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Zur Beurteilung der Situation in der DDR

20. November 1954
Informationsdienst Nr. 2371 zur Beurteilung der Situation in der DDR

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Im Vordergrund der Diskussionen über politische Tagesfragen steht die Note der SU vom 13.11.1954.1 Der Umfang der Stimmen hat gegenüber den Vortagen zugenommen. Daneben wird nur vereinzelt gegen das beabsichtigte Verbot der KPD,2 gegen die Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland3 sowie zum Monat der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft4 Stellung genommen.

Gegen das geplante Verbot der KPD wird von vielen Wismutkumpels5 Stellung genommen und erklärt, dass Adenauer6 ebenso wie Hitler zuerst die KPD verbietet, um dann alle demokratischen Organisationen zu zerschlagen. Dagegen wurde von den Kumpels einer Brigade der Zeche III in Freital eine Protestresolution verfasst, die dem Bonner Bundestag zugeleitet werden soll.

Gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Westdeutschland wurde von einigen Kollegen im Betrieb 06 des »Ernst-Thälmann«-Werkes Magdeburg diskutiert und erklärt, dass die Jugendlichen in Westdeutschland dieser Maßnahme niemals zustimmen sollten. Ein älterer Kollege führte dagegen an: »Hier gibt es auch Soldaten. Warum macht man dann so ein Geschrei in Westdeutschland?« Von einigen parteilosen Kollegen wurde ihm daraufhin der Unterschied zwischen der KVP7 und den westdeutschen Söldnern dargelegt.

Unter den Kollegen des VEB LOWA Vetschau, [Bezirk] Cottbus, wurden Diskussionen über sogenannte Weihnachtsgratifikationen geführt und erklärt, dass sie in diesem Jahr auf Weihnachtsgeld nicht verzichten wollen.

Unter den Arbeitern des VEB ABUS in Suhl8 besteht Verärgerung darüber, dass die großen Werkhallen nicht oder nur teilweise heizbar sind, wodurch bei größerer Kälte ein Teil der Arbeiter Urlaub nehmen muss, zum anderen sich die Krankheitsfälle häufen. Dieser Zustand besteht bereits seit 1945, ohne dass von der Werkleitung oder der BGL etwas dagegen unternommen wurde.

Eine gedrückte Stimmung besteht unter den Kollegen des VEB Hefe- und Likörfabrik Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, da sie befürchten, dass der Betrieb in kurzer Zeit stillgelegt wird. Der Parteisekretär des Werkes erklärte dazu: »Die Kesselanlage des Betriebes ist sehr mangelhaft. Und wenn jetzt bei der Revision die Druckbelastung der Kessel zurückgesetzt wird, muss die Fabrik geschlossen werden.«

Im VEB Synthesewerk Schwarzheide, [Bezirk] Cottbus, sollen 50 000 Tonnen Spezialbenzin für die SU hergestellt werden. Im November wurde plötzlich dieser Auftrag von der zuständigen Hauptverwaltung auf 44 000 t reduziert. Nach Einspruch des Betriebes jedoch wieder auf 47 000 t erhöht. Der Betrieb ist jedoch in der Lage, bis zum 31.12.1954 53 000 t zu produzieren, wofür Rohstoffe vorhanden sind. Die Hauptverwaltung gibt jedoch keine Genehmigung dafür, wodurch dem Werk ein finanzieller Verlust von DM 1 300 000 entsteht. Die sowjetischen Stellen verlangen die volle Erfüllung ihres Auftrags.

Im VEB Wirkmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt besteht bis zum 18.11.[1954] ein Rückstand in Exportlieferungen für die SU im Werte von ca. 1,5 Mio. DM. Als Begründung hierfür wird angegeben, dass das Konstruktionsbüro für Textilmaschinen in Karl-Marx-Stadt verspätet die Konstruktionspläne herausgegeben habe. Zum anderen seien Weißblechlieferungen aus der SU nicht eingetroffen.

Großer Brennstoffmangel besteht im VEB Leubnitzer Textilwerke, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt. Der Vorrat reicht nur noch für zwei Tage.

Materialmangel besteht

  • im Wismut-Schacht 31 Annaberg, wo für November nur 50 Prozent der angeforderten Bewetterungsrohre angeliefert wurden,9

  • im [Wismut-]Schachtkombinat Schneckenstein, [Kreis] Auerbach,10 wo 40 m lange Luftschläuche fehlen. Die angelieferten sind nur 31 bis 33 m lang, obwohl sie Etiketten mit der Aufschrift »40 Meter« tragen,11

  • im VEB »FRAMO«-Werk in Hainichen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wo wegen Mangel an Schrauben und Achsen die Planerfüllung stark gefährdet ist,12

  • im Landmaschinenwerk Barth immer noch, weshalb nicht voll gearbeitet werden kann.

Über großen Verschleiß an Bohrstangen wegen schlechtem Material kommen Klagen aus allen Schächten des Schachtkombinats Schneckenstein, [Kreis] Auerbach. Die Bohrstangen brechen bei jedem kleinen Widerstand ab.13

Produktionsstörungen

Am 19.11.1954 musste das Kraftwerk Bitterfeld, [Bezirk] Halle, die Produktion drosseln, weil die Kohlenzufuhr vom Werk »Freiheit« durch eine Betriebsstörung unterbrochen wurde. Nach einigen Stunden liefen die Turbinen wieder mit voller Leistung.

Im Tagebau »Paul I« des BKW Zeitz wurden durch Entgleisung eines Wagens 600 m Schienenschwellen aufgerissen. Im Tagebau Streckau desselben Werkes brannte eine Umkleidebaracke aus noch unbekannter Ursache nieder.

Am 18.11.1954 entstand durch eine Störung in der Stromversorgung im Gummiwerk Heidenau, [Bezirk] Dresden, ein größerer Produktionsausfall.

Handel und Versorgung

Folgende Beispiele zeigen einige Mängel in der Versorgung, worüber Unzufriedenheit herrscht.

Im Bezirk Suhl fehlt Fleisch durch Kontingentkürzung für das IV. Quartal 1954. Dadurch kann die HO mit Frischfleisch nicht beliefert werden. Die Hausfrauen diskutieren sehr abfällig darüber.

An Süßwaren, Dauerbackwaren und Hülsenfrüchten fehlt es im Bezirk Frankfurt.

In Bitterfeld fehlen Ofenrohre.

In den Wismutverkaufsstellen gibt es nicht genügend Winterkleidung und es fehlen Rosinen und Mandeln für die Weihnachtsbäckerei.

Der VEB »Halloren« in Halle arbeitet Schokoladenwaren bereits seit einem halben Jahr um. Einige Tonnen Schokolade, die verdorben waren, wurden unter Aufsicht der Bezirkshygieneinspektion und des Rates des Bezirkes verbrannt. Hierüber entstanden in der Belegschaft heftige Diskussionen. So z. B.: »Wenn man ein Stück Schokolade mitnimmt, wird man gleich entlassen und hier verkommt die Schokolade tonnenweise.«

Im VEB Vieh- und Schlachthof Dresden ist der Anfall an Lebendvieh überdurchschnittlich. Die Produktion beträgt täglich 230 t, wofür nicht genügend Kühlfläche zur Verfügung steht, sodass unbedingt von den Vertragspartnern diese Menge abgenommen werden müsste. Durch die Kürzung der HO-Fleisch- und -Wurstwaren entsteht aber Vieh- und Fleischstau und dadurch ein Stand- und Schwundverlust.

Landwirtschaft

Zur Sowjetnote wird weiterhin nur im geringen Maße, aber überwiegend positiv und hauptsächlich im sozialistischen Sektor diskutiert.

Schwierigkeiten bei der Hackfruchternte ergeben sich teilweise durch Arbeitskräftemangel, Ersatzteilmangel bei der MTS und andere Mängel.

Im Bezirk Rostock z. B. sind noch nicht alle Kartoffeln gerodet, was zum großen Teil an dem Mangel der Arbeitskräfte liegt, die besonders in den ÖLB14 fehlen. Ähnlich ist es im Bezirk Schwerin mit der Zuckerrübenernte, wo es ebenfalls an Arbeitskräften fehlt. Desgleichen wirkt sich die Arbeitsweise der MTS, die ihre Verträge nicht erfüllt bzw. nicht erfüllen kann, auf die Hackfruchternte aus, da es an den notwendigen Maschinen und Ersatzteilen teilweise mangelt. So fehlen z. B. in den MTS des Bezirks Potsdam wichtige Ersatzteile. Die MTS Ziesar, Kreis Brandenburg, klagt über das Fehlen der Kolbenringe für Traktoren IFA-Pionier und versenkbare Nieten für Grasmäher und Binder.

In der MTS Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, steht schon seit drei Monaten ein Lkw still, weil die erforderlichen Reparaturen an der Lenkung wegen dem Fehlen wichtiger Ersatzteile nicht vorgenommen werden können. Ersatzteile fehlen auch in einigen MTS der Bezirke Rostock und Dresden.

Im Bezirk Dresden werden außerdem negative Diskussionen über die schlechte Arbeitsweise der MTS geführt. Desgleichen über die schlechte Arbeit einiger MTS im Bezirk Frankfurt, z. B. in den Kreisen Freienwalde und Seelow, die keine Übersicht darüber haben, welche Traktoren wo eingesetzt werden. Dadurch entsteht eine berechtigte Verärgerung bei den Bauern, die mit ihrer Winterfurche nicht vorankommen. Die MTS Burgwerben,15 Kreis Weißenfels, dagegen hat Schwierigkeiten mit den LPG bei der Rübenkampagne, da diese die Arbeitseinteilung mit der Brigade der MTS nicht wollen und jeder für sich und nach seinen Ansichten arbeiten will. So ist z. B. in der LPG Kleinkorbetha, [Bezirk] Halle, zu verzeichnen, dass noch Kartoffelkraut auf dem Felde liegt und die geeggten Kartoffeln noch nicht aufgelesen sind. Dadurch kann das Feld nicht mit Winterweizen bestellt werden.

Einen breiten Raum nehmen die Diskussionen über die Sollablieferung ein. Im Bezirk Cottbus z. B. geht die Getreideablieferung nur schleppend vor sich. Die Zahlen der Druschergebnisse stehen in keinem Verhältnis zur Getreideablieferung. Ein besonders charakteristisches Beispiel zeigt der Kreis Calau. Hier beträgt der Stand des Drusches ca. 85 Prozent und der Stand des erfassten Getreides nur 66 Prozent. Hier nehmen die Bauern eine abwartende Haltung ein, da sie glauben, dass ihr Getreidesoll eventuell mit Austauschprodukten abgedeckt werden kann.

Im Kreis Cottbus sind ähnliche Tendenzen vorhanden. In der Gemeinde Seelow16 wurden 42 Wirtschaften aufgesucht, von denen eine 100-prozentige Ablieferung von Getreide verweigert wird. Als Grund wird die schlechte Getreideernte angegeben. In Naundorf, Kreis Jessen, sagte ein Bauer: »Man soll die Bauern nicht immer mit ihrer Ablieferungspflicht dem Staat gegenüber belästigen, sie bringen das, was sie haben.«

Verschiedentlich wird über die Herabsetzung der Preise für freie Spitzen17 negativ diskutiert. Bei der Ablieferung von Schweinen und Rindern in der VEAB Demmin, [Bezirk] Neurandenburg, kam es wegen der Ankündigung der neuen Preise für Schweinefleisch ab 10.11.1954 zu heftigen Diskussionen. Es handelt sich um die Herabsetzung von 90 Pfennig pro Kilogramm. Ebenso wird in mehreren Kreisen des Bezirkes Neubrandenburg die Herabsetzung von Preisen für freie Spitzen stark kritisiert.

In der Gemeinde Cambs,18 [Kreis] Schwerin, wurden den Bauern für Rindfleisch pro kg 50 bis 60 Pfennig gezahlt. Am Anfang des Monats erhielten sie noch 80 bis 90 Pfennig. Diese Preisunterschiede führen zur Verärgerung und negativen Diskussionen. Außerdem wurde in dieser Gemeinde von Aufkäufern erklärt, dass ab 1.12.1954 das Schweinefleisch billiger wird. Daraufhin verkauft ein Teil der Neubauern jetzt ihre Schweine, obwohl die Schweine das Schlachtgewicht noch nicht erreicht haben.

Bei dem am 17.11.1954 durchgeführten Ernteeinsatz im Kreis Bützow, [Bezirk] Schwerin, wurde festgestellt, dass ein Teil der Genossenschaftsbauern sich nicht an den Erntearbeiten beteiligte. Dies führte bei den Erntehelfern des Kreises zu einer großen Verärgerung.

Schweinepest

Auf dem ÖLB in Klosterwalde, Kreis Templin, wurde die Schweinepest festgestellt. Bestand: 77 Schweine. Bisher wurden 30 Tiere notgeschlachtet.

Übrige Bevölkerung

In der Stimmung der übrigen Bevölkerung hat sich keine wesentliche Veränderung ergeben. Nach wie vor wird wenig zu politischen Problemen Stellung genommen. Im Vordergrund der politischen Gespräche steht die Note der SU vom 13.11.1954.

Aus dem Bezirk Suhl wurde berichtet, dass vonseiten einiger Funktionäre der CDU sowie vom größten Teil der Geistlichen Stellungnahmen gegen die beabsichtigten Jugendweihen vorbereitet werden.19 Diese Kreise sehen darin eine Herausforderung der Kirche und es wird von ihnen zum Ausdruck gebracht, dass sie dagegen den Kampf aufnehmen werden. Zum gleichen Problem äußerte ein Pfarrer aus Lehesten, [Kreis] Lobenstein, [Bezirk] Gera: »Die vorgesehene Jugendweihe ist ein gewaltiger Schlag gegen die Kirche.« Des Weiteren brachte er zum Ausdruck, dass vonseiten des Staates großes Misstrauen gegen die Kirche gehegt und diese ständig überwacht würde. Dies käme z. B. darin zum Ausdruck, dass ständig Personen, die nicht in der Kirche seien, mit Stenoblöcken in der Kirche erscheinen und dort alles aufnotieren.

Die Einwohner mehrerer Ortschaften im Kreis Köthen, [Bezirk] Halle, führen darüber Klage, dass die ärztliche Betreuung viel zu wünschen übrig lasse. In Quellendorf ist z. B. ein Arzt, der schon 70 Jahre alt ist, und deshalb seinen Aufgaben nicht mehr so nachkommen kann, wie es erforderlich ist. Obwohl vonseiten des Arztes selbst sowie von der gesamten Bevölkerung schon Eingaben beim Gesundheitsamt in Köthen gemacht wurden, ist in dieser Hinsicht bis heute noch keine Änderung eingetreten.

Vereinzelt kommt es vor, dass die Staatsorgane nicht genügend die Interessen der Intelligenzler wahrnehmen. Zum Beispiel ist ein Arzt der Poliklinik Schwerin gezwungen, mit seiner Familie in einem Dachzimmer zu wohnen. Wiederholt hat er sich beim Rat der Stadt beschwert, trotz mehrmaliger Versprechungen wurde ihm nicht geholfen und [er] bemüht sich deshalb, eine andere Arbeitsstelle zu bekommen.

Aus den Kreisen der Handwerker und des Einzelhandels

Die Glaserhandwerker von Zittau beklagen sich über die schlechte Glaszuteilung. Dazu äußerte ein Glasermeister: »Die jetzige Glaszuteilung ist gegenüber dem Vorjahr so gut wie nichts. Wenn wir nicht bald Glas bekommen, werden die Arbeiten für die VEB sowie für Privatpersonen kaum noch durchzuführen sein.«

Im Bezirk Magdeburg werden unter den Einzelhändlern Diskussionen über die schlechte Arbeit des Handelsapparates geführt: Zum Beispiel sagte ein Geschäftsmann aus Salzwedel: »Hier in Salzwedel werden Apfelmost und Spirituosen hergestellt, die nach Berlin geschickt und von dort wieder gekauft werden müssen, und kommen dann hier wieder zum Verkauf. So muss z. B. das Krankenhaus Salzwedel den Apfelmost von Berlin anfordern und abholen. Der Alkohol geht von Salzwedel nach Mecklenburg und Salzwedel bekommt sein Kontingent von außerhalb.«

Von den Mühlenbesitzern des Kreises Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, wird darüber Klage geführt, dass bei ihnen die Kleie tonnenweise herumstehe und dem Verderb ausgesetzt sei. Niemand interessiere sich dafür, dass sie einer Verwendung zugeführt wird. Dem Vorsitzenden der Bezirks-VEAB wurde davon Mitteilung gemacht. Dieser hat sich bisher aber noch nicht um die Beseitigung dieses Missstandes gekümmert.

Erkrankungen: In Naumburg hat sich die Zahl der an spinaler Kinderlähmung erkrankten Personen auf 62 erhöht.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverbreitung

SPD-Ostbüro:20 Cottbus 130, Leipzig, Kreis Wurzen, 180, Karl-Marx-Stadt 30, Potsdam, Dresden und Erfurt einige.

NTS:21 Leipzig, Kreis Oschatz, 3 000, Dresden 600, Gera 55, Halle 200, Karl-Marx-Stadt 55.

KgU:22 Dresden 20.

FDP[-Ostbüro]: Karl-Marx-Stadt 120.

In tschechischer Spr[ache]: Cottbus, Kreis Senftenberg, 1 000, Karl-Marx-Stadt 643.

»Der Tag«23 u. »Montagsecho«:24 Frankfurt 3 000.

Die Hetzschriften wurden größtenteils durch Ballons eingeschleust und sichergestellt.

In Müncheberg, [Bezirk] Frankfurt, wurden ca. 20 gefälschte Kartoffelkarten aufgefunden.

Antidemokratische Tätigkeit

Im VEB Flachsspinnerei Hainitz,25 [Bezirk] Dresden, wurden an den Garderobentüren vier Hakenkreuze eingeritzt.

Im [Wismut-]Schacht 207 Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde an der Luftleitung im Revier ein Hakenkreuz und die Forderung »Kumpels streiken« geschrieben (wird noch überprüft).

Auf der Baustelle »Kühlhaus« Stalsund, [Bezirk] Rostock, wurde im Keller mit Teerfarbe ein ca. 50 cm großes Hakenkreuz angeschmiert und darüber die Worte geschrieben »Heil Hitler«.

Diversion

In der Gemarkung der MTS Zuchau, [Bezirk] Magdeburg, wurden vom VP-Streifen zwei Personen gesehen, die sich an einem freistehenden Traktor zu schaffen machten. Den Personen gelang es zu flüchten. An diesem Traktor wurden dann [eine] Reifenpanne, Erdklumpen und eine Drahtbürste im Kraftstofftank festgestellt. Abmontierte Schrauben sowie der Inhalt des Reparaturkastens wurden im Feld verstreut.

Am 15.11.1954 wurde in der MTS Hainichen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ein Traktor durch Bruch eines Gehäuses am Differenzialgetriebe außer Betrieb gesetzt, da sich im Gehäuse ein Bolzen in der Größe von 12 × 3 cm befand, welcher den Schaden verursachte.

Gefälschter Anruf

Am 14.11.1954 wurde der Wächter der MTS Bismark, [Bezirk] Magdeburg, angerufen. Der Anrufende meldete sich mit VP-Kommissar Bauer und wollte wissen, ob die Wache der MTS verstärkt sei und ob sich Traktoren außerhalb der Station befinden. Auskunft wurde nicht erteilt.

Anlage vom 20. November 1954 zum Informationsdienst Nr. 2371

Stimmen zur Note der Sowjetunion vom 13.11.1954

Im Vergleich zu den Vortagen haben die Diskussionen in den Produktions- und Verkehrsbetrieben über die Note der SU etwas zugenommen. Im Übrigen wird nach wie vor unter der Bevölkerung verhältnismäßig wenig darüber gesprochen. Jedoch sind die Äußerungen in der Mehrzahl positiv. Die Zustimmung drückt sich nicht nur in den überwiegend positiven Stellungnahmen aus, sondern auch in den zahlreichen Resolutionen, die in den Kurzversammlungen in den Betrieben und Institutionen verfasst werden und in den vielfach abgegebenen Einzel- und Kollektivverpflichtungen, vorwiegend in der Industrie, weniger in der Landwirtschaft. Der Inhalt der Äußerungen gleicht dem der Vortage, was nachstehende Beispiele zeigen.

Ein parteiloser Arbeiter (Mitglied der BGL) der Ziegelei Görtzberg,26 [Kreis] Brandenburg, sagte z. B.: »Die Arbeiter und Bauern haben die Kraft, einen Krieg zu verhindern, indem sie die Vorschläge der SU für die kollektive Sicherheit in Europa anerkennen und ihre Regierung zwingen, zu verhandeln. Auch wir müssen dazu beitragen, die gesamtdeutsche Arbeit zu verbessern, um somit auf schnellstem Wege die Aktionseinheit27 herzustellen.«

Ein Angestellter (parteilos) vom Fernmeldewerk Rudolstadt,28 [Bezirk] Gera: »Ich halte den vorgeschlagenen Zeitpunkt für die Konferenz für richtig, denn man kann entsprechend der Entwicklung in Westdeutschland nicht schnell genug über die Einheit Deutschlands verhandeln und über ein System der kollektiven Sicherheit für ganz Europa.«

Ein Ingenieur vom VEB Kali-Chemie Groß-Berlin: »Man muss sich wirklich wundern, mit welcher Energie die SU die Sache des Friedens vertritt. Ich bin der Ansicht, dass es jetzt Sache der Völker sein muss, ihre Parlamente zu zwingen, den gemachten Vorschlag anzunehmen. Auch wir müssen aus dem Kampf des französischen Volkes gegen die EVG lernen.«29

Ein Arbeiter der MTS in Rheinsberg, [Bezirk] Potsdam: »Einfacher und klarer als es in der Note dargelegt wurde, kann der Wille zur friedlichen Lösung der deutschen Frage nicht zum Ausdruck gebracht werden. Jetzt müsste auch der Letzte begreifen, wo die Kräfte des Friedens sind.«

Ein werktätiger Bauer aus Pleetz, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Note der SU ist ein erneuter Beweis für deren Friedenspolitik. Ich begrüße die erneute Initiative der Sowjetregierung und verpflichte mich, zur weiteren Stärkung unseres Arbeiter- und Bauernstaates, drei Schweine für den freien Aufkauf zu liefern.«

Ein Angestellter der DHZ Leder Neuruppin: »Ich begrüße die neue Note der SU, denn ich habe als junger Mensch die Schrecken des Krieges am eigenen Leibe gespürt. Die Frage des Friedens oder des Krieges bewegt alle denkenden Menschen, deshalb sollte ganz Europa den Weg der Politik des Friedens beschreiten.«

Ein Wissenschaftler (LDP) vom Institut für NE-Metalle in Freiberg:30 »Die letzte Note der Sowjetregierung kann man nur begrüßen, weil durch den Vorschlag, am 29.11.[1954] zu einer Konferenz zusammenzutreten, der Friedenswille ersichtlich ist, denn nur im Frieden können wir Wissenschaftler unserer Arbeit nachgehen.«

Weiterhin kommt es zu Äußerungen, in denen Zweifel darüber gehegt werden, dass aufgrund der Haltung der Westmächte wenig Hoffnung auf günstige Bedingungen des Vorschlages der SU bestehen. In der Betriebsschlosserei des Kunstseidenwerkes Premnitz, [Bezirk] Potsdam, vertreten mehrere Arbeiter die Ansicht, dass die Note der SU nichts nutzen werde, weil ihrer Meinung nach, die Westmächte doch nicht positiv darauf eingehen werden.

Ein Arbeiter (parteilos) aus dem VEB Turbo-Werk Meißen sagte, dass er daran zweifelt, dass es der SU gelingt, die anderen Großmächte von ihrem verbrecherischen Treiben abzuhalten.

Zu negativen Äußerungen kommt es nach wie vor in allen Schichten der Bevölkerung nur in geringem Maße. Es werden die verschiedenartigsten Argumente gebracht, was nachstehende Beispiele zeigen. In der Abteilung Messanlage des VEB Kunstfaserwerkes »Wilhelm Pieck« in Rudolstadt, [Bezirk] Gera, tauchen immer wieder im Zusammenhang mit der Note der SU folgende Argumente auf: »Die Siegermächte haben die Grenzen geschaffen, deshalb ist es auch ihre Aufgabe, uns wieder zu vereinigen. Bisher hat sich aber gezeigt, dass die Noten der SU und der DDR noch nie Erfolg hatten.« Oder »man spricht immer von der Remilitarisierung in Westdeutschland, was ist denn unsere KVP, das ist eine getarnte Armee, eine Armee für den Krieg«.

Ein Magazinschlosser (welcher aus der SED ausgeschlossen wurde) vom [Wismut-]Schacht 356, [Kreis] Gera: »Aus der Konferenz am 29.11.[1954] kann nichts werden, denn die SU hat mit Absicht den Termin so kurz gestellt, damit die Westmächte sich nicht konstituieren können. Sie sollen überrumpelt werden. Erst solche Wahlen am 17.10.[1954]31 und dann dieser Trick. Daraus wird nichts. Da machen die Westmächte nicht mit.«

Ein Großbauer aus Krippehna, [Bezirk] Leipzig: »Hier kommt sowieso nichts heraus dabei. Der Westen macht nicht mit, was der Osten will und der Osten nicht, was der Westen will.«

Der BGL-Vorsitzende des VEG Karow, [Kreis] Lübz, [Bezirk] Schwerin (SED), erklärte im Zusammenhang mit der Note der SU, dass die SU während des Krieges genauso wie die anderen kapitalistischen Staaten ohne Rücksicht Kriegsgefangene eingebracht hätten. Sie haben nicht danach gefragt, ob die Gefangenen früher KPD oder SPD waren.

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