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Zur Beurteilung der Situation in der DDR

2. November 1954
Informationsdienst Nr. 2355 zur Beurteilung der Situation in der DDR

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Die Diskussionen über politische Tagesfragen sind noch immer gering. Bei diesen wenigen Diskussionen wird vorwiegend über die Note der Sowjetunion gesprochen.1 Im Zusammenhang damit spricht man über den erneuten Verrat Adenauers2 – der Verschacherung der Saar an Frankreich.3 Dabei äußert man sich in der Form, indem man die Friedensliebe und die Hilfe der SU bei der Schaffung der Einheit unseres Vaterlandes aufzeigt und dieser Politik die Politik Adenauers gegenüberstellt. Diese Diskussionen sind überwiegend positiv. Ein parteiloser Arbeiter aus der Reparaturkolonne des VEB Eisenhammerwerkes Dresden-Dölzschen: »Es dürfte heute keine Menschen mehr geben, die erneut einen Krieg wollen und doch ist es so. Adenauer und seine Hintermänner wollen wieder die Jugendlichen Westdeutschlands auf die Schlachtfelder schicken und auch die Errungenschaften in der DDR, die wir durch harte Arbeit erzielt haben, vernichten. Sie scheuen sich nicht, die Saar zu verschachern, um rüsten zu können. Die Saar ist deutsch und muss deutsch bleiben. Die SU beweist erneut durch ihre jüngste Note ihre große Friedensliebe und macht sich zum Initiator der uns allen bewegenden Deutschen Frage.«

Ein Arbeiter (SED) aus dem »Martin-Hoop«-Werk Zwickau: »Adenauer verschachert das Saarland, um seine Aufrüstung durchführen zu können. Ich selbst bin Umsiedler aus Schlesien und möchte nicht noch einmal das mit durchmachen, was ich erlebt habe. Ich habe das größte Vertrauen zu unserer Regierung und werde mich immer für den Frieden und die Einheit Deutschlands einsetzen.«

Ein Heizer (NDPD) aus der Zuckerfabrik Barth, [Bezirk] Rostock: »Die Note der SU zeigt den Weg zum Frieden, wogegen die Beschlüsse von Paris das Gegenteil erreichen sollen.«4

Verschiedentlich zweifelt man an einem Erfolg der Note. So äußerte z. B. eine Packerin aus der Keksfabrik Brandenburg, [Bezirk] Potsdam: »Die SU hat jetzt schon das dritte Mal eine Note an die Westmächte geschickt, bisher aber immer ohne jeden Erfolg.«

Ein parteiloser Kollege aus dem Privatbetrieb Jäger in Eisenberg,5 [Bezirk] Gera: »Was wollen die denn schon mit ihrer Note. Die Amis lachen ja nur darüber.«

Ganz vereinzelt wurden uns negative Diskussionen zur Verschacherung des Saargebietes bekannt. Einigen Kollegen aus der Dreherei des VEB PWS Schmölln,6 [Bezirk] Leipzig, äußerten: »Man spricht viel über die Saar, fragt aber nicht, welche Gebiete wir verloren haben, nämlich Ostpreußen und Schlesien usw., die wir anerkennen müssen. Dazu sagt man einfach, das wäre gut. Da Adenauer nun das bisschen Saarland an Frankreich abgetreten7 hat, hackt man auf ihn herum.«

Zum Monat der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft8 werden teilweise von den Werktätigen Produktionsverpflichtungen übernommen. Zum Beispiel haben sechs Kollegen der Neo-Arsolin Abteilung des VEB Fahlberg-List in Magdeburg freiwillig ihre Norm erhöht.

Eine Brigade des VEB Steinkohlenwerkes Freital, »Arthur Teuchert«-Schacht will vom 8. bis 13.11.[1954] eine Hochleistungswoche durchführen.

Zu den Agitationseinsätzen in Westberlin haben in Berlin-Köpenick Genossen und parteilose Kollegen mehrfach ihre Teilnahme abgelehnt, weil sie »Angst vor Verhaftungen bzw. tätlichen Auseinandersetzungen« haben. So erklärte z. B. eine Gruppe von Agitatoren in der Abteilung elektrische Anlagen des VEB TRO »Karl Liebknecht«, dass sie sich für die Volkswahlen selbstverständlich einsetzen, aber nicht an Westeinsätzen teilnehmen wollen. Ähnlich äußerte sich ein Kollege aus der Abteilung Großtransformatorenbau des gleichen Betriebes.

Handel und Versorgung

Die teilweise unzureichende Versorgung hält weiterhin an. Im Kreis Liebenwerda, [Bezirk] Cottbus, fehlt es an Fett, Speiseöl, Käse, Nährmitteln, Zwieback, Zigaretten. Ähnlich ist es in den Kreisen anderer Bezirke wie z. B. Weißenfels, [Bezirk] Halle (Speiseöl), Schwerin (Fett, Speck, Magerkäse), Hildburghausen, [Bezirk] Suhl (Kindernährmittel), Bautzen, [Bezirk] Dresden, Perleberg und Hagenow, [Bezirk] Schwerin (Einkellerungskartoffeln), Ahlbeck, [Bezirk] Rostock (Kohlen), Zittau, [Bezirk] Dresden (Winterkleidung, Wäsche).

Über erhöhte Preise beklagt sich die Bevölkerung in Cottbus und sagt, dass auf diese Weise die Preissenkung aufgehoben wurde.9 Dort kostet Bockwurst besserer Qualität 1,36 [DM] (früher 1,26 DM) und Zucker besserer Qualität 1,50 DM (Früher 1,40 DM). In Ichtershausen, [Bezirk] Erfurt, sind die Preise für Filzstiefel nach der Preissenkung in der BHG von 50,00 DM auf 75,00 DM erhöht worden.

Für Berlin fehlen große Mengen Futtergetreide, Öl- und Hülsenfrüchte aus Importen (zuständig DIA).

Landwirtschaft

Der Umfang und Inhalt der Diskussionen zur neuen Sowjetnote ist im Wesentlichen der gleiche geblieben. In den positiven Meinungen, deren Umfang überwiegend ist, wird insbesondere die große Friedensliebe und die ununterbrochene Hilfe der SU für Deutschland begrüßt, was auch durch eine Reihe von neuen Selbstverpflichtungen zum Ausdruck kommt. Desgleichen wird immer wieder die feindliche Haltung der Westmächte und Adenauers in der Deutschlandfrage verurteilt.

Die feindlichen Stellungnahmen sind nur vereinzelt, stammen hauptsächlich von Groß- und Mittelbauern und beinhalten RIAS-Hetze. So sagte z. B. ein Mittelbauer aus Badra, [Kreis] Sondershausen, [Bezirk] Erfurt: »Jetzt können die Russen nicht weiter, da kommen sie mit Vorschlägen, die die Amerikaner bereits vor einem Jahr brachten, wo diese damals von den Russen abgelehnt wurden, nämlich die ›freien Wahlen‹. So machen es die Russen immer. Erst lehnen sie die westlichen Vorschläge kategorisch ab, dann bringen sie die gleichen Vorschläge einige Zeit später. Trotzdem ist der Westen den Russen einmal zuvorgekommen, als nämlich die EVG scheiterte, war ein neuer Vertrag fertig und das war gut so.«10

Ein Bauer aus Otterstedt, [Kreis] Sondershausen, [Bezirk] Erfurt: »Ich habe schon mit mehreren Kollegen darüber gesprochen und es sieht so aus, als wenn die westlichen Truppen abziehen sollten und die Russen wollten warten, bis sie fort sind, um sich dann in ganz Deutschland und der westlichen Welt breitzumachen.«

Über die Mängel in der Bautätigkeit auf dem Lande wurde schon wiederholt berichtet, ohne dass eine wesentliche Besserung eingetreten ist. So beklagen sich immer wieder Genossenschafts- und Einzelbauern, dass sie nicht wissen, wo sie ihr Vieh unterbringen sollen, da Stallbauten zwar zugesagt und manchmal angefangen, aber nicht durchgeführt bzw. vollendet werden.

In der LPG Zwethau, [Kreis] Torgau, [Bezirk] Leipzig, ist der gesamte Aufzuchtschweinebestand augenblicklich in einer Feldscheune untergebracht. Es handelt sich um 24 Sauen, einen Eber, 57 Läufer und 50 Ferkel. Bei Einbruch der Kälte ist es unmöglich, die Schweine weiterhin dort zu belassen. Der Bau des neuen Stalles kann wegen Holzmangel nicht beendet werden.

In der LPG Kothendorf, [Bezirk] Schwerin, will man zum Typ 3 übergehen,11 das ist jedoch nicht möglich, da der Kuhstall wegen Mangel an Rundeisen nicht fertiggestellt werden kann.

Die Mitglieder der LPG Langnow, [Kreis] Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, sind darüber verärgert, dass der Bau ihres Schweinestalles nicht vorangeht. Die Maurerarbeiten sind fertig, aber es fehlt jetzt noch das Holz für die Zimmerarbeiten.

Übrige Bevölkerung

In der Stimmung der übrigen Bevölkerung haben sich keine wesentlichen Veränderungen ergeben. Der Umfang der politischen Gespräche ist verhältnismäßig gering. Zum Beispiel äußerten sich zur Note der SU weiterhin nur wenige, jedoch überwiegend positiv.

Aus dem Inhalt der Äußerungen geht hervor, dass die Note der SU die vollste Zustimmung findet und dass alles getan werden muss, um die darin enthaltenen Vorschläge zu verwirklichen. Zum Beispiel sagte eine Hausfrau (parteilos) aus Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden: »Durch die Pariser Verträge kommt es einem erst richtig zu Bewusstsein, in welcher Gefahr wir schweben. Adenauer wird nun nach der Unterzeichnung alles daransetzen, dass seine Remilitarisierungspläne verwirklicht werden. Deshalb gilt es jetzt, alle Kräfte einzusetzen, damit es zu Verhandlungen der vier Großmächte über die Deutschlandfrage kommt, so wie es die SU in ihrer Note vorschlägt.«

Einige Mitglieder der NDPD in Quedlinburg, [Bezirk] Halle, erklärten: »Wir sind keine Kommunisten, aber mit solchen Vorschlägen wie sie die SU bringt, können wir nur einverstanden sein. Wir werden diese Vorschläge durch unsere Arbeit unterstützen.«

Negative Äußerungen zur Note der SU sind nur vereinzelt. Zum Beispiel sagte ein Angestellter (DBD) aus Putbus, [Bezirk] Rostock: »Der Westen lässt sich doch nicht von seinen Verträgen abbringen. Die SU hätte derartige konkrete Vorschläge schon einige Jahre früher bringen müssen.«

Ein Neubüger (CDU) aus dem Kreis Bernau, [Bezirk] Frankfurt: »Für den Frieden sind wir alle und erst recht wir Umsiedler. Ich habe aber wenig Hoffnung, dass die Konferenz zustande kommt oder dass dabei etwas herauskommt. Molotow12 muss auch einmal etwas nachgeben und darf nicht immer Nein sagen.«

Zur Volkswahl werden weiterhin nur noch ganz vereinzelt Äußerungen bekannt,13 die vorwiegend negativen Charakter tragen: Zum Beispiel äußerte eine Angestellte des Konsums aus Bad Tennstedt, [Kreis] Langensalza, [Bezirk] Erfurt, in einer Kreisvorstandssitzung der CDU: »Für mich war das keine Wahl. Die Bevölkerung von Bad Tennstedt war auch nicht mit dem Wahlakt einverstanden. Wenn das so weitergeht, ist die Tennstedter Bevölkerung bereit, wieder einen 17. Juni [1953] zu machen.«

In den Kreisen der Rentner sowie auch von anderen Personen wird verschiedentlich die Meinung vertreten, dass die Renten zu niedrig seien und dass für die Rentner etwas getan werden müsste. Zum Beispiel sagte ein Rentner (früherer Schneidermeister) aus Frankfurt: »Es müssten doch Mittel zur Erhöhung der viel zu kleinen Renten da sein. Der Staat hat doch jetzt viel Geld, da die Nachkriegsschulden gestrichen sind und die SAG-Betriebe auf seine Rechnung arbeiten.14 Man müsste auch an die alten Leute und nicht nur an die Jugend denken.«

In einer Sitzung der Nationalen Front in Gardelegen, [Bezirk] Magdeburg, erklärte ein Angestellter: »Die Rentner bekommen bei uns in der DDR zu wenig Geld. Ich sehe es bei meinen Eltern, welche nicht mehr in der Lage sind, etwas dazuzuverdienen. Die Renten müssten entweder erhöht werden oder sie müssten eine höhere Lebensmittelkarte bekommen,15 damit auch sie sich Milch und Butter leisten können. Man könnte einen Ausgleich schaffen, indem man den Offizieren der Grenzpolizei weniger Geld geben würde.«

Im Kreis Halberstadt wurden von Januar 1954 bis Ende Oktober 1954 19 Lehrer republikflüchtig. Auch in anderen Kreisen des Bezirkes Magdeburg setzten sich während dieser Zeit vereinzelt Lehrer ab. Merkmale eines organisierten Abzuges sind nicht vorhanden. In verschiedenen Fällen liegt der Grund darin, dass die Lehrer dem politischen Geschehen gleichgültig gegenüberstanden und des Öfteren durch die Leitungen angesprochen wurden. Darunter befinden sich Mitglieder der SED, LDP, NDPD. Verschiedene Republikfluchten sind auf private Gründe zurückzuführen.

Von den Abiturienten 1954 der Oberschule Meißen, [Bezirk] Dresden, sind nur ca. 50 Prozent zum Studium an Hochschulen der DDR zugelassen worden. Von den restlichen Abiturienten erhielten nur sehr wenige entsprechende Arbeitsstellen. Aus diesem Grunde setzten sich mehrere nach Westberlin ab. Sie bekommen dort 80,00 WM-Stipendium, machen das Abitur noch einmal und studieren dann dort. Da sie noch in Besitz ihres Personalausweises sind, können sie im Demokr[atischen] Sektor von Berlin Einkäufe tätigen.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverbreitung

SPD-Ostbüro:16 Frankfurt/Oder 1 500, Karl-Marx-Stadt 1 400, Berlin 30, Halle, Dresden und Wismutgebiet17 einige.

KgU:18 Dresden einige.

NTS:19 In der Stadt Halle 580 am 31.10.[1954] verstreut und angeklebt. Karl-Marx-Stadt 62, Potsdam 57, Dresden und Gera einige.

ZOPE:20 Cottbus, Kreis Weißwasser, 2 500.

In tschechischer Sprache: Dresden 33.

Unbekannter Herkunft: Cottbus, Kreis Luckau, 40 000 (Hetzte gegen Volkswahlen), längere Zeit gelagert. Neubrandenburg 4 000 (Hetze über 17.6.[1953]), Karl-Marx-Stadt 180 (Stimme der Freiheit).

Gefälschte Konsum-Rabattmarken werden per Post an Bewohner der DDR verschickt (bisher in Neubrandenburg gefunden).

Terror: Am 31.10.[1954] wurde in Torgelow, [Bezirk] Neubrandenburg, der FDJ-Sekretär der »Klement-Gottwald«-Werke [Schwerin] niedergeschlagen. Täter unbekannt.

Vermutliche Feindtätigkeit

Am 31.10.1954 brach in Löcknitz, Kreis Pasewalk, [Bezirk] Neubrandenburg, in einer gemeindeeigenen Baracke, die als Lagerraum diente, ein Brand aus. Es verbrannten Möbel im Wert von DM 25 000 sowie ein Waggon Fensterkitt.

Am 30.10.1954 brannte in der LPG Kasendorf, Kreis Gardebusch, [Bezirk] Schwerin, ein kombiniertes Wohn- und Stallgebäude nieder. Schaden ca. 3 000 [DM]. Am 31.10.1954 brannte eine Baracke des Komitees für Körperkultur und Sport ab.

Anlage vom 2. November 1954 zum Informationsdienst Nr. 2355

Äußerungen von westdeutschen Besuchern über ihre Eindrücke in der DDR

In zahlreichen Stellungnahmen von Delegationsmitgliedern sowie von einzelnen Besuchern wird immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass sie von den wahren Verhältnissen in der DDR stark beeindruckt sind. Einige erklärten, dass in der westdeutschen Presse diese Verhältnisse ganz entstellt dargelegt werden und dass sie es als ihre Pflicht erachten, den Menschen in Westdeutschland darüber Aufklärung zu geben. Teilweise wird zu den sozialen und kulturellen Einrichtungen in den Betrieben, zu den Arbeitsverhältnissen sowie zu dem Aufbau Stellung genommen. Dabei wird verschiedentlich geäußert, dass mitunter die Bevölkerung in der DDR gar nicht zu schätzen weiß, was es bedeutet, unter einer Regierung zu leben, deren Politik auf der ständigen Verbesserung der Lebenslage der Werktätigen beruht. Zum Beispiel besuchte eine Delegation das Kaliwerk »Ernst Thälmann«, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl. Sie waren erstaunt, dass dem Werk eine so großzügige Poliklinik zur Verfügung steht. Weiterhin machten die sozialen und kulturellen Einrichtungen des Betriebes einen starken Eindruck auf sie. Es kam zu Äußerungen wie z. B., dass dort, wo es nicht um Profite geht, sehr viel für die Arbeiter getan werden kann.

Ein Bürger, der sich in Suhl aufhielt, äußerte: »Ich bin das erste Mal in der DDR und bin stark beeindruckt. Über das Warenangebot und die Preise bin ich sehr erstaunt. Ich habe festgestellt, dass die Angaben unserer Presse über die DDR nicht stimmen. Ich werde in meinem Bekanntenkreis über die wahren Verhältnisse in der DDR berichten.«

Ein in Rostock weilender Student sagte, dass die Studenten hier bei uns viel besser und leichter lernen können, da sie sich keine Sorgen um ihren Lebensunterhalt machen brauchen. Er selbst müsse sich in den Ferien seinen Lebensunterhalt selbst verdienen und sich irgendwo Arbeit suchen, denn [ein] Stipendium bekommen in Westdeutschland nur sehr wenige. Des Weiteren war er stark beeindruckt von dem Aufbau in Rostock.

Eine Hausfrau, die in Hildburghausen weilte, äußerte: »Die Jugend in der DDR weiß die Hilfe und Unterstützung der Regierung gar nicht zu schätzen. Die Hilfe und Unterstützung stehen im krassen Gegensatz zu den Verhältnissen in Westdeutschland. Bei uns ist ein großer Teil der Jugend arbeitslos und soll für Kriegszwecke missbraucht werden.«

Ein Delegationsteilnehmer, der in Rostock weilte, sagte, dass es den Arbeitern in der DDR beinahe schon wieder zu gut gehe. Bei uns hier wäre alles zum Wohle der Menschen in Gesetzen verankert, aber die Arbeiter wüssten es gar nicht zu schätzen, weil ihnen das alles in den Schoß gelegt wird. In Westdeutschland dagegen müssen sich die Arbeiter jede kleine Verbesserung ihres Lebens hartnäckig erkämpfen.

Ein Bürger, der sich in Dessau aufhielt, äußerte: »Euer Lebensstandard ist nicht an Bohnenkaffee und Bananen zu messen, sondern darin, wie es die Regierung versteht, Lebensmittel, die Mieten, Gas- und Strompreise zu senken, und dass dies hier der Fall ist, habe ich festgestellt. Bei uns in München kostet eine Altbauwohnung mit 2½ Zimmern 50,00 Mark Miete. Ich habe das Waggonwerk in Dessau besucht und bin begeistert von den sozialen Einrichtungen, Derartiges gibt es in Westdeutschland nicht.«

Ein Bauarbeiter äußerte, dass er am meisten von der guten Berufsausbildung der Jugend beeindruckt sei. In Westdeutschland sei gar nicht daran zu denken, dass man als Lehrling schon nach zwei Jahren Geselle werden kann. Er habe sich mit Bewohnern der Straße des Nationalen Aufbauwerkes in Rostock unterhalten und hörte mit Erstaunen die niedrigen Mietpreise. Des Weiteren sagte er, dass er skeptisch in die DDR gekommen sei, dass ihn aber sein Besuch davon überzeugt hat, dass der Weg der DDR der richtige ist.

Einige Mitglieder einer Frauendelegation erklärten, dass sie überrascht sind von der guten Aufnahme in der DDR und was ihnen hier alles geboten wurde. Vor allem freuten sie sich darüber, dass sie Gelegenheit hatten, die Stalinallee zu besichtigen. Sie erzählten, dass sie zu Hause von verschiedenen Personen angesprochen worden sind, nicht in die DDR zu fahren, sie würden sonst nicht wieder zurückkommen.

Die Verhältnisse bei uns auf dem Lande rufen bei den westdeutschen Besuchern, vor allem aus ländlichen Gebieten, immer wieder Erstaunen hervor, da sie darüber von der westdeutschen Presse und dem Rundfunk nur in negativer Weise unterrichtet werden. Zum Beispiel weilten einige Bauern aus Wildenheid21 in der MTS Köppelsdorf,22 [Bezirk] Suhl. Die Bauern erkundigten sich bei einem Brigadier der MTS, ob er mit seinem Traktor nur den Boden der LPG bearbeite. Sie wollten nicht glauben, dass auch die Einzelbauern in jeder Hinsicht von der MTS unterstützt werden. Sie äußerten, dass drüben in der Presse steht, dass die LPG-Bauern die Preise der MTS nicht bezahlen könnten und deshalb gezwungen wären, ihr Vieh mit in Zahlung zu geben. Nachdem ihnen der Brigadier sagte, wie hoch die Preise für landwirtschaftliche Arbeiten in der MTS sind, wollte es keiner glauben. Ein Bauer sagte darauf, dass sie nicht in der Lage sind, für solche Preise mit dem Traktor zu arbeiten.

Ganz vereinzelt kommt es vor, dass sich westdeutsche Besucher negativ über unsere Verhältnisse äußern und in diesem Zusammenhang die Verhältnisse in Westdeutschland preisen. Zum Beispiel sagte eine Hausfrau, die sich in Nebra, [Bezirk] Halle, aufhielt: »Ich finde, dass in der DDR die Menschen nicht frei leben. Überall spricht man nur von Politik. Bei uns in Westdeutschland dagegen hört man nichts von Politik. Auch kann die Kirche in der DDR ihre Tätigkeit nicht frei durchführen und es wird versucht, die Kinder vom Gottesdienst fernzuhalten.«

Ein Geschäftsmann, der sich im Kreis Rathenow, [Bezirk] Potsdam, aufhielt, äußerte, dass die Bauern in Westdeutschland freier wären als in der DDR, da es drüben kein Abgabesoll gibt und sie anbauen könnten, was sie wollen. Des Weiteren sagte er: »Der Kommunismus bedeutet Hunger und deshalb lehnt die Bevölkerung in Westdeutschland das System in der DDR ab. Die Presse steht auch nur im Zeichen der Politik, denn das Unglück in Bitburg23 ist in zu großer politischer Form ausgewertet worden.«

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