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Zur Beurteilung der Situation in der DDR

30. Oktober 1954
Informationsdienst Nr. 2354a zur Beurteilung der Situation in der DDR

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Die Diskussionen zu politischen Tagesfragen sind weiterhin gering. Dabei steht im Vordergrund die Note der SU,1 während noch vereinzelt gegen die Wahlhandlung zur Volkswahl gesprochen wird.2 Über die Note der Sowjetunion an die Westmächte wurden in verschiedenen Betrieben Versammlungen durchgeführt, besonders im Bezirk Halle, wobei die Diskussionen meist lebhaft waren. Ansonsten wird nur vereinzelt, überwiegend von fortschrittlichen Kollegen dazu Stellung genommen. Die Mehrzahl der Meinungen ist zustimmend. Man betrachtet die Note als Beweis dafür, dass die SU für Frieden und Einheit ist. Teilweise wird gegen die Kriegspolitik Adenauers3 protestiert, insbesondere gegen die Verschacherung des Saargebietes.4 So fanden z. B. in mehreren Abteilungen der Chemischen Werke Buna Versammlungen über die Note statt. Von vielen Arbeitern wurden dabei die Bemühungen der Sowjetunion um die Erhaltung des Friedens und die Wiedervereinigung Deutschlands hervorgehoben und andererseits das Verhalten Adenauers und der Westmächte, die den Weg eines neuen Krieges beschreiten, verurteilt. Von den Teilnehmern dieser Versammlungen wurde einstimmig ein Protestschreiben angenommen, worin die Verschacherung der Saar abgelehnt wird.

Ein parteiloser Bergarbeiter aus dem »Karl-Marx«-Werk Zwickau: »Sämtliche Noten, die die SU an die Westmächte geschickt hat, haben eine gewaltige Entspannung erreicht. Auch die letzte beweist, dass die SU bemüht ist, den Frieden in der Welt zu erhalten.«

Ein Arbeiter aus der Zwirnerei »Astra« Dresden: »Die neue Note zeigt doch einen beachtlichen Schritt zur Verständigung. Man kann da eingestellt sein, wie man will, die SU bemüht sich um eine Lösung der ganzen heiklen Probleme. Solche Bereitwilligkeit habe ich von den Russen nicht erwartet.«

Ein kleinerer Teil zweifelt an einem Erfolg der Note infolge der Haltung der Westmächte, wie z. B. verschiedene Intelligenzler aus dem VEB Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck«, [Bezirk] Gera. Sie vertreten die Meinung, dass die Westmächte diese Note nicht beachten werden.

Feindliche Äußerungen traten nur vereinzelt auf, wie folgende Beispiele zeigen. Ein Arbeiter aus dem VEB »Heinrich Rau«, [Bezirk] Potsdam: »Die Russen reden bloß immer und wollen dadurch glänzen. Dabei sind sie diejenigen, die in China den Krieg heraufbeschwören. Aber der Ami ist auf der Hut.«

Ein Werkstattmechaniker aus der Garage des Wismut-Objektes VI in Auerbach5 äußerte die Meinung, dass die Noten der SU immer das Gleiche beinhalten würden. Die Amerikaner würden sich jedoch von Niemandem in ihre Politik einreden lassen und machen, was sie wollen.

Ein Angestellter aus der Dispatcherabteilung der Neptunwerft Rostock: »Die Noten der SU sind aufgewärmter Kaffee, denn sie haben alle den gleichen Inhalt. Als Antwort auf den NATO-Vertrag ist diese Note ziemlich kläglich.«6 Ein Angestellter aus der Zentralplanung in der Neptun-Werft: »Man soll mit diesen Vorschlägen, die nicht ehrlich gemeint sind, aufhören. Die westliche Welt ist sich einig.«

In einigen Betrieben kam es zu Missstimmungen über verschiedenartige betriebliche Fragen. Im VEB (K) Ziegelei Solpke, Kreis Gardelegen, [Bezirk] Magdeburg, hat die Arbeitsmoral sehr nachgelassen. Ein Arbeiter erklärte dazu: »Der Betriebsleiter macht einen sehr schlechten Eindruck auf die Belegschaft, ist oft betrunken und nimmt seine Arbeit nicht ernst. So unrentabel wie heute hat der Betrieb noch nie gearbeitet. Die Arbeitskräfte sind nicht richtig eingesetzt.«

Die den Kumpels des Schachtes V im Kaliwerk »Glückauf« Sondershausen, [Bezirk] Erfurt, sind über die Sonntagsarbeit unzufrieden und brachten zum Ausdruck, in der Zeitung ist wieder zu lesen, »die Kumpel haben sich freiwillig bereit erklärt, Sonntagsschichten zu fahren«, wenn man was dagegen sagt, wird man noch als Saboteur usw. hingestellt.

Unter der Belegschaft der Kleiderwerke Malchow, Kreis Waren, [Bezirk] Neubrandenburg, besteht eine Unruhe, weil angeblich der Betrieb nach Güstrow verlagert bzw. stillgelegt werden soll. Man führt das darauf zurück, dass Maschinen verlagert werden und die Versandlager überfüllt sind, wodurch der Betrieb Absatzschwierigkeiten hat.

Im VEB Schachtbau Tirpersdorf,7 [Kreis] Oelsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wird beabsichtigt, bis zum 10.11.1954 105 Arbeiter zu entlassen bzw. in anderen Betrieben unterzubringen. Dies hat unter den Arbeitern eine negative Stimmung ausgelöst. Die Ursache hierfür ist, dass Wolframerz billiger und qualitativ besser aus China importiert werden kann und der VEB andererseits unrentabel arbeitet.

Im VEB »Halbmond« Teppichweberei Oelsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, besteht wegen Materialmangel (Wolle) eine schlechte Stimmung, da ein Teil der Arbeiter eine andere Tätigkeit ausüben muss, bei der der Lohn geringer ist.

Kohlenmangel besteht in einigen Betrieben der Bezirke Karl-Marx-Stadt und Cottbus. So reicht z. B. im VEB Textilwerk Leubnitz, Kreis Werdau, der Brennstoff nur noch bis zum 30.10.[1954] aus. Wenn keine Lieferungen eintreffen, muss die Produktion ab 1.11.1954 eingestellt werden (Belegschaftsstärke 2 000 Kollegen).

Im VEB Plackröste Vetschau,8 [Bezirk] Cottbus, steht wegen Kohlenmangel die Turbine seit einer Woche still. Dadurch kommt es für die Verbraucher im Gebiet von Lübbenau täglich zu Stromabschaltungen. Der Kohlenmangel besteht, weil keine Waggons zur Verfügung gestellt werden.

Waggonmangel herrscht weiterhin in den Bezirken Schwerin und Potsdam.

Materialmangel: Bei den Bau-Unionen des Bezirkes Potsdam bestehen laufend Schwierigkeiten in der Materialbelieferung, besonders mit Zement. So müssen z. B. im VEB Bau (K) in Rathenow in den nächsten Tagen die Bauten eingestellt werden.9

Im Schaltgerätewerk Muskau, Kreis Weißwasser, können die Bauvorhaben nicht vollendet werden, da Stockungen in der Anlieferung von Zement und Dachziegeln eingetreten sind.10

Im VEB Oberlausitzer Flachsspinnerei und Leinenzwirnerei Hirschfelde, [Bezirk] Dresden, bestehen sehr große Schwierigkeiten in der Belieferung mit Rohstoffen. Das vorhandene Material reicht höchstens noch bis zum 10.11.1954.11

In der Karriere »VI. Parteitag« in Gera12 treten Produktionsschwierigkeiten auf, da die DERUNAPHT in Zwickau13 seit dem 25.9.1954 kein Öl am Lager hat.

Arbeitskräftemangel besteht auf dem Bahnhof Teltow, [Bezirk] Potsdam. Es sind keine Arbeitskräfte zu bekommen, da allen der Stundenlohn von DM 1,03 für Güterbodenarbeiter zu niedrig ist.

Produktionsstörungen: Im VEB Holzwerk Gehren, [Kreis] Ilmenau, [Bezirk] Suhl, entstand in der Abteilung Mühle eine größere Explosion. Der Schaden beträgt ca. 20 000 DM. Der Produktionsausfall wird ca. 32 000 DM ausmachen. Weiterhin kann der Betrieb in den nächsten fünf Wochen nur mit halber Kapazität arbeiten. Die Ursache der Explosion ist noch nicht bekannt.

Zurzeit müssen sämtliche Betriebe der DDR Sauerstoff aus dem Hydrierwerk Zeitz beziehen, da alle anderen Abfüllstationen für Sauerstoff ausgefallen sind. Dadurch stauen sich im Hydrierwerk große Wagenkolonnen. Andererseits kommen laufend Anrufe aus den Betrieben der DDR, weil ihre Wagen zu lange ausbleiben.

Handel und Versorgung

Die teilweise unzureichende Versorgung macht sich wie folgt bemerkbar. Im Kreis Zeitz, [Bezirk] Halle, fehlen Nährmittel und billige Zigaretten. Im Kreis Bitterfeld, [Bezirk] Halle, Kindernährmittel, Haferflocken, Graupen, Hülsenfrüchte. In mehreren Kreisen des Bezirkes Halle Kinderwäsche, Dekorationsstoffe, Lederwaren. Im Kreis Nauen, [Bezirk] Potsdam, Butter, Mehl, Speiseöl, Hülsenfrüchte. Im Kreis Liebenwerda, [Bezirk] Cottbus, Dekorationsstoffe und HO-Wurst.

Klagen über schlechte Einkellerungskartoffeln kommen aus dem Kreis Saalfeld, [Bezirk] Gera, und Bitterfeld, [Bezirk] Halle. In Saalfeld mussten 100 t aus den Haushalten und 30 t aus der Maxhütte14 zurückgenommen werden, weil sie innen verfault sind. Bei der VEAB in Saalfeld lagern noch 200 t solcher Kartoffeln, die nur noch als Futterkartoffeln zu verwenden sind. Die Kartoffeln wurden aus Mecklenburg geliefert. In Bitterfeld wurden 100 t zum Teil verdorbene Kartoffeln von den Haushalten zurückgegeben.

Der VEB Kühlhallen in Dresden erhielt in letzter Zeit Schweinefleisch aus Rumänien, das in sehr unsauberem und schlechtem Zustand war. Der überwiegende Teil musste verworfen und ein geringer Teil der Freibank15 zugeführt werden. Am 26.10.1954 wurden davon 2 Tonnen nach Görlitz und 3 Tonnen nach Pirna geliefert, das Fleisch war aber derartig schlecht, dass man es der Bevölkerung nicht mehr anbieten konnte.

Landwirtschaft

Der Umfang und Inhalt der Stellungnahmen zur Sowjetnote hat sich nicht wesentlich verändert. Anlässlich der neuen Sowjetnote wurden in den LPG »Freundschaft« in Sörnewitz, »Otto Buchwitz« und »Walter Ulbricht« in Lampersdorf, Kreis Dahlem, und Kreis Oschatz, [Bezirk] Leipzig, Protestresolutionen mit folgendem Inhalt angenommen: »Wir lassen es nicht zu, dass Adenauer das deutsche Volk in ein neues Elend stürzt und unsere Brüder in Westdeutschland in die Söldnerarmee presst. Wir fordern daher, dass die neue Sowjetnote behandelt wird, um die Einheit Deutschlands wieder herzustellen. Ferner fordern wir die Einstellung des Verbotsprozesses gegen die KPD16 Als Verpflichtung übernahmen die Genossenschaftsbauern, innerhalb von fünf Tagen die Hackfruchternte und Herbstaussaat zu beenden.

Im Vordergrund der Diskussionen stehen die Hackfruchternte und die teilweise auftretenden Mängel. So klagen z. B. die Bauern der Bezirke Rostock und Schwerin über Arbeitskräftemangel. In Schwerin außerdem über das Fehlen von Transportmitteln.

Schwierigkeiten ergeben sich immer wieder bei der Beschaffung von Ersatzteilen für die MTS wie z. B. In der MTS Nünschritz, [Bezirk] Dresden, fehlt es an folgenden wichtigen Ersatzteilen: Für den Traktor »Aktivist« Wälzlager 11308 und 6304. Für den Rübenkombine17 Verlegwellen und das Krautführungsblech MT 4091. Von den Kreiskontoren Dresden, Leipzig und Halle wurde mitgeteilt, dass diese Ersatzteile nicht eingeplant sind.18

Der technische Leiter der MTS Sangerhausen, [Bezirk] Halle, klagt darüber, dass die Traktoren der Marke »Aktivist« festliegen, weil keine Wellen vorhanden sind und Getrieberäder fehlen. Außerdem liegt die Raupe KS 62 wegen Mangel an sämtlichen Verschleißteilen fest.19

Unter der Belegschaft des VEG Kohren-Salis, [Bezirk] Leipzig, herrscht eine schlechte Stimmung, die durch die Anlieferung von Futterkartoffeln hervorgerufen wurde. Vor einigen Tagen bekam das VEG vier Waggons Futterkartoffeln geliefert. Aus den Waggons lief bereits das Wasser und die Kartoffeln waren am Verfaulen. Geliefert wurden diese Kartoffeln vom Kommunalen Großhandel Leipzig. Die Landarbeiter sind der Meinung, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen.

Übrige Bevölkerung

In der Stimmung der übrigen Bevölkerung hat sich keine wesentliche Veränderung ergeben. Nach wie vor wird verhältnismäßig wenig zu aktuellen politischen Problemen Stellung genommen. Über die Volkswahl wird nur noch vereinzelt, meist negativ über den Wahlablauf gesprochen. Zum Beispiel sagte ein Einwohner aus der Gemeinde Brenz, [Kreis] Ludwigslust, [Bezirk] Schwerin: »Die Wahl war ein Zwang und ein Betrug.« Des Weiteren ließ er sich in Bewunderung über Adenauer aus und sagte: »Adenauer steht seinen Mann.«

Ein Unternehmer (LDP) aus Gersdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Eine richtige Meinung kann man jetzt überhaupt nicht mehr sagen. Man kann nur noch lächeln. Bei uns in der Ostzone ist jetzt ein richtiges Kaspertheater. Mir ist bekannt, dass der Westen unsere Zustände nur noch belächelt.«

Die Stellungnahmen zur Note der Sowjetunion an die Westmächte sind weiterhin gering, jedoch überwiegend positiv. Zum Beispiel äußerte ein Angestellter vom Rat des Stadtbezirkes Weißensee, dass er erfreut ist über die Initiative der SU und der Meinung sei, dass es möglich sein muss, noch im November zu ergebnisvollen Verhandlungen über die Herstellung der Einheit Deutschlands zu kommen.

Ein Angestellter – wohnhaft Prenzlauer Berg –: »Ich wünsche und hoffe, dass die gemachten Vorschläge der SU wirklich zu einer Zusammenkunft der vier Großmächte mit Beteiligung deutscher Vertreter führen. Dabei müsste dann aber auch wirklich für uns etwas herausspringen, das uns der Einheit Deutschlands näherbringt und nicht wie es bei der letzten Viererkonferenz war,20 ziemlich ergebnislos vorübergeht.«

Eine Jugendliche aus Hildburghausen, [Bezirk] Suhl: »Die neue Note der SU zeigt jedem Menschen, wie die wieder aufgebauten Städte und Dörfer, die Errungenschaften auf allen Gebieten, zu festigen und zu erhalten sind. Es gilt, dem Treiben Adenauers ein energisches Halt zu bieten und die ganze Kraft für die Erhaltung des Friedens und die Schaffung eines einheitlichen Vaterlandes einzusetzen.«

Einige zweifeln an dem Zustandekommen einer Viererkonferenz oder versprechen sich wenig Erfolg davon. Zum Beispiel sagte ein Gastwirt aus Merkensdorf,21 [Bezirk] Potsdam: »Was nützt die neue Note der SU, wenn die Westmächte doch machen, was sie wollen. Wir sehen an dem Vertragsabschluss in Frankreich und an der Aufrüstung Westdeutschlands, dass sie gar nicht den Frieden und die Einheit Deutschlands wollen.«

Zu negativen Äußerungen kommt es ganz vereinzelt. Zum Beispiel äußerte eine Hausfrau aus Potsdam: »Die kommen wieder zusammen, essen Kaviar, sind untereinander einig und gehen dann wieder auseinander. Für das deutsche Volk hat keiner Interesse.«

Ein Kraftfahrer aus Langen Brütz,22 [Kreis] Schwerin: »Die SU hat Angst vor den Westmächten, darum schlägt sie Verhandlungen vor und fordert freie Wahlen. Wie diese aussehen, haben wir am 17.10.[1954] erlebt.«

Im Zusammenhang mit dem Monat für Deutsch-Sowjetische Freundschaft23 kommt es in ganz geringem Maße zu negativen Äußerungen. Zum Beispiel äußerte ein LDP-Mitglied aus Wallitz, [Kreis] Neuruppin, [Bezirk] Potsdam: »Kommt uns nicht mit der Freundschaft, die haben wir täglich seit Jahren vor der Nase.«

Eine Hausfrau aus Neuruppin lehnte den Eintritt in die Deutsch-Sowjetische Freundschaft mit der Begründung ab, dass sie die ›Ereignisse von 1945‹ nicht vergessen kann.

In letzter Zeit treten in der Universität Jena Studenten verstärkt mit negativen Äußerungen hervor, aber gleichzeitig erfolgt auch eine verschärfte Auseinandersetzung mit derartigen Argumentationen. Zum Beispiel äußerte ein Student im Gespräch über Ernteeinsätze, dass es bloß aufgrund der Kollektivierung in der Landwirtschaft hänge und dass sie nun helfen müssten, wenn es nicht klappte. Des Weiteren äußerte er, dass unser Staat ein »totalitärer Staat« sei, weil die Menschen nicht nach »ihrem freien Willen« entscheiden könnten. Ein anderer Student äußerte in einem weiteren Gespräch, dass bei uns die »Menschen nur als Maschinen und Werkzeuge« behandelt würden. Wieder ein anderer Student sagte, dass die Dialektik eine Methode sei, um aus Schwarz Weiß zu machen.

In den Meisterwerkstätten beim Magistrat Groß-Berlin sind Genossen und parteilose Kollegen mit der Arbeitsweise und dem Verhalten der Genossen Prof. Henselmann24 und Alfred Krause25 nicht einverstanden. Kritisiert wird die Verschleppung der Entscheidung über die Regelung der Prämierungen der Architekten und Bautechniker seit 1953. Außerdem die äußerst mangelhaften Arbeitsbedingungen, Beschränkung der eigenen Verantwortlichkeit der Mitarbeiter, da alle – auch geringfügige – Entscheidungen oben genannte Genossen selbst treffen wollen. Vermutlich sind diese Verhältnisse eine der Ursachen für das Abwandern von Mitarbeitern nach dem Westen.

Im Postamt Belzig, [Bezirk] Potsdam, herrscht eine schlechte Stimmung, die Angestellten sind der Meinung, dass sie gegenüber anderen Berufen ein zu geringes Gehalt bekommen. Selbst Genossen unserer Partei vertreten diesen Standpunkt und erklärten, dass sie keine Parteibeiträge entrichten können, weil sie so wenig verdienen.

Im Forschungsinstitut für Impfstoffe in Dessau, [Bezirk] Halle, entstand erneuter Produktionsausfall von ca. 1 200 halbfertigen Seren26 im Werte von 20 000 DM. Eine Überprüfung durch Fachkräfte des Ministeriums wird vorgenommen und soll entscheiden, ob die Produktion auf diese Weise noch weitergeführt werden soll.

Immer wieder kommen von der Bevölkerung darüber Klagen, dass es verschiedentlich an den Waren mangelt, die durch die Preissenkung27 billiger geworden sind. Zum Beispiel wird von der Bevölkerung im Bezirk Weißensee, Berlin, zum Ausdruck gebracht, dass es vor der Preissenkung genügend Kakao zu kaufen gab, was jetzt nicht mehr der Fall ist.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverteilung

NTS:28 Gera 84, Karl-Marx-Stadt 67, Dresden 21.

In tschechischer Sprache: Karl-Marx-Stadt 660, Dresden 37.

Ein Einwohner aus Potsdam-Babelsberg erhielt durch die Post ein Paket mit 300 Hetzschriften »Wo lebt man besser« zugeschickt.

Antidemokratische Tätigkeit: An eine Toilette des VEB Kalksandsteinwerkes Niederlehme, [Kreis] Königs Wusterhausen, [Bezirk] Potsdam, wurde eine Hetzlosung gegen das Wahlergebnis angeschmiert. Daneben befand sich die Hetzlosung »EVG – nee – VP – nee«.29

In einem öffentlichen Fernsprecher in Dresden wurde eine Hetzlosung gegen die Wahl angeschmiert.

In der Goethe-Oberschule in Sebnitz, [Bezirk] Dresden, wurden vier, mit Maschine geschriebene Zettel gefunden, welche Hetze gegen die DDR enthielten.

Ein Einwohner aus Seddin, [Kreis] Potsdam, erhielt einen Drohbrief mit Mordhetze.

Am 29.10.[1954], gegen 16.30 Uhr wurde dem FDJ-Sekretär von Pasewalk, [Bezirk] Neubrandenburg, telefonisch mit Ermordung gedroht.

Am 22.10.1954, gegen 14.10 Uhr brach bei dem Großbauern und Gastwirt H. in Unterkoskau, [Kreis] Schleiz, [Bezirk] Gera, ein Großfeuer aus, griff auf zwei weitere Scheunen anderer Bauern über und richtete einen Schaden von ca. 100 000 bis 150 000 DM an. Ursache: Vermutliche Brandstiftung.

Anlage vom 30. Oktober 1954 zum Informationsdienst Nr. 2354

Auswertung der Westsendungen

Die Hetze der Westsender zu unseren Volkswahlen beschränkt sich zzt. auf weitere zahlreiche Meldungen über Festnahmen und Strafverfolgungen wegen Kritik an der Wahlhandlung. Die angeblichen Beispiele werden aus fast allen Kreisen der DDR gemeldet. Besonders beeinflusst werden sollen die Industriearbeiter; z. B. wurde gemeldet, dass im Leuna-Werk 16 und bei Zeiss Jena zehn Belegschaftsmitglieder festgenommen wurden.

RIAS droht in einer Sendung, dass die Durchführung unserer Wahlen mit ausschlaggebend sein wird bei der Beantwortung der neuen Note der SU, besonders zur Frage der freien Wahlen.

Zur Beeinflussung der Westberliner Bevölkerung bei den bevorstehenden Wahlen in Westberlin am 5.12.1954 hetzt der Sender »Freies Berlin« gegen die aufgestellten Kandidaten der SED.30 Die Spitzenkandidaten werden beschuldigt, »an der Spaltung unserer Stadt ein gerütteltes Maß Schuld zu tragen …«.

In Bezug auf die Industrie in der DDR ist die Hetze der Gegner weiterhin gegen die Steigerung der Arbeitsproduktivität gerichtet. In vielfältiger Form wird versucht, das Verhältnis zwischen Partei, Regierung und der Arbeiterschaft zu stören.

In einer Sendung des RIAS wird erneut eine Hetze gegen die Stalinallee in Berlin gestartet. An unzähligen Beispielen soll bewiesen werden, dass die Bewohner der Stalinallee sehr unzufrieden seien, da viele bauliche Mängel jetzt erst auftreten, die ungeheure Geldsummen zur Abänderung erfordern.

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