Zur Beurteilung der Situation in der DDR
27. November 1954
Informationsdienst Nr. 2377 zur Beurteilung der Situation in der DDR
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Über politische Tagesfragen wird wenig diskutiert. Bei diesen wenigen politischen Diskussionen steht der Verbotsprozess gegen die KPD im Mittelpunkt.1 Der Inhalt der Diskussionen hat sich gegenüber dem Vortage nicht geändert. In den Diskussionen bringt man Empörung darüber zum Ausdruck, dass die Adenauer-Clique2 denselben Weg wie 1933 geht. Teilweise äußert man, dass die Arbeiterklasse nun alles unternehmen muss, um die Absetzung des Prozesses zu erzwingen. Ein Kollege aus dem EK Bitterfeld,3 Abteilung Blockgießerei äußerte: »Die können wohl die KPD verbieten in Westdeutschland, aber den Gedanken an die KPD und den Glauben an die Kraft der Arbeiterklasse können sie den Arbeitern nicht rauben. Die Arbeiterklasse in Westdeutschland wird ihre Arbeit auch nach einem eventuellen Verbot fortsetzen und gegen das Adenauer-Regime kämpfen.«
Ein Arbeiter aus dem VEB Kupferdichtungswerk Annaberg,4 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Hier sieht man wieder ganz deutlich, wo wahre Demokratie herrscht und wo nur davon geredet wird. Der Prozess gegen die KPD muss abgesetzt werden. Alle meine Kräfte werde ich einsetzen und vor allen Dingen werde ich die Jugendlichen unseres Betriebes aufklären, welchen Verfassungsbruch man sich in Westdeutschland leistet.«
Ein Arbeiter aus dem [Wismut-]Objekt 100 in Aue5 brachte zum Ausdruck: »Wenn alle Arbeiter gegen diesen Prozess auftreten, wird es Adenauer nicht gelingen, die KPD zu verbieten. Die Arbeiter müssen die Lehren hieraus ziehen und erkennen, wie notwendig es ist, die Aktionseinheit herzustellen, denn man beginnt wie bei Hitler, erst die KPD dann die SPD.«
Das plötzliche Ableben des stellvertretenden Außenministers der UdSSR Wyschinski6 hat unter den Werktätigen aufrichtige Anteilnahme hervorgerufen. Dies kommt in den zahlreichen Beleidschreiben an die Botschaft der UdSSR und in Diskussionen zum Ausdruck. Teilweise bringt man zum Ausdruck, dass das gesamte Weltfriedenslager einen großen Friedenskämpfer verloren habe.
Im VEB Reifenwerk [Fürstenwalde], [Bezirk] Frankfurt, fehlt es an Reifendraht, welcher aus Holland importiert wird. Die stockende Anlieferung der verschieden starken Drähte bringt laufende Umstellungen des Produktionsprogrammes mit sich. Dadurch kommen die Arbeiter nicht auf ihre Leistungen, sodass es aufgrund der Verringerung des Lohnes zu Verärgerungen kommt.
In verschiedenen Wismut-Schächten besteht teilweise Missstimmung, dass der 24.12.[1954] sowie der 31.12.[1954] herausgearbeitet werden müssen. Die Kumpels vertreten die Meinung, dass man den Plan ja für das Jahr 1954 schon erfüllt habe und deshalb für diese Tage Freischichten geschrieben werden könnten.
Im VEB »August-Bebel«-Werk Zella-Mehlis,7 [Bezirk] Suhl, sind die Arbeiter mit der Spät- und Nachtschicht nicht einverstanden. Die Kollegen äußern, nach neun Jahren müsste doch nun endlich genug Strom da sein, damit dies endlich aufhört.
Unter den Kollegen der Schnellreparatur-Brigade des Kraftwerkes im Hydrierwerk Zeitz, [Bezirk] Halle, herrscht eine schlechte Stimmung, weil die ihnen zustehende Prämie noch nicht ausgezahlt wurde.
Negative Diskussionen wurden uns von Reichsbahnangestellten im Bezirk Gera bekannt. So äußerte z. B. ein Aufsichter vom Bahnhof Weißenfels: »Die mit ihren Hochleistungs-Schichten, die haben ja einen Vogel. Wir können nur das befördern, was da ist. Auch sollen sie lieber erst einmal Maschinen heranschaffen.«
Ein Zugführer vom Bahnhof Erfurt: »Seht Euch einmal die Maschinen an, wie das schon vor Winteranfang aussieht. Ich glaube bestimmt, dass es diesen Winter zu Ende geht.«
Ein Aufsichter vom Bahnhof Weißenfels: »Die werden mit ihrer Einmannbesetzung die größte Pleite erleben. Kein Zug wird mehr pünktlich fahren. Das verstößt ja gegen die Betriebssicherheit.« Ein anderer Kollege vom Bahnhof Weißenfels: »Früher sagte man, dass ist die Ausbeutung durch die Kapitalisten, was ist das denn heute? Die Arbeit wird immer mehr. Ich komme da nicht mehr mit, da ich zu alt bin. Man spricht immer vom ›besser werden‹, dabei gibt es nicht einen Nagel zu kaufen.«
Kohlenmangel
Im Edelstahlwerk Döhlen,8 [Bezirk] Dresden, musste am 26.11.[1954] die Walzenstraße wegen Kohlenmangel stillgelegt werden.
Die Extrakion I des Öl- und Fettwerkes Magdeburg musste wegen Kohlenmangel am 23.11.[1954] für einige Stunden stillgelegt werden.
Im IHAGEE-Kamerawerk Dresden bestehen ebenfalls Schwierigkeiten mit der Brennstoff-Zuteilung. So ist z. B. nur noch bis zum 27.11.[1954] Kohle vorhanden. Wenn keine Kohle eintrifft, besteht die Gefahr des Stillstandes dieses Betriebes, welcher ein reiner Export-Betrieb ist.
Materialschwierigkeiten
In der Borstenmacherei Lübtheen,9 [Bezirk] Schwerin, fehlt es an Rohstoffen. Aufgrund dessen konnte ein Export-Auftrag nicht angenommen werden.
Im VEB Kranbau Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt, fehlt es an Blechen und Getrieben.
Im VEB Bekleidungswerk Arnstadt, [Bezirk] Erfurt, bestehen Materialschwierigkeiten. Dadurch wird die Produktion gehemmt. Die Stimmung unter der Belegschaft ist schlecht, da die Arbeiterinnen vor Weihnachten den Verdienst dringend benötigen.
Handel und Versorgung
Weiterhin zeigen sich Mängel in der Versorgung, besonders mit Kohlen, HO-Fleisch und Waren für den Weihnachtsbedarf, worüber Unzufriedenheit herrscht. So fehlen z. B. Kohlen im Kreis Weißwasser, [Bezirk] Cottbus, vor allem in den Bäckereibetrieben, wodurch die Brotversorgung gefährdet ist. Ebenso im Kreis Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, wo bei vielen Bäckern das Schild »Wegen Kohlenmangel geschlossen« entfernt werden musste.
Desgleichen ist der Betrieb der HO Kyritz, [Kreis] Pritzwalk, und Wittstock, [Bezirk] Potsdam, infolge Kohlenmangel gefährdet. Im Kreis Freital, [Bezirk] Dresden, fehlt Hausbrandkohle noch aus dem III. Quartal, worüber heftig diskutiert wird.
HO-Fleisch fehlt im Bezirk Rostock aufgrund einer Kontingentkürzung. Des Weiteren fehlt es im Kreis Illmenau, [Bezirk] Suhl, im Saalkreis, [Bezirk] Halle, und in Zittau, [Bezirk] Dresden, an HO-Fleisch.
Waren für den Weihnachtsbedarf bzw. [die] Weihnachtsbäckerei fehlen im Bezirk Halle, HO Wismut, in einzelnen Kreisen des Bezirkes Magdeburg, in Worbis, [Bezirk] Erfurt, und im Bezirk Karl-Marx-Stadt. Darüber hinaus fehlt es in Köthen, [Bezirk] Halle, an Fischwaren, Trikotagen, Wolldecken, Möbelstoffen.
Ein Konsumverkaufsstellenleiter aus Worbis äußerte sich zur Warenstreuung im Kreis Worbis: »Es stehen einem die Haare zu Berge, wenn man sieht, wie die Privatgeschäfte beliefert werden und bei uns ist die Belieferung jetzt vor Weihnachten so schlecht, dass wir unsere Kundschaft nicht mit dem bedienen können, was sie verlangen, sondern wir sind gezwungen, sie in Privatgeschäfte zu schicken.«
Landwirtschaft
Zu den politischen Fragen wird im Allgemeinen nur wenig Stellung genommen. Die meisten positiven Meinungen stammen aus dem sozialistischen Sektor und finden auch in einer Reihe von Protestresolutionen gegen das Verbot der KPD ihren Ausdruck. Man fordert allgemein die Einstellung des Prozesses gegen die KPD und ist empört über die Machenschaften Adenauers, indem man ihn mit Hitler vergleicht. In der Erkenntnis, dass mit dem Verbot der KPD die Friedensbewegung in Westdeutschland beseitigt und ein neuer Krieg vorbereitet werden sollen, bezeichnet man Adenauer als Kriegsverbrecher, den man bekämpfen und von uns auch noch viel mehr für den Frieden tun muss.
Im Übrigen befasst sich die Landbevölkerung vorwiegend mit ihren wirtschaftlichen Belangen.
Unzufriedenheit herrscht über die Fahrlässigkeit bei der Behandlung der Kartoffeln, die dem Verderb ausgesetzt werden. Die Bauern aus dem Kreis Luckau, [Bezirk] Cottbus, kritisieren die VEAB Luckau und sagen: »Wir mussten die Kartoffeln schnell abliefern und jetzt werden sie in großen Mengen ziemlich achtlos behandelt. In der Gemeinde Langengrassau, [Kreis] Luckau, sind ca. 3 000 Ztr. Kartoffeln in Mieten gelagert und nur leicht mit Stroh bedeckt, sodass die Gefahr des Erfrierens besteht.«
In vielen Fällen werden im Bezirk Rostock die Kartoffeln nicht abgefahren, sie liegen im Freien bzw. leicht zugedeckt oder eingemietet.
In der LPG Breesen, [Bezirk] Schwerin, sind 500 Ztr., im ÖLB Langhagen,10 Kreis Güstrow, [Bezirk] Schwerin, 100 Ztr. Kartoffeln erfroren, weil sie nur mit Stroh zugedeckt waren.
In der LPG Badow, Kreis Gadebusch, [Bezirk] Schwerin, sind ca. 500 Ztr. und bei einem Bauern in Dragun, Kreis Gadebusch, [Bezirk] Schwerin, 300 Ztr. Saatkartoffeln angefroren. Im letzten Falle liegt das Verschulden bei der DSG – DHZ, da diese keinen Transportraum zur Verfügung gestellt hat.
In dem ÖLB Battin, Kreis Pasewalk, [Bezirk] Neubrandenburg, sind ca. 400 Ztr. Kartoffeln erfroren und bei einem Bauern 200 Ztr. (in der gleichen Gemeinde).
In der LPG Lebehn, Kreis Pasewalk, ist eine Fläche von ca. 8 ha Kartoffeln erfroren.
Übrige Bevölkerung
Nach wie vor wird verhältnismäßig wenig zu politischen Tagesfragen Stellung genommen. Die bekannt gewordenen Äußerungen sind jedoch in der Mehrzahl positiv. Aus den verschiedensten Schichten der übrigen Bevölkerung kommen Stellungnahmen zu dem geplanten Verbot der KPD in Westdeutschland, die ausschließlich positiv sind. Die Handlungsweise der Adenauer-Regierung wird stark verurteilt. Es werden immer wieder Vergleiche mit den Methoden des Faschismus gezogen und dabei wird festgestellt, dass die ganze Entwicklung in Westdeutschland zum Faschismus und zum Krieg führt. Zum Beispiel äußerte ein Geologie-Student aus Freiberg: »Wenn die dort drüben die KPD verbieten, dann geht es wieder los wie 1933. Es gibt aber drüben eine ganze Menge aktiver Kämpfer für den Frieden. Ganz bestimmt wird sich ein großer Teil der Jugend niemals bereit erklären, Soldat für Adenauer zu werden. Der Verbotsprozess gegen die KPD wird diese Stimmung noch bestärken.«
Eine Hausfrau aus Dessau: »Mit diesem Prozess in Karlsruhe will man die aktivsten Kämpfer für den Frieden und die Wiederherstellung der deutschen Einheit in die Kerker werfen. Sie wollen einen Bruderkrieg entfachen. Deshalb muss die Adenauer-Regierung beseitigt werden.«
Ein Angestellter aus Bitterfeld: »In Westdeutschland bezieht die rechte SPD-Führung die gleiche Stellung wie vor 1933. Es wäre doch ein Leichtes, wenn die Gewerkschaften zu einem Generalstreik aufriefen, [um] den Adenauer-Spuk zu beseitigen.«
Ein Versicherungsangestellter aus Geithain: »Mit dem Verbotsprozess schneiden sich die Kriegstreiber in das eigene Fleisch. Das ist der erste Schritt zum Krieg, wie bei den Faschisten der Reichstagsbrandprozess.11 Die Friedenskräfte kann man aber damit nicht mundtot machen.«
Verschiedentlich treten Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung auf. Aus diesem Grunde musste z. B. im Sanatorium Gottleuba, [Bezirk] Dresden, die Bäderverschreibung zum Teil eingestellt werden, was unter den Patienten negative Diskussionen auslöste. Die Kohlenzuteilung wurde gegenüber 1953 um 27 Prozent gekürzt. Dadurch sind keine Reserven vorhanden.
In der Stadt Gardelegen, [Bezirk] Magdeburg, erfolgte die Belieferung der Bevölkerung mit Heizmaterial erst zu 70 Prozent. Unter der Bevölkerung werden Diskussionen geführt, dass dadurch die Kohle teurer wird, da die Anlieferung in mehreren Raten erfolgen muss und jedes Mal Fuhrlohn gefordert wird.
Im Kreis Haldensleben, [Bezirk] Magdeburg, wurden acht Schulen von den Direktoren mit der Begründung, dass keine Briketts zur Verfügung stehen, geschlossen. Sie vertreten die Meinung, dass bei dieser Witterung nicht mit Braunkohle geheizt werden kann. Maßnahmen vom Kreisschulamt wurden eingeleitet.
Die Schule in Rathmannsdorf, [Kreis] Staßfurt, [Bezirk] Magdeburg, verfügt zurzeit über kein Brennmaterial, dadurch ist der weitere Schulbetrieb gefährdet.
In größerem Umfang werden Gespräche über wirtschaftliche Probleme geführt. Dabei zeigt sich vielfach eine Unzufriedenheit über die schlechte Warenstreuung oder über die mangelnde Warenbereitstellung. Dazu äußerte z. B. eine Hausfrau in einer Konsumverkaufsstelle in Triebes, [Bezirk] Gera, unter Zustimmung der anderen Kunden: »Bei uns in der DDR ist außer einigen Textilien und den lebensnotwendigen Nahrungsmitteln alles auf Überraschungskäufe eingestellt. Gibt es einmal Zitronen, Bohnenkaffee oder Bücklinge, von anderen Waren war nicht zu sprechen, dann bekommen 50 bis 60 Personen alles und andere erhalten nichts. Es wäre doch endlich an der Zeit, dass Maßnahmen eingeleitet werden, dass diese aufgeführten Sachen immer erhältlich sind.«
In einer Konsumverkaufsstelle in Förderstedt, [Bezirk] Magdeburg, sagte eine Hausfrau: »Bis 1947 gab es Ware in den Geschäften, aber da hatten wir kein Geld. Jetzt haben wir welches und es gibt aber wenig Ware. Unsere Männer müssen schon wieder mit Marmeladestullen zur Arbeit gehen.«
Eine Hausfrau aus Meerane, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich habe mir meine Rosinen aus Berlin mitgebracht, hier gibt es doch keine. Trotz Umrechnung des Geldes sind sie noch billiger, als wenn ich sie hier gekauft hätte.«
In der Stadt Köthen, [Bezirk] Halle, ist die Bevölkerung darüber ungehalten, dass es keinen Frischfisch zu kaufen gibt. Es kommt zu Äußerungen wie z. B.: »Im Sommer hieß es ständig, in der warmen Witterung verdirbt der Fisch schnell und deswegen gibt es keinen. Jetzt bei der kalten Witterung gibt es aber noch immer keinen zu kaufen, auch gefrorener Fisch ist nicht erhältlich.«
Zu der bestehenden Fleischknappheit äußerte ein Bahnangestellter aus Zittau, [Bezirk] Dresden: »Es gibt kein Fleisch und auch keine Butter, weil man Staatsreserven für den Fall eines Krieges schafft. Die Fleischsorten 1a und 1b bekommt niemand zu sehen, daraus wird Büchsenfleisch hergestellt.«
In Zehdenick,12 [Bezirk] Potsdam, werden Diskussionen darüber geführt, dass man endlich dazu übergehen müsste, mehrere Wurstsorten herzustellen, um den Wünschen der Werktätigen gerecht zu werden.
In den Landgemeinden des Kreises Belzig, [Bezirk] Potsdam, sind schwer Schlachtgewürze zu erhalten und außerdem sind die Preise dafür zu hoch. Zum Beispiel kosten 10 g 1,00 DM und in der Regel werden 250 g benötigt. Da dies den Verbrauchern zu teuer ist, fahren die Verbraucher nach Westberlin und besorgen diese von dort.
Immer wieder kommt es vor, dass Waren, die durch die Preissenkung billiger geworden sind,13 wieder teurer verkauft werden. Dies führt vielfach zur Verärgerung der Bevölkerung. Zum Beispiel wurde in der HO in Rathenow, [Bezirk] Potsdam, 1 Pfd. Schmalz statt für 2,60 DM zu dem Preis von 2,80 DM verkauft. Als dies von einem Käufer beanstandet wurde, erklärte die Verkäuferin: »Es kostet deshalb soviel, weil es Importschmalz ist.« Mehrere Hausfrauen schalteten sich in das Gespräch ein, als der Preis beanstandet wurde und sie sagten: »Seien sie doch ruhig, sonst werden sie noch abgeholt.«
Im HO-Kaufhaus des gleichen Ortes wurden plattierte Damenstrümpfe in der Preislage von 3,65 DM zu 4,05 DM verkauft. Darüber entstanden Diskussionen wie z. B., dass es nicht angehe, dass erst die Preise gesenkt werden und dann wird die Ware wieder teurer.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverbreitung
SPD-Ostbüro:14 Frankfurt/Oder 3 000, Magdeburg 3 000, Suhl, Kreis Bad Salzungen, 1 000, Potsdam 175, Dresden, Cottbus und Karl-Marx-Stadt einige (Es handelt sich meist um alte Ausgaben mit Hetze gegen die Volkswahlen).15
NTS:16 Gera 4 000, Halle, in der Anlage der Pauluskirche 800 (von Personen verstreut), in kleinen Mengen in den Kreisen Saalkreis, Weißenfels, Hohenmölsen und Merseburg, Karl-Marx-Stadt 86, Dresden einzelne.
In tschechischer Sprache: Dresden 900, Halle 600.
KgU:17 Erfurt, Kreis Apolda, 10 000, Kreis Sömmerda 7 000, Kreis Arnstadt 60, im VEB Mähdrescherwerk Weimar einige (alte Ausgabe mit Hetze gegen DDR und SED).
»Tarantel«:18 Gera 100.
Die Mehrzahl der Flugblätter wurde sichergestellt und gelangte nicht in die Hände der Bevölkerung.
Am 22.11.1954 wurden in Leipzig mehrere Hetzschriften gefunden, die mit Handdruckkasten hergestellt waren. Inhalt: Hetze gegen Genossen Walter Ulbricht.19
Terror
Am 20.11.1954, gegen 0.00 Uhr wurden in der Nähe des Friedhofs der Gemeinde Krangen, [Bezirk] Potsdam, zwei sowjetische Soldaten von zwei Traktoristen der MTS Lindow, Kreis Neuruppin, bewusstlos geschlagen. (Die Täter sind flüchtig.)
Antidemokratische Tätigkeit
In der Nacht zum 25.11.1954 haben unbekannte Täter in Schmergow, Kreis Potsdam, ein »Ernst Thälmann«-Denkmal20 vom Sockel gestürzt.
Anlage vom 27. November 1954 zum Informationsdienst Nr. 2377
Stimmen zur Note der Sowjetunion vom 13.11.195421
Im Vergleich zu den Vortagen haben die Gespräche über die Note der SU an Umfang etwas abgenommen. Jedoch wird weiterhin in den verschiedensten Schichten überwiegend positiv dazu Stellung genommen. Immer wieder wird betont, dass die Initiative zur Erhaltung des Friedens von der Sowjetunion ausgeht. Einige erhoffen durch die Konferenz am 29.11.1954 eine baldige Lösung des Deutschland-Problems. Zum Beispiel sagte [ein] Arbeiter aus dem VEB »Heinrich Rau« in Wildau: »Ich finde den Vorschlag zur Einberufung einer Konferenz, an der alle europäischen Staaten teilnehmen sollen, sehr gut. Dies könnte die Grundsteinlegung für einen dauerhaften Frieden in Europa sein und auch zur Lösung der Einheit Deutschlands wesentlich beitragen.«
Ein Arbeiter vom Kaliwerk in Unterbreizbach, [Bezirk] Suhl: »Die Note der SU vom 13.11.[1954] weist eindeutig den Weg zur Erhaltung des Friedens und der Einheit Deutschlands. Ohne irgendwelche Bedingungen zu stellen, unterstützt die SU im Gegensatz zu den anmaßenden Forderungen der USA stets die Einheitsbestrebung des deutschen Volkes.«
Ein Traktorist von der MTS Dahnsdorf, [Bezirk] Potsdam: »Kann es denn überhaupt eine andere Frage geben als die der Verhandlung über die kollektive Sicherheit? Wer nicht verhandeln will, der will einen neuen Krieg, und das ist die Absicht der Amis.«
Ein werktätiger Einzelbauer aus Baubitz,22 [Bezirk] Leipzig: »Ich erkläre mich mit den Vorschlägen, die in der neuen Note gemacht werden, vollkommen einverstanden. Diese Vorschläge tragen dazu bei, die Einheit Deutschlands herzustellen und den Frieden zu erhalten.«
Eine Hausfrau aus Drebkau, [Kreis] Cottbus: »Alle Menschen müssten erkennen, dass die SU der beste Freund des deutschen Volkes ist. Das beweist auch wieder die letzte Note, in der konkrete Vorschläge zur Erhaltung des Friedens in Europa gemacht wurden, die auch im Interesse des deutschen Volkes liegen.«
Aufgrund der ablehnenden Haltung der Westmächte sprechen einige ihre Zweifel darüber aus,23 dass es zu einer erfolgreichen Durchführung der Vorschläge der SU kommen wird. Zum Beispiel äußerte ein Landarbeiter aus Stegelitz, [Bezirk] Magdeburg: »Die Vorschläge der SU sind sehr gut; aber was nützt dies, wenn sie vom Ami nicht angenommen werden. Sollte es wirklich zu einer Konferenz kommen, dann wird sie durch die sture Haltung der Westmächte nicht zum Erfolg führen.«
Ein LPG-Bauer aus Ziltendorf, [Bezirk] Frankfurt: »Die Note zeigt wieder einmal, dass die SU alles tut, um den Frieden zu erhalten. Die Westmächte haben aber kein Interesse daran, deshalb wird wohl aus der vorgeschlagenen Konferenz nichts werden.«
Negative Äußerungen sind weiterhin nur vereinzelt und enthalten die verschiedensten Argumente. So sagte z. B. ein Arbeiter aus Martinfeld, [Bezirk] Erfurt: »Die Note wird für uns keine Änderung bringen. Die Vergangenheit hat zur Genüge bewiesen, dass alle Siegerstaaten kein Interesse an der Herstellung der Einheit Deutschlands haben.«
Ein Arbeiter aus Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt: »Es wird nicht viel dabei herausspringen, es wird wie bei allen anderen Konferenzen werden. Sie kommen zusammen, reden viel und gehen wieder auseinander. Man müsste jedem einen Knüppel geben und wer bei der Schlägerei übrig bleibt, der hat recht.«
Ein Musiker aus Karl-Marx-Stadt: »Der Notenwechsel bringt nichts Neues. Die viele Rederei im Radio hat man satt. Ich höre schon gar nicht mehr hin.«
Ein Einwohner aus Marienberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Russen meinen die Vorschläge nicht ehrlich. Sie wollen nur erreichen, dass die Pariser Verträge24 nicht ratifiziert werden.«