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Zur Beurteilung der Situation

1. Juni 1954
Informationsdienst Nr. 2222 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Über politische Fragen wird nur im geringen Umfang diskutiert. Die Volksbefragung1 steht im Vordergrund der politischen Diskussionen. Jedoch ist der Umfang noch gering. Die uns bekannt gewordenen Stimmen sind meist von Arbeitern und Angestellten und überwiegend positiv. Die Diskussionen über die Genfer Konferenz2 sind weiterhin geringer geworden. Die bekannt gewordenen Stimmen sind meist von Arbeitern und überwiegend positiv. Darin kommt zum Ausdruck, dass man teilweise eine friedliche Lösung des Indochinaproblems erhofft.

Ganz vereinzelt nehmen Arbeiter und Angestellte zu der Tagung des Weltfriedensrates Stellung.3 Die gefassten Beschlüsse wie z. B. über das Verbot der Atom und Wasserstoffbomben, werden im Allgemeinen begrüßt.4 Eine Arbeiterin (parteilos) aus dem Textilwerk Geyer, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich begrüße die vom Weltfriedensrat beschlossenen Maßnahmen, die Atom- und Wasserstoffwaffen nur für friedliche Zwecke zu verwenden. Ich bin aber der Ansicht, dass die imperialistischen Staaten nicht damit einverstanden sind und versuchen werden, ihr Einverständnis so lange als möglich hinauszuschieben.«

Ein Fahrstuhlführer aus der Baumwollspinnerei Tannenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Kämpfer der ganzen Welt trafen hier zusammen, um weitere Schritte zu unternehmen, um die Menschheit vor einem neuen Krieg zu bewahren, möge ihnen dieses große Werk gelingen. Mein Betrag soll sein, mich noch mehr auf meiner Arbeitsstelle einzusetzen.«

Der teilweise Mangel an HO-Fleisch und HO-Butter ist teilweise die Ursache zu negativen Diskussionen in den Betrieben. Ein Arbeiter aus dem Sprengstoffwerk Gnaschwitz, [Kreis] Bautzen, [Bezirk] Dresden: »In der Presse hat gestanden, dass einige Tausend Kilo Fleisch nach dem Westen verschoben wurden. Dieses sei genauso eine Erfindung, wie vordem mit der Margarine. Es werden dann immer Argumente gebracht, die die Ursache der Versorgung sein sollen, die aber doch keiner glaubt.«5 Ein anderer Arbeiter aus demselben Betrieb sagte, dass zurzeit alles Fleisch konserviert wird, um einen Vorrat zum nächsten Krieg zu haben. Er würde aber auf keinen Fall auf seine Brüder in Westdeutschland schießen.

Im VEB Zähler- und Apparatebau Teltow, [Kreis] Potsdam, sind die Arbeiter missgestimmt, weil in den dortigen Verkaufsstellen seit Tagen die HO-Butter und die Getränkeversorgung sowie die Zigaretten nicht ausreichend sind.

Missstimmungen wurden uns aus verschiedenen Betrieben bekannt, die vor allem ihre Ursache in Materialmangel und Lohnfragen haben.

Im Bericht vom 31.5.19546 muss der II. Abschnitt auf der Seite 3 (Im Bergwerk Braunesumpf7 … Produktion eine geringe ist.) gestrichen werden. Richtig heißt es: Im Walzwerk Thale,8 [Bezirk] Halle, forderten zehn Kollegen einer Walzenstraße, dass sie eine Lohnstufe höher bezahlt werden. Einige Kollegen hatten vorher im Bergwerk Braunesumpf, [Kreis] Wernigerode, gearbeitet und dort 700 bis 800 DM erhalten, während sie jetzt ca. 200 DM weniger verdienen. Wie uns heute berichtet wurde, sind im Walzwerk Thale zwölf Scherenleute am 30.5.1954, um 22.00 Uhr nicht zur Arbeit erschienen, wodurch an den Scheren der Blockwalzenstraße nicht gearbeitet wurde.

Am 28.5.1954 erhielten alle Abteilungsleiter der Braunkohlenverwaltung Zeitz eine Anordnung des Werkleiters, sofort die Bezahlung der Feierschichten an Feiertagen in der Woche einzustellen,9 mit der Begründung, dass dieses gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstößt. (Diese Anweisung wurde von der Braunkohlenverwaltung Borna erteilt.) Die Durchführung dieser Anweisung wird unter der Belegschaft Unzufriedenheit hervorrufen.10 In der Ziegelei Berga, [Bezirk] Halle, lagern über 100 000 Stück Ziegelsteine. Die DHZ gibt keine Freigabe für diese Steine. Dadurch ist die Lohnzahlung gefährdet und es entsteht Missstimmung in der Belegschaft.

Wie aus dem Bezirk Gera berichtet wird, bestehen unter den Eisenbahnern weiterhin schlechte Stimmungen wegen der niedrigen Bezahlung. Ein Weichenwärter vom Bahnhof Weißenfels: »Die Arbeit macht keinen Spaß mehr. Das Volk wird ja nur verdummt. Die hohen Herren stecken das Geld ein und tun nichts für den kleinen Arbeiter.«

Die beiden Strumpfwerke, VEB Feinstrumpfwerk Oberlungwitz und Lichtenstein, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, müssen die Produktion einstellen, da absolut kein Material mehr vorhanden ist. Der Zulieferbetrieb VEB Perlon Zwirnerei Flöha ist aufgrund des Ausfalls einer größeren Anlage, nicht mehr in der Lage, das benötigte Perlon zu liefern. Man wird versuchen, einen Teil der Belegschaft mit Nebenarbeiten zu beschäftigen, während jedoch der größte Teil voraussichtlich nach Hause geschickt werden muss. Der Materialmangel hat unter der Belegschaft heftige negative Diskussionen ausgelöst. Ein Arbeiter (parteilos) aus dem VEB Feinstrumpfwerk Oberlungwitz: »Wir sollen Sonderschichten fahren und die Produktion erhöhen, doch in Wirklichkeit klappt die gesamte Materialzuteilung nicht. Es ist überall so in der DDR. Bloß immer viel wollen und in Wirklichkeit ist alles kalter Kaffee, das sieht man in diesen Dingen.«

Im Volkseigenen Betrieb Kosmetik,11 [Kreis] Naumburg, [Bezirk] Halle, muss für acht Tage die Arbeit eingestellt werden, da die Lieferwerke aufgrund des Fehlens von Papier und Pappe nicht in der Lage sind, Faltschachteln und Etiketten zu fertigen. Der Betrieb hat die Verpflichtung übernommen, für DM 200 000 mehr zu produzieren, was dadurch nicht erfüllt werden kann.

In den Forster-Textilbetrieben, [Bezirk] Cottbus, ist ein Mangel an Wolle zu verzeichnen; obwohl eine Quartalslieferung von 45 t vorgesehen ist, sind nur 12 t angeliefert worden. Die Betriebe sind dazu übergegangen, Reißwolle zu verarbeiten,12 wodurch sich der Preis der Meterware erhöht. (Beim Verkauf der Meterware in der HO und im Konsum treten Diskussionen auf, warum der gleiche Stoff mit demselben Muster preisunterschiedlich ist.)

Im VEB TEWA-Blankschrauben in Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, haben sich die Materialschwierigkeiten in den letzten Tagen etwas behoben, sodass nicht mehr 22 Maschinen stillstehen, sondern nur noch zwölf. Weiteres Material wird in den nächsten Tagen erwartet und es können dann wahrscheinlich noch einige Maschinen in Betrieb genommen werden.

Auf der Baustelle der Reichsbahn, Bau-Union Berlin, Oberbauleitung Stalinallee in Strausberg sind Anzeichen vorhanden, die auf Arbeit des Klassenfeindes schließen lassen. Die Kollegen dieser Abteilung lehnen entschieden den Eintritt in die Gewerkschaft ab. Durch den Parteisekretär der Baustelle Strausberg wurde berichtet, dass die Stimmung teilweise so ist, dass verschiedene Kollegen den 17. Juni [1953] feiern wollen. Am 1. Mai [1954] demonstrierten nur etwa 40 bis 50 Kollegen von einer Belegschaftsstärke von etwa 430 Kollegen. Diese Angaben sind nicht völlig überprüft.

Produktionsstörung: Im Braunkohlenwerk Mücheln, [Bezirk] Halle, ereignete sich am 29.5.1954 ein Zusammenstoß zwischen einem Voll- und einem Leerzug. Ursache: falsche Weichenstellung. Produktionsausfall entstand nicht. Der Schaden beläuft sich auf ca. 5 000 DM.

Handel und Versorgung

Weiterhin wird aus den Bezirken über eine unzureichende Versorgung mit HO-Fleischwaren berichtet. Die darüber geführten Diskussionen beinhalten größtenteils, dass dies auf das Deutschlandtreffen zurückzuführen ist.13 Zum Beispiel sagte ein Arbeiter aus Bautzen, [Bezirk] Dresden: »Das Fleisch geht nach Berlin, um den Ausländern und Westdeutschen zu zeigen, wie gut es uns in der DDR geht.«14

Verschiedentlich wird über eine ungenügende Warenbereitstellung geklagt. Zum Beispiel mangelt es im Bezirk Karl-Marx-Stadt, außer an HO-Fleischwaren und HO-Butter, an Textilien, besonders Bettwäsche. Im Bezirk Suhl fehlt es an Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge. Im Kreis Ludwigslust und Parchim, [Bezirk] Schwerin, ist die Versorgung mit Fischwaren ungenügend. (Dadurch wird die Stimmung der Bevölkerung negativ beeinflusst.)

In Wurzen, [Bezirk] Leipzig, lagern 50 t Fleisch (7 Prozent davon sind von pestbefallenen Schweinen, die notgeschlachtet wurden). Es besteht die Gefahr des Verderbens. In der Zentralmolkerei Schwerin lagern seit einigen Wochen ca. 40 bis 45 t gezuckerte Milch. Bei der jetzigen Jahreszeit kann die Milch nicht länger lagern. Es besteht sonst die Gefahr des Verderbens.

Landwirtschaft

Das Interesse an politischen Tagesfragen ist nach wie vor gering, meist wird dazu nur in den Kreisen des sozialistischen Sektors Stellung genommen. Über die Genfer Konferenz wird kaum noch gesprochen. Im Mittelpunkt der gering geführten politischen Diskussionen steht der Beschluss der Volkskammer, eine Volksbefragung durchzuführen. Die bekannt gewordenen Stimmen sind überwiegend positiv. Ein Bauer aus Beuna, [Bezirk] Halle: »Für jeden ehrlichen Bauern gibt es keinen Zweifel, wer wieder Krieg will. Wir auf jeden Fall nicht. Wir haben bis heute daran zu kauen gehabt, um meinen zerbombten Hof und die Felder wieder in Ordnung zu bringen. Unsere Regierung gibt uns alle mögliche Unterstützung und deshalb werde ich bei der Volksbefragung für den Frieden stimmen.«

Vereinzelt wurden darüber negative Stimmen bekannt. Ein Bauer aus Hallungen, [Bezirk] Erfurt: »Die Volksbefragung ist doch großer Quatsch. Was die nur damit wollen, die sollen uns in Ruhe lassen. Wer will denn Krieg? Der Ami bestimmt nicht. Der Russe will doch alles einramschen. Was die da machen, ist ja Käse.« Ein anderer Bauer aus dem gleichen Ort: »Hoffentlich wählt das Volk im Juni [1954] richtig, damit wir von den Befreiern befreit werden.«

Vorwiegend besteht das Interesse für wirtschaftliche und persönliche Belange, deshalb wird mehr über diese Fragen gesprochen. Zum Beispiel erklärte ein Bauer aus Dettmannsdorf, [Bezirk] Rostock: »Die Durchführung der Konferenzen ist schön und gut, ich erkenne auch deren Beschlüsse an, aber was nützt uns das, wenn wir keinen Regen bekommen und das Korn nicht wächst. Die Folge davon ist, dass im Winter und im Frühjahr zu wenig Stroh vorhanden ist, und die Bauern sind gezwungen, Laub als Streu zu nehmen. Dadurch wird dann wieder die Schweinepest verbreitet.«

Aus dem Bezirk Schwerin wurde berichtet, dass sich eine allgemeine Futterknappheit bemerkbar macht, vor allem durch die anhaltende Trockenheit. (Das Gleiche ist in mehreren Kreisen des Bezirkes Dresden der Fall.) Dazu äußerte ein Genossenschaftsbauer aus Seidnitz,15 [Stadtkreis] Dresden: »Da wir kein Stroh mehr haben, sind wir gezwungen, das Vieh auch nachts auf der Weide zu lassen. Wenn die trockene Witterung weiterhin anhält, so wird dieses Jahr nicht viel Stroh und wir können nächstes Jahr um diese Zeit unsere LPG auflösen. Es muss doch jeder merken, dass es nicht aufwärts, sondern abwärts geht.«

Im Bezirk Schwerin verstärkt sich in letzter Zeit die Unzufriedenheit der Bauern über die Verordnung, dass Kälber nicht unter 50 kg abgeliefert werden dürfen.16 Darüber äußern sich Bauern wie z. B., dass sie keine Kälber mehr aufziehen, sondern gleich töten werden.

In verschiedenen Orten des Kreises Lobenstein, [Bezirk] Gera, wird durch die starke Wildschweinplage die Stimmung ungünstig beeinflusst. Ein Bauer aus Remptendorf sagte: »Es hat keinen Zweck mehr zu arbeiten, bevor nicht etwas gegen die Wildschweinplage unternommen wird«. Es muss doch möglich sein, die Wildschweinplage zu bewältigen, wenn intensiv etwas dagegen unternommen wird.

Im Bezirk Cottbus wird verschiedentlich von Bauern, die Wirtschaften von Republikflüchtigen übernommen haben, geklagt, dass sie das rückständige Soll mit übernehmen müssen. Dazu äußerte ein Kleinbauer aus Sacro, [Bezirk] Cottbus: »Ich kann nicht verstehen, dass man mir das rückständige Soll von dem geflüchteten Bauer, der sehr schlecht gewirtschaftet hat, nicht erlässt. Wenn es so weitergeht, werde ich wieder meiner alten Arbeit nachgehen und die Wirtschaft abgeben.«

Übrige Bevölkerung

An politischen Tagesfragen ist die Bevölkerung nach wie vor nur wenig interessiert. Diskussionen darüber werden meist von den politisch oder gesellschaftlich tätigen Menschen geführt. Zur Genfer Konferenz wurde nur in vereinzelten Fällen, aber überwiegend positiv Stellung genommen. Es wird darin die Erwartung auf eine friedliche Lösung der angespannten politischen Lage und das Verbot der Atomwaffen zum Ausdruck gebracht, wobei man die größte Hoffnung auf die Stärke des Weltfriedenslagers setzt. In den wenigen negativen Stimmen kommt der Zweifel am Gelingen wegen der Länge der Konferenz zum Ausdruck. Die bevorstehende Volksbefragung gewinnt jetzt etwas mehr an Interesse und die Gespräche sind in der Mehrzahl positiv. Hierzu ein Beispiel: Die Inhaberin eines Milchgeschäftes aus Eichwalde, Kreis Königs Wusterhausen, sagte: »Ich verstehe nicht, dass es noch Leute gibt, die gegen die Volksbefragung agitieren, denn jedem Deutschen muss doch wohl die Einheit unseres Vaterlandes am Herzen liegen.«

Vereinzelt wurden hierzu negative bzw. feindliche Äußerungen gemacht, wie folgende Beispiele zeigen: Der Vorsitzende der Gemeindevertretung Briesen, [Bezirk] Cottbus: »Wenn wir jetzt für die Einheit stimmen und sie ist hergestellt, dann fehlt immer noch ein Stück von Deutschland, und für das müsste auch gestimmt werden, nämlich für Schlesien.«

Auf der Straße werden folgende Diskussionen geführt (Dresden): »Durch die kommende Volksbefragung will die Regierung der Durchführung der Wahlen im Herbst ausweichen.17 Die Fragestellung der Volksbefragung ist doch so, dass jeder anständige Mensch sich positiv entscheiden muss. Hinterher wird aber bestimmt von der Regierung gesagt werden, dass eine nochmalige Wahl im Herbst überflüssig ist.«

Zur Frage der Versorgung mit HO-Lebensmitteln wird neben den bereits aufgezählten Mängeln jetzt auch vereinzelt über den Mangel an Bohnenkaffee und Textilien geklagt, wie aus folgenden Beispielen ersichtlich wird. Eine Hausfrau (parteilos) aus Wetzel,18 [Bezirk] Erfurt: »Man will immer denen da drüben [gegenüber] nicht zugeben, dass es bei uns nicht alles gibt, aber wenn nicht mal Kaffee in den Geschäften ist, muss ich eben zu Pfingsten einen Brief nach dem Westen schreiben, damit man wenigstens an den Feiertagen ein Tässchen zu trinken hat.«19

Über den Mangel an HO-Fleischwaren sagte eine parteilose Angestellte aus Worbis, [Bezirk] Erfurt: »… In den Fleischfabriken liegt das Fleisch und in den HO-Geschäften ist nichts da. Die Planung finde ich richtig, aber es werden noch zu viele Fehler in dieser Beziehung gemacht, z. B. gibt es jetzt in der warmen Jahreszeit keine Söckchen in den Geschäften zu kaufen, im September sind sie aber wieder da. Die Produktionsbetriebe müssten darauf achten, dass die Sommersachen im März und die Wintersachen im September in die Geschäfte kommen.«

Aus Kreisen der Kirche wird bekannt, dass am 7.6.1954, um 12.00 Uhr in der St.-Antonius-Kirche, Berlin, Rüdersdorfer Straße 45 ein Gottesdienst für polnisch sprechende Katholiken stattfindet. Es wird vermutet, dass es sich hier um den Bund der Polen handelt, der aufgelöst wurde,20 und sein ganzes Inventar der St.-Antonius-Gemeinde zugestellt hat.

Über die Auflösung einer LDP-Ortsgruppe meldet der Bezirk wie folgt: Nach Mitteilung des ABV ist in Mittelherwigsdorf, Kreis Zittau, [Bezirk] Dresden, die Ortsgruppe der LDP aufgelöst worden. In diesem Ort besteht nur noch ein Stützpunkt.

In Spitzkunnersdorf, Kreis Zittau, [Bezirk] Dresden, hat eine nicht öffentliche Gemeindevertretung stattgefunden, an welcher die CDU-Fraktion nicht vollzählig erschienen war. Der Vorsitzende der Fraktion ist gleichzeitig Gemeindeverordnetenvorsteher. Er hat bereits den Antrag gestellt, dass er sein Mandat in der Gemeinde niederlegen will.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverbreitung

SPD:21 Potsdam 2 900, Gera 203, Karl-Marx-Stadt 32, Dresden 41. Inhalt: Der größte Teil richtet sich gegen den IV. Parteitag22 und den 1. Mai [1954], ein kleiner Teil gegen die Außenministerkonferenz in Berlin.23

NTS:24 Potsdam 1 000, Halle 2 500, Karl-Marx-Stadt 643, Dresden 51.

KgU:25 Potsdam 115, Suhl 50, Dresden einige. Inhalt: Meist gegen das II. Deutschlandtreffen.

CDU-Ostbüro: Potsdam 100, Karl-Marx-Stadt 21, Dresden einige. Überschrift: »Es gibt nur einen deutschen Staat«.

LDP-Ostbüro: Karl-Marx-Stadt 163.

»Freie Junge Welt«:26 Potsdam 7 500, Halle 633. Inhalt: gegen das II. Deutschlandtreffen.

In tschechischer Schrift: Karl-Marx-Stadt 6 280, im Wismutgebiet27 3 000, Dresden 495.

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurden 6 200 Flugblätter gefunden, Überschrift: »Kehrt dem Regime den Rücken.« In Berlin wurden am 31.[5.1954] größte Mengen Flugblätter, Luftballons abgeworfen. Inhalt gegen das II. Deutschlandtreffen. Der größere Teil der Flugblätter wurde mittels Ballons eingeschleust und noch gebündelt bzw. auf einem eng begrenzten Raum gefunden.

Terror

In Klingenthal wurde ein Obersteiger (SED-Funktionär, Delegierter zum IV. Parteitag) auf dem Nachhauseweg von zwei unbekannten Personen überfallen, beschimpft und verletzt.

In der Nacht vom 30. zum 31.5.1954 wurde der Abschnittsbevollmächtigte in Auerbach, Ortsteil Sorga, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, von drei Personen niedergeschlagen und beschimpft, als er eine Kontrolle durchführen wollte.

Antidemokratische Schmierereien und Handlungen

In zwei Reichsbahnbetrieben des Bezirkes Potsdam wurden einige Hetzlosungen gegen die Regierung und SED sowie Aufforderung, keine FDGB-Beiträge zu zahlen, angeschmiert.

Im Bezirk Erfurt wurden in der Nacht vom 28. zum 29.5.[1954] mehrere Embleme mit den Bildnissen der Genossen Pieck28 und Ulbricht29 zerfetzt.

Am 25.5.[1954] wurde in der Nähe von Gotha, [Bezirk] Erfurt, an einer Stelle, wo bis vor Kurzem Holzkreuze auf Gräbern von ehemaligen Fahnenjunkern und SS-Angehörigen standen, ein Gedenkstein gesetzt.

In dem örtlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Parey, [Bezirk] Potsdam, wurde vor einigen Tagen von einer elektrischen Koppeleinzäunung die Isolation zerschlagen, der Draht zerrissen und versucht, dort Feuer anzulegen.

Vermutliche Feindtätigkeit

Am 28.5.1954 brachen im Bezirk Potsdam 17 Waldbrände aus. Gesamtschaden ca. 26 000 DM. In einem Fall wurde ein Brandsatz an einem Ballon gefunden. Während des Einsatzes bei einem dieser Waldbrände erhielt die Feuerwehr mehrere telefonische Anrufe, wonach es in anderen Gemeinden ebenfalls brennen sollte. Diese Mitteilungen waren gefälscht.

Im VEB Ostsachsendruck Görlitz löste sich an einer Rotationsmaschine eine Spannschraube, die in die Walzen fiel. Dadurch wurden mehrere Walzen beschädigt, wodurch die Maschine 14 Tage ausfällt.

Die Bahnhofsvorsteher von Hildburghausen und Eisfeld, [Bezirk] Suhl, erhielten eine schriftliche Anweisung, wonach die Dienstleitungen in den Wohnungen der Vorsteher abzuklemmen sind.30 Der Vorsteher von Hildburghausen ist der Meinung, dass es sich um eine falsche Anweisung handelt, da jetzt, wo zum Deutschlandtreffen mehrere Sonderzüge eingesetzt werden, bei irgendwelchen Vorkommnissen die Bahnhofsvorsteher nicht sofort benachrichtigt werden können.

Einschätzung der Situation

In allen Kreisen der Bevölkerung haben die Gespräche über politische Fragen einen geringen Umfang. Die Meinungen zur Volksbefragung sind überwiegend positiv.

Unter den Jugendlichen ist die Stimmung zum II. Deutschlandtreffen im Allgemeinen gut. Die negativen Erscheinungen haben einen verhältnis […].31

Die teilweise bestehende Unzufriedenheit über den Mangel an HO-Fleischwaren und zum Teil auch an HO-Butter hält an und wird vielfach mit dem II. Deutschlandtreffen in Verbindung gebracht.

In einer Reihe Betriebe wird die Stimmung ungünstig beeinflusst durch Produktionsschwierigkeiten. Teilweise besteht auch Unzufriedenheit in Lohnfragen.

Auf dem Lande macht sich weiterhin Futtermangel bemerkbar. Feindliche Elemente benutzen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zur Hetze für einen neuen 17. Juni [1953].

Anlage 1 vom 1. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2222

Landwirtschaft

Nachfolgend einige Beispiele über Mängel und Schwierigkeiten, die im sozialistischen Sektor der Landwirtschaft in Erscheinung treten.

Von den MTS

Der MTS Ebersdorf, [Bezirk] Gera, wurde ein Geräteträger RS 1532 geliefert, der nach wenigen Stunden Störungen am Motor aufwies. Nach 73 Betriebsstunden fiel er ganz aus und musste zur Reparatur nach Karl-Marx-Stadt gebracht werden. (Dort liegen bereits 60 reparaturbedürftige Motoren gleicher Art.) Bei den MTS Charlottenthal und Zehna, [Bezirk] Schwerin, sind zum größten Teil die Oberflächenbearbeitungsmaschinen wegen Motorenschäden ausgefallen.

Immer wieder wird von den MTS über eine schlechte Ersatzteilbelieferung geklagt. Dazu erklärte der technische Leiter der MTS Zierow, [Bezirk] Rostock: »Unsere gesamte Versorgung von der Zentrale Rostock taugt nichts. Es müsste in Stralsund oder Bergen ein Lager eingerichtet werden, dann würde auch die Belieferung der Stationen besser sein. Uns fehlen für die Traktoren Hinterrad-Bereifungen, die wir trotz mehrfacher Anforderung nicht erhalten.«

Im Kreis Bützow, [Bezirk] Schwerin, lehnen die Leiter der MTS ab, die Weichhardt-Bewegung einzuführen,33 mit der Begründung, dass es ihnen an Ersatzteilen fehlt.

Von den LPG

Die LPG des Kreises Naumburg, [Bezirk] Halle, erhielten von der Bauernbank die Mitteilung, dass in den LPG Typ I34 erst am Jahresende Geld an die Mitglieder ausgezahlt und an Landarbeiter nur 50 Prozent der veranschlagten Einheiten gezahlt werden darf. (Letzteres soll aller 14 Tage erfolgen.)

Im Bezirk Potsdam wird immer wieder geklagt, dass sich vonseiten des Rates des Kreises und der SED-Kreisleitungen zu wenig um die Landgemeinden gekümmert wird. Dazu äußerte der Vorsitzende der LPG Jännersdorf, Kreis Pritzwalk: »Von der Partei lässt sich bei uns niemand sehen. Einen Instrukteur der Partei kennen wir gar nicht, denn seit vier Monaten war niemand hier. So war es schon früher und so ist es auch heute wieder. Auch vom Rat des Kreises haben wir wenig Unterstützung. Wir brauchen dringend Arbeitskräfte, denn wir haben nur 32 Mitglieder und eine Fläche von 500 ha. Wir können die Arbeit nicht schaffen, aber uns wird nicht geholfen.«

Unter den Mitgliedern der LPG Bullendorf, [Bezirk] Potsdam, herrscht Verärgerung, weil die Kosten für die Vollmechanisierung von der LPG selbst aufgebracht werden sollen, obwohl ihnen versprochen wurde, dass diese Mittel (78 000 DM) aus dem Haushaltsplan des Bezirkes entnommen werden sollten. Die Mitglieder stellen sich die Frage, ob dadurch bewusst Missstimmung erzeugt werden soll.

Im MTS-Bereich Charlottental und Zehna, [Bezirk] Schwerin, ist die Parteiarbeit ungenügend. Und zwar wird in den meisten Grundorganisationen kein Parteilehrjahr durchgeführt oder nur sehr mangelhaft. An den Agitationseinsätzen an den Landsonntagen35 beteiligen sich die Genossen sehr schlecht. Es ist in den Gemeinden ein starker Feindeinfluss zu verzeichnen. Es ist eine breite Aufklärungsarbeit notwendig, um eine erfolgreiche Durchführung der Volksbefragung zu garantieren.

Im VEB Mastbetrieb Klein Krauscha,36 [Bezirk] Dresden, sind im Quarantänestall durch die Schweinepest 232 Absatzferkel verendet. Diese wurden gegen die Schweinepest geimpft und zwei Tage später wurden sie von dieser Krankheit befallen. Der Tierarzt ist der Meinung, dass die Ferkel aufgrund der Umstellung in der Fütterung und des verhältnismäßigen jungen Alters (zehn Wochen) durch die Impfung zu sehr geschwächt wurden.

Im VEB Mastbetrieb Klingewalde,37 [Bezirk] Dresden, ist außer der Schweinepest noch der Rotlauf38 ausgebrochen. Dadurch ist ein Verlust von 5 Prozent zu verzeichnen.

Anlage 2 vom 31. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2222

[ohne Titel]

Hetze gegen Erzbergbaugebiet

Am 26.5.1954 verbreitete der Hamburger Rundfunk39 in den Nachrichten die Meldung, dass im Erzbergbaugebiet (besonders Annaberg, Johanngeorgenstadt, Schwarzenberg, Aue und Oelsnitz) größere Einheiten der KVP40 gegen »anhaltende Missstimmung« eingesetzt würden.

Meldungen über angebliche Verhaftungen

In der Sendung »Im Brennpunkt des politischen Geschehens« vom 27.5.1954 verbreitet der Pariser Rundfunk41 Meldungen über »neue Verhaftungen in der deutschen Ostzone«. Dazu werden Beispiele von der Eisenbahn, der Grube »John Schehr«,42 Kokerei Lauchhammer, aus dem Bezirk Potsdam und dem Stahlwerk Thale angeführt.

Warnung vor »Störsender«

In den letzten Tagen gab der RIAS den Hinweis, dass bei Hörerversammlungen des Staatlichen Rundfunkkomitees über Rundfunkstörungen bei den Diskussionen große Vorsicht zu üben ist, da die Veranstalter durch die Diskussion angeblich feststellen wollen, wer Westsender hört.43

Hetze zur Lage in der Landwirtschaft der DDR

Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Fleischversorgung hetzte der RIAS in mehreren Sendungen gegen die Landwirtschaft der DDR. Mehrfach tritt die Behauptung auf, dass die Menschen fehlten, um die von den Bauern »infolge Zwangsmaßnahmen verlassenen Wirtschaften« zu bearbeiten. Im Verlauf der Sendung wandte sich der RIAS gegen den Ministerratsbeschluss, westdeutschen Bauern Boden in der DDR zu geben.44 Verleumderische Ausführungen über den Beschluss sind darauf gerichtet, westdeutsche Bauern von der Annahme dieses Angebotes abzuhalten.

Anlage 3 vom 31. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2222

[ohne Titel]

Hetze gegen Maßnahmen des SfS

In den letzten Tagen häufen sich in der Westpresse Meldungen über »Massenverhaftungen« in der DDR. »Tagesspiegel«: Bezirksgericht Schwerin verurteilte sechs Lehrer wegen Hetze gegen die DDR zu insgesamt 20 Jahren und zwei Monaten Zuchthaus.45 »Der Tag«: Verurteilung von vier Mitarbeitern des SfS zu lebenslänglichem Zuchthaus und andere Verurteilungen mit insgesamt 109 Jahren Zuchthaus.46

Meldungen zum 17. Juni [1954]

»Die Welt« vom 29.5.1954 verbreitet unter der Überschrift: »Pankow47 bereitet neuen 17. Juni vor« die Meldung, dass die Behörden der DDR »vorbeugende Maßnahmen gegen einen neuen Putschversuch erlassen hätten«.48 Dabei wird von einer Aktion »Traktor« berichtet und einzelne Maßnahmen angeführt, wie z. B. Bereitschaft der Kampfgruppen49 und der KVP. Die Zeitung hetzt, dass die in den letzten Tagen erfolgten Meldungen über Verurteilung von Provokateuren des 17. Juni [1953] in der demokratischen Presse als Abschreckung dienen sollen. »Die neue Zeitung« meldet, dass unser ZK am 17. Juni 1954 »Massendemonstrationen befohlen« habe. Sämtliche Einheiten der VP und des SfS ständen vom 15. bis 20.6.[1954] unter erhöhter Alarmbereitschaft.50

Die Vorbereitungen des Westens: Der »Tagesspiegel« vom 30.5.1954 meldet, dass der 17. Juni 1954 als »Tag der Einheit« in Westberlin und Westdeutschland begangen werden soll.51 Am 17. Juni [1954] soll vor dem Schöneberger Rathaus eine Kundgebung stattfinden und an den »Gräbern der Opfer des Juniaufstandes« sollen Kränze niedergelegt werden. Gemeinsam mit den verschiedenen Verbänden will der »Bund der vertriebenen Deutschen«52 Feierstunden mit »Freiheitsfeuern für Deutschland«53 in den Zonenrandgebieten durchführen.

Sender »Freies Berlin«

Am 1. Juni 1954 beginnt der Sender »Freies Berlin« mit seinem Programm,54 was zu ca. 60 Prozent selbst redigiert wird. Der Rest soll vom NWDR übernommen werden. Aus dem Programm dieser Woche ist bisher eine Sendung ersichtlich, die sich vermutlich ausschließlich mit der DDR beschäftigen wird (Sonnabend, den 5.6.[1954] 12.05 Uhr »Aus unserem Mitteldeutschen Tagebuch«).

Maßnahmen gegen die S-Bahn

Unter dem Gesichtspunkt der in letzter Zeit wiederholt angestrebten Übernahme der S-Bahn in westliche Verwaltung55 verbreitet der »Abend« die Meldung, dass sich in der BASA-Fernsprechvermittlung Nord56 eine »Ostberliner SED-Zentrale für Terrorakte und Propagandaaktionen gegen Westberlin« befindet.57

Anlage 4 vom 31. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2222

Hetze der Westpresse gegen das II. Deutschlandtreffen

Hetze der Westpresse gegen das II. Deutschlandtreffen

In einem Artikel »Schatten über dem Pfingsttreffen« hetzt »Die Neue Zeitung«58 gegen die Vorbereitungen zum II. Deutschlandtreffen. Da angeblich die Teilnehmerzahlen nicht erfüllt werden können, würde jetzt »Quartiermangel« als Grund angegeben, um die Teilnehmerzahlen wesentlich niedriger zu veranschlagen. Die Ziele des Deutschlandtreffens werden verleumdet, indem von sogenannten Fliegenden Werbestellen der KVP gewarnt wird.59 Die Gruppen seien so zusammengestellt, dass es vorkommen kann, dass sich »ein Gruppenführer bei der nächsten KVP Werbestelle mit der ganzen Gruppe freiwillig meldet«. Einige Gruppenführer wären zu dieser Meldung verpflichtet worden. Nach Ausführungen über Vorbereitungen der FDJler in Westberlin heißt es, dass »etwa 5 000 FDJler in 10- und 20-Manntrupps in die Westsektoren einsickern, um Agitation zu treiben. … Rund 20 000 SSD-Angehörige nehmen in offener oder versteckter Form an dem Treffen teil …«

Zur Beunruhigung der Bevölkerung wird im »Telegraf« gemeldet, dass im demokratischen Sektor alle Vorräte an Fleisch, Fett und Teigwaren der HO für das II. Deutschlandtreffen beschlagnahmt seien.60

Durch die Westberliner Jugendbüros wurde ein »Jugendbüro« aus Vertretern des Jugendringes und der Gewerkschaft gebildet, welches »die Betreuung der in friedlicher Absicht nach Berlin kommenden FDJler koordinieren soll«.61 Aufgabe: Diskussionen an sogenannten Kontaktstellen, kostenlose Filmvorführungen an den Vormittagen der Pfingstfeiertage, Vorstellungen Westberliner Kinos, kostenlos oder zu stark herabgesetzten Preisen, gratis Verpflegung der Jugendlichen (aus dem »Telegraf« vom 26.5.1954).62

Zur Beunruhigung der Bevölkerung verbreitete der RIAS am 28.5.1954 die Meldung, dass innerhalb der Reichsbahndirektion Schwerin 10 Prozent der vorhandenen Personenwagen und anderer für das Deutschlandtreffen aus dem Verkehr gezogen seien.

Zu den Versuchen, die FDJler von der Teilnahme zum II. Deutschlandtreffen abzuhalten, kommt eine Meldung der »Neuen Zeitung« am 1.6.1954 hinzu, wonach 50 000 Teilnehmer am II. Deutschlandtreffen anschließend »zu einem vierwöchigen Landeinsatz abgestellt werden«. Eine Verlängerung des Einsatzes könnte bei »Bewährung durch die SED- und FDJ-Leitungen erzwungen werden«.63

Anlage 5 vom 1. Juni 1954 zum Informationsdienst Nr. 2222

II. Deutschlandtreffen der DDR

Die Diskussionen über das II. Deutschlandtreffen werden überwiegend von Jugendlichen geführt, weniger von den anderen Werktätigen. Verschiedentlich wird das Treffen begrüßt und mit Freuden erwartet. Eine Jugendfreundin, beschäftigt im HO-Kaufhaus Strasburg, [Bezirk] Neubrandenburg, als Verkäuferin, äußerte: »Ich freue mich sehr auf das 2. Deutschlandtreffen. Besonders freue ich mich, dass viele ausländische Gäste wieder teilnehmen. Ich wünsche, dass ich mit recht vielen ausländischen Freunden sprechen kann.«

Ein Angestellter von der Gemeindeverwaltung Wünsdorf, [Bezirk] Potsdam, äußerte: »Die ganze deutsche Jugend wird in Berlin zum Ausdruck bringen, wie sie den Frieden liebt. Mister Adenauer64 wird mit den Zähnen knirschen und weinen, weil die Jugend kein Kanonenfutter für seine Kriegspläne sein will.«

Anlässlich des Deutschlandtreffens wurden Verpflichtungen zur Unterstützung des Treffens übernommen. Im RAW Berlin-Schöneweide wurden durch freiwillige Arbeitsstunden einer Jugend-Brigade sowie freiwillige Arbeitsstunden in verschiedenen Meistereien insgesamt 6 500 DM erarbeitet, welche zur Durchführung des Deutschlandtreffens zur Verfügung gestellt wurden.

Im VEB Eisenerzgrube in Schleiz, [Bezirk] Gera, werden von den einzelnen Brigaden Patenschaften über FDJler übernommen. Außerdem hat die ganze Belegschaft eine Sonderschicht zu Ehren des II. Deutschlandtreffens gefahren.

Im Mansfeld Kombinat »Wilhelm Pieck«, [Bezirk] Halle, ist der größte Teil der Kumpels die Verpflichtung eingegangen, Spenden von ½ bis 5 Prozent des Bruttolohnes zur Durchführung des Deutschlandtreffens zur Verfügung zu stellen.

Auf einer Gemeindevertretersitzung der Gemeinde Vipperow, Kreis Röbel, [Bezirk] Neubrandenburg, wurde von allen Anwesenden beschlossen, volle Unterstützung der Jugend bei der Vorbereitung zum 2. Deutschlandtreffen zu gewähren. Ein Schmiedemeister aus Vipperow (Mitglied der LDPD) verpflichtete sich, 10 l Milch für das Deutschlandtreffen zu spenden.

Interesselosigkeit zum Pfingsttreffen zeigte sich im Staatssekretariat für Schifffahrt. Am 25.5.1954 sollte dort in einer Belegschaftsversammlung über das Deutschlandtreffen gesprochen werden, jedoch nahmen nur ca. 20 Prozent aller Beschäftigten teil. Zur Diskussion meldete sich niemand.

Teilweise wurden verschiedenartige negative Diskussionen bekannt. Im Produktionsabschnitt 21 des RAW Berlin ist eine Interesselosigkeit gegenüber dem II. Deutschlandtreffen festzustellen und ein Jugendlicher brachte zum Ausdruck, dass dieses Deutschlandtreffen nur ein »Völkervermehrungstreffen« sei.

Ein Einwohner aus Möllenbeck, Kreis Neustrelitz, [Bezirk] Neubrandenburg, diskutierte mit einigen Jugendfreunden über das II. Deutschlandtreffen und erwähnte dabei, dass die Verpflegung schlecht sein wird und dass man in Westberlin schon Verpflegungslager eingerichtet hat, um die Jugend aus dem »Osten« dort zu verpflegen.

Der Sekretär der SED-Grundorganisation Dahlen, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerte, dass in seiner Gemeinde sich für das Deutschlandtreffen keiner einzeichnen braucht. Er vertrat die Meinung, die Jugend soll lieber zu Hause bleiben und arbeiten.

Eine Kollegin der Reichsbahn Frankfurt/Oder äußerte Folgendes, als man fragte, ob sie am II. Deutschlandtreffen teilnimmt: »Ich bin doch nicht dumm, dass ich nach Berlin fahre, die sollen mal ruhig zum Deutschlandtreffen fahren, aber eins ist gewiss, ¾ der Berliner geben diesen keine Quartiere mehr. Na, die werden es ja erleben.«

Ein Ingenieur vom VEB Ankerwerke Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, sprach zu den Arbeitern dieses Betriebes und forderte sie auf, ihren Beitrag zum II. Deutschlandtreffen zu leisten. Die Arbeiter erwiderten ihm, dass sie ihr Geld nicht dazu hergeben werden, dass die Jugend Feste feiern und sich besaufen kann.

Eine Jugendliche von der BHZ Heidenau, [Bezirk] Dresden, sagte, dass sie auch einmal mit nach dem Westen gehen will. Ähnlich äußerten sich zwei Jugendliche vom Netzwerk Heidenau.

In der Ingenieur-Schule in Berlin-Lichtenberg sind ca. zehn Angehörige der Jungen Gemeinde als Studenten tätig. Ein Angehöriger der Jungen Gemeinde sagte, dass sie nicht am Deutschlandtreffen teilnehmen, da sie nicht als Organisation anerkannt werden. Sie werden über Pfingsten in die Kirche gehen.

Organisierte Feindtätigkeit zum II. Deutschlandtreffen

Gefälschte Rundschreiben

Die Kreisleitungen der FDJ in Lübz und Sternberg, [Bezirk] Schwerin, erhielten gefälschte Schreiben. Inhalt: Die Kreisleitungen der FDJ sollen Delegationen zusammenstellen, um polnische Jugenddelegationen in Pasewalk zu empfangen.

Einige Kreisleitungen der FDJ des Bezirkes Schwerin sowie die FDJ-Kreisleitung Meiningen, [Bezirk] Suhl, erhielten ein gefälschtes Rundschreiben. Inhalt: Jugendfreunde sollen zu einem Kurzlehrgang nach der Pionierrepublik »Wilhelm Pieck«65 geschickt werden, um diese Freunde dann als Ordnerdienste einzusetzen.

Die FDJ-Grundeinheit des Hüttenwerkes Halsbrücke, die FDJ-Kreisleitung Freiberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, die MTS Radeberg, der VEB Strumpffabrik Görlitz und die FDJ-Kreisleitung Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, erhielten gefälschte Rundschreiben des Zentralrates der FDJ zugesandt. Inhalt: 20 Prozent der Teilnehmer zu streichen und 15 Jugendliche nach Bad-Schandau zu schicken, um dort zum Empfang und zur Begleitung der Jugendlichen aus den Volksdemokratien anwesend zu sein.

Der VEB Spezialpapierfabrik Niederschlag, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, erhielt ein gefälschtes Rundschreiben. Inhalt: Die BGL wird aufgefordert, die am Lager befindlichen Schuhe auszugeben, damit die Jugendlichen am Pfingsttreffen teilnehmen können.

Vor einigen Tagen wurden in Berlin, Brunnenstraße (dem. Sektor) in der Nähe der Sektorengrenze gefälschte Exemplare der »Jungen Welt« verteilt.

Gefälschte Einladungen

An bekannte Persönlichkeiten der DDR (z. B. Nationalpreisträger u. a.) werden gefälschte Einladungen versandt, worin sie in die Pionierrepublik »Ernst Thälmann« während des Pfingsttreffens eingeladen werden.66 An Bewohner in Westdeutschland werden gefälschte Aufenthaltsgenehmigungen für die DDR geschickt, damit sie am Deutschlandtreffen teilnehmen können.

Flugblätter

Am 31.5.1954, gegen 14.30 Uhr wurden im demokratischen Sektor in der Nähe des Alexanderplatzes, der Stalinallee, des Marx-Engels-Platzes und im Prenzlauer Berg durch Ballons neue Flugblätter gegen das Deutschlandtreffen (»Blaue Fahnen nach Berlin«67) verbreitet. Inhalt: Hetze gegen die Politik der DDR mit verleumderischen Ausführungen über die KVP, den Vorschlag der SU über einen Friedensvertrag. Aufforderung an die FDJler, nach Westberlin zu kommen. Die Bevölkerung soll von den Veranstaltungen des II. Deutschlandtreffens Kenntnis nehmen, aber sie nicht besuchen.

Westberlin

Vom Flüchtlingsdienst beim Senat wurde angeordnet, dass während des Pfingsttreffens die Häuser des DRK Berlin W 35, Karlsbad68 16 für Jungen und das Haus SW Neuenburger Straße für Mädchen mit je 1 000 Plätzen zur Verfügung gestellt werden. In jedem Haus wird Personal stationiert werden zum Zwecke der Aufnahme. Die Küchen in den Häusern werden in Betrieb genommen und reichlich Verpflegung eingelagert.

Eine Stupo-Funkwagen-Streife,69 äußerte sich, dass sie Informationen erhalten hätten, dass während des Deutschlandtreffens ca. 25 000 FDJler in den Westsektoren eingeschleust werden sollen, um Unruhe unter der Bevölkerung hervorzurufen. Sie würden jedoch jetzt schon Vorbereitungen treffen, um diese Sachen abzubiegen.

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    2. Juni 1954
    Informationsdienst Nr. 2223 zur Beurteilung der Situation

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    31. Mai 1954
    Informationsdienst Nr. 2221 zur Beurteilung der Situation