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Zur Beurteilung der Situation

22. April 1954
Informationsdienst Nr. 2186 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

IV. Parteitag:1 Nur noch ganz vereinzelt werden Meinungsäußerungen über den IV. Parteitag der SED bekannt. Meist wird Zustimmung zur Beibehaltung der Lebensmittelkarten zum Ausdruck gebracht.2 Teilweise wird in diesem Zusammenhang Enttäuschung geäußert, da man eine Preissenkung, Erhöhung der Rationen oder Abschaffung der Lebensmittelkarten erwartet hatte. Über die politische Bedeutung des IV. Parteitages wird größtenteils nur von Mitgliedern unserer Partei und fortschrittlichen Kräften diskutiert. Durch die in den Betrieben durchgeführten öffentlichen Parteiversammlungen zur Auswertung des IV. Parteitages werden teilweise positive Diskussionen ausgelöst. Verschiedentlich werden aber auch die Ausführungen der Referenten ohne Interesse und ohne Diskussion entgegengenommen. Ein Lagerarbeiter aus Neubrandenburg (SED): »Ich begrüße besonders den Vorschlag des Genossen Walter Ulbricht3 zur Frage der Herstellung der Einheit unseres Vaterlandes und dass dieser Punkt nicht eher von der Tagesordnung verschwinden darf bis die Einheit hergestellt ist.«4

In einer Abteilungsversammlung im Kirow-Werk Leipzig5 erstattete ein Delegierter des IV. Parteitages Bericht. Seine Ausführungen wurden ohne jegliche Diskussion entgegengenommen. Auch in kleinen Gruppen nach der Versammlung wurde nicht darüber diskutiert. Zustimmung fand lediglich der Vorschlag, die Lebensmittelkarten weiterhin beizubehalten.

Im Schacht 139 Annaberg,6 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde eine Versammlung über den IV. Parteitag durchgeführt. Zum Verlauf dieser Versammlung erklärte ein parteiloser Kumpel: »Ich bin sprachlos über die Interesselosigkeit der anwesenden Kumpel gewesen. Ein Teil ist vorzeitig weggegangen und die anderen haben sich während der Versammlung umgezogen. Zur Diskussion hat niemand gesprochen.«

Über die amerikanischen Atom- und Wasserstoffbombenexperimente wird unter den Werktätigen in geringem Maße diskutiert.7 Zum überwiegenden Teil sprechen sich meist Arbeiter, aber auch Angestellte und Intellektuelle gegen diese amerikanischen Experimente mit Massenvernichtungswaffen aus. Mehrere Kumpel aus dem Hydrierwerk Zeitz, [Bezirk] Halle, bezeichneten in einer Diskussion die Wasserstoffbombenversuche als ein großes Verbrechen. Mit aller Entschiedenheit müsse diese Vernichtungswaffe abgelehnt werden.

Eine Arbeiterin aus dem VEB Textilwerk Geyer, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn man so etwas hört, wie die Äußerung Dibelius8 über die Einsetzung der Wasserstoffbombe zur Erhaltung des Friedens, dann sind es die Schwarzkittel wert, totgeschlagen zu werden.«9

Ein Arbeiter aus dem Mercedes-Werk in Zella-Mehlis, [Bezirk] Suhl: »Ich begrüße, dass nun auch der Papst gegen die Wasserstoffbombe protestiert hat.10 Es liegt nun an allen Pfarrern in der Kirche, den Menschen zu sagen, dass die Gefahr eines Krieges dadurch besteht, wenn nicht alles getan wird, dass die Kanonen aus Westdeutschland verschwinden.«11

Ganz vereinzelt nur wurden dazu negative Stimmen bekannt. Ein Angestellter im VEB Energieverteilung Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Jetzt gibt es wenigstens zwei gleiche Gegner,12 damit ist auch die Gewähr gegeben, dass der Frieden in der Welt gesichert ist. Meinen Oberhäuptern kann ich in dieser Frage nur Recht geben und kann dies nur begrüßen. Wenn Dibelius etwas sagt, stimmt das immer.« (Dieser Angestellte ist ein eifriger Kirchengänger.)

Wirtschaftliche und betriebliche Fragen stehen im Vordergrund der Diskussionen der Werktätigen in den Betrieben. Über die Vorschläge von Aktivisten zum 1. Mai wird von Arbeitern des VEB Maschinenfabrik Aschersleben, [Bezirk] Halle, Werftneubau Helling, Wismar, [Bezirk] Rostock, und des Wismut-Schachtes 139 in Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, die Meinung vertreten, dass immer die gleichen Kollegen prämiert werden würden. So sagte z. B. ein Kollege vom Schacht 139 in Annaberg: »Es ist eine Schweinerei, dass immer dieselben ausgezeichnet werden. Es gibt noch eine Reihe andere gute Arbeiter, die man auch einmal auszeichnen müsste.«

Unzufriedenheit besteht in mehreren Betrieben über die Entlohnung und Prämienverteilung sowie Normerhöhung, Arbeitsorganisation und schlechtem Material. Im VEB Seehafen Rostock erhält ein Arbeiter mit vier Kindern ca. 400 DM Lohn zuzüglich 18,00 DM Kindergeld. Wenn der Verdienst mehr als 400 DM beträgt, fällt das Kindergeld weg. Da bei Sonntagsarbeit der Verdienst höher als 400 DM ist, weigern sich die Arbeiter, an Sonntagen zu arbeiten. Sie würden dann »im Grunde genommen umsonst arbeiten«.

Im Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck« in Rudolstadt, [Bezirk] Gera, verlangen die Kraftfahrer, dass ihre Löhne an die der Produktionsarbeiter angeglichen werden, da sie »eine große Verantwortung für die Menschenleben tragen«.

Im VEB Bau, [Bezirk] Potsdam, besteht eine starke Fluktuation unter den Putzern. Die Kündigungen werden damit begründet, dass die Putzer in Privatbetriebe und nach Westberlin gehen wollen, da sie dort mehr verdienen würden.

In der Reparaturwerkstatt des Trafo-Werkes Nauen, [Bezirk] Potsdam, wurden die Prämien für die Übererfüllung des Produktionsplanes im IV. Quartal 1953 noch nicht ausgezahlt, da von der VVB Berlin die Übererfüllung nicht voll anerkannt wird. Die Kollegen sind darüber sehr unzufrieden. Im VEB Starkstromanlagenbau in Berlin wurde die Prämie, die für vorfristige Erfüllung eines Exportauftrages von dem DIA versprochen war, nicht ausgezahlt. Hierüber sind die davon betroffenen Ingenieure sehr empört.

In der Bau-Union Bautzen, [Bezirk] Dresden, Objekt Sorbenhaus, wurden in einer Versammlung die Kollegen aufgefordert, Selbstverpflichtungen zu übernehmen, was jedoch von allen abgelehnt wurde. Ein Maurer sagte dazu: »Wenn wir bei einer so hohen Norm weiterarbeiten, können wir höchstens noch zwei Jahre machen, dann sind wir ausgesaugt. Im VEB wird man schlimmer ausgebeutet, als früher in Privatbetrieben. Das kommt daher, weil auf sieben Maurer noch zehn Mann kommen, die im Büro herumschleichen und für die wir das Geld mitverdienen müssen.«

Im RAW »7. Oktober« in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sowie im VEB Textima Wittenberge,13 [Bezirk] Schwerin, Abteilung Montage, ist wegen schlechter Arbeitsorganisation die Anlieferung von Material sehr schleppend, was sich ungünstig auf den Verdienst der Kollegen auswirkt und schlechte Stimmung hervorruft. Einige Kollegen des RAW »7. Oktober« sagten dazu: »Wenn wir uns auch noch so viel Mühe geben, so können wir niemals den Plan erfüllen. Deshalb haben wir es bis oben hin satt.«

Im VEB Ankerwerk Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, sind die Kollegen darüber missgestimmt, dass das Material für die Werkzeugherstellung beim Härten zerspringt. Dadurch haben sie erhebliche Lohnausfälle.

Produktionsschwierigkeiten wegen Materialmangel werden aus verschiedenen Betrieben gemeldet. In der Schmierfettfabrik Mieste, [Bezirk] Magdeburg, musste wegen Rohstoffmangel die Produktion eingestellt werden.

Im VEB Stahlbau Parey,14 [Bezirk] Magdeburg, ist die Materiallieferung für die Herstellung von Masten noch nicht geklärt. Dadurch besteht die Gefahr, dass ca. 150 Arbeiter entlassen werden müssen.

Im VEB Teppichwarenfabrik Gera müssen wegen Materialmangel Facharbeiter mit Nebenarbeiten beschäftigt werden; im Hauptwerk Münchenbernsdorf, [Kreis] Gera, musste ein Teil der Arbeiter zeitweilig beurlaubt werden. Darüber sind die Kollegen beunruhigt.

In der »August-Bebel«-Hütte,15 [Bezirk] Halle, ist die Schmelzleistung zurückgegangen, weil die Westkokslieferungen quantitativ und qualitativ nachgelassen haben.

Vergiftungserscheinungen: In der Nacht vom 20. zum 21.4.1954 traten im Bergarbeitersanatorium in Bad Elster, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, Vergiftungserscheinungen auf. Es wird damit begründet, dass das Gänsefleisch, welches es zum Mittagessen gab, nicht mehr in einwandfreiem Zustand war. Die Untersuchungen dauern noch an.

Handel und Versorgung

Die Kürzung des Kontingentes an HO-Fleischwaren wirkt sich dahingehend aus, dass im Kreis Stadtroda, [Bezirk] Gera, zum 1. Mai [1954] keine Bockwürste hergestellt werden können. In Großenhain, [Bezirk] Dresden, musste der Verkauf eingestellt werden, damit die Warenbereitstellung für den 1. Mai garantiert ist. In Pirna, [Bezirk] Dresden, wird es im letzten Drittel des Monats April nicht möglich sein, den Bedarf der Bevölkerung zu decken.

Aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt wird berichtet, dass es verschiedentlich vorkommt, dass verdorbenes Büchsenschweinefleisch an die Betriebsküchen geliefert wird. So z. B. erhielt der VEB Möbelwerk Walthersdorf von der DHZ Annaberg 44 Büchsen verdorbenes Schweinefleisch geliefert.

Im Bezirk Rostock werden unter der Bevölkerung Diskussionen geführt, dass die Eier trotz der verschiedenen Größen nur in einer Preislage verkauft werden, obgleich die Bauern die Eier nach Gewicht bezahlt bekommen.

Landwirtschaft

Unter der Landbevölkerung wird wenig zu politischen Tagesfragen Stellung genommen. Nur noch in ganz geringem Maße wird über Probleme des IV. Parteitages gesprochen. Ein Kleinbauer aus Mülsen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es muss doch jeder einsehen, dass gerade auf dem IV. Parteitag alles getan wurde, um das Bündnis zwischen Stadt und Land zu festigen. Leider gibt es noch viele, die das noch nicht richtig erkannt haben.«

Vorwiegend besteht das Interesse für wirtschaftliche Belange, deshalb werden überwiegend Diskussionen über wirtschaftliche Fragen geführt. Über den Mangel an Saatgut äußerte ein Bauer (CDU) aus Niedersaida, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Man soll doch jeden wirtschaften lassen, wie er will, dann wird auch jeder versuchen, sein Saatgut selbst zu beschaffen. Dann braucht keiner von irgendeiner Seite Hilfe.«

Ein Mittelbauer aus dem Kreis [Bad] Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt: »Die Kartoffeln, die durch gegenseitige Hilfe aufgebracht werden, werden in den wenigsten Fällen keimen. Die vielen verschiedenen Sorten, die ich auf dem Felde jetzt habe, werden eine schlechte Ernte zur Folge haben.«

Im Kreis Parchim, [Bezirk] Schwerin, fehlen noch ca. 1 900 dz Saatkartoffeln. Austauschmöglichkeiten sind nicht vorhanden, da die Bauern Futtermittel dafür haben wollen. An Futter mangelt es bei der LPG »Th. Müntzer« in Sünna, [Bezirk] Suhl (für 40 Stück Kleinvieh kein Raufutter), bei der LPG Gößnitz, [Bezirk] Leipzig (fehlt es an Rüben und Heu) und bei der LPG Sachsendorf, [Bezirk] Magdeburg (für 45 Stück Milch- und 45 Stück Jungvieh kein Grundfutter).

Im Kreis Beeskow, [Bezirk] Frankfurt, wurde ein Bauernmarkt durchgeführt, der schlecht vorbereitet war, sodass nur in geringem Maße Fleischwaren verkauft wurden. Dazu äußerte ein Bauer: »Warum hat der Rat des Kreises nicht besser den Bauernmarkt vorbereitet. Wenn die HO schon wenig Fleisch verkauft, dann ist es schon notwendig, dass man die Bevölkerung darauf hinweist, dass sie die Möglichkeit hat, auf dem Bauernmarkt welches zu kaufen.«

Negative bzw. feindliche Stimmen wurden nur vereinzelt bekannt. Ein Mittelbauer aus Fremdiswalde, [Bezirk] Leipzig: »Ich bin gegen die LPG, denn sie werden nie die Erträge erreichen, wie ein Einzelbauer und was unsere Regierung macht, ist nicht richtig, denn sie unterstützt nur die einen und die anderen nicht.« Ein Großbauer aus Langengrassau, [Bezirk] Cottbus: »Ich sehe in der DDR keine Perspektive in der Entwicklung. Meiner Ansicht nach geht alles rückwärts und man will die Großbauern kaputtmachen.«

Ein Landarbeiter aus Rauschwitz, [Bezirk] Gera: »Es wird immer von Souveränität gesprochen, die haben wir aber gar nicht. Es war schon immer so, dass die, die dran sind, etwas zu sagen haben und die anderen müssen sich ducken.«

Die Schweinepest ist in den örtlichen landwirtschaftlichen Betrieben des Kreises Templin, [Bezirk] Neubrandenburg (Bestand 49 Stück, sämtliche notgeschlachtet), und in der Schweinemastanstalt Eggesin, [Bezirk] Neubrandenburg (Bestand 36 Stück, sämtliche notgeschlachtet), ausgebrochen.

Übrige Bevölkerung

Zum IV. Parteitag wurden nur noch vereinzelt Stimmen bekannt, die Beibehaltung der Lebensmittelkarten wird größtenteils von der übrigen Bevölkerung, besonders von Hausfrauen und Rentnern, begrüßt. Eine Hausfrau aus Suhl: »Es ist gut, dass die Lebensmittelkarten beibehalten wurden, da die Kartenpreise heute bei uns viel niedriger sind als die im Westen, besonders für Fleisch, Fett und Butter sowie Brot. Es müsste nur mehr Fisch sowie Käse in verschiedenen Sorten geben, wie es in Westdeutschland ist.«

Über die amerikanischen Atom- und Wasserstoffbombenexperimente wurden uns von der übrigen Bevölkerung nur vereinzelt Stimmen bekannt. Diese Stimmen richten sich gegen die Anwendung dieser furchtbaren Massenvernichtungsmittel und gegen die USA. Ein Angestellter aus Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn Dibelius behauptet, es sollen noch mehr Wasserstoffbomben erzeugt werden, denn nur so würde die Sicherung in Europa gewährleistet, so muss man das als ein Verbrechen an der Menschheit bezeichnen. Eine einzige Bombe wäre das Verhängnis für ganz Deutschland.«

In Gettengrün, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde anlässlich einer Veranstaltung der DSF von den anwesenden Einwohnern eine Resolution verfasst, die den westdeutschen Bundestag zur Stellungnahme über das Verbot der Atomwaffe auffordert.

Eine Hausfrau aus Neupoderschau, [Bezirk] Leipzig: »Die Amerikaner mit ihrem provokatorischen Verhalten wollen doch nur einen neuen Weltkrieg vom Zaune brechen. Das wird ihnen aber nicht gelingen, denn die ganze Weltöffentlichkeit verurteilt die Experimente mit der Wasserstoffbombe.«

Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen wirtschaftliche und persönliche Belange. Aufgrund der Kürzung des HO-Fleischkontingentes macht sich besonders in den Bezirken Frankfurt/Oder und Neubrandenburg bei Hausfrauen eine Verärgerung bemerkbar. Eine Hausfrau aus Angermünde, [Bezirk] Frankfurt: »Erst fasst man Beschlüsse und Verordnungen über die weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und jetzt fehlen sogar die Fleischwaren.« Eine Hausfrau aus Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Was, das ist der neue Kurs?16 Die brauchen uns nicht aufzuklären, sondern uns lieber Wurst verkaufen.«

Die Einwohner aus Hermsdorf, [Bezirk] Gera, sind empört, weil Tausende von Festmeter Grubenholz seit vier Monaten dort lagern und dann vermodern bzw. dauernden Diebstählen ausgesetzt sind. Das Holz ist für den Bergbau bestimmt.

Negative Stimmen wurden uns nur ganz vereinzelt bekannt. Ein Lehrer aus Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, Mitglied der LDPD, äußerte: »Werden von uns Vorschläge gebracht, so bringt sie einige Zeit später die SED als ihre Vorschläge.« Ein Neusiedler, Mitglied der LDPD, aus Langen, [Bezirk] Potsdam, äußerte: »Wie sieht die Mitarbeit der LDPD-Mitglieder in der Staatlichen Verwaltung aus, gewöhnlich ist es ja so, dass man unsere Mitglieder gar nicht haben will.«

Schüler aus Holzhausen, [Bezirk] Potsdam, weigerten sich, ein Theaterstück zum 1. Mai einzuüben. Dies ist auf die Beeinflussung von der Pastorin, welche angeblich Anweisung von der Superintendantur Neustadt erhalten habe, zurückzuführen.

Organisierte Feindtätigkeit

SPD-Ostbüro:17 Magdeburg mehrere Tausend, Frankfurt 1 000, Potsdam 3 640, Berlin 4 300, Halle 60, Erfurt 200, Gera 20, Dresden 40.

NTS:18 Berlin 16 000, Dresden 220, Potsdam 20.

KgU:19 Frankfurt 700, Dresden 540 und Potsdam 10.

CDU-Ostbüro: Frankfurt 2 500, Potsdam 1 000.

In Berlin wurden 52 000 Flugblätter (Inhalt: »1. Mai – Weltfeiertag freier Menschen«) und 8 000 Flugblätter (Inhalt: »Freie Wahlen«) sichergestellt. 3 100 Hetzschriften wurden in Cottbus sichergestellt. Inhalt und Herausgeber unbekannt.

In den Bezirken Dresden, Frankfurt/Oder, Erfurt, Gera und Halle wurden an die verschiedensten Fachschulen gefälschte Rundschreiben, angeblicher Absender: Ministerium für Berufsausbildung, gesandt,20 worin aufgefordert wird, zuverlässige Personen für einen Wehrertüchtigungslehrgang auszusuchen.

Hetzbriefe: In Görlitz, [Bezirk] Dresden, wurden von dem UFJ21 Hetzbriefe an Einwohner versandt. Im Bezirk Magdeburg wurden Hetzbriefe. Inhalt: Hetzschrift »Telegraf-Wochenspiegel«22 an Einwohner versandt.

In den Bezirken Neubrandenburg und Dresden wurden an die Staatlichen Kontors für landwirtschaftlichen Bedarf gefälschte Schreiben geschickt, in welchen aufgefordert wird, die noch fehlenden Mengen an Düngemittel zu melden, da die Kontingente um 20 Prozent erhöht worden seien.

In einem Brigadestützpunkt der MTS Eilenburg, [Bezirk] Leipzig, wurden an einem Pflug sämtliche Schmiernippel breitgeklopft, sodass dieser Flug nicht mehr abgeschmiert werden kann und ausfiel.

In der LPG Garrey-Zixdorf, [Bezirk] Potsdam, wurde festgestellt, dass sich zwischen Verbindungsdrähten, zwischen Hauptschalter der Schalttafel und der Wand eine ca. 25 cm Matratzenfeder befand. Bei näherer Berührung hätte ein Kurzschluss bzw. ein Brand entstehen können.

In der Nacht vom 17. zum 18.4.1954 entstand eine Schlägerei zwischen sowjetischen Offizieren und Angehörigen einer westdeutschen Sportdelegation in Brandenburg, [Bezirk] Potsdam. Die Schlägerei wurde durch einen 18-jährigen Maschinenschlosser hervorgerufen, der die westdeutschen Sportler auf Russisch als Faschisten bzw. als Adenauer-Clique23 bezeichnete. Ein sowjetischer Offizier griff den Delegationsleiter tätlich an und ein anderer Offizier drohte ihm mit der Waffe. Der Delegationsleiter der westdeutschen Sportdelegation sagte bei der VP, dass er über die Reise in die DDR enttäuscht sei.

Westberlin

Am 17.4.1954 fand am Funkturm eine NTS-Kundgebung aus Anlass des »Menschenraubes« des Dr. Truschnowitsch statt.24 Anwesend waren ca. 2 000 Personen, wovon ein großer Teil ältere Leute waren. Neben einer wüsten Hetze gegen die DDR wurde ausgeführt, dass die Entführung vom »SSD-Major Paul« geleitet wurde.25 Die nächsten Personen, die verschleppt werden sollen, seien Dr. Weissmann,26 Erik Reger,27 Müller Jabusch,28 Dr. Friedenau29 und Tillich.30 Einige Republikflüchtige äußerten vor Beginn der Versammlung, dass sie für 10 000 DM bereit wären, die Genossin Hilde Benjamin31 nach dem Westsektor zu verschleppen. Weiterhin brachten sie zum Ausdruck, dass man Otto Nuschke32 im Juni vorigen Jahres viel zu schnell freigelassen hätte,33 man hätte ihn bis zur Freilassung von Dr. Linse festhalten sollen.34

Aus der Stummpolizei:35 In den Kreisen der Wachtmeister der Stummpolizei wird besonders über das bevorstehende Pfingsttreffen (II. Deutschlandtreffen)36 diskutiert. Dabei wird zum Ausdruck gebracht, dass sie am liebsten durch Urlaub oder Krankheit über diese Tage kommen möchten. Bei leitenden Personen der Stummpolizei wird besonders die Gehaltsfrage diskutiert. Vom Finanzminister Schäffer37 wurde festgestellt, dass die Berliner Stupo eine Gehaltsstufe zu hoch eingestuft ist. Jetzt sollen die Polizisten bis zum Hauptwachmeister eine Gehaltsstufe zurückgruppiert werden. Dies würde bis zum Reviervorsteher 50,00 bis 60,00 Westmark ausmachen.

Die Zeitung »Die Welt« vom 21.4.1954 brachte unter der Überschrift: »Truschnowitsch meldet sich«38 u. a. folgende Meldung: »Westliche Abwehrdienste haben inzwischen die Überzeugung gewonnen, dass Truschnowitsch seit längerer Zeit, wenn nicht schon sogar vom Tage der Gründung der russischen Widerstandsbewegung NTS an, im Auftrage des sowjetischen Geheimdienstes gearbeitet hat. Das aufgrund verschiedener Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit gegen Truschnowitsch zusammengetragene Belastungsmaterial gab einem alliierten Geheimdienst Veranlassung, aktiv gegen Truschnowitsch vorzugehen. Er wäre nach den vorliegenden Informationen bei der geplanten Übersiedlung von Berlin nach Frankfurt/M. aller Wahrscheinlichkeit nach von den zuständigen Instanzen verhaftet worden.«39

Einschätzung der Situation

Die Lage hat sich im Allgemeinen nicht wesentlich verändert.

Anlage vom 22.4.1954 zum Informationsdienst Nr. 2186

RIAS gegen Aufklärungseinsätze unter der Landbevölkerung40

In einer Sendung des RIAS »Sonntagmorgen auf dem Lande« vom 18.4.1954 wird gegen die Agitationseinsätze unserer Partei auf dem Lande gehetzt und zum anderen will man durch Hinweise, wie z. B.: »Empfangt die Agitatoren, sprecht mit ihnen aber vor allem über Dinge des Alltags, die euch und vermutlich auch den Sendboten der Partei wichtiger sind«, oder »erzählt von euren Sorgen und lasst auch sie erzählen, dann werdet ihr feststellen, dass sie genauso unzufrieden sind, wie ihr« erreichen, dass die Agitationseinsätze erfolglos verlaufen. Denn an einer anderen Stelle heißt es: »Wenn ihr euch auf diese Art aussprecht, wird der Parteiauftrag, der euch zusammenführte, völlig vergessen sein.«

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