend einige Beispiele über Mängel und Schwierigkeiten, die verschiedentlich im Handel und [der] Versorgung zu verzeichnen sind.
Vom Leiter des Referates Nahrungs- und Genussmittel-Industrie beim Rat des Bezirkes Dresden wurde die schlechte Arbeitsweise des zuständigen Ministeriums kritisiert. Zum Beispiel erhielt der Rat des Bezirkes einen neuen Volkswirtschaftsplan für Fleisch und Fette für das 2. Quartal 1954 vom Ministerium Berlin. Die volkseigene Industrie hatte im Bezirk Dresden bis zum 15.5.1954 bereits 2 043 t Schweinefleisch produziert, während für das 2. Quartal laut Plan nur 2 110 t vorgesehen waren. Aufgrund dieser Tatsache, wurde vom Ministerium dieser Plan widerrufen. (Das Ministerium wird laufend über die tatsächliche Situation unterrichtet.)
Des Öfteren wird aus den Bezirken über eine ungenügende Warenbereitstellung berichtet, besonders in den ländlichen Gebieten ist das der Fall. Zum Beispiel beschwert sich die Bevölkerung im Kreis Parchim, [Bezirk] Schwerin, dass sie mit verschiedenen Lebensmitteln, unter anderem Haferflocken, Puddingpulver, Frischfisch und Gemüsekonserven, ungenügend beliefert wird.
Im Kreis Perleberg, [Bezirk] Schwerin, mangelt es an genügend Mehl, Zucker, Margarine, Heringen, Teigwaren und Marmelade. Die Bevölkerung vertritt die Meinung, dass die Lebensmittel wegen dem 17. Juni [1954] bewusst zurückgehalten werden.
In den Landgemeinden des Kreises Güstrow, [Bezirk] Schwerin, fehlt es an Arbeitsbekleidung für die Bauern und an Haushaltswaren sowie Sommerkonfektion und Stoffen. Auch wird in verschiedenen Landgemeinden des Bezirkes Schwerin über eine ungenügende Bereitstellung an Margarine geklagt.
Immer wieder wird von der Bevölkerung über den Mangel an Bohnenkaffee geklagt. Darüber berichten die Bezirke Neubrandenburg, Halle, Schwerin und Gera. Dazu äußerte ein Angestellter der DHZ Lebensmittel Gera: »Bei uns in der DHZ liegt so viel Bohnenkaffee. Wenn aber die Vertragspartner zur HO kommen, teilt man ihnen mit, dass der Kaffee gesperrt ist.«
Mängel in der Versorgung machen sich besonders jetzt während der Saison auf der Insel Rügen bemerkbar. Dazu äußerte ein HO-Verkaufsstellenleiter in Thießow, [Kreis] Putbus: »In ganz Thießow gibt es jetzt nur selten Bockwurst zu kaufen und auch an Speiseeis und Getränken besteht ein großer Mangel. Die Bedürfnisse der Gäste sowie der einheimischen Bevölkerung können nicht befriedigt werden. Das führt zu negativen Diskussionen, besonders unter den Gästen.«
In der Konsumgenossenschaft Gera besteht ein großer Mangel an Personal. Wenn keine Änderung eintritt, wird der Konsum gezwungen sein, während der Urlaubsperiode einige Verkaufsstellen zu schließen. (Ähnlich verhält es sich auch bei der HO.)
Aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt wurde berichtet, dass die Bereitstellung von Bindegarn schlecht ist. Die MTS bestellen laufend dreifädiges Bindegarn, jedoch liefern die DHZ große Mengen zweifädiges. (Schon im vorigen Jahr wurde das von den MTS stark kritisiert.)
Anlage 3 vom 12. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2233
Meldungen zum 17. Juni 1954
Zum 17. Juni 1954 treten folgende neue Hetzschriften auf, die an Bürger der DDR mit der Post übersandt wurden:
1. »zum 17.6.«
Von der »Widerstandsgruppe Mecklenburg« der KgU wird den »Deutschen Brüdern in der Sowjetzone der Dank für das Bekenntnis zur Freiheit …« ausgesprochen. Das mit Matrize vervielfältigte Flugblatt enthält keine Einzelheiten der feindlichen Tätigkeit, sondern schließt mit dem »Gelöbnis …, alle Kraft daran zu setzen, das Ziel des 17. Juni zu erreichen … Wiedervereinigung in Freiheit«.
2. »Die kleine Tribüne«39 (Herausgeber »Nur Gewerkschaftliche Opposition«, NGO)40
Neben anderen Artikeln über verschiedene Probleme der Volkswirtschaft in der DDR schreibt die NGO in der Nr. 5 (Mai 1954) unter der Überschrift: »Was tun wir am 17. Juni 1954?«41: Einleitend wird festgestellt, dass viele Menschen die in der Überschrift enthaltene Frage stellen würden, aber nur wenige sprechen sie aus. Wie auch in früher genannten Hetzschriften, warnt die NGO vor aktiven Handlungen am 17.6.[1954]. Zur Begründung dieses Rates stellt sie verleumderisch fest, dass der gesamte Sicherheitsapparat der DDR »in höchster Alarmbereitschaft« sei, d. h. außer VP, KVP, SfS seien die Kampfgruppen42 eingesetzt, »Schießbefehle lägen bereit … und Listen über vorbeugende Verhaftungen wären aufgestellt«.
Dieser verleumderischen Feststellung folgt der Rat, dass »leise Demonstrationen wie z. B. das Niederlegen von Blumen …« möglich gemacht werden sollen. Zur Durchführung von anderen »Demonstrationen (wie Streiks, Gedenkminuten)« werden die Ratschläge erteilt, diese nur durchzuführen, wenn sich der gesamte Betrieb daran beteiligt, damit die Initiatoren nicht entlarvt werden und wenn sie nicht die »Auslösung des Schießbefehls infolge Nervosität oder Angst der Funktionäre« zur Folge haben.
Der Artikel endet mit der Drohung, dass der »17. Juni als Gedenktag« zu einer Zeit begangen wird, dessen Termin nicht in der »kleinen Tribüne« steht und nur den »rechten Leuten« bekannt gegeben wird und mit dem »Aufruf«, die Kräfte für diesen Tag zu sammeln.
3. Hetzschreiben der »Kampfgruppe für die Freiheit der Ostzone«
Der Hetzbrief wird eingeleitet mit einer hetzerischen Darstellung unserer Entwicklung seit 1945 (z. B. »unseren ganzen Lebensablauf in ein chaotisches Durcheinander gebracht …«) und fordert dann auf: »So lasst uns also handeln. Die Kampfgruppe für die Freiheit der Ostzone ruft in entscheidender Stunde zum Kampf gegen die kommunistischen Unterdrücker und ihre Helfer …. Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will. Erzwingen wir jetzt mit der revolutionären Kraft des 17. Juni die Wende. Erheben wir uns gegen die Unmenschlichkeit, für ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit in einem einigen besseren Deutschland von morgen.«
Anlage 4 vom 12. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2233
Auswertung der Westpresse
In der Zeit vom 9.6. bis 11.6.1954 um 8.00 Uhr stand der neue Kurs unserer Partei und Regierung im Mittelpunkt der Sendungen westlicher Rundfunkstationen. In allen einschlägigen Sendungen bestand das Ziel darin, die Erfolge des neuen Kurses zu verunglimpfen und Partei und Regierung zu verleumden.
Eine vollkommen schwarzmalende Darstellung der Lage in der DDR vor dem neuen Kurs schließt sich zusammenfassend die Feststellung an, dass der »materielle Lebensstand so schlecht wie vor Jahresfrist nicht ist …, aber es fehlt noch an den wichtigsten Verbrauchsgütern« und dann bringt man Beispiele wie Fett, Fleisch usw.
In verleumderischer Absicht brachte dazu der RIAS am 10.6.1954 eine Sendung über die Volkskammertagung, wo er versuchte, durch entstellte Zitate aus den Referaten und Diskussionsreden die Arbeit der Volkskammer zu negieren und bei der Bevölkerung das Vertrauen zur Volkskammer zu schwächen (z. B. »keine Übersicht im Handel … schlechte Fleischversorgung, schlechte Produktion von Massenbedarfsgütern u. a.«).43
Drei weitere Sendungen über das Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin«, die Lage in der Landwirtschaft und die Preisherabsetzungen setzen diese Hetze gegen die Erfolge des neuen Kurses fort. Die Sendung über das EHK »J. W. Stalin« schließt mit der Behauptung, dass der Bau von Stalinstadt44 auf Boden mit großen Braunkohlenvorkommen durchgeführt wurde, wodurch eine Beunruhigung der Bewohner von Stalinstadt erreicht werden soll.
Die Sendung über die Landwirtschaft verfolgte das Ziel, die werktätigen Einzelbauern über eine angeblich wieder verstärkt einsetzende »Kollektivierung« zu beunruhigen und gegen unsere Regierung aufzuputschen. Die Preisherabsetzungen wurden als Betrug bezeichnet, da sie nur »minderwertige Waren« beträfen.
Die westlichen Rundfunkstationen nahmen außerdem noch zu folgenden Fragen, die die DDR betrafen, Stellung:
Volksbefragung
Neue Probleme tauchen hier gegenüber den Vortagen nicht auf. Es wird die Forderung nach Wahlumschlägen wiederholt.
Ferienaktion der Jungen Pioniere
Nach der Feststellung, dass die Ferienaktion der Jungen Pioniere45 von unserer Regierung gut vorbereitet wird (»es wird nicht leicht sein, einem Kind in der DDR, das an dieser Aktion nicht teilnimmt, in den Ferien ein Programm ähnlicher Fülle zu bieten«), hetzt der RIAS, dass »Ferien und Freizeit der Kinder bewusst verpolitisiert werden«. Dieser Kommentar, der aus Kreisen der katholischen Kirche kommt, schließt mit dem Bedauern, dass die Erziehung der Kinder in keinem Zusammenhang mit Gott mehr steht.
Tag des Lehrers46
Der Sender »Freies Berlin« versucht in dieser Sendung, die Leistungen der Lehrer unserer demokratischen Schule und die ihnen dafür zuteilwerdenden Auszeichnungen verächtlich zu machen und benutzt die »Verordnung zur Verbesserung der Arbeit an den allgemeinbildenden Schulen«47 zur Hetze gegen unsere Regierung, z. B.
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Lehrer würden entlassen, da sie den »ideologischen Ansprüchen« nicht genügten,
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FDJ schränke die Arbeit der Lehrer ein durch die »Rechte«, die ihr durch die Verordnung gewährt würden.
Fahrzeugindustrie
Sender »Freies Berlin« meldet am 11.6.1954 in den Nachrichten, dass die Erzeugnisse der Fahrzeugindustrie infolge noch bestehender Verpflichtungen für Reparationen und steigenden Anforderungen der KVP nur zu einem geringen Prozentsatz für den freien Verkauf zur Verfügung ständen.