Zur Beurteilung der Situation in der DDR
23. Oktober 1954
Informationsdienst Nr. 2348 zur Beurteilung der Situation in der DDR
[Die Lage in] Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Vordergrund der Diskussionen steht immer noch die Volkswahl,1 jedoch nimmt der Umfang weiterhin ab. Verschiedentlich nimmt man zum Ergebnis Stellung, was meist begrüßt wird. So äußerte z. B. eine Stepperin von der Schuhfabrik »Vorwärts« Weißenfels, [Bezirk] Halle: »Wir sind stolz auf das Wahlergebnis und hatten auch nichts anderes erwartet. Deshalb soll es uns eine Verpflichtung sein, in unserer Arbeit und im Kampf um den Frieden noch größere Leistungen zu vollbringen. So werden wir die Einheit Deutschlands bald erreichen.«
Überwiegend wird jedoch immer noch zur Wahlhandlung gesprochen. Hierbei zeigt sich, dass positive Stimmen zunehmen und auch mehrfach gegen die falschen Meinungen über die Wahl diskutiert wird. Eine Kollegin aus dem Wismut-Objekt 100 in Aue:2 »Ich möchte nur einmal wissen, was die Menschen nur wollen. Wir haben und werden uns noch mehr schaffen. Wenn ein Mensch behauptet, dass diese Wahl nicht demokratisch war, so kann man nur fragen, wie er sich überhaupt Demokratie vorstellt.«
Ein Kollege aus der Gießerei der Maschinenfabrik Meuselwitz, [Bezirk] Leipzig: »Wenn Adenauer3 und die Imperialisten in Westdeutschland offen den Krieg vorbereiten, dann können wir auch offen für den Frieden stimmen.«
Ein größerer Teil bringt jedoch immer noch Erstaunen und Verärgerung über die Wahlhandlung und die Stimmzettel wie an den Vortagen zum Ausdruck, woraus verschiedentlich negative Diskussionen entstehen. Sie richten sich meist gegen den demokratischen Charakter der Wahlen. Solche Meinungen kommen oft von unaufgeklärten Arbeitern und Angestellten, zum Teil auch von Intelligenzlern. Auch ein Teil von SED-Mitgliedern unterliegt solchen Diskussionen.
Ein Kollege aus dem »August-Bebel«-Werk in Zwickau4 (SED) äußerte z. B.: »Das war doch keine Wahl. Es ist schade um das viele Geld, was dazu verwendet wurde. Warum steht der Staat nicht zu seinem Wort und führt geheime Wahlen durch.«5 Ein anderer Kollege aus dem gleichen Betrieb: »Ich bin der Meinung, dass man sich nichts vergeben hätte, wenn man auf dem Stimmschein Ja oder Nein geschrieben hätte. Wir wollen uns doch nichts vormachen, viele haben nichts gesagt, doch haben sie komisch gelacht, woraus man alles entnehmen konnte.«
Unter der Belegschaft des VEB Röhrenwerkes Neuhaus, [Bezirk] Suhl, wird allgemein diskutiert, dass die Wahlen nicht geheim waren. Außerdem wird bemängelt, dass man auf dem Stimmzettel nichts ankreuzen konnte.
Im Karl-Marx-Werk Magdeburg6 wurden in den Abteilungen Kurzversammlungen durchgeführt, um Unklarheiten über die Volkswahl zu beseitigen. Nicht alle Versammlungen waren erfolgreich, da die Beauftragten für die Versammlungsleitung zu einem großen Teil keine befriedigende Erklärung auf Diskussionen der Kollegen geben konnten. Von einzelnen Kollegen wurde offen diskutiert, dass die Durchführung der Wahl unkorrekt war. Ein anderer Teil erklärte die Wahl als Schwindel oder als Volkszählung. Viele solcher Diskussionen stammen von Intelligenzlern, wovon eine Reihe Mitglieder bürgerlicher Parteien sind.
Unter den Angestellten des »Karl-Liebknecht«-Werkes Magdeburg7 wird über die Volkswahl nur ausweichend diskutiert.
Ein parteiloser Kollege aus dem VEB Zeiss Jena:8 »Innerhalb meines Kollegenkreises diskutiert man, dass dies gar keine Wahl war, sondern nur ein Bekenntnis zur Regierung sein sollte.«
In der Abteilung Schmiede des RAW Jena besteht eine negative Stimmung zur Volkswahl und in diesem Zusammenhang eine Gleichgültigkeit bei der Arbeit. Allgemein wird die Volkswahl ins Lächerliche gezogen und als Betrug betrachtet. Unter anderem erklärte ein Kollege, als in der Nähe seines Arbeitsplatzes ein Plakat zur Volkswahl aufgehängt werden sollte: »Du bist wohl dumm. Alle sehen, dass es jeden Tag zusammenbrechen kann und du willst die noch unterstützen.«
Von gegnerischen Elementen wird diese Stimmung ausgenutzt und offen gegen die DDR gehetzt. Der Umfang solcher Diskussionen ist gering. Ein Bergarbeiter aus Bernsgrün, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Wahlen stellen einen Betrug dar. Die Regierung der DDR ist labil aufgebaut. Sie haben wahrscheinlich Angst vor der wahren Meinung des Volkes.« Ähnlich äußerte sich ein Transportarbeiter aus dem VEB Baumwollspinnerei Tannenberg.
Ein Klempner aus dem Wismut-Objekt »4. Parteitag« Gera, mechanische Werkstatt: »Dieser Wahlvorgang ist ein Zeichen der Schwäche. Sie haben Angst, dass das Ergebnis zu ihren Ungunsten ausfallen könnte.«
Ein Arbeiter aus dem VEB Bleichert in Leipzig: »Das waren keine freien Wahlen. Es spitzt sich wieder ganz schön zu. Diesmal wird es aber bei einem 17.6. schlimmer.«
Eine Missstimmung besteht unter den Kollegen der Abteilung Ringschleiferei des VEB Keramische Werke in Hermsdorf, [Bezirk] Gera, wodurch die Arbeitsmoral gesunken ist. Die Kollegen verlangen, dass sie mehr Staubzulage, mehr Seife und die Lebensmittelkarte B9 erhalten.
Auf dem Schacht I des Kaliwerkes Ernst Thälmann in Merkers, [Bezirk] Suhl, besteht eine große Unzufriedenheit wegen Umbesetzung von Kollegen. Es werden dort die älteren Kollegen, die sich eingearbeitet haben, in die Schächte II und III versetzt, während in den Schacht I laufend neue Kräfte kommen. Dadurch treten Stockungen in der Arbeit ein, was sich auf den Verdienst auswirkt.
Die Kollegen des VEB Strumpffabrik und des Bekleidungswerkes in Heiligenstadt, [Bezirk] Erfurt, sind über die täglichen Stromsperren unzufrieden, weil sie dadurch monatlich 25,00 DM bis 30,00 DM Lohn weniger erhalten.
Handel und Versorgung
Die Mängel in der Belieferung mit Lebensmitteln, Textilien und Industriewaren bestehen weiterhin. Im Kreis Hettstedt, [Bezirk] Halle, fehlen Haferflocken, Graupen, Stärkeerzeugnisse, Speiseöl, Eier, Speck und Textilien. Die Frauen kritisieren vor allen Dingen die Versorgung mit Bettwäsche und sagen, statt besser wird es immer schlechter. Sie müssen immer nach Halle und Aschersleben fahren, um etwas zu bekommen.
Im Bezirk Schwerin mangelt es an Nährmitteln und Trikotagen, außerdem werden nur die Kreise Güstrow und Parchim mit Fischwaren versorgt.
Kohlenmangel macht sich im Bezirk Leipzig und Gera bemerkbar. Im Bezirk Leipzig wegen Mangel an Transportmitteln. Im Bezirk Gera sind besonders die Grenzgebiete davon betroffen.
Im Schlachthof Dessau hält der Viehstau an, sodass das Vieh statt in zwei Tagen teilweise erst im Zeitraum von acht Tagen geschlachtet werden kann.
Landwirtschaft
Die Landbevölkerung diskutiert nach wie vor nur wenig über die Durchführung und das Ergebnis der Volkswahlen. Die Meinungen sind jedoch überwiegend positiv und beinhalten die Befürwortung der Volkswahlen, die in dem Wunsch der Erhaltung und Festigung des Friedens ihren Ausdruck finden.
In den negativen Meinungen wird hauptsächlich die neue Form der Durchführung dieser Wahl einer Kritik unterzogen. Allgemein wird das Fehlen der Bleistifte und der Kreise für Ja und Nein bemängelt und im Zusammenhang damit teilweise der Charakter der geheimen Wahl vermisst. So sagte z. B. der Betriebsleiter des VEG Pritzier, Kreis Hagenow, Folgendes: »Das waren keine geheimen Wahlen, früher hatte man mehr Auswahl. Man konnte seine Meinung dadurch zum Ausdruck bringen, dass man in irgendein Feld ein Kreuz setzen konnte.« Dieselbe Meinung vertreten auch die Arbeiter der Pferdestallbrigade.
Oft wird die Behauptung aufgestellt, dass [es] so etwas früher nicht gegeben hat und dass es keine richtige Wahl war. Ein Bauer aus Krummenhennersdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sagte hierzu: »Das, was am 17.10.1954 war, ist doch niemals eine demokratische Wahl gewesen, denn die Wahlkabinen waren so niedrig gehalten, dass jeder hineinsehen konnte. Aufgrund dessen ist niemand in die Kabine gegangen. So etwas hat es früher nicht gegeben.«
Ein Mittelbauer aus Langenchursdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wir als Bauern verstehen zwar nicht viel von dem schriftlichen Zeug, soviel aber, dass es keine richtige Wahl war, verstehen alle.«
Schwerpunkte des feindlichen Verhaltens aus den Reihen der Großbauern wurden teilweise besonders in den Bezirken Neubrandenburg und Schwerin festgestellt. Ein Großbauer aus Brenkenhof, [Kreis] Anklam, äußerte: »In der DDR gibt es nur Sklaverei und an ein freies Leben ist nicht zu denken. Es gibt bei uns nur Beamte und Polizisten, aber keinen, der arbeiten will.«
Ein schlechtes Wahlergebnis wurde in der Gemeinde Sommersdorf, [Kreis] Demmin, erzielt. Die Ursache hierfür ist die starke Konzentration von ehemaligen Faschisten und Personen, die aus der SED ausgetreten bzw. ausgeschlossen wurden. Außerdem üben die Großbauern dieser Gemeinde einen starken Einfluss auf die Bevölkerung aus. Das Gleiche ist in der Gemeinde Hohenmocker, [Kreis] Demmin, zu verzeichnen.
Im Bezirk Schwerin treten Großbauern besonders in den Gemeinden Trotow10 und Kuhlrade, Kreis Gadebusch, negativ in Erscheinung.
Eine verstärkte Tätigkeit der Kirche und Sekten, besonders der Neuapostolischen Gemeinde, in Bezug auf die Volkswahl im negativen Sinne, wurde im Bezirk Schwerin festgestellt. In Goldberg, Kreis Lübz, [Bezirk] Schwerin, predigt die Neuapostolische Gemeinde den Weltuntergang und lenkt dadurch die Bevölkerung von den politischen Tagesfragen ab. So wurde z. B. die Schneiderin [Vorname Name], als Bestarbeiterin im dortigen Kleiderwerk beschäftigt, soweit beeinflusst, dass sie heute als die schlechteste Arbeiterin des Betriebes gilt.
Die teilweise bestehenden Mängel bei der Beschaffung von Ersatzteilen für landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren wirken sich nicht nur nachteilig auf die Hackernte, sondern auf die Stimmung der Traktoristen aus. So fehlen z. B. in der MTS-Greußen, [Kreis] Sondershausen, Zylinderköpfe für Traktoren des Typ RS 30, wodurch diese Traktoren nicht eingesetzt werden können.11
Unzufriedenheit über die Streichung der Sollrückstände herrscht in der Gemeinde Hoppenrade, [Bezirk] Potsdam. Mittel- und Kleinbauern beklagen sich dort, dass die Streichung nicht richtig vorgenommen wurde und sagen, dass diese Maßnahme mit den Bürgermeistern und Gemeindevertretern abgesprochen werden müsste.
Viehseuchen: In der LPG Güsten in Magdeburg mussten infolge der Schweinepest 89 Mastschweine abgeschlachtet werden. Auf dem VEG Löbnitz, [Bezirk] Magdeburg, wurden 312 Schweine notgeschlachtet.
Auf dem VEG Eiserode-Nechen, Kreis Löbau, wurde ebenfalls die Schweinepest festgestellt, dadurch sind sämtliche Tiere für die Zucht nicht mehr brauchbar, was einen hohen Verlust für die VE Zuchtgut12 bedeutet.
Auf der LPG Altentreptow, [Bezirk] Neubrandenburg, wurden infolge der Schweinepest von einem Bestand von 119 Schweinen, die von der Handelszentrale für Zucht und Nutzvieh geliefert wurden, zehn Schweine notgeschlachtet und der Rest wurde der Abdeckerei zugeführt.
Übrige Bevölkerung
Die Stimmung der übrigen Bevölkerung kann als gut bezeichnet werden. Über das Wahlergebnis wird wenig, jedoch meist positiv gesprochen. Zum Beispiel sagte eine Hausfrau aus Leipzig: »Die Wahl am Sonntag war einfach. Es war aber ein großer Erfolg. Wenn man bedenkt, die Wahlen im Westen, mit den vielen Parteien und mancher nicht weiß, wem er seine Stimme geben soll, dann ist das bei uns wesentlich leichter. Jeder weiß, dass er für den Frieden wählt.«
Die Diskussionen über den Wahlverlauf sind weniger geworden, meist wird darüber noch in den bürgerlichen Schichten, vorwiegend negativ und feindlich gesprochen. Ihre Argumente sind, dass die Wahl nicht frei und demokratisch war, dass keine Gelegenheit gegeben war, gegen die Kandidaten zu stimmen. In diesem Zusammenhang wird gegen unsere Partei und die Regierung gehetzt. Zum Beispiel sagte ein Einwohner aus Penig, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Sie haben uns ja richtig gezwungen, die Kandidaten der Nationalen Front zu wählen, denn es gab ja nichts anzukreuzen. Die Lumpen wissen schon, wie sie es anstellen, damit sie an der Quelle bleiben. Mir ist es Wurst, ob sie mich aufgeschrieben haben. Ich habe mich nicht zwingen lassen, diese Kandidaten zu wählen.«
Eine Hausfrau aus Leipzig: »Das war eine Wahl, mit Worten kann man so etwas gar nicht betiteln. Was wollte man machen, man musste hingehen, denn sonst kann man ganz schnell seine Freiheit verlieren. Es war eine große Gemeinheit und so etwas nennen sie freie Wahlen. Die sollen einmal wirklich freie Wahlen durchführen, dann würden sie sehen, wo ihre Kandidaten bleiben.«
Ein Einwohner aus Crottendorf, Kreis Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Wahl war nicht demokratisch, da man die Stimmzettel nur zusammen zu falten brauchte und gar keine Rechte vorhanden waren, etwas daran zu ändern. Die Wahlkabine stand in der äußersten Ecke und man konnte sie nicht, ohne beobachtet zu werden, aufsuchen. Für mich war der Weg ins Wahllokal unnütz.«
Ein Angestellter (LDPD) aus Hohenstein-Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Einen schlimmeren Betrug wie diese Wahlen kann man sich kaum vorstellen. Ich habe vieles erwartet, was man uns aber damit vorgesetzt hat, stellt alles Bisherige in den Schatten.«
Ein Stadtverordneter (LDPD) und Kandidat für den Bezirkstag, wohnhaft im Kreis Jena, [Bezirk] Gera: »Wenn ich das gewusst hätte, dass die Wahl so undemokratisch ist, dann hätte ich mich auf der Liste streichen lassen.«
Ein Mitglied der Bezirksleitung der NDPD aus Gera: »Diese Wahl ist die Bankrott-Erklärung der Regierung.«
Unter den Schauspielern des Friedrich-Wolf-Theaters in Neustrelitz, [Bezirk] Neubrandenburg, und zum Teil auch unter den Bühnenarbeitern wird ebenfalls negativ über die Wahl diskutiert. Zum Beispiel sagte ein Bühnenarbeiter: »Ich verstehe nicht, warum man den ganzen Rummel gemacht hat und so viel Geld ausgab, wo es doch von vornherein feststand, wie die Wahl ausgeht.« Daraufhin sagte ein Schauspieler (Westberliner): »Mich geht das zwar nichts an, denn ich wähle nicht hier. Aber wenn ich mir das alles ansehe, bin ich nur erstaunt. Bei uns kann man von freien Wahlen sprechen, aber hier nicht. Es ist kein Wunder, wenn die westliche Welt misstrauisch ist und sich sagt, eine Regierung, die solche Wahlen durchführt, mit dieser kann man sich nicht in Verhandlungen einlassen.« Das Gleiche trifft auch auf die Kollegen der Stacheltier-Produktion der DEFA zu.13
Vereinzelt wird die Ablehnung der Wahl mit persönlicher Verärgerung begründet. Zum Beispiel erklärte ein Arzt aus Carlow, beschäftigt in der Poliklinik Schwerin, er sei mit der Wahl nicht einverstanden, da seine Kinder nicht die Möglichkeit erhalten, zu studieren und dass man ihm wiederholt eine Wohnung in Schwerin versprochen hat, die er jedoch bis heute nicht erhielt.
Der Pfarrer der Gemeinde Ditfurt, Kreis Quedlinburg, [Bezirk] Halle, begründete sein Nichterscheinen zur Wahl folgendermaßen: »Mein Sohn hat die Oberschule besucht, um anschließend Naturwissenschaft zu studieren. Obwohl er einer der Besten in der Klasse war, wurde er nicht zum Studium zugelassen, weil sein Vater Theologe ist. Meinem Sohn wurde empfohlen, Schumacher oder Schneider zu lernen. Mithilfe der Kirche, die auch Stipendien zahlt, studiert mein Sohn jetzt in Westdeutschland.«
Unter den Kollegen der DEFA, die an der Herstellung des Beethoven-Filmes beteiligt waren,14 werden Diskussionen geführt, aus denen hervorgeht, dass sie mit der Verleihung des Nationalpreises an Herrn Rebling15 nicht einverstanden sind. Ihrer Meinung nach hätte der Kamera-Mann Kollege Nitzschmann,16 der Genosse Hübel,17 der den größten Teil der Musikaufnahmen für diesen Film durchgeführt hat, sowie noch ein paar andere Kollegen damit bedacht werden müssen.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
SPD-Ostbüro:18 Karl-Marx-Stadt 1 130, Schwerin 15 000, Cottbus: Guben 12 000, Dresden 84, Neubrandenburg: Siedenbollentin, [Kreis] Altentreptow 565, Potsdam 500.
KgU:19 Dresden 12, Potsdam 15.
NTS:20 Karl-Marx-Stadt 5 200, Magdeburg 1 500, Cottbus: Jessen 500, Dresden 20, Gera: Rudolstadt, Jena, Eisenberg, Greiz und Zeulenroda insgesamt mehrere Hundert, Erfurt: Wechmar, [Kreis] Gotha, 30, Friedrichroda, [Kreis] Gotha, 200, Kranichfeld, [Kreis] Weimar, 400, Magdala, [Kreis] Weimar, 1 500, Halle: Zeitz 4 000, Westerhausen, [Kreis] Quedlinburg, 80, Merseburg 35, Weißenfels 283, Potsdam 3 500.
Zope:21 Suhl: Ilmenau 750.
In tschechischer Sprache: Dresden: Dippoldiswalde und Freital 1 000.
Die Hetzschriften wurden in den meisten Fällen mittels Ballons eingeschleust und sichergestellt.
Antidemokratische Tätigkeit
Dresden: Stahlwerk Riesa – Martinwerk I – ein Hakenkreuz und eine Hetzparole angeschmiert.
Gera: In Ebersgrün, [Kreis] Zeulenroda, wurde ein Schaukasten der SED mit Schuhcreme beschmiert und durch Einschlagen der Glasscheibe beschädigt.
Neubrandenburg: In der Wahlurne der Gemeinde Spantekow, [Kreis] Anklam, wurde ein Hetzzettel mit folgendem Text gefunden: »Kommunistenregierung raus aus Deutschland, das ist richtig, es wiederholt sich ein 17. Juni [1953]!«
Erfurt: Im Stadtgebiet Sondershausen wurden in der Nacht vom 21. zum 22.10.1954 Hetzzettel angeklebt, welche mit »17.10.1954 – Tag des Volksbetrugs« beschrieben waren. In Tabarz, [Kreis] Gotha, wurden in der Nacht vom 21. zum 22.10.1954 drei Transparente mit Losungen, welche auf die Einheit Deutschlands hinwiesen, zerstört.
Potsdam: In der Nacht zum 21.10.1954 wurden im Vorraum des Kulturraumes der DEFA in Potsdam-Babelsberg 26 Bilder von Filmschauspielern – hauptsächlich Nationalpreisträger – von der Ehrentafel abgerissen.
Im VEB Plattenwerk Meißen, [Bezirk] Dresden, wurde in der Nacht vom 21. zum 22.10.[1954] bei einem Kontrollgang festgestellt, dass an der Stelle, wo die Batterien für die Elektrokarren geladen werden, die Raspel herausgerissen und abgeschaltet waren. Durch rechtzeitiges Feststellen konnte größerer Produktionsausfall verhindert werden.
Vermutliche Feindtätigkeit
Seit ca. 14 Tagen haben die auf dem Bahnhof Seddin, [Kreis] Potsdam, ankommenden Güterzüge mit Frachten für die Volksrepublik Polen täglich 6 bis 8 Heißläufer. Die heißgelaufenen Lager werden im RAW Magdeburg gefertigt. Ein Kollege vom Ministerium für Eisenbahnwesen erklärte dazu den Kollegen vom Bahnhof Seddin: »Wenn es sich bei den heißgelaufenen Lagern um solche von dem RAW Dresden-Friedrichstadt handeln würde, dann würde ich nicht schweigen, aber so ist ja der Hersteller das RAW Magdeburg.«
Am 21.10.1954verbrannten in der Stallscheune des Schmiedemeisters aus Görmin, [Kreis] Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg, ein Breitdrescher, eine Häckselmaschine, ein Rübenschneider, ein Pferdewagen, drei Schweine, 16 Gänse, 17 Fuder22 ungedroschenes Getreide sowie 15 Ztr. Heu und Stroh durch vermutliche vorsätzliche Brandstiftung. Schaden: ca. 7 000 DM.
Westberlin
Am 23.10.1954 werden in Westberlin die sogenannten Kriegsgefangenengedenktage durchgeführt.23 Aus diesem Grunde soll am 23.10.1954, 12.00 Uhr, eine Verkehrsstille von zwei Minuten sein. Um 20.00 Uhr findet eine Kundgebung im Sportpalast statt, die mit einem »Schweigemarsch« mit Fackeln verbunden wird.
Einschätzung der Situation
Die Diskussionen über den Wahlablauf sind besonders in den Betrieben überwiegend positiv, der Umfang der Gespräche ist gegenüber den Vortagen geringer geworden.
Die offenen feindlichen Argumente haben in den Betrieben nur noch geringen Umfang, da dort die Aufklärung stärker geworden ist.
Unter den übrigen Bevölkerungsschichten, besonders in den Städten, halten aber die feindlichen Argumente in der bisherigen Stärke an.