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Zur Beurteilung der Situation in der DDR

8. November 1954
Informationsdienst Nr. 2361 zur Beurteilung der Situation in der DDR

Stimmung zum 37. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution

Aus Anlass des 37. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution fanden in allen Bezirken Feierstunden und Kranzniederlegungen statt. Die Stimmung der Bevölkerung bei diesen Feierlichkeiten war gut. Eine Ausnahme bildete die Veranstaltung in Worbis. Dort wurde die Veranstaltung durch das Kulturorchester Heiligenstadt sehr schlecht umrahmt, sodass die Bevölkerung zum Teil empört war. Dazu äußerte der Vorsitzende der DSF: »Die Feierstunde war dazu angetan, die Bevölkerung wieder einmal zu verärgern. Die gute Ansprache und Eröffnung durch den Chor des Rates des Kreises und die Begrüßung der sowjetischen Freunde der Kommandantur Worbis hat einen guten Eindruck bei der Bevölkerung hinterlassen, jedoch die Umrahmung durch das Kulturorchester war alles andere als eine würdige Umrahmung.«

Die Beteiligung an den Feierlichkeiten war sehr unterschiedlich. Teilweise konnte eine bessere Beteiligung als im Vorjahr festgestellt werden. So nahmen z. B. an der Kundgebung in Perleberg, [Bezirk] Schwerin, 1 500 Personen teil, wogegen 1953 sich nur 400 Personen beteiligten.

In einigen Orten war eine schlechte Beteiligung an den Feierlichkeiten zu verzeichnen. Schlecht besucht war die Veranstaltung am 6.11.1954 im VEB Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck«, an welcher nur ca. 80 Personen daran teilnahmen ([Bezirk] Gera).

Eine schlechte Beteiligung an der Kundgebung war in der Stadt Röbel zu verzeichnen, wo nur insgesamt 100 Personen teilnahmen.

An der Feierstunde in der MTS Bismark, [Bezirk] Magdeburg, nahmen nur 20 Personen teil, davon alles Arbeiter aus der Stadt, nicht ein Kollege war von der MTS oder von den VEG erschienen. Die Popularisierung und Organisation zu dieser Veranstaltung war schlecht.

Im Krankenhaus Potsdam nahmen von ca. 800 Beschäftigten nur 80 an der Feierstunde anlässlich des 7.11.[1954] teil. Trotzdem zu der Feierstunde zwei Mal alle Ärzte und Schwestern eingeladen wurden. Die Kaderleiterin erklärte, dass diese Haltung vonseiten der Ärzte und Schwestern wahrscheinlich erst dann beseitigt würde, wenn der Chefarzt wegginge und ein anderer BPO-Sekretär eingesetzt würde.

Die Werktätigen der volkseigenen Betriebe übernahmen zahlreiche Produktionsverpflichtungen anlässlich des 37. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution.

Die Brigade Hoike aus der Zeche V, Fabrik 95, Freital, [Bezirk] Dresden, leistete eine Stoßschicht zu Ehren des 7.11.[1954] Die Kollegen des Eisenwerkes – West Calbe, [Bezirk] Magdeburg, fuhren anlässlich des 7.11.[1954] eine Hochleistungsschicht.

Während einer Feierstunde im VEB Baumwollspinnerei Löbau, [Bezirk] Dresden, übernahm die FDJ-Gruppe die Verpflichtung, weitere zehn Mitglieder für die Gesellschaft der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft zu werben. 40 neue Mitglieder wurden bereits geworben.

Die Diskussionen anlässlich des 37. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution waren gering und überwiegend positiv. In den Gesprächen wird teilweise auf die großzügige Hilfe der SU hingewiesen und zum Ausdruck gebracht, dass wir der SU zu Dank verpflichtet sind. Teilweise diskutiert man darüber, dass Genossen unserer Partei sich nicht an den Feierlichkeiten beteiligten. Ein Pfarrer aus Lessing,1 [Bezirk] Leipzig, äußerte: »Warum soll ich auch nicht als Vertreter der christlichen Kirche den sowjetischen Menschen heute meinen Dank abstatten, denn gerade sie waren es, die uns durch ihr Blut von der faschistischen Macht befreiten.«

Eine Landarbeiterin vom VEG Klosterbuch, [Kreis] Döbeln, [Bezirk] Leipzig, äußerte sowjetischen Freunden gegenüber: »Ich freue mich, dass ich zum ersten Mal die Ehre habe, unter einer Delegation zu weilen und unseren Freunden, die uns von der faschistischen Barberei befreit haben, zu danken.«

Ein Reichsbahnangestellter aus Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Opfer, die die Rote Armee und die Partei zur Befreiung Deutschlands vom Faschismus gebracht hat, müssten von uns viel mehr geehrt werden. Ohne die Opfer, die die SU vor 37 Jahren gebracht hat, wären wir heute noch Unterdrückte von der Reaktion und des Kapitalismus.«

Ein Arbeiter vom VEB Baumwollspinnerei Tannenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn das deutsche Proletariat nicht immer so versagt hätte, so hätten auch wir heute so einen glücklichen Tag, wie die SU feiern können und es gäbe kein geteiltes Deutschland, auch hätte es keinen Zweiten Weltkrieg gegeben.«

Ein Genossenschaftsbauer von der LPG Ebersdorf, [Bezirk] Suhl:2 »Wenn Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg aus den Lehren des Großen Sozialistischen Oktoberrevolution gelernt hätte, dann wären uns die schweren Jahre des Hitlerfaschismus erspart geblieben. Durch die Hilfe der SU war es uns möglich, uns zu einer LPG zusammenzuschließen und somit beizutragen für ein besseres Leben.«

Ein Genosse aus Rangsdorf, [Kreis] Zossen, [Bezirk] Potsdam: »Es ist sehr traurig, dass dieser Tag von der Bevölkerung noch so wenig beachtet wird. Sehr wenig Einwohner erschienen zu den Feierlichkeiten. Was soll man aber zu den parteilosen Menschen sagen, wenn nicht einmal Genossen zu dieser Veranstaltung erscheinen. Unser Parteisekretär, der ein gutes Beispiel unserer Genossen sein soll, hatte es ebenfalls nicht nötig, zu dieser Feier zu erscheinen.«

In negativen Diskussionen tritt das Argument auf, dass dieser ein Feiertag des Sowjetvolkes ist und mit uns nichts zu tun hat. Diese Diskussionen sind sehr gering. Unter der Landbevölkerung wird ganz vereinzelt in der Form diskutiert, dass man für Feierstunden keine Zeit habe, da man arbeiten müsse. Ein Arzt aus Sonneborn, [Bezirk] Erfurt, sagte in einer Diskussion, dass die Feier anlässlich des 37. Jahrestages eine Angelegenheit der sowjetischen Freunde wäre und nicht die unsere. Einige Geschäftsleute aus Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, äußerten sich ähnlich.

Eine werktätige Bäuerin (parteilos) aus Spantekow, [Kreis] Anklam, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerte, als man sie auf den 7.11.[1954] hinwies, Folgendes: »Ich habe das heute morgen schon im Radio gehört. Ich danke für Backobst, unser Feiertag besteht heute im Rübenverladen.«

Ein Großbauer aus Kraatz, [Kreis] Gransee, [Bezirk] Potsdam: »Was haben wir mit einem Feiertag, der zu Ehren der russischen Revolution gefeiert wird, zu tun? Wenn man heute auch sagt, wir wären durch die sogenannte ruhmreiche Sowjetarmee befreit worden, so können wir nur sagen, dass wir früher besser gelebt haben.«

Ein Bauer aus Wiesenau, [Bezirk] Frankfurt: »Warum denn diese Freundschaftsfeier, wo die Russen uns alles wegholen. Mit so einer Freundschaft soll man mir gestohlen bleiben.«

Besondere Vorkommnisse waren nicht zu verzeichnen.

Die Lage in Industrie, Verkehr Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Die Diskussionen über politische Tagesfragen sind weiterhin gering. Im Mittelpunkt der wenigen Diskussionen steht weiterhin der Prozess gegen die sieben Agenten der Gehlen-Organisation.3 Die Diskussionen sind überwiegend positiv. Darin bringt man zum Ausdruck, dass solche Menschen, die zur Vorbereitung eines neuen Krieges beitragen, die Todesstrafe erhalten müssten. Ganz vereinzelt wurden negative Diskussionen bekannt. So äußerte z. B. ein Instrukteur aus dem VEB »Heinrich Rau« Wildau, [Bezirk] Potsdam, zur Unterschriftensammlung für die Resolution betreffs des Gehlen-Prozesses: »Dafür gebe ich meine Stimme nicht. Ich als alter SPD-Genosse, der ich jetzt noch bin, verurteile so etwas und ich glaube nicht, dass es so etwas gibt, da man uns zu oft derartige Prozesse vor Augen führt.«

Im VEB Volltuch Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam, weigerten sich zwei Arbeiter, ihre Unterschrift für die Resolution zu geben. Sie meinten: »Das interessiert uns gar nicht. Wir mischen uns nicht in die Angelegenheiten des Obersten Gerichts. Uns ist es doch egal, was sie für eine Strafe bekommen.«

Materialschwierigkeiten

Im VEB Betonwerk Dresden bestehen Schwierigkeiten in der Planerfüllung, da die Produktion von Betonschwellen für die Reichsbahn seit einigen Wochen ruht. Die Ursache liegt darin, dass die Lieferung von Spann[…]4 durch den VEB Derby Magdeburg5 ins Stocken geraten ist. Obwohl das Walzwerk Henningsdorf den notwendigen Stabstahl lieferte.6

Im VEB Autoreparaturwerkstatt EMW Dresden bestehen große Schwierigkeiten in der Beschaffung von Ersatzteilen für das Fahrzeug 340.7 Es fehlt an Vergasern, Kraftstoffpumpen, Kugellagern, Lichtmaschinen und Anlassern.8 Die Kugellager 6–202, zum Preis von DM 2,60 sind nicht einzeln erhältlich, sondern man muss eine ganze Wasserpumpe für 42,23 DM kaufen, um ein Kugellager zu bekommen.

In einigen Betrieben fehlt es an Glüh- und Leuchtstofflampen. Dies wirkt sich hemmend auf die Produktion aus, wie aus einem Brief des VEB Karma-Strumpfwerke Zwönitz hervorgeht, der an das Berliner Glühlampenwerk gerichtet ist. Darin heißt es: »Ganze Leuchtbänder sind bereits durch defekte Röhren außer Betrieb und nur durch unangenehme Maschinenumbesetzungen konnten wir bisher unsere Produktion aufrechterhalten. Besonders zu bemerken ist, dass wir zum größten Teil Export- und Regierungsaufträge zu erfüllen haben. Falls dieser Zustand in kürzester Zeit nicht beseitigt werden kann, wird unsere Produktion nicht mehr zu erfüllen sein …«9

Im [Wismut-]Schacht 31 Johanngeorgenstadt,10 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, mangelt es seit drei Wochen an Bohrstangen. Die Meinung der Hauer ist, dass die Verantwortlichen für die Werkzeuge Saboteure sind. Im Schacht 66 in Aue besteht Huntemangel.11

Handel und Versorgung

Die teilweise ungenügende Belieferung mit Lebensmitteln, Textilien und Anderes mehr, verursacht immer wieder Unzufriedenheit und macht sich wie folgt bemerkbar. In einigen Kreisen des Bezirkes Halle fehlt es nach wie vor an Speck, Eiern, Stärkeerzeugnissen, Süßwaren, Winterpullovern, Dekorationsstoffen und Schuhen guter Qualität. Außerdem fehlt es im Kreis Dessau, [Bezirk] Halle, an Frischfleisch. Ähnliche Mängel bestehen in anderen Bezirken. Im Bezirk Karl-Marx-Stadt (Bettwäsche, Hand- und Wischtücher.) Im HO Wismut Auerbach (Speck, Süßwaren, Gebäck und Schokolade), im Kreis Sömmerda, [Bezirk] Erfurt (Frischfisch und andere Fischwaren).

Im Bezirk Rostock diskutiert die Bevölkerung negativ über die nach der Preissenkung12 erfolgte Verteuerung von Schmalz um 20 Pfennige.

Landwirtschaft

Durch bessere Aufklärung und Durchführung von Kurzversammlungen ist teilweise eine Belebung der Diskussionen besonders in den MTS und LPG zu verzeichnen. Im Mittelpunkt des Interesses steht der Prozess gegen die Gehlen-Organisation, zu dem bis auf wenige Ausnahmen positiv Stellung genommen wird. Allgemein wird die strengste Bestrafung und in den meisten Fällen die Todesstrafe gefordert, wie folgende Beispiele zeigen.

Die Mitglieder der LPG Großböhla, [Bezirk] Leipzig, verfassten folgende Resolution: »Der Gehlen-Prozess zeigt mit aller Deutlichkeit die Fratze der amerikanischen Kriegstreiber. Sie wollen mithilfe dieser Verbrecher (Gehlen-Organisation) Deutschland in Schutt und Asche legen. Aber auch nach den Volksdemokratien und der SU strecken diese Menschen die Hände aus. Durch solche Lumpen wird das Ansehen der deutschen Nation geschädigt. Wir haben keine Worte für solche Niederträchtigkeit, die von deutschen Menschen ausgeführt werden soll. Wir fordern daher für diese Judas-Elemente die Todesstrafe und nicht Zuchthausstrafen. Das ist unser Wille. Hängt sie öffentlich auf.«

Die Mitglieder der LPG Dornreichenbach, [Bezirk] Leipzig, sandten an den Generalstaatsanwalt in Berlin eine Entschließung, in welcher sie einstimmig die Todesstrafe für alle Verbrecher fordern.

Ein Arbeiter aus der MTS Haida, [Kreis] Wurzen: »Wir Arbeiter auf dem Lande werden uns niemals dazu hergeben, solche Verbrechen am deutschen Volke durchzuführen, wie die sieben Gehlen-Agenten. Man müsste Knüppel und Steine nehmen und diese Verbrecher totschmeißen.«

Die Arbeiter von der MTS Lieberose, [Bezirk] Frankfurt: »Viele kleine Funktionäre arbeiten ehrlich Tag und Nacht für unseren Staat. Diese Kreaturen, die einen Dritten Weltkrieg vorbereiten und sich in gutbezahlte Positionen eingeschlichen haben, müssen zum Tode verurteilt werden.«

Ein werktätiger Bauer aus Neuenhagen, Kreis Strausberg: »Nun haben sie wieder einige von diesen Gehlen-Schweinehunden gefasst. Die Kohlrübe müsste bei denen runter, denn ich will nicht wieder beim Herrn Rittergutsbesitzer schuften.«

Die Stellungnahmen zur neuen Sowjetnote13 haben zwar nur einen geringen Umfang, sind aber ebenfalls überwiegend positiv. Das Bekanntwerden der neuen Sowjetnote hat vielen Menschen die Augen geöffnet, über die Friedensliebe und die große Hilfe der SU für Deutschland. Außerdem eine neue Hoffnung für eine baldige Wiedervereinigung auf friedlichem Wege gegeben. So erklärte z. B. ein Schlosser der MTS Schönermark, [Bezirk] Frankfurt: »Die neuen Bemühungen der SU haben mich zu einer anderen Meinung geführt.« Dieser Schlosser war vor noch nicht allzu langer Zeit negativ zur DSF eingestellt. Er verpflichtete sich jetzt, fünf Mitglieder für die Deutsch-Sowjetische Freundschaft zu werben.

Ein werktätiger Bauer aus Stendell,14 Kreis Angermünde: »Ist der EVG-Vertrag verhindert worden,15 so muss man jetzt erst recht die Verträge von London und Paris bekämpfen.16 Die neue Sowjetnote zeigt uns klar und deutlich, wie wir Adenauers17 Verkauf der Saar bekämpfen können.«18

Vereinzelt wurden negative Äußerungen bekannt. Ein Mittelbauer aus dem Kreis Beeskow, [Bezirk] Frankfurt: »Mit den freien Wahlen sind die Westmächte schon so oft hereingefallen. Deshalb werden sie sich auch nicht groß auf den neuen Vorschlag einlassen.«

Ein werktätiger Bauer aus dem Kreis Bad-Freienwalde: »Das ist genauso ein Betrug wie mit unserem Soll. Russland hat nur Angst, dass die Westmächte durch deutsches Militär stärker würden wie sie selber. Die Note Molotows19 ist Schwindel, denn Russland möchte doch ganz Deutschland einstecken.«

Einige Bauern aus der Gemeinde Wolzig, [Bezirk] Potsdam: »Während der Nazizeit wurden die Kommunisten von den Nazis verhaftet und hingerichtet. Jetzt machen es die Kommunisten umgekehrt und sperren die Personen ein, die für drüben arbeiten.«

Die Beteiligung zum 37. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution war auf dem flachen Lande verhältnismäßig gering, was hauptsächlich daran liegt, dass ein großer Teil der Landbevölkerung sich über die Bedeutung dieses Tages noch nicht voll bewusst ist.

Unzufriedenheit verursachen immer wieder Mängel bei der Hackfruchternte und andere Mängel. Im MTS-Bereich Roggendorf, [Bezirk] Schwerin, z. B. sind die Bauern darüber verärgert, dass entgegen dem Ministerratsbeschluss statt Kartoffeln erst Rüben verladen werden.20 Dadurch besteht die Gefahr, dass die Kartoffeln erfrieren, zumal es an Stroh für das Einmieten fehlt. Die Bauern verlangen, dass der Ministerratsbeschluss konsequent eingehalten wird.

Aus Seehausen, [Bezirk] Neubrandenburg, wird berichtet, dass das Zurückliegen in der Aussaat von Winterweizen darauf zurückzuführen ist, dass die VEAB Kreisbetrieb Seehausen nicht die erforderlichen Saatgutmengen zur Verfügung hat. Es werden 600 dztr. benötigt, 350 dztr. konnten aber nur zur Verfügung gestellt werden. Die Ursache dafür ist, dass diese VEAB einen großen Teil Winter- und Sommerweizen zusammengeschüttet hat. Die restlichen Mengen sollen in diesen Tagen aus einem anderen Bezirk eintreffen.

Über die Schwierigkeiten bei der Durchführung notwendiger Bauten kommen immer wieder neue Klagen von der Landbevölkerung. So fehlt es z. B. im Kreis Stralsund, [Bezirk] Rostock, zur Fertigstellung der Schweineställe an Abstandschellen für Feuchtraumleitungen, die nicht zu beschaffen sind.

Der MTS Neusalsa-Spremberg, [Bezirk] Dresden, stehen für die Maschinen und Geräte keine winterfesten Unterkünfte zur Verfügung. Zum größten Teil wurden die Maschinen in VEG untergestellt. Trotzdem sind für sieben Traktoren noch keine Garagen vorhanden. Es ist auch nicht möglich, ein Schuppendach zu bauen, da vom Rat des Kreises das nötige Baumaterial nicht geliefert wird.

Wiederholt wird festgestellt, dass die Landbevölkerung im Bezirk Schwerin mit der Arbeit der Bürgermeister in einzelnen Gemeinden nicht mehr einverstanden ist. In der Gemeinde Bütgerhof,21 Kreis Hagenow, hat der Bürgermeister z. B. eine Gruppe von RIAS-Hörern um sich geschaffen. In Diskussionen mit der VP und LPG kommt seine negative Einstellung gegenüber unserer Entwicklung zum Ausdruck. Aus diesem Grunde legte auch der dortige Gemeindesekretär seine Arbeit nieder.

In der Gemeinde Diekhof, [Kreis] Güstrow, hat der Bürgermeister sein Ansehen dadurch eingebüßt, dass er sein Versprechen gegenüber den Gemeindemitgliedern nicht einhält.

Der Bürgermeister in der Gemeinde Mustin, [Kreis] Sternberg, hat sich dem Trunk ergeben und vernachlässigt seine dienstlichen Obliegenheiten in der Gemeinde. Die Ursache liegt in der Bestrafung seiner Ehefrau wegen Veruntreuung.

Übrige Bevölkerung

In der Stimmung der übrigen Bevölkerung hat sich keine wesentliche Veränderung ergeben. Nach wie vor wird verhältnismäßig wenig über politische Tagesfragen gesprochen. Im Vordergrund der politischen Diskussionen steht der Prozess gegen die Gehlen-Agenten. Die Äußerungen sind überwiegend positiv. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Bevölkerung über das schändliche Treiben dieser Verbrecher empört ist und es wird deshalb immer wieder die höchste Bestrafung gefordert. Zum Beispiel sagte ein Kaufmann aus Brandenburg, [Bezirk] Potsdam (ehemaliger Leiter der »christlichen Wissenschaft«): »Meiner Meinung nach wäre keine Strafe zu hoch, um endlich diesen Elementen Einhalt zu gebieten. Jede Verhaftung dieser Verbrecher trägt dazu bei, den noch vorhandenen Agenten und Handlangern den Mut zu ihrer Tat zu nehmen. Ich wünsche, dass man recht viel von diesen Banditen erwischt, damit die Entwicklung in der DDR noch schneller vorangeht.«

In einem Gespräch mehrerer Personen in Nauen, [Bezirk] Potsdam, wurde zum Ausdruck gebracht: »Die Agenten der Gehlen-Organisation, die sich für die Vorbereitung des Dritten Weltkrieges hergeben, sind Lumpen. Auf diese sollte man keine Rücksicht nehmen, sondern sie kurzerhand beseitigen.«

Eine Angestellte (parteilos) aus dem Konsum Dippoldiswalde: »Meine Kollegen sind durch die Artikel in der Presse viel aufgeschlossener. Früher haben sie immer gesagt: ›Was ihr bloß wollt, ihr seht überall nur Agenten und Spione‹. An dem jetzigen Prozess sehen sie jedoch, dass die Lage ziemlich ernst ist und dass es immer noch Menschen gibt, die sich für solche Verbrechen hergeben.«

Ein Tischlermeister aus Sömmerda, [Bezirk] Erfurt: »Die Gehlen-Agenten betrachte ich als Gegner des Volkes. Wir müssen alles daran setzen, um den Frieden zu erhalten. Wir verabscheuen solche Agenten und werden es nicht dulden, dass sie ihr schändliches Treiben in der DDR durchführen können.«

Einige Bewohner der Gemeinde Löbnitz, [Bezirk] Halle: »Wir verfolgen den Gehlen-Prozess und man muss sich wirklich wundern, wie lange diese Gauner ihr verbrecherisches Spiel in der DDR getrieben haben«.

Eine Hausfrau aus Torgau, [Bezirk] Leipzig: »Die Sowjetunion schlägt in ihrer neuen Note sofortige Verhandlungen und Abzug der Besatzungstruppen vor und diese Lumpen der Gehlen-Organisation verraten unsere Republik an die amerikanischen Imperialisten und helfen dabei mit, einen neuen Krieg vom Zaune zu brechen.«

Ein Rentner aus Strehla,22 [Bezirk] Dresden: »Die SU hat den sofortigen Abzug der Besatzungstruppen vorgeschlagen. Die Westmächte sind jedoch an diesem Vorschlag nicht interessiert. Ein Beispiel dafür ist der Prozess gegen die Gehlen-Agenten.«

Ein Fotograf aus Ilmenau, [Bezirk] Suhl: »Man soll es kaum glauben, dass es immer noch Menschen gibt, die ihre Hand zu solch einem verbrecherischen Spiel reichen, wodurch alle friedliebenden Menschen vernichtet werden sollen. Diese Verbrecher müssen die härteste Strafe bekommen und nicht noch so gut behandelt werden. Ich bin Christ, aber solche Verbrecher dürfen keine gute Behandlung erfahren.«

Negative Stellungnahmen sind ganz vereinzelt. Verschiedentlich wird an den Strafhandlungen der Agenten gezweifelt. Zum Beispiel sagte ein Friseurmeister aus Zehdenick, [Bezirk] Potsdam: »Mir kommt es schleierhaft vor, dass diese Menschen heute vor Gericht so ohne Weiteres ihre Verbrechen eingestehen und sagen, was sie getan haben und noch vorhaben. Vielleicht hat man dort für das Radio ein paar bezahlte Personen hingestellt, die dementsprechend den Prozess machen«.

In der Kreissparkasse Neuruppin wurde von der BGL eine Resolution gefasst, in der für die Agenten die Todesstrafe gefordert wird. Diese wurde nur von fünf Kollegen unterschrieben. Alle anderen 28 Kollegen lehnten ab.

Westberlin

Eine NTS-Versammlung23 wurde von 550 bis 600 Personen besucht. Die Versammlung verlief äußerst langweilig und ca. 150 Personen verließen deshalb vorzeitig den Saal.

Der am 7.11.1954 von der DP zum »Luftbrückendenkmal« geplante Schweigemarsch fand nicht statt. Da er von der Polizei aufgelöst wurde. Es entwickelte sich aber eine Gegendemonstration von ca. 3 500 Personen.

Von der Bevölkerung wurde wiederholt beobachtet, dass Währungsschieber am Potsdamer Platz ihr »Geschäft« größtenteils auf dem Gebiet des Demokratischen Sektors betreiben, da dort unmittelbar an der Sektorengrenze die VP-Posten nicht ihren Dienst versehen.

In der Sternstraße (N 20)24 befindet sich eine Privat-Handels-Schule (Müncheberg).25 Am Unterricht nehmen acht Schüler aus Westberlin und zwölf aus dem Demokratischen Sektor bzw. aus der DDR teil. Am 9.10.1954 wurde den Schülern des Demokratischen Sektors gesagt, wenn sie Verwandte oder Bekannte in Westberlin haben, könnten sie sich besuchsweise in Westberlin anmelden und erhielten vom Westmagistrat Stipendien in Höhe von 65,00 Westmark. Allerdings wären bei der Anmeldung einige Angaben nötig, aber das sei nicht so schlimm. Die Hauptsache wäre, dass ihre Väter nicht Mitglied der SED wären.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverteilung

NTS: Gera 10 000, Karl-Marx-Stadt 44.

»Der Tag«:26 Frankfurt/Oder 6 000.

»Tribüne«:27 Karl-Marx-Stadt 450.

Unbek[annter] Herk[unft]: Frankfurt/Oder 700 (Hetze gegen wirtschaftlichen Aufbau in der DDR).

Antidemokratische Tätigkeit

In der Nacht vom 6. zum 7.11.[1954] wurden in Oranienburg und Schenkendorf, Kreis Königs Wusterhausen, [Bezirk] Potsdam, drei Fahnenmasten herausgerissen. Die Täter in Schenkendorf wurden festgenommen.

Am 6.11.[1954] wurde in Freyenstein, Kreis Wittstock, [Bezirk] Potsdam, eine Fahne heruntergerissen. Täter festgenommen.

In Lübz, [Bezirk] Schwerin, wurden zwei Plakate zum Monat der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft von unbekannten Tätern beschmiert.

Am 6.11.[1954] provozierte in einer Vorfeier für den 7.11.[1954] in Schmachtenhagen, Kreis Oranienburg, [Bezirk] Potsdam, ein Arbeiter durch feindliche Äußerungen.

Am 6.11.1954 wurde in Zerbst eine Verandascheibe der Gaststätte »Rephuns Garten« von unbekannten Tätern eingeworfen, hinter welcher sowjetische Freunde28 saßen.

In der Nacht vom 6. zum 7.11.1954 waren in der Zeit von 1.40 Uhr bis 2.10 Uhr die Objekte der Freunde in Erfurt ohne Licht. Ursache: Angebliche Fehlschaltung.

Anlage vom 8. November 1954 zum Informationsdienst Nr. 2361

Bericht über den Verlauf des Prozesses gegen die Gehlen-Agenten

Am 6. Verhandlungstag, als die Angeklagte Dorn29 vernommen wurde, kam es ähnlich wie an den Vortagen zu Diskussionen, wie z. B. dass noch viel mehr Menschen Gelegenheit haben müssten, diesem Prozessverlauf beizuwohnen und dass es daher angebracht sei, den Prozess in größeren Räumlichkeiten durchzuführen.

Des Weiteren wurde in Diskussionen zum Ausdruck gebracht, dass eine Reihe Zuhörer aus den Betrieben, besonders Eisenbahner, bereits seit dem 1. Verhandlungstag teilnehmen. Es müsste so sein, dass ein größerer Teil der Werktätigen aus den Betrieben, in denen diese Verbrecher arbeiteten, an dem Prozess teilnehmen können, um dadurch die verräterische Tätigkeit der Gehlen-Organisation kennenzulernen.

Im Allgemeinen ist unter den Zuhörern eine starke Empörung über das schändliche Treiben der Agenten festzustellen und in zahlreichen Diskussionen wird immer wieder die härteste Bestrafung gefordert. Zum Beispiel sagte ein Kollege: »Ich habe im letzten Krieg eine Hand eingebüßt, und diese Verbrecher arbeiten und schüren schon wieder für einen neuen Krieg.«

Eine Kollegin: »Meiner Meinung nach müsste so ein Prozess noch größer aufgezogen werden. Es sind hier zum größten Teil Genossen und Aktivisten anwesend. Es wäre besser, wenn man mehr Parteilose delegieren würde, damit sie sich selbst überzeugen können, wie diese Feinde arbeiten«.

Eine ältere Arbeiterin drückte ihr Unverständnis über die Handlungsweise der Dorn aus, indem sie sagte: »Na, so ein dummes Luder, ist erst 31 Jahre alt und ledig, und hat sich ihr ganzes Leben damit verschandelt.«

Ein älterer Arbeiter äußerte, dass die Entlarvung und Festnahme dieser Verbrecher ein schwerer Schlag gegen die Gehlen-Organisation und damit gegen die Kriegstreiber sei. Die neuen Tatsachen, die der Prozess aufdeckte, müssten alle Menschen aufrütteln, ihre Kräfte zu verstärken, um solchen Elementen das Handwerk ein für alle Mal zu legen.

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