Zur Beurteilung der Situation
3. Juni 1954
Informationsdienst Nr. 2224 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Die Diskussionen zum Beschluss der Volkskammer über die Durchführung der Volksbefragung1 haben etwas an Umfang zugenommen, trotzdem sind die Diskussionen noch gering. Die bekannt gewordenen Stimmen stammen meist von fortschrittlichen Kräften und sind überwiegend positiv. Jedoch wird vielfach geäußert, dass die Volksbefragung zwecklos sei, da alle für den Frieden wären. Nur ganz vereinzelt treten negative Stimmen auf, die zum Ausdruck bringen, dass es schade um das Geld wäre, man sollte es »nutzbringend« anwenden. Beispiele hierzu bringen wir im Anhang.
Zur Genfer Konferenz2 wird unter den Werktätigen nur vereinzelt, meist positiv diskutiert. Darin wird zum Ausdruck gebracht, dass man von der Konferenz eine Entspannung der internationalen Lage erhofft.
Stimmen zum HO-Fleischmangel wurden uns aus den Bezirken Cottbus und Gera bekannt. Die Arbeiter des Bezirks- und Kreiskontors für Ersatzteile und landwirtschaftlichen Bedarf führten während des Mittagessens folgende Diskussion: Sie waren der Meinung, dass die in der letzten Zeit aufgetretenen Schwierigkeiten in der Fleischversorgung wegen dem Deutschlandtreffen seien.3 Sie brachten zum Ausdruck, dass man ein solches »Theater« nicht aufziehen soll, wenn das Essen, was für die Bevölkerung bestimmt ist, dafür abgezogen wird. Sie waren weiter der Ansicht, dass in Berlin dann wieder die Lebensmittel im Papierkorb liegen, wie es angeblich früher schon bei ähnlichen Veranstaltungen war. Einige Arbeiter äußerten, dass sie keine Veranlassung sehen, die Westdeutschen durchzufüttern, sie bekämen von denen ja auch nichts.4
Vereinzelt versuchen feindliche Elemente, die in den Betrieben arbeiten, durch Äußerungen die Arbeiter zur Teilnahme für eine erneute Provokation reif zu machen. Dies tritt besonders in den Bezirken Halle und Magdeburg auf. Ein Kollege von den Leuna-Werken Walter Ulbricht, Kreis Merseburg, [Bezirk] Halle: »Wir müssten eigentlich am 17.6.[1954] wieder marschieren.« Ein anderer Kollege warf ein: »Wir haben doch keinen Grund, da wir beide doch von Lohngruppe III in die Lohngruppe IV gekommen sind!« Daraufhin antwortete der Erstere: »Das ist noch nicht genug, wir müssten die Lohngruppe V haben, denn die Preise sind noch zu hoch.«
Im Stahl- und Apparatebau Magdeburg äußerte der 2. BGL-Vorsitzende zu einem Instrukteur der Bezirksleitung der IG Metall Magdeburg: »Ihr habt wohl schon den 17. Juni [1953] vergessen?« Der Instrukteur fragte, wie er das meint. Antwort: »In der HO gibt es kein Fleisch, und mit trockener Stulle lässt es sich schlecht arbeiten. Es ist auch den Kollegen bekannt, dass alles für das II. Deutschlandtreffen nach Berlin geht. Lasst es euch durch den Kopf gehen und denkt an den 17. Juni [1953]!«
Missstimmungen wurden uns aus verschiedenen Betrieben bekannt, die ihre Ursachen in Norm- und Lohnfragen sowie im Materialmangel haben.
Im VEB Fortschritt, Werk III Berlin,5 sind die Bügler mit der Senkung der Normen nicht einverstanden. Obwohl sich die Kreisleitung der SED und die Gewerkschaft damit schon beschäftigt haben, konnte bis jetzt noch keine Klärung erfolgen.
Ein Arbeiter aus dem VEB Sanar Königsbrück,6 [Kreis] Kamenz, [Bezirk] Dresden, sagte in einer Unterhaltung über die Normen zum TAN-Sachbearbeiter:7 »Pass gut auf, auch du wirst noch gehängt.«
Im Kunstseidenwerk Premnitz, [Bezirk] Potsdam, diskutieren die Arbeiter der Produktionsbetriebe untereinander, dass die Normen gesenkt werden müssten, weil sie sonst bei der Erzeugung einer guten Qualität nicht genug verdienen.
Materialschwierigkeiten
Im VEB Waggonbau Görlitz, [Bezirk] Dresden, besteht ein Mangel an 8- und 10-mm-Blechen.
In dem VEB Schuhfabrik Großharthau, [Bezirk] Dresden, fehlt es an Futterstoffen für die Winterproduktion.
Im VEB Feinstrumpfwerk Oberlungwitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, stehen 20 Maschinen still, da keine Perlon- und Monofil-Seide vorhanden ist. Dieser Zustand löst eine negative Stimmung unter den Arbeitern aus.
In der Lederhandschuhfabrik Ilmenau, [Bezirk] Suhl (VEB), fehlt es an Handschuhleder. Darüber ist die Belegschaft empört, weil es angeblich in einer Handschuhfabrik im Bezirk Magdeburg genügend Handschuhleder gibt. Der Betriebsleiter dieses Magdeburger Betriebes sucht angeblich Fachkräfte und Maschinen, außerdem soll dieser Betrieb Privatbetrieben Aufträge übergeben haben.
Aufgrund des Mangels an Obervelourleder in der Schuhfabrik »Banner des Friedens« Weißenfels musste einer Komplexbrigade andere Arbeit zugeteilt werden. Weiterhin besteht dort ein Engpass an Schnallen für die Spangenschuhe.
Die Brauerei und Malzfabrik Artern, [Bezirk] Halle, hat kein Malz mehr zur Verfügung. Wenn nicht schnellstens eine Anlieferung erfolgt, muss die Produktion stillgelegt werden. Diese Schwierigkeiten bestehen auch in den Malzfabriken Köthen und Landsberg, [Bezirk] Halle.
Produktionsstörung
Im Walzwerk »Willy Becker« in Kirchmöser, [Bezirk] Potsdam, traten am 31.5. und 1.6.1954 laufend Störungen an der Feineisenstraße auf, hervorgerufen durch die Kuppelbrücke an der Vorwalze. Um genau überprüfen zu können, um was für Schaden es sich handelt, wurde die Feineisenstraße stillgelegt.
Handel und Versorgung
Über eine unzureichende Versorgung mit HO-Fleischwaren berichten weiterhin die Bezirke Halle, Magdeburg, Cottbus, Potsdam, Karl-Marx-Stadt und Erfurt. Im Bezirk Gera ist eine wesentliche Besserung eingetreten. Nur in einzelnen Kreisen sind diese Schwierigkeiten noch nicht behoben, wie zum Beispiel im Kreis Greiz.
Im Schlachthof Leipzig lagern ca. 460 t Talg und Schmalz (bei einer Temperatur von 21 Grad Celsius) sowie 80 t Salzspeck, die nicht abverfügt werden.
Im Bezirk Rostock klagt die Bevölkerung über ein ungenügendes Angebot an Qualitätssommerstoffen und Konfektion. Im Bezirk Leipzig wird in den ländlichen Gebieten über eine schlechte Belieferung an Gebrauchsgütern und Textilien geklagt. Zum Beispiel wurde in der Gemeinde Großzschocher8 darüber folgendermaßen diskutiert: »Für das ganze Dorf wurde nur ein Ballen Stoff geschickt. Ist denn der Handel der Meinung, dass alle Frauen die gleichen Kleider tragen sollen?«
Im Kreis Köthen, [Bezirk] Halle, fehlt es in der HO an Haferflocken, Erbsen, Hafermehl und Gemüsekonserven. Im Gegensatz dazu gibt es diese Waren beim Privathandel.
Landwirtschaft
Weiterhin wird unter der Landbevölkerung wenig über aktuelle politische Probleme gesprochen, meist nur in den Kreisen des sozialistischen Sektors. Im Mittelpunkt der politischen Diskussionen steht die Volksbefragung. Die gering bekannt gewordenen Stimmen sind überwiegend positiv. Ein Traktorist der MTS Putlitz, [Bezirk] Potsdam: »Ich begrüße die Volksbefragung. Können wir doch dadurch als junge Menschen offen zum Ausdruck bringen, dass wir mit den Machenschaften der Adenauer-Regierung9 und der Amis nicht einverstanden sind. Wir wollen in Frieden unsere Arbeit durchführen.«
Die vereinzelt bekannt gewordenen negativen Äußerungen sind meist von Einzelbauern. Ein Großbauer aus Zernitz, [Bezirk] Potsdam: »Wir werden ja sonst immer als Verbrecher angesehen, darum brauchen wir auch nicht zu dieser Volksbefragung zu gehen.«
Ein Landarbeiter aus Schillingstedt, [Bezirk] Erfurt (bei einem Großbauern beschäftigt): »Ich gehe nicht zur Volksabstimmung, denn es sind ja doch keine freien Wahlen und die Menschen werden hier nur unterdrückt.«
Vorwiegend besteht das Interesse für wirtschaftliche und persönliche Belange. Im Bezirk Cottbus herrschte in den letzten Tagen teilweise eine schlechte Stimmung unter den Bauern, weil sie befürchten, durch die Trockenheit ihren Ablieferungsverpflichtungen nicht nachkommen zu können. Dazu äußerte ein Mittelbauer aus Gahro, [Bezirk Cottbus]: »Ich habe bisher immer die Abgabepflichten vorfristig erfüllt und übererfüllt. Durch die diesjährige Trockenheit und den schlechten Stand des Grünfutters bin ich mit dem Milchsoll im Rückstand.«
Im VEG Wasserthaleben, [Bezirk] Erfurt, musste auf Anordnung des Kreistierarztes der ganze Schweinebestand (115) notgeschlachtet werden (Zurückzuführen auf die Impfung gegen die Schweinepest).
In der Gemeinde Gantikow, [Bezirk] Potsdam, wurden bei einer Suchaktion 1 000 Stück Kartoffelkäfer gefunden.
Negative bzw. feindliche Stimmen wurden nur vereinzelt bekannt. Zum Beitritt in die LPG äußerte ein Kleinbauer aus Berthelsdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »… Ich bin ein alter Berthelsdorfer, aber ehe ich in die LPG eintrete, lieber wollte ich verrecken.«
Ein anderer Bauer aus Gassenreuth, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich werde nie einer LPG eintreten [sic!], denn dort müsste man ja verhungern.«
Ein Brigadier der LPG in Lossa, [Bezirk] Leipzig, erklärte zur Frage der Wasserstoffbombenexperimente:10 »Die Versuche mit den Wasserstoffbomben haben ja gar nicht stattgefunden. Das war doch alles nur Schwindel. Es ist alles genauso ein Bluff wie bei den Nazis.«
In der Gemeinde Naundorf, [Bezirk] Leipzig, sollte in einer Versammlung eine Lektion über den dialektischen Materialismus und die Agrom-Biologie11 gelesen werden. Als der Lektor erschien, wurde ihm vom VdgB-Vorsitzenden gesagt, dass die Versammlung vom Bürgermeister verboten wurde, weil sie nicht polizeilich gemeldet ist. Wenn sie trotzdem durchgeführt würde, will der Bürgermeister ihm die Polizei auf den Hals schicken.
Übrige Bevölkerung
Über politische Tagesfragen wird nur im geringen Maße gesprochen. Über die Genfer Konferenz wird kaum noch gesprochen. Die gering geführten Diskussionen über die Volksbefragung sind überwiegend positiv. Ein Gastwirt aus Groß Pankow, [Bezirk] Potsdam: »Ich habe meine Knochen im letzten Krieg geopfert und will nun nicht noch die letzte Gesundheit hergeben. Darum gibt es für mich nur eins, gegen den EVG-Vertrag zu stimmen.«12
Teilweise wird zum Ausdruck gebracht, dass die Volksbefragung überflüssig [ist], da es doch selbstverständlich ist, dass die Menschen für den Frieden sind. Ein Bäckermeister aus Groß Pankow: »Die Volksbefragung ist in meinen Augen überflüssig, denn es muss ja wohl jeder für den Frieden sein. Wenn es einen neuen Krieg geben würde, dann sind wir ja nur die Dummen, weil er sich hier abspielen würde.«
Vereinzelt wurden negative bzw. feindliche Stimmen bekannt, meist aus bürgerlichen Kreisen. Ein Glasfabrikant aus Ilmenau, [Bezirk] Suhl: »Meiner Meinung nach müsste der Stimmzettel so lauten: ›Bist du für eine Ordnung wie sie bei uns ist, oder wie sie im Westen ist‹, dann erst käme der Volkswille zum Ausdruck. Alles andere ist Quatsch.«
Ein Drogist aus Ilmenau: »Sie sollten statt der Volksbefragung einmal eine Parteiwahl durchführen, dann würden sie erkennen, was los ist.«
Diskussionen über eine unzureichende HO-Fleischversorgung wurden aus den Bezirken Potsdam, Gera, Magdeburg bekannt. Größtenteils wird als Ursache dafür das Deutschlandtreffen angeführt. Ganz vereinzelt werden in diesem Zusammenhang feindliche Stimmen bekannt, die auf einen neuen 17. Juni [1953] hinweisen.
Eine Hausfrau aus Magdeburg: »… Das Fleisch wird alles zum II. Deutschlandtreffen benötigt. Das hat man doch schon immer gemerkt, wenn etwas los ist, dann wird es eben woanders abgezogen.«
In einem Arbeiterzug auf der Strecke Haldensleben – Magdeburg wurde folgende Diskussion geführt: »Mit diesem stattfindenden FDJ-Rummel soll man uns in Ruhe lassen. Man sieht doch die Auswirkungen, es gibt kein Fleisch und keine Wurst. Das sind die Verwirklichungen des neuen Kurses.13 Auch sollte man uns mit Wahlen in Ruhe lassen. Daran beteiligen wir uns nicht. Nun, wir haben ja in Kürze den Jahrestag.«
Eine Hausfrau aus Jena: »Diese Schweine, jetzt geben sie uns wieder nichts zu fressen, aber am 17. Juni [1954] kriegen sie ihre Quittung dafür. Nur diesmal klappt es besser.« (Derartige Äußerungen wurden schon mehrmals in den Geschäften festgestellt.)
In der S-Bahn Berlin-Bernau wurde folgende Diskussion geführt: »Die Fleischknappheit ist auf das II. Deutschlandtreffen zurückzuführen. Na, wir nähern uns ja wieder dem 17. Juni, aber diesmal wird es anders gemacht.« (Dazu ist zu bemerken, dass in den Zügen von Bernau sehr häufig negative Diskussionen geführt werden und bei Versuchen, die Diskussionen positiv zu lenken, wird vonseiten der Diskutierenden nicht mit Drohungen gespart.)
In Doberlug-Kirchhain, [Bezirk] Cottbus, wurde am »Internationalen Kindertag«14 die Ansprache des Bürgermeisters durch dreimaliges minutenlanges Pfeifen der Kinder gestört. (Es war bereits vorher bekannt, dass die Kinder den Referenten auspfeifen wollten.)
In Fürstenberg und Stalinstadt wird das Gerücht verbreitet, dass über die Pfingstfeiertage keine Fahrkarten nach Berlin ausgegeben werden.
In den Landgemeinden des Kreises Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, fordert die Bevölkerung eine verstärkte Kontrolle vonseiten der Grenzpolizei, um die Schiebereien von Eiern und Spargel nach Westberlin zu unterbinden.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverbreitung
SPD:15 Karl-Marx-Stadt 5 928, Erfurt 1 325, Gera 157, Potsdam 40, Dresden 16. Inhalt: der größte Teil richtet sich gegen die Beschlüsse des IV. Parteitages.16 Eine geringe Anzahl gegen den 1. Mai [1954].
CDU-Ostbüro: Potsdam 2 000. Inhalt: Hetze gegen die DDR.
KgU:17 Potsdam 3 750, Karl-Marx-Stadt 324, Rostock und Neubrandenburg einige. Inhalt: Aufforderung, am Pfingsttreffen18 nicht teilzunehmen.
»Freie Junge Welt«19: Potsdam 1 100, Halle 310, Dresden 4. Der Inhalt richtet sich gegen das II. Deutschlandtreffen.
NTS:20 Potsdam 5 320,21 Karl-Marx-Stadt 1 500, Neubrandenburg 104, Rostock 51, Dresden 7 (in russischer Schrift).
In tschechischer Schrift: Karl-Marx-Stadt 7 750, Wismutgebiet22 eine große Anzahl, Dresden 193, Potsdam 100.
Der größte Teil der Hetzschriften wurde mit Ballons eingeschleust und gelangte nicht in die Hände der Bevölkerung.
Antidemokratische Handlungen und Schmierereien
In Altdöbern, [Bezirk] Cottbus, wurde in der Nacht vom 31.5. zum 1.6.1954 ein Wandzeitungskasten der FDJ von unbekannten Tätern heruntergerissen und zerstört.
In Rostock wurden einige Hakenkreuze23 angeschmiert.
Am Bahnhof Weißenfels, [Bezirk] Gera, war zwei Tage lang ein Transparent mit folgender Losung befestigt: »Jungen und Mädels kämpft beharrlich für bessere Lohn- und Arbeitsverhältnisse.« Diese Losung sollte heißen: »… kämpft für bessere Lern- und Arbeitsergebnisse.«
Eine gefälschte Anweisung erhielt das Kreisfriedenskomitee in Saalfeld, [Bezirk] Gera, wonach bis zu einem angegebenen Termin die Hälfte der administrativen Kräfte nur noch halbtags beschäftigt werden dürfen. Absender: Deutscher Friedensrat Berlin.24
Vermutliche Feindtätigkeit
Im Jugendwerkhof Röderhof,25 [Bezirk] Dresden, wurde eine Scheune in Brand gesetzt. Ein Schaden entstand nicht, da der Brand gelöscht werden konnte.
Im VEB Zinnerz Altenberg, [Bezirk] Dresden, wurde bereits das 5. Mal ein Eisenhammer von unbekannten Tätern in den Steinbrecher geworfen, wodurch ein Arbeitsausfall entstand.
Westberlin
Seit dem 28.5.1954 sind an den Westberliner Litfaßsäulen große Plakate der FDP veröffentlicht, in denen in großen Schlagzeilen das Verbot der SED gefordert wird.26
Anlage 1 vom 3. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2224
II. Deutschlandtreffen der Freien Deutschen Jugend
Stimmung unter der FDJ und Bevölkerung
Die Stimmung zum II. Deutschlandtreffen hat sich gegenüber dem Vortag nicht wesentlich verändert. Unter den Jugendlichen, die am Deutschlandtreffen teilnehmen, besteht eine große Vorfreude auf die Tage in Berlin. In ihren Diskussionen wird oft über die sportliche und kulturelle Seite dieses Ereignisses gesprochen, weniger über seine politische Bedeutung. Von den übrigen Werktätigen wird nur ganz vereinzelt darüber gesprochen.
Ein jugendlicher Tischler aus dem VEB Borgiswalder Holzbetrieb,27 [Bezirk] Potsdam: »Ich bin stolz darauf, dass ich aus unserem Betrieb als Delegierter zum II. Deutschlandtreffen fahren darf. Ich werde alle meine Erlebnisse den Jugendlichen erzählen, die nicht mitfahren können.«
Ein jugendlicher Schlosser aus den Horchwerken Zwickau: »Die Freunde meiner Kulturgruppe sind begeistert und können die Abfahrt kaum erwarten. Sie freuen sich riesig auf die großen Sport- und Kulturveranstaltungen und sind besonders auf die Darbietung des Moissejew-Ensembles28 gespannt.«
In diesem Zusammenhang wird über weitere Verpflichtungen zum II. Deutschlandtreffen berichtet. Eine Jugendbrigade im Wismut-Schacht 250 in Aue verpflichtete sich, ihren Bagger in persönliche Pflege zu nehmen. Gleichzeitig fuhren sie eine Stoßschicht mit 218 Prozent.
Im [Wismut-]Objekt 31,29 Zeche V in Auerbach hat die Komplexbrigade Tagesleistungen von über 200 Prozent erreicht. Mehrere Brigademitglieder wollen das Abzeichen »Für Gutes Wissen« erlangen. Zwei Jugendfreunde baten um Aufnahme in die Partei.
Die werktätigen Bauern verschiedener Orte des Kreises Neuhaus, [Bezirk] Suhl, haben eine Eiersammlung durchgeführt und ca. 1 100 Eier verkauft. Der Erlös wurde auf das Konto für das II. Deutschlandtreffen überwiesen.
Stimmen, worin eine Beteiligung am Deutschlandtreffen abgelehnt wird sowie negative Diskussionen werden weiterhin aus verschiedenen Bezirken bekannt, jedoch ist der Umfang solcher Diskussionen allgemein gering. In Großbreitenbach, [Bezirk] Suhl, haben 27 Jugendfreunde des FDJ-Fanfarenzuges ihre Fahrt zurückgezogen, da sie »kein Geld und keine Lust« für diese Treffen haben.
Die Jugendlichen des VEB KKA Sonneberg,30 [Bezirk] Suhl, lehnen die Teilnahme ab, da ihnen versprochen wurde, dass die ausfallende Arbeitszeit vom Betrieb bezahlt werde. Jetzt wurde ihnen mitgeteilt, dass sie diese Zeit vor- bzw. nacharbeiten müssen.
In der Gemeinde Zwiedorf, [Bezirk] Neubrandenburg, wurde den Jugendfreunden von der LPG-Vorsitzenden geraten, lieber zum Teterower Berg-Ring-Rennen31 zu fahren, als zum Pfingsttreffen. Deshalb hat sich nur eine Jugendfreundin aus der Gemeinde gemeldet.
Der BGL-Vorsitzende des örtlichen landwirtschaftlichen Betriebes Stotternheim, [Kreis] Erfurt, sagte: »Wenn mein Mädel schon über 14 wäre, würde ich ihr lieber den Schädel abhacken, als sie mit nach Berlin zu schicken.« Eine Kollegin aus dem gleichen Betrieb (ehemalige Umsiedlerin) nimmt gegen die Jugendlichen Stellung, wenn sie vom Deutschlandtreffen sprechen und verbietet ihnen das Wort.
Ein Kollege aus dem »Martin-Hoop«-Werk Zwickau:32 »Durch das Deutschlandtreffen verlieren wir viele Arbeitskräfte, die wir so nötig brauchen. Ich kann nicht verstehen, dass man so viele mitfahren lässt. Es ist kein Wunder, wenn dann die Planerfüllung nicht klappt.«
Einige Arbeiter aus der Maxhütte Unterwellenborn, [Bezirk] Gera: »Wenn derartige Feste aufgezogen werden, sollen es die finanzieren, die es durchführen. Man soll nicht den Arbeitern von der Lebensmittelkarte A33 die Butter abziehen, um sie für das Deutschlandtreffen zu verwenden. Damit soll nur großgetan werden.«
Ein Arbeiter aus dem Wismut-Objekt 100 in Kugelmühle:34 »Warum soll ich das II. Deutschlandtreffen unterstützen, es wird doch bloß Schweinerei getrieben, ebenso wie beim I. Treffen und bei den Weltfestspielen.«35
Zwei Malerlehrlinge aus Flöha, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wir nehmen natürlich Zivilkleidung mit nach Berlin, um endlich einmal billig nach dem Westen zu kommen.«
Eine Jugendliche aus Stollberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich habe eine Schwester in Westberlin, die werde ich besuchen. Ich muss mir nur noch überlegen, ob ich dann gleich drüben bleibe und gar nicht wieder zurückkehre.«
Organisierte Feindtätigkeit
Einige FDJ-Kreisleitungen und Betriebsgruppen der Bezirke Halle und Suhl erhielten gefälschte Anweisungen, wonach 20 Prozent der Teilnehmer gestrichen werden sollen, da nicht genügend Verpflegung und Quartiere vorhanden sind. Absender: Zentralrat der FDJ Berlin.
Dem Bezirksausschuss der Nationalen Front,36 dem DFD, FDGB und Org.-komitee in Berlin wurden durch die Post gefälschte Quartierscheine für das II. Deutschlandtreffen zugesandt.
Am 28.5.1954 versuchten anlässlich eines Ortstreffens der FDJ in Weida, [Bezirk] Gera, vier Jugendliche die Veranstaltung zu stören. Dabei wurde ein FDJ-Funktionär niedergeschlagen, zwei anderen wurden die FDJ-Abzeichen heruntergerissen.
Vermutliche Feindtätigkeit
Im Kreis Niesky, [Bezirk] Dresden, macht der Pfarrer Propaganda für das Kirchentreffen in Leipzig,37 um dadurch die Jugendlichen vom Deutschlandtreffen abzuhalten. Eine Jugendliche, die am Konfirmandenunterricht teilnimmt und am Deutschlandtreffen teilnehmen will, wurde vom Pfarrer aufgefordert, zur Strafe dafür zehn Plakate vom Kirchentreffen in Leipzig zu verkaufen. Weiter sagte er ihr, wenn sie nach Berlin fährt, könne es möglich sein, dass er sie anschließend beerdigen muss.
Zur Vorbereitung in Berlin
Die Teilnehmererfassung geht noch immer schleppend vonstatten. Bisher wurden ca. 61 Prozent Jugendfreunde erfasst. Das Soll für die Teilnehmer zur Demonstration der Jungen Pioniere wurde bis zu 31.5.1954 mit 36,6 Prozent erfüllt.
Im Bezirk Köpenick, wo der Plan für umfangreiche Kulturveranstaltungen bereits fertig war, sollen jetzt sämtliche Veranstaltungen durch die FDJ-Kreisleitung geändert werden.
Anlage 2 (o. D.) zum Informationsdienst Nr. 2224
Anhang: Stimmen zur Volksbefragung aus der Industrie
Ein Arbeiter aus dem VEB Röhrenwerk »Anna Seghers« in Neuhaus, [Bezirk] Suhl, sagte: »Die Frage, ob Friedensvertrag oder EVG und 50 Jahre Besatzung,38 die uns Arbeiter bei der Volksbefragung vorgelegt wird, ist richtig und es kann jetzt jeder entscheiden, wer für den Frieden ist und hinter unserer Regierung steht.« Eine Kollegin aus dem gleichen Betrieb erklärte: »Die Volksbefragung entspricht dem Willen des deutschen Volkes, welches nun entscheiden kann. Ich bin gegen den Generalvertrag.«
Ein Güterbodenarbeiter von der Güterabfertigung Eisenach, [Bezirk] Erfurt, äußerte: »Ich begrüße die Volkskammerentschließung, Ende Juni eine Volksbefragung durchzuführen. Dagegen dürfte wohl keine Stimme sein.«
Ein Arbeiter vom VEB Abus Kranbau Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt, äußerte: »Für uns kann es gar keine andere Meinung geben, als dass wir uns für den Friedensvertrag und gegen die EVG bei der Volksbefragung entscheiden. Adenauer soll sehen, dass wir ihn nicht etwa willkommen heißen würden, wenn er seinem Marsch zum Ural antreten will.«
Eine Arbeiterin aus dem Chemischen Werk Buna, Betrieb C 17, äußerte: »Gegen die Volksabstimmung ist hier keiner, aber man sollte sie geh[eim]39 durchführen, nicht wie die letzten Wahlen, dass schon einige Personen an der Tür stehen und sagen, hier machst du dein Kreuz hin. Der Charakter der demokratischen Wahlen muss unbedingt gewährleistet sein.«
Ein Kollege aus dem VEB Keulahütte, [Kreis] Weißwasser, [Bezirk] Cottbus, sagte: »Wozu Volksbefragung, wenn wir einen Kommunismus in Deutschland bekommen, dann haben wir sowieso nichts Gutes zu erwarten.«
Ein Arbeiter aus Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sagte: »Jetzt hat man im Juni den Volksentscheid beschlossen, man sollte lieber dazu übergehen, Wahlen durchzuführen, damit endlich die Einheit Deutschlands hergestellt wird.«
Ein Arbeiter aus dem Stahl- und Walzwerk Riesa, [Bezirk] Dresden, sagte: »Was nützt uns denn die Volksbefragung. Im Westen kümmern sie sich ja sowieso nicht darum. Es wäre besser, wenn sich unsere Regierung mehr an den Westen halten würde, da bekämen wie hier auch Apfelsinen, Zitronen und Südfrüchte.«
Anlage 3 vom 2. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2224
II. Deutschlandtreffen der FDJ
I. Stimmung unter der FDJ und der Bevölkerung
Über die Stimmung liegen keine nennenswerten Berichte vor. Besondere Diskussionen wurden bisher nicht bekannt. Im zentralen Ordnerverband ergaben sich vereinzelte Diskussionen über die geforderte Lagerdisziplin.
Beispiele: Ein Jugendfreund aus Bitterfeld: »Diskussion über Ausgangsüberschreitung ist Quatsch.« Ein anderer Jugendfreund: »Ich mache nichts mehr. Ich bin hierhergekommen, um Zelte aufzubauen und nicht, um Soldat zu spielen.«
Es treten Einzelfälle von ungenehmigtem Verlassen des Lagers auf. Vier Jugendfreunde aus Cottbus (Fanfarenzug) wurden durch das Bezirksbüro Cottbus wegen Aufsuchen des Westsektors zurückgeschickt.
Aus Westberlin wird bekannt, dass sich ein Teil der Westberliner Bevölkerung ohne Weiteres bereit erklärte, einen Geldbetrag zu spenden, aber nicht in den Listen namentlich genannt sein wollen.
II. Feindtätigkeit
Im Bezirk Frankfurt/Oder wurden entlang der Berliner Randgebiete ca. 4 000 Hetzschriften des »Aktivs der FDJ von Groß-Berlin« mit Hetze gegen das Deutschlandtreffen und der Aufforderung, nach Westberlin zu kommen, gestreut. Circa 90 Prozent konnten sichergestellt werden.
Im Bezirk Erfurt wurden ca. 300 Stück »Sozialdemokrat«40 aufgefunden. Im Bezirk Cottbus wurden vereinzelte Exemplare der »Freien Jungen Welt« und KgU gefunden. Weitere Flugblattstreuung wurde nicht bekannt.
Das Ostbüro der SPD hat mehrere Ladungen Hetzschriften (»Taranteln«41 und »Telegraf-Wochenspiegel«42) erhalten, welche während des Deutschlandtreffens an der Sektorengrenze sowie auf den S-Bahnhöfen verteilt werden sollen. Eine Sondernummer der »Tarantel« befasst sich ausschließlich mit dem 17.6.[1953]. Ein Aufruf »an die deutsche Jugend« wird vorbereitet und soll mit zur Verteilung kommen.
Bei den im Amerika-Haus am Möllendorff-Platz43 geplanten Filmvorführungen und Vorträgen für die FDJ soll besonders auf den 17. Juni [1954] hingearbeitet werden.
In der Gemeinde Heyda im [Kreis] Riesa, [Bezirk] Dresden, wurden 20 Plakate des II. Deutschlandtreffens abgerissen.
Am 1.6.1954, gegen 20.50 Uhr provozierte eine Bande von Jugendlichen vor den Unterkünften der FDJ in Pankow. Sie randalierten, sangen faschistische Lieder und versuchten, in die Objekte der FDJlerinnen einzudringen. Mithilfe der Bevölkerung konnten 15 Personen festgenommen werden.
Vermutliche Feindtätigkeit
In der Universität Greifswald, [Bezirk] Rostock, hat der überwiegende Teil der Studenten die Teilnahme am II. Deutschlandtreffen abgelehnt, da die Abschlussprüfungen zwei Tage vorverlegt wurden und jetzt auf den zweiten Tag nach der Rückkehr vom Deutschlandtreffen fallen.
In Auswirkung der verstärkten Werbetätigkeit der »Jungen Gemeinde« in Lübz, [Bezirk] Schwerin, lehnten viele Jugendliche die Teilnahme am II. Deutschlandtreffen ab, da sie lieber von der Kirche aus nach Leipzig fahren wollen.
Die Grundschulen im Kreis Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, erhielten vom Rat des Bezirkes eine Direktive, dass in der Zeit vom 31.5. bis 6.6.1954 die »Woche der allgemeinbildenden Schulen« durchgeführt werden soll.44 Da dadurch ein Teil der Lehrer nicht mit zum Deutschlandtreffen fahren kann, wollen die Eltern ihre Kinder auch nicht fahren lassen. Es handelt sich dabei um 200 bis 300 Kinder.
III. Organisationsfragen
1. Strohanlieferung. Die Strohanlieferung ist noch nicht beendet und zum Teil noch sehr ungenügend. In der VP-Inspektion Köpenick fehlen noch 30 Tonnen Stroh. Im Bezirk Mitte konnte der Strohtransport infolge schlechter Organisation nicht durchgeführt werden. Im Bezirk Friedrichshain ist Stroh am 1.6.1954 durch Regen verdorben.
2. Quartiere: Einige der gemeldeten Quartiere können infolge großer Unzulänglichkeiten nicht belegt werden. In Berlin-Mitte kann ein Quartier für 300 Sportler der SV Wismut infolge zu starken Fischgeruchs nicht belegt werden. Es handelt sich um ein ehemaliges Fischlager. Ein anderes Quartier im Bezirk Mitte ist derart mit Trümmern angefüllt, sodass auch dort eine Belegung nicht möglich ist. In Pankow, Trelleborger Straße 33, halten die Träger eine starke Belastung nicht aus, deshalb kann auch dieses Quartier nicht belegt werden.
3. Verpflegung: Die Küche in Pankow, Wollankstraße, ist in einem sehr unsauberen Zustand.
IV. Besondere Vorkommnisse in den Bezirken der DDR
Am 26. und 28.5.1954 streikte im VEB Betonwerk Cossebaude, [Kreis] Dresden, eine Maurerbrigade vom Kreisbaubetrieb Dresden-Land. Die Brigade war mit den Arbeitsnormen nicht einverstanden, obgleich diese immer mit ca. 150 Prozent übererfüllt wurden. Nach einer Diskussion zwischen Vertretern der Betriebsleitung und der Brigade wurde die Arbeit wieder aufgenommen.
Am 31.5.1954 wurde bekannt, dass im RAW »7. Oktober« in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, 61 Arbeiter an einer Horn- und Bindehautentzündung erkrankten und arbeitsunfähig sind. Außerdem befinden sich ca. 80 Arbeiter wegen der gleichen Krankheit in ambulanter Behandlung. Diese Krankheitssymptome treten bereits seit dem 18.5.1954 dort auf. Es handelt sich hierbei um eine übertragbare Krankheit, deren Ursachen noch nicht bestimmt werden konnten.
Wie noch bekannt wird, kam es am 30.5.1954, 1. und 2.6.1954 auf der S-Bahn zu folgender gegnerischer Tätigkeit: Am 1.6.1954 zwischen 15.00 und 17.00 Uhr wurden im Tunnel des S-Bahnhofes Gesundbrunnen durch vier Verteiler unter Stupo-Schutz45 Hetzschriften »Telegraf-Wochenspiegel« und »Englische Rundschau«46 verteilt.
Am 2.6.1954 zwischen 5.50 Uhr und 7.50 Uhr wurden im Tunnel des S-Bahnhofes Gesundbrunnen von drei Verteilern unter Stupo-Schutz Hetzschriften »Die Volkspolizei« verteilt.
Am 2.6.1954 vor dem Eingang des S-Bahnhofes Berlin-Neukölln Verteilung von Hetzschriften »Die Volkspolizei« und »Freie Jungen Welt«.
Auf den S-Bahnhöfen Wittenau-Nordb[ahn], Schöneberg und Wannsee wurden durch die Stupo Losungen zum II. Deutschlandtreffen, »Tag des deutschen Eisenbahners«47 und Losungen gegen die EVG entfernt, nachdem sich die dortigen Dienststellenleiter geweigert hatten, diese Losungen zu beseitigen.
Anlage 4 vom 3. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2224
Hetze gegen das Deutschlandtreffen
Die meisten Zeitungen Westberlins beschäftigten sich am 2.6.1954 mit den Maßnahmen zur »Betreuung der FDJler in Westberlin«.48
In 45 Kontaktstellen (vom 4. bis 8.6.1954, von 9.00 bis 22.00 Uhr geöffnet) werden die Jugendlichen verpflegt und sollen dort Gutscheine zum unentgeltlichen Besuch von Veranstaltungen erhalten. RIAS plant für Pfingstsonntag, 15.00 Uhr, einen großen bunten Nachmittag in der Waldbühne. Die Jugendlichen sollen Verzeichnisse der Veranstaltungen und Karten der Westsektoren erhalten.
In Verhetzung der KVP49 fordert der »Telegraf« vom 2.6.195450 auf, die von uns verteilten Flugblätter über das »Berliner Schutzgesetz«51 aufzuheben und »auf geeignete Weise« unter den FDJlern zu Pfingsten zu verteilen, »weil sie geeignet wären, … der bedrohlich werdenden KVP-Werbung Einhalt zu gebieten«.52
Unter der Überschrift »FDJ sucht Agenten« verbreitet »Die Neue Zeitung« vom 2.6.195453 u. a. die Meldung, dass die westlichen Jugendlichen nach dem zweiten Deutschlandtreffen zu »14-tägigen bis 3-monatigen Lehrgängen« geschickt werden, wo sie angeblich eine »reine Untergrundausbildung mit kommunistischer Antifaschulung« erhalten. Sie werden dann von der Zeitung als »kommunistische Agenten« bezeichnet und hätten einen fest umrissenen Auftrag.
In einer »Sondernummer« der »Freien Jungen Welt«, die übelste Hetze gegen Partei und Regierung enthält, werden u. a. in den verschiedensten Artikeln Vorschläge an FDJler und die Bevölkerung Berlins zum zweiten Deutschlandtreffen unterbreitet:
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Die Funktionäre sollen mit Ernährungs- und Quartierfragen beschäftigt werden, damit die FDJler selbst »unbeobachtet durch alle Teile Berlins bummeln« können.
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Sporthemd und Zivilhose für Besuch in Westberlin mitbringen.
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Geld für Einkäufe in Westberlin mitnehmen.
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In der Ausgestaltung der Häuser »neutral« bleiben, d. h. Fahnen mit Berliner Bären, Birkenzweige, Länderfahnen u. Ä., aber keinen »Festschmuck der Nationalen Front«.