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Zur Beurteilung der Situation in der DDR

13. Oktober 1954
Informationsdienst Nr. 2338 zur Beurteilung der Situation in der DDR

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Im Mittelpunkt der Diskussionen über politische Tagesfragen steht weiterhin die Volkswahl.1 Im Wismutgebiet2 wird daneben stärker über den Besuch des Außenministers der UdSSR, Genossen Molotow,3 gesprochen.4 Zur Volkswahl haben die Gespräche und Verpflichtungen weiterhin zugenommen. Die Gespräche sind überwiegend positiv. Der Inhalt entspricht dem der Vortage.

Negative Diskussionen treten meist nur vereinzelt auf, mit den bereits bekannten Argumenten. Etwas häufiger wird die Meinung geäußert, dass man nicht wählen brauche, da die Kandidaten bereits aufgestellt sind und sich durch die Wahl nichts ändere, jedoch sind diese Meinungen ebenfalls nur vereinzelt.

Verschiedentlich besteht Unklarheit über Form und Inhalt des Stimmzettels, wie folgendes Beispiel zeigt: Unter der Belegschaft der Papierfabrik Großenhain, [Bezirk] Dresden, wird jetzt sehr stark über die Wahlzettel diskutiert, wie sie aussehen und was man machen muss. Dabei äußert man: »Zu der Volksbefragung5 und anderen Wahlen wurde immer viele Tage zuvor das Aussehen der Wahlzettel durch die Presse bekanntgegeben. Diesmal rührt sich aber überhaupt nichts.« Ähnliche Diskussionen werden heute aus der Peene-Werft Wolgast und aus dem Reifenwerk Gotha6 berichtet.

Schwierigkeiten bei der Verteilung von Wahlscheinen ergeben sich besonders bei den Schiffern des Bezirkes Magdeburg. Zum Beispiel lehnte ein Schiffseigner die Annahme der Wahlscheine für sich und seine Besatzung ab mit der Erklärung, dass er über eine Wahlbeteiligung selbst entscheide. Ein Schiffer vom Kahn 356/A erklärte: »Ich weiß, was ich zu wählen habe. Die DSU macht uns alle kaputt und über kurz oder lang gehören ihr ja doch unsere Fahrzeuge.« Er lehnte ebenfalls die Annahme der Wahlscheine ab.

Eine mangelhafte Aufklärungsarbeit zur Volkswahl wird besonders aus den Bau-Unionen im Bezirk Frankfurt/Oder bekannt. Infolgedessen haben z. B. von den Kollegen der sehr großen Bau-Union in Strausberg sowie vom Wohnlager Güldendorf bei Frankfurt nur wenige Einsicht in die Wählerlisten genommen. Am 17.10.[1954] werden etwa 20 Bauarbeiter in Güldendorf verbleiben, jedoch hat bis heute noch keiner einen Stimmschein erhalten.7

Verschiedentlich besteht Missstimmung über betriebliche Fragen wie Entlohnung, Prämierung und Ähnliches. Aus dem Textilveredlungswerk Greiz, [Bezirk] Gera, werden laufend Lohnforderungen berichtet. So fordern z. B. die Kollegen im Filterhaus eine Lohnerhöhung; desgleichen die Kollegen von der Turbine. Einzelne Kollegen stellen Forderungen auf Leistungszuschläge.

In der E-Lokstation in Johanngeorgenstadt besteht unter den Kumpel eine Unzufriedenheit, da eine Brigade Leistungslohn erhält, wogegen die anderen Kumpels, die teilweise die gleiche Arbeit verrichten, Schichtlohn bekommen. Ein E-Lokschlosser äußerte dazu: »Wenn wir nicht umgehend Leistungslohn erhalten, gehe ich nicht zur Wahl.«

Unter den Werkmeistern des VEB Inlett- und Matratzenstoffweberei Sebnitz,8 [Bezirk] Dresden, herrscht Unzufriedenheit, weil sie weniger verdienen als der größte Teil der Weber. Ein Teil der Meister will, wenn keine Änderung geschaffen wird, wieder als Weber arbeiten oder kündigen.

In der Kompressorenabteilung des Wismut-Objektes I Johanngeorgenstadt herrscht unter den Schlossern und Maschinisten eine schlechte Stimmung, da sie schon seit zwei Monaten die Maschinenprämie nicht mehr erhalten bzw. diese Prämie von den jeweiligen Schachterfüllungen abhängig gemacht wird.

Im Kraftwerk Großkayna, [Bezirk] Halle, werden zzt. negative Diskussionen über die vorgeschlagenen und bestätigten Aktivisten geführt, da bei den Vorschlägen die gesellschaftliche Arbeit nicht berücksichtigt wurde. Hierüber sind besonders die fortschrittlichen Genossen und Kollegen unzufrieden.

Im VEB Gießerei Schmiedeberg, Kreis Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, wird von den Arbeitern bemängelt, dass die Normen nicht den Produktionsbedingungen entsprechen. Zum Beispiel ist das Einkommen der Former in der Graugießerei gesunken, weil jetzt mehr Kleinguss produziert wird, die Normen jedoch für Großguss aufgestellt sind. Ein Former äußerte dazu: »Ich bekomme jeden Monat 20,00 bis 30,00 Mark weniger, bloß weil der Betrieb keine Aufträge für Groß-Gussstücke hat. Die kleinen Gussstücke machen viel mehr Arbeit. Es ist falsch, die Normen nur nach Tonnage aufzustellen.«

In der Thuringia-Spinnerei in Mühlhausen kommt es zu Unstimmigkeiten wegen der Stromabschaltungen, die täglich zwei Stunden dauern. Dadurch tritt ein Lohnausfall von wöchentlich 5,00 bis 7,00 Mark ein. Der Betrieb besitzt ein Aggregat für zusätzliche Stromerzeugung, was nur einer kleinen Reparatur bedarf. Seit zwei Jahren wurden jedoch hierfür keine Investmittel zur Verfügung gestellt.

Im VEB Metallverarbeitung Trusetal, [Bezirk] Suhl, herrscht unter den Kollegen eine schlechte Stimmung. Der Grund hierfür ist, dass der ehemalige republikflüchtige Betriebsinhaber in die DDR zurückgekehrt ist und seinen Betrieb wieder erhalten soll.9 Ein Kollege äußerte dazu: »Es ist unverantwortlich vonseiten der Regierung, wenn man den Betrieb gegen den Willen der Arbeiter wieder zurückgibt. In unserem Betrieb bangen nun 200 Arbeiter um ihren Arbeitsplatz.«

Im Seehafen Warnemünde werden von Arbeitern heftige Diskussionen darüber geführt, dass die KVP nachts mit aufgepflanztem Bajonett ihren Dienst versieht.10 Es wird immer wieder von ihnen geäußert, sie wären doch nicht im Gefängnis und brauchten auch keinen Wachmann. Vor einigen Tagen wurden deshalb einige KVP-Angehörige aus einer Kantine von Arbeitern verwiesen.11

Materialmangel

In der Maschinenfabrik Sangerhausen, [Bezirk] Halle, fehlen Siederohre für die Produktion von Maschinenteilen für die chemische Industrie. Außerdem erfolgt die Lieferung von Kesselblechen vom Walzwerk Ilsenburg nicht planmäßig.

Bei der Baufirma Noak in Dresden12 können wegen Mängel an Kies und Monierstahl die Bauarbeiten nicht termingemäß beendet werden. Am 11.10.[1954] musste deshalb die Arbeit unterbrochen werden, was zu Missstimmung unter den Arbeitern führt.

Im VEB Schuhwerk Schmölln, [Bezirk] Leipzig, besteht ein Mangel an Filz, wodurch fortwährend Produktionsumstellungen vorgenommen werden müssen und die Produktion sinkt.

Kohlenmangel besteht im VEB Kalkwerk in Hammerunterwiesenthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt. Durch die schlechte Kohlenbelieferung vonseiten der DHZ Kohle in Karl-Marx-Stadt sind bereits Planrückstände eingetreten. Das Werk beliefert die Wismut mit Kalk.

Waggonmangel besteht im VEB Glas- und Steingutfabrik in Coswig, [Bezirk] Dresden, wodurch die Fertigwarenlager überfüllt sind.

Schwierigkeiten im Koksabsatz hat die Großkokerei Lauchhammer, [Bezirk] Cottbus. Dort liegen ca. 2 600 Tonnen Koks auf der Halde. Eine Untersuchungskommission zur Klärung der Sachlage ist eingesetzt.

Eine starke Missstimmung besteht unter den Arbeitern, die täglich von Brandenburg nach Potsdam mit dem Personenzug um 5.39 Uhr fahren. Seit dem 12.10.1954 müssen sie für die Fahrt DM 3,00 bezahlen, während es davor nur DM 2,40 kostete. Außerdem hielt der Zug sonst immer in Potsdam-West, wo mehrere Hundert Arbeiter ausstiegen. Am 12. [Oktober] fuhr der Zug bis zum Hauptbahnhof Potsdam durch, ohne dass dieses vorher bekanntgemacht wurde. Unter den Arbeitern kam es dadurch zu Äußerungen, dass sie sich dies nicht gefallen lassen und man streiken müsste. Ein Arbeiter äußerte, dass man in Zukunft in Potsdam West die Notbremse ziehen wird und für die Fahrt keinen Groschen mehr bezahlen wolle. Ein anderer sagte: »Da sitzt wieder mal so ein Heini da oben und alles muss nach seiner Pfeife tanzen. Jedoch auf die Meinung der Arbeiter, die auf den Zug täglich angewiesen sind und pünktlich zur Arbeit müssen, hört man nicht.« (VP-Bericht)

Handel und Versorgung

In der Versorgung mit Einkellerungskartoffeln bestehen im Bezirk Rostock noch einige Schwierigkeiten, wie z. B. in der Stadt Grevesmühlen.

Nährmittel, Kindernährmittel, Hülsenfrüchte, besonders Haferflocken, fehlen im Bezirk Neubrandenburg, teilweise im Bezirk Cottbus und im Kreis Hettstedt, [Bezirk] Halle. Im Kreis Hettstedt fehlt es außerdem an Zucker, Eiern und Käse. In den Gemeinden Muschwitz und Göthewitz, [Kreis] Hohenmölsen, [Bezirk] Halle, an Fleisch- und Wurstwaren und im HO Weißenfels, [Bezirk] Halle, an Frischfleisch, Bonbons und Zigaretten. Die DHZ Zeitz erhält seit dem 1.10.[1954] keine »Turf«, »Casino«, »Ramses« und »Salem« mehr.13 Es fehlen dort 1,2 Millionen Zigaretten, die von der Zigarettenfabrik Dresden nicht geliefert wurden.

Im Kreis Görlitz, [Bezirk] Dresden, ist zzt. Speck nur auf Marken zu haben, da die Schweine der Güteklassen »A«–»B« unentspeckt ins Kühlhaus Görlitz abgeliefert werden. Die Hausfrauen sagen hierzu: »Erst große Preissenkung und dann gibt es nichts.«14

Winterkleidung fehlt im Bezirk Rostock und im Kreis Hettstedt, [Bezirk] Halle.

Aus dem Bezirk Neubrandenburg kommen Klagen über die sehr schlechte Belieferung der Konsumverkaufsstellen Blankenburg, [Kreis] Prenzlau, und Trantow, [Kreis] Demmin. In Trantow z. B. gibt es schon seit Wochen keine HO-Butter und keinen Zucker.15 Ein Einkäufer beim Kreis-Konsum in Suhl sagte: »Ich habe vom VEB Kontor Import und Lagerung Berlin schriftlich den Bescheid bekommen, dass es verboten ist, im Monat Oktober Geflügel zu verkaufen. In den letzten drei Wochen im September haben wir ca. 3 Tonnen Geflügel verkauft. Meiner Meinung nach hat dies wesentlich zur Entlastung des HO-Fleischverbrauchs beigetragen und außerdem gibt dies vor den Volkswahlen nun Stoff zu negativen Diskussionen.«

Landwirtschaft

Die Stimmung zur Volkskammerwahl ist im Allgemeinen gut, was auch durch zahlreiche weitere Verpflichtungen zum Ausdruck kommt. Vielfach ist jedoch die Mitarbeit der bürgerlichen Parteien sehr mangelhaft, wie z. B. im Bezirk Magdeburg, wo nur einige gute Beispiele aus der Arbeit der DBD und NDPD vorliegen.

Die negativen Meinungen haben nur einen geringen Umfang, werden hauptsächlich von Groß- und Mittelbauern vertreten und beziehen sich in der Hauptsache auf die Listenwahl, Sollstreichung und »freie Wirtschaft«. Großbauern aus Bottmersdorf, [Kreis] Wanzleben, [Bezirk] Magdeburg, sagten: »Die sprechen immer von Demokratie und demokratischen Wahlen, dabei holen sie uns das Getreide vom Boden und pressen uns aus wie eine Zitrone. Es kommt ja noch ein 17. Oktober [1954], wo man seinen Herzen Luft machen kann.«

Ein werktätiger Bauer, ehemaliger Umsiedler aus Jamikow, [Kreis] Angermünde: »Es gibt doch gar keine Opposition gegen die jetzigen Kandidaten bei den Wahlen. Eine richtige Wahl, die uns eine richtige Regierung garantiert, kann nur entstehen, wenn eine Opposition vorhanden ist. Dann ist es auch eine Demokratie. Wenn wir dann noch die Gebiete hinter der Oder-Neiße hätten, gäbe es bei uns auch keine Schwierigkeiten in der Versorgung.«

Ein Großbauer aus Dollschütz, Kreis Eisenberg, [Bezirk] Gera: »Lasst mich mit dem Zeug in Ruhe (Wahlmaterial), denn wer gegen die Kandidaten der Nationalen Front ist, will sie auch dann nicht, wenn er das Material dazu bekommt. Ich weiß, was ich zu wählen habe.«

Eine Kleinbäuerin aus Seubtendorf, Kreis Schleiz: »Ihr macht euch ja schon lächerlich mit eurer Aufklärung. Die Leute machen ja doch was sie wollen. Diejenigen, die vorher EVG gewählt haben,16 tun es ja doch wieder. Oben die sind sich schon einig und in drei bis vier Jahren haben wir den schönsten Krieg.«

Sollablieferungen

In einigen Orten des Bezirkes Frankfurt, besonders dort, wo Großbauern den größten Teil der landwirtschaftlichen Flächen besitzen, ist die Ablieferung noch sehr schlecht, wie z. B. in der Gemeinde Karras, [Kreis] Beeskow, wo das Getreidesoll erst zu 65 Prozent erfüllt wurde.

Im Zusammenhang mit der Sollerfüllung werden verschiedene negative Diskussionen unter den Bauern im Bezirk Gera geführt. Die Frau des Bürgermeisters aus Petersberg, [Kreis] Eisenberg: »An die LPG-Mitglieder habt ihr Bohnenkaffee ausgegeben und wir bekommen nichts. Von den Petersberger Bauern werden keine mehr dreschen, um ihr Soll zu erfüllen. Die handeln nun genauso wie ihr.«

Unzufriedenheit herrscht unter den Bauern in Wuhnitz,17 Kreis Meißen. Die Betreffenden kämpfen schon jahrelang um den Bau einer Wasserleitung, erhielten jedoch bis jetzt keine konkrete Antwort. Jetzt wurde dieser Gemeinde wieder ein Plan vorgelegt und angefragt, was durch freiwillige Einsätze eingespart werden könne. Dies hat zu einer erneuten Verbitterung der Neubauern geführt. (Es handelt sich um Neubauernhöfe, die vor Jahren ohne Wasserleitung gebaut wurden.)

In vier MT-Stationen des Kreises Hettstedt herrscht ein Mangel an Ersatzteilen, vor allem an Reglern für Lichtmaschinen für Traktoren. Dadurch fallen in einigen dieser MTS 1/3 der Maschinen zum Schichteinsatz aus.

Im Bezirk Halle ist die Fluktuation von den volkseigenen Gütern in die Industrie sehr groß. Die Landarbeiter begründen es damit, dass die Verdienstmöglichkeiten in der Industrie höher liegen als in der Landwirtschaft.

Schweinepest

In der LPG »Frischer Wind« in Rosenow, Kreis Templin, ist die Schweinepest ausgebrochen. Der Bestand an Schweinen ist 270 Tiere. Davon sind zwei Sauen und 29 Ferkel verendet und 200 Schweine mussten geschlachtet werden.

Bei einigen Bauern in Tharandt und Großopitz, Kreis Freital, ist eine Erkrankung unter dem Rinderbestand aufgetreten. Innerhalb weniger Tage sind einige Kühe verkalbt18 und einige haben in der Milchleistung nachgelassen. Die Euter sind angeschwollen. Einige Kühe sind vollkommen abgemagert und einige Rinder sind am Verenden.

Bei einem Landwirt erkrankte nach dem Besuch des Fliegenbekämpfers, nach der Ausspritzung des Stalles, eine Muttersau, die nach einigen Tagen verendete. Der Schädlingsbekämpfer vom Rat des Kreises, der die Ausspritzung vornahm, ist ebenfalls erkrankt. Er leidet an Herzbeschwerden und Atemnot.

In Hasselfelde, Kreis Wernigerode, wird das Gerücht verbreitet, dass bei der Einheit Deutschlands eine neue Währung eingeführt wird und das gesparte Geld dadurch verloren ginge.

Übrige Bevölkerung

Wenn auch verhältnismäßig wenig über die Volkswahlen gesprochen wird, so ist doch die Stimmung überwiegend positiv. Von der Mehrheit wird zum Ausdruck gebracht, dass sie Vertrauen zu unserer Regierung haben und deshalb am 17.10.[1954] für die Kandidaten der Nationalen Front stimmen werden [sic!]. Auch in den Kreisen der Rentner kommt es zu überwiegend positiven Stimmen, jedoch bringen viele zum Ausdruck, dass bald etwas getan werden müsste, um ihre materielle Lage zu verbessern. Zum Beispiel sagte ein Rentner aus Döbeln, [Bezirk] Leipzig: »Ich bringe den Kandidaten der Nationalen Front mein volles Vertrauen entgegen. Ich glaube daran, dass diese alle Schichten vertreten, besonders aber die Interessen der Werktätigen. Vor allem müssen sie aber bestrebt sein, das Leben der Rentner zu verbessern.«

Der Sekretär einer Wohnparteiorganisation in Greiz-Aubachtal, [Bezirk] Gera, erhielt einen anonymen Brief, der von Rentnern verfasst war. Darin heißt es: »Die Umstände deuten alle darauf hin, dass die Alten und Kranken übrig sind und nicht schnell genug sterben können. Haben wir in der Politik und der Gewerkschaft darum gekämpft, dass man uns in dem ersehnten Volksstaat so behandelt.« Der Brief schließt mit einer Bitte an den Empfänger, diese Sachlage bei den zuständigen Stellen einmal vor-zu-bringen [sic!].

In den Kreisen der Handwerker wird auch immer wieder unsere Entwicklung bejaht und zum Ausdruck gebracht, dass sie voll und ganz hinter unserer Regierung stehen und deshalb am 17.10.[1954] den Kandidaten der N. F.19 ihre Stimme geben werden. Zum Beispiel sagte ein Klempnermeister aus Mutzschen, [Bezirk] Leipzig: »Ich stehe positiv zur Volkswahl. Unsere Entwicklung hat bewiesen, dass es sich in der DDR für die Handwerker gut leben lässt. Wenn man arbeitet, und Arbeit haben wir genügend.«

In diesen Kreisen kommt es vor allem zu negativen Äußerungen aufgrund von Materialschwierigkeiten. So erklärte z. B. ein Bäckermeister aus Magdeburg: »Wenn sich die Belieferung mit Mehl nicht ändert, d. h., wenn die Qualität nicht besser wird, werden wir am 17.10.[1954] nicht zur Wahl gehen.«

Negative Äußerungen kommen größtenteils aus den bürgerlichen Schichten, die mit dem Charakter unserer Volkswahl nicht einverstanden sind und sich deshalb gegen die Wahl aussprechen. Zum Beispiel äußerte ein Zahnarzt aus Flöha, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich kann nicht verstehen, warum so viel Wahlpropaganda gemacht wird und was diese eigentlich für einen Zweck haben soll. Es steht ja noch gar nicht fest, ob man sich für oder gegen die Kandidaten der Nationalen Front auf dem Stimmzettel entscheiden kann oder ob es nur eine Zettelabgabe wird.«

Ein Fabrikant aus Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn das wirklich eine freie Wahl ist, dann könnte man ja ausprobieren, einmal offen dagegenzustimmen. Offen dafür zu stimmen, ist keine Kunst, aber offen dagegenstimmen wird erst zeigen, ob wirkliche Demokratie vorhanden ist.«

In den Reihen der bürgerlichen Parteien kommt es immer wieder zu negativen Erscheinungen. Einmal, dass man die Wahl als undemokratisch bezeichnet oder dass man sich gegen unsere Partei ausspricht. In einer Versammlung der LDPD-Ortsgruppe in Gräfenthal, [Bezirk] Suhl, zeigten die meisten Mitglieder eine reaktionäre Einstellung. Dies kam zum Ausdruck, indem von den zwölf Anwesenden während des Referates des Bezirkssekretärs der LDPD über die Bedeutung der Volkswahlen und die durchzuführenden Aufgaben ein großer Teil den Saal verlassen hat. Am Schluss waren noch vier Personen anwesend. Als der Bezirkssekretär über die Kriegsverbrecher Kesselring20 und Manteuffel21 sprach, wurde er ausgelacht und es wurde ihm zugerufen, dass dies keine Kriegsverbrecher seien, sondern Soldaten, die im Kriege ihre Pflicht getan haben.

In einer Blocksitzung sagte der Vorsitzende der LDPD in Gellershausen, [Bezirk] Suhl: »Die Einheitsliste ist nicht richtig. Man müsste wenigstens wissen, wie die politische Zusammensetzung dieser Liste ist. Die SED will wieder dadurch einen Bärenfang herausschinden und sich damit am Ruder halten.« Anwesend waren dabei sechs LDPD-Mitglieder und drei Genossen unserer Partei, darunter auch der Bürgermeister, keiner von den Anwesenden nahm dazu Stellung.

Der Ortsvorsitzende der Nationalen Front in Schinne, Kreis Stendal, [Bezirk] Magdeburg, diskutierte auf einer Handwerkerversammlung: »Die Wahlen am 17. Oktober [1954] sind keine demokratischen Wahlen. In Westdeutschland ist es durchaus günstiger und demokratischer, trotzdem viele Parteien gegeneinander stehen.«

In Gesprächen mit Geistlichen zeigt sich immer mehr, dass viele gegen die Wahl sind. Einige äußern, dass sie nicht zur Wahl gehen werden, da sie nicht demokratisch seien. Zum Teil bringen sie auch zum Ausdruck, dass sie sich nach ihrer übergeordneten Kircheninstanz richten und sich deshalb nicht um politische Dinge kümmern. Ein Pfarrer aus Frankenstein, Kreis Flöha, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Kirche setzt sich weder für das Lager des Ostens noch des Westens ein, sondern verhält sich völlig neutral. Ich werde demzufolge in meiner Kirchengemeinde weder für noch gegen die Volkswahl sprechen. Ich selbst aber werde nicht zur Volkswahl gehen, da auf der Kandidatenliste Marxisten aufgestellt sind, deren Wahl für mich Selbstmord bedeuten würde.«

Ein Pfarrer aus dem Kreis Zittau, [Bezirk] Dresden, wurde durch Instrukteure der Nationalen Front ersucht, in Zusammenkünften des evangelischen Frauenwerkes und der Jungen Gemeinde über die Volkswahlen zu sprechen. Er lehnte dies mit folgender Bemerkung ab: »Die Kirche hat mit den Volkswahlen grundsätzlich nichts zu tun.«

Ein Pfarrer aus dem Kreis Sebnitz, [Bezirk] Dresden: »Ich habe es mir genau überlegt und werde so handeln wie bei der Volksbefragung, nämlich nicht zur Wahl zu gehen.«

Ein Pfarrer aus Kleinefelde,22 [Bezirk] Erfurt, will nicht zur Wahl gehen. Er sagte, dass er ein Schreiben von seiner Kirchenbehörde in Magdeburg erhalten hat sowie auch die Pfarrer in Dingelstedt, Heiligenstadt und Worbis. In diesem Schreiben wird in einigen Punkten darauf hingewiesen, dass man die Gläubigen aufmerksam machen muss, wie sie sich zu verhalten haben. Einmal weil es aufgrund der Einheitsliste keine Möglichkeit gibt, die kirchenfeindlichen Staatsmänner zu streichen und weil die Einheitsliste eben keine Wahl ist. Weiter brachte er zum Ausdruck, dass er niemanden beeinflusst, er jedoch nicht zur Wahl geht, wie dies auch die Pfarrer in den oben angeführten Kreisen und vielleicht auch noch andere nicht tun werden.

In Berga, Kreis Zeitz, [Bezirk] Gera, finden in der Zeit vom 11. bis 17.10.[1954] allabendlich Bibelstunden und andere Veranstaltungen von der Kirche aus statt. Es wird angegeben, über den Weltkirchentag23 zu sprechen. Die Themen aber, welche auf dem Programm stehen, haben nichts mit dem Weltkirchentag zu tun. Diese Abende wirken sich schlecht auf die von der Nationalen Front angesetzten Versammlungen aus, da sie den Besuch beeinträchtigen.24

Aus dem Bezirk Potsdam wird berichtet, dass die Bevölkerung über die Öffnung der Kontrollpunkte Düppel und Kleinmachnow sehr erfreut ist. Vielfach wird jetzt aber zum Ausdruck gebracht, dass durch die Öffnung dieser Kontrollpunkte den Schiebereien nach Westberlin Vorschub geleistet wird. Durch einen Kollegen des Entwurfsbüros für Hochbau in Potsdam wurde bestätigt, dass gerade in Kleinmachnow größere Mengen Fleisch aufgekauft werden, die seiner Meinung nach Westberlin verschoben werden. Diesen Schiebereien könnte Einhalt geboten werden, wenn entsprechende Kontrollen erfolgen würden, was in diesen beiden Orten bis jetzt noch nicht geschieht. Zum anderen werden Stimmen laut, die zum Ausdruck bringen, dass die Öffnung dieser beiden Kontrollpunkte nur Wahlpropaganda sind.25

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverbreitung

SPD-Ostbüro:26 Dresden, Kreis Großenhain, 100, Dippoldiswalde 1 400, Dresden 188, Frankfurt 24 000, Neubrandenburg, Lärz27 10, Rostock, Wolgast 9, Suhl, Salzungen 1 500, Schmalkalden 6 000, Neuhaus 3 000, Hildburghausen, Sonneberg und Illmenau größere Mengen, Gera, Saalfeld 25, Max-Hütte-Unterwellenborn 6, Jena größere Mengen, Halle, Sangerhausen 20 000, Karl-Marx-Stadt 570, Schwerin, Ziegendorf,28 Kreis Parchim 100.

KgU:29 Halle, Wittenberg 10 000, Bergwitz,30 [Kreis] Gräfenhainichen, 25 000.

UFJ:31 Groß-Berlin, N 54, Zehdenicker Straße 17/18 ein Koffer mit ca. 25 Päckchen kleinerer Flugzettel.

NTS:32 Frankfurt 8 000, Halle, Merzien, [Kreis] Köthen, 3 000, Aschersleben 90, Karl-Marx-Stadt 447, Dresden 96, Leipzig 88.

»Der Tag«:33 Dresden, Löbau 1 000, Halle, Gniest, [Bezirk] Gräfenhainichen 370.

Versch[iedener] Art unbekannter Herkunft: Halle, Langendorf-Prittitz,34 [Kreis] Weißenfels, 20 000, Cottbus 8 548, Potsdam 38 000 (mit S-Bahn eingeschleust), Groß-Berlin, Kaulsdorf 200 »Deutsche der Sowjetzone«.

»Wochenpost« [gefälscht]:35 Potsdam 100 (mit S-Bahn eingeschleust).

Die Mehrzahl der Flugblätter wurde mit Ballons eingeschleust und sichergestellt. Der Inhalt richtet sich überwiegend gegen die Volkswahl mit den bekannten Argumenten.

Abreißen oder Beschädigen von Wahlplakaten, Transparenten und Fahnen

Dresden:

  • Lehn, [Kreis] Bautzen, – alle Plakate mit Hinweisen auf das Aufklärungslokal abgerissen,

  • Zittau zwei Wahlplakate,

  • Graupa, [Kreis] Pirna, zwei Plakate,

  • Hertigswalde, [Kreis] Sebnitz, Wahlplakate,

  • Geißmannsdorf, [Kreis] Bischofswerda, Transparent beschäd[igt],

  • VEB Polydor Pulsnitz, [Kreis] Bischofswerda, Rote Fahne in den Teich geworfen,

  • Görlitz zwei Wahlplakate,

  • VEB Maschinenbau Görlitz drei Stellungnahmen zur Volkswahl abgerissen.

Magdeburg:

  • Scharlibbe,36 [Kreis] Havelberg, fünf Plakate und ein Schaukasten der [sic!],

  • Ferchland, [Kreis] Genthin, zwei Plakate Junge Pioniere.

Neubrandenburg: Zarrenthin, Kreis Pasewalk, alle Plakate nachts entfernt.

Rostock: Damm Plakate abgerissen.

Wismutgebiet: Plauen und Annaberg Plakate beschmiert, zerkratzt und abgerissen.

Suhl: Herpf, [Kreis] Meiningen, Haselbach, [Kreis] Sonneberg und Manebach, [Kreis] Ilmenau, Plakate entfernt.

Gera: Gößnitz,37 [Kreis] Saalfeld, Oettersdorf, [Kreis] Schleiz, und Jena-Löbnitz Plakate abgerissen.

Cottbus: Spremberg und Herzberg – in drei Gemeinden Plakate abgerissen.

Erfurt: Gotha mehrere Transparente heruntergerissen.

Karl-Marx-Stadt: Borstendorf, [Kreis] Flöha, drei Transparente heruntergerissen.

Groß-Berlin: Pankow Wahlplakate an verschiedenen Stellen abgerissen. NO 5538 Plakate abgerissen.

Schwerin: Balow, [Kreis] Ludwigslust, 20 Plakate abgerissen, VEB Bau Perleberg Bilder einer Baustelle zerstört.

Potsdam: Kyritz, Belzig, Beelitz insges[amt] acht Plakate.

Anschmieren von Hetzlosungen

Gera: VEB Zeiss Jena eine Hetzlosung gegen den Genossen Walter Ulbricht.39

Karl-Marx-Stadt: Kino Oederan – Hakenkreuze angeschmiert.

Potsdam: Rückwand des Mamorpalastes im Neuen Garten Potsdam eine Hetzlosung »KVP – NEE, USA – JA«.

Terror: In der Nacht vom 7. zum 8.10.1954 wurden anschließend an eine Kulturveranstaltung Mitglieder der LPG Zwönitz, [Kreis] Taucha, [Bezirk] Leipzig, überfallen und brutal geschlagen.

In der Nacht vom 11. zum 12.10.1954 wurde gegen einen Wagen des Kreisfriedenskomitees Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, [geschossen],40 in dem sich der als fortschrittlich bekannte katholische Pfarrer aus Dippoldiswalde auf der Fahrt nach Dresden befand, und ein unbekannter Gegenstand schlug ein ca. 6 cm großes Loch in die Windschutzscheibe des Wagens.

Am 11.10.1954, gegen 19.30 Uhr wurde in Köthen, [Bezirk] Halle, der Leiter der Abteilung Arbeit des Braunkohlenwerkes Edderitz von unbekannten Tätern niedergeschlagen.

Am 12.10.1954, gegen 1.30 Uhr wurde die stellvertretende Vorsitzende des Rates des Stadtbezirkes Mitte Rostock von zwei männlichen Personen überfallen.

Schädlingstätigkeit: In der Nacht vom 4. zum 5.10.1954, am 8.10. und am 10.10.1954 wurde in der LPG »Einheit« Pirna, [Bezirk] Dresden, je ein Knäuel Glaswolle in die Schweinebucht geworfen. Am 8.10.1954 wurde außerdem eine Hetzschrift dabei gefunden.

In den Abendstunden des 9.10.1954 beschädigten in Groß-Wokern,41 [Kreis] Teterow, [Bezirk] Neubrandenburg, unbekannte Täter das Rad eines Funktionärs vom Rat des Kreises Teterow. Vor ca. 14 Tagen hatte sich ein ähnliches Vorkommnis in der gleichen Gemeinde ereignet.

Gerüchte: In den Bezirken Halle, Erfurt und Cottbus werden Gerüchte verbreitet, wie z. B., dass nach der Volkswahl durch die Regierung der DDR der Interzonenverkehr wieder eingestellt würde, dass die DDR in die SU eingegliedert wird, wenn die Nationale Front Stimmenmehrheit erhält, dass nach der Wahl die Kleinbauern alle einer LPG angeschlossen würden; dass jeder, der sich nicht an der Wahl beteiligt, mit 150 DM bestraft wird und dass es bei der Wahl zwei Stimmenscheine geben wird, einen für die Kandidaten der Nationalen Front und der andere für die ablehnenden Stimmen.

Eine Jugendliche aus Graupa, [Kreis] Pirna, [Bezirk] Dresden, verbreitet das Gerücht, dass am 17.10.[1954] der Gottesdienst verboten wäre.

Anonyme Anrufe: Beim Bürgermeister von Dohna, [Kreis] Pirna, [Bezirk] Dresden, wurden telefonisch verschiedene Angaben über die Einsichtnahme in die Wählerlisten, Aufbewahrung der Listen und Fragen der Wahlvorbereitung verlangt. Der Anrufende war angeblich der Rat des Kreises.

Der Leiter der HO-Gaststätte Stalinstadt, [Bezirk] Frankfurt, erhielt einen fingierten Anruf, dass eine Versammlung mit der Intelligenz zur Volkswahl ausfallen soll.

Anlage vom 12. Oktober 1954 zum Informationsdienst Nr. 2338

Stimmen zum Besuch des sowjetischen Außenministers Molotow

Während seines Aufenthaltes in Leipzig stattet Genosse Molotow neben dem Besuch von historischen Gedenkstätten in den Vormittagsstunden des 11.10.1954 auch der Ringbaustelle einen Besuch ab.42 Für die Arbeiter dieser Baustelle kam der Besuch überraschend und er war sehr kurz, sodass nur ein kleiner Teil der Bauarbeiter den Genossen Molotow sehen bzw. mit ihm sprechen konnte. Diejenigen Bauarbeiter, die den Genossen Molotow gesehen haben, bringen eine große Begeisterung in ihren Gesprächen zum Ausdruck, während der andere Teil der Arbeiter, welcher erst später von diesem Besuch Kenntnis bekam, sehr enttäuscht darüber war.

Ein Kollege vom Wachdienst der Baustelle äußerte: »Der Besuch des sowjetischen Außenministers ist von den Kollegen auf unserer Baustelle gut aufgenommen worden. Die Bauarbeiter waren von der Einfachheit dieses Menschen stark beeindruckt. Besonders beeindruckt aber sind die Kollegen davon, dass bei diesem Besuch kein Polizeiaufgebot vorhanden war.«

Ein Maschinist, der von dem Genossen Molotow angesprochen wurde, erklärte: »Ich war so beeindruckt, dass dieser hohe Gast mir die Hand gab, dass ich vor lauter Aufregung auf seine Fragen keine Antwort geben konnte.«

Ein Brigadier der Zimmerer äußerte: »Die Bauarbeiter der Baustelle, die erst später von der Anwesenheit des Genossen Molotow in Kenntnis gesetzt wurden, bringen ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck. Ihrer Meinung nach hätte man die Bauarbeiter alle verständigen sollen, um dann eine Versammlung durchzuführen. Dann hätte jeder Kollege den Genossen Molotow gesehen und verschiedene Kollegen hätten auch die Möglichkeit gehabt, mit ihm zu sprechen.«

Der Besuch der sowjetischen Delegation unter Führung des sowjetischen Außenministers gestaltete sich auch in den Leuna-Werken »Walter Ulbricht« zu einer Demonstration für die Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Obwohl die Ankunft der Delegation eine Überraschung für die Belegschaft des Werkes war, verbreitete sich die Nachricht darüber wie ein Lauffeuer. Das Erscheinen des sowjetischen Außenministers rief ein äußerst großes Interesse unter der Belegschaft hervor.

Nach dem Erscheinen des Genossen Molotow im Bau 195 sammelte sich sofort eine Anzahl der Belegschaft um die Delegation, um dieselbe zu begrüßen. Genosse Molotow diskutierte mit einigen Arbeitern und stellte ihnen Fragen in Bezug auf Verdienst, der Engpässe und der Durchführung bzw. der Schwierigkeiten in der Produktion. Anschließend besuchte Genosse Molotow die Gedenkstätte der Märzgefallenen43 und sprach im Bau 85d ebenfalls mit den Arbeitern an ihren Arbeitsplätzen.

Nach Besichtigung dieser Betriebe wurde Genosse Molotow begeistert von der Jugend des Lehrkombinates begrüßt, das auf ausdrücklichen Wunsch des sowjetischen Außenministers besucht wurde. Die Begrüßung und die Diskussionen im Lehrkombinat waren besonders herzlich und Genosse Molotow brachte selbst zum Ausdruck, dass er feststellen muss, dass ein festes Fundament für die Freundschaft mit der Sowjetunion ausgebaut und dass insbesondere die Jugend der Garant für die weitere Festigung der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft ist.

Anschließend nahm Genosse Molotow an einer gerade stattfindenden Aktivtagung der Gewerkschaft teil, wo er Fragen der Arbeiter beantwortete. Die Ausführungen des Genossen Molotow und die Beantwortung der Fragen wurden mehrfach durch Beifall unterbrochen. Zu den Ausführungen wurde u. a. geäußert, dass dieselben in der Werk-Zeitung »Leuna-Echo« abgedruckt werden müssten.

An der Aktivtagung nahmen ca. 3 000 Personen teil, die sich zum Teil in den umliegenden Räumen der Tagung aufhielten und dieselbe durch Übertragung verfolgten. Die Arbeiter, Jugendlichen und Angestellten sowie Angehörige der Intelligenz, äußerten auch hier wieder wie in anderen Städten bzw. Werken ihre große Begeisterung über den Besuch der sowjetischen Delegation und vor allem des sowjetischen Außenministers. Im Bau 234 äußerte z. B. ein Kollege: »Es ist allerhand und einmalig in der Geschichte, dass sich ein solcher Weltpolitiker und Staatsmann herablässt, mit den Arbeitern zu sprechen.« Alle anderen anwesenden Kollegen stimmten ihm zu.

Ein Kollege aus dem Lehrkombinat: »Wo hat es das schon jemals gegeben, dass sich so große führende Staatsmänner mit den Lehrlingen und einfachen Arbeitern über ihre Belange eingehend unterhalten und sich nach ihren Nöten und Sorgen erkundigen.«

In einer Gruppe von Arbeitern wurde diskutiert: »Was sich dieser Mann erlaubt hat, hat sich bis jetzt noch keiner gewagt. Es muss Genossen Molotow hoch angerechnet werden, dass er sich unbewacht hat bei den Arbeitern sehen lassen und sich mit jedem unterhalten hat.«

Ein anderer Kollege sagte: »Molotow ist gegenwärtig der größte Politiker. Dies hat er auf unzähligen Konferenzen und internationalen Zusammenkünften bewiesen. Durch seine Initiative ist den Völkern viel Not und Elend erspart geblieben. Wenn unsere Geschicke von solchen Staatsmännern geleitet werden, dann braucht uns auch vor der Zukunft nicht bange sein.«

Einige Kollegen, welche sonst mit nichts zufrieden sind, äußerten: »Das hätten wir uns nicht träumen lassen, dass dieser Mann so öffentlich unter die Arbeiter tritt. Es wäre gut, wenn auch unsere Staatsmänner sich so frei bewegen würden.«

Eine Jugendliche (Maurer) äußerte, dass es so etwas noch nie gegeben habe, dass solche Persönlichkeiten wie Genosse Molotow mit Jugendlichen im Werk sprechen.

Verschiedene Arbeiter und Jugendfreunde brachten ihre Verärgerung zum Ausdruck, dass sie an der Aktivtagung der Gewerkschaft nicht teilnehmen konnten und Genossen Molotow nicht gesehen und gehört haben.

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    14. Oktober 1954
    Informationsdienst Nr. 2339 zur Beurteilung der Situation in der DDR

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