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Zur Beurteilung der Situation in der DDR

29. Dezember 1954
Informationsdienst Nr. 2403 zur Beurteilung der Situation in der DDR

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Im Mittelpunkt der Diskussionen über politische Tagesfragen steht der Kampf gegen die Ratifizierung der Pariser Verträge.1 Dabei wird überwiegend über den Erfolg der französischen Nationalversammlung am 24.12.1954 diskutiert, welcher Freude und Zustimmung auslöste.2 Von einigen Betrieben wurden Grußbotschaften und Resolutionen an das französische Volk sowie an die Nationalversammlung gesandt. Darin bringen die Arbeiter ihre Freude über das Abstimmungsergebnis am 24.12.1954 zum Ausdruck und hoffen, dass die anderen Verträge ebenfalls abgelehnt werden. Teilweise äußert man sich, dass jetzt der Protest gegen die Ratifizierung der Pariser Verträge verstärkt werden muss, da die amerikanischen und englischen Imperialisten versuchen werden, die Nationalversammlung noch in verstärktem Maße unter Druck zu setzen. Verschiedentlich wird der Kampf des französischen Volkes gegen die Ratifizierung der Pariser Verträge als Beispiel für den Kampf des deutschen Volkes gewertet, mit dem Hinweis, die Lehren bzw. Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Über die anderen Debatten in der französischen Nationalversammlung wurden uns noch keine Diskussionen bekannt.

Ein Lehrling aus dem RAW Cottbus äußerte, dass gerade jetzt die Protestwelle gegen die Pariser Verträge verstärkt werden muss, weil die herrschenden Kreise Amerikas und Englands versuchen werden, die französische Nationalversammlung unter Druck zu setzen.

Ein Steiger vom Wismut-Kombinat 277 in Auerbach:3 »Das französische Volk hat uns ein Weihnachtsgeschenk mit der Ablehnung der Wiederaufrüstung Westdeutschlands gemacht. Vom Kampf des französischen Volkes können sich alle in Westdeutschland und auch viele bei uns eine Scheibe abschneiden.«

Ein Angestellter vom VEB Stahlwerk Döhlen,4 [Bezirk] Dresden: »Der entscheidende Schlag des französischen Volkes gegen die Pariser Abkommen zeigt dem deutschen Volk, dass die Kriegsverträge zu Fall gebracht werden können und müssen. Der Weg ist uns klar aufgezeigt, es gilt jetzt, unsere Brüder und Schwestern in Westdeutschland im Kampf zu unterstützen und sie zu außerparlamentarischen Aktionen aufzurufen.«

Ein Kollege vom Sicherungs- und Fernmeldewesen des EKS,5 [Bezirk] Frankfurt: »Ich habe eine große Achtung vor dem französischen Volk, das sich trotz gemeinsamer Schikanen durch die Amerikaner und Adenauer6 nicht in seiner starken Haltung gegen die verbrecherischen Pläne beeinflussen lässt. Ich möchte allen zweifelnden Menschen zurufen, kämpft genauso wie das französische Volk für den Frieden.«

Ein Arbeiter vom VEB Blechbearbeitungsmaschinenwerk Zeulenroda, [Bezirk] Gera: »In Frankreich wird der Amerikaner kein Glück haben mit der Ratifizierung. Der größte Teil der französischen Arbeiter lehnt die Aufrüstung Westdeutschlands ab und will vom Kommiss7 genauso wenig wissen wie wir selbst.«

Die Diskussionen über die Aufstellung von Nationalen Streitkräften bei Nichtverhinderung der Pariser Kriegsverträge sind etwas geringer geworden.8 Jedoch werden unter den Jugendlichen teilweise noch pazifistische Meinungen vertreten. Vereinzelt macht sich auch eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Arbeit bemerkbar. So z. B. im RAW Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt, wo verschiedene Lehrlinge eine schlechte Arbeitsmoral an den Tag legen und der Meinung sind, wir kommen ja doch bald zur KVP,9 infolgedessen brauchen wir auch nicht mehr viel zu lernen.

In einigen Betrieben besteht noch immer Kohlenmangel. So z. B. im VEB Schlachthof Karl-Marx-Stadt und im VEB MEWA Bad Salzungen,10 [Bezirk] Suhl.

Unter den Arbeitern des Bauobjektes Gumnitz bei Torgelow, [Bezirk] Neubrandenburg, ist eine große Unzufriedenheit über die Verteilung der Sonderprämien zu Weihnachten zu bemerken. Ein Schlosser erklärte, dass sie als Arbeiter der Meinung sind, dass die Genossen der SED höhere Prämien bekommen als ihnen zustehen, denn nicht einmal die Bestarbeiter und Aktivisten hätten so hohe Prämien erhalten.

Am 24.12.[1954] wurden an Straßenbahnpersonal im Kreis Dresden durch die »Junge Gemeinde« Päckchen mit Lebensmitteln verteilt. Des Weiteren befanden sich Schriften der Kirche in diesen Paketen. Im Straßenbahnhof Coswig, Kreis Meißen, [Bezirk] Dresden, spricht man davon, dass die großzügige Unterstützung der »Jungen Gemeinde« mehr wert sei als das von der Regierung der DDR erhaltene Weihnachtsgeld.11

Produktionsstörung

Am 28.12.1954, gegen 4.00 Uhr brach im VEB Sachsenwerk Radeberg, [Bezirk] Dresden, im E-Gebäude, Mittelbau, ein Brand aus, wodurch ein Hochspannungskabel stark beschädigt wurde. Unmittelbar am Brandherd lagerten in Kisten verpackt 2 Millionen Schrauben, von denen die Hälfte unbrauchbar wurde. Der entstandene Schaden konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden.

Handel und Versorgung

Im Umlagehafen Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, wurden mehrere Ladungen Zucker für den Export von der DSU beanstandet, da der Zucker wegen feuchter Wagenböden einen zu hohen Feuchtigkeitsgrad aufwies und für den öffentlichen Verbrauch nicht zu verwenden ist. Diese Ladungen kamen aus Letschin. Ein Waggon, der aus Löbau kam, war vorher zum Fischtransport verwendet worden.

Der Kreiskonsum Arnstadt sowie das Großhandelskontor (Lebensmittel) Arnstadt erhielten vom Rat des Bezirkes Erfurt, Abteilung Handel und Versorgung eine Mitteilung, wonach für diverse Süßwaren eine Preiserhöhung von 20 bis 30 Prozent eintritt, da die Verpackung der Süßwaren auf Kosten der Käufer gehen müsse. Von der gleichen Abteilung des Rates des Bezirkes wurden mit Wirkung vom 13.11.1954 Preise herausgegeben, wonach solche Süßwaren jetzt pro kg 5,00 DM kosten, während sie vorher 3,80 kosteten.

Vom Kommunalen Großhandelsbetrieb in Köthen, [Bezirk] Halle, wird bemängelt, dass die Kontrollziffern für das I. Quartal 1954 noch nicht herausgegeben wurden. Dadurch können keine Verträge mit Lieferanten abgeschlossen werden.

Für die Kreisbetriebe der HO von Magdeburg wurden für das I. Quartal 1955 die Lohnsumme, die Beschäftigtenzahl sowie die Sachkosten derartig gekürzt, dass allein die HO Lebensmittel Magdeburg-Süd acht Verkaufsstellen schließen muss und die Spätverkaufsstellen von zehn auf fünf reduzieren muss. Die Sachkosten reichen nicht einmal aus, um eine Verkaufsstelle zu renovieren.

Landwirtschaft

Bei den geringen Gesprächen über die aktuellen politischen Probleme steht zzt. der Erfolg in der französischen Nationalversammlung am 24.12.[1954] im Mittelpunkt. Hierzu wird meist von LPG- und werktätigen Einzelbauern sowie Angehörigen der MTS zustimmend Stellung genommen. Daneben wird besonders über die Schaffung Nationaler Streitkräfte im Falle der Ratifizierung der Pariser Verträge diskutiert. Ein Teil werktätiger Bauern und Angehöriger der MTS hält Nationale Streitkräfte für notwendig und verpflichtet sich, ihnen gegebenenfalls beizutreten. Mehrfach sind jedoch auch pazifistische Meinungen vorhanden. So erklärte z. B. ein werktätiger Bauer aus Arnsdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Erst habt ihr gesagt, nie wieder Militär und nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen und jetzt wollt ihr wieder eine Armee aufstellen. Ich mache nicht mit, da könnt ihr machen, was ihr wollt.«

Die Arbeiter des VEG Kemlitz,12 Kreis Luckau, [Bezirk] Cottbus, vertreten die Meinung: »Wenn in Westdeutschland eine Armee aufgebaut wird, so ist das ihre Sache. Deshalb brauchen wir nicht das Gleiche zu tun. Wenn wir keinen Widerstand leisten, tun sie uns auch nichts. Unsere Jungens müssten es ablehnen, in die Reihen der Nationalen Armee zu gehen.«

In einer Einwohnerversammlung der Gemeinde Krayne, [Kreis] Guben, [Bezirk] Cottbus, wurde gesagt: »Wir werden niemals in die Nationalen Streitkräfte eintreten und vielleicht auf unsere Brüder und Schwestern im Westen schießen. Wenn der Amerikaner kommt, stört uns das nicht, wir hängen eine weiße Fahne heraus, dann tut er uns nichts. Das war im vergangenem Krieg doch auch so.« Solche Tendenzen sind in den Kreisen Guben und Luckau unter der ländlichen Bevölkerung verbreitet.

Bei einer Versammlung der Nationalen Front in Rehagen, Kreis Zossen, [Bezirk] Potsdam, am 21.12.1954 über den Kampf gegen die Kriegsverträge wurde nach der Diskussion über eine Resolution gegen die Kriegspakte abgestimmt. Dabei verließen fünf Personen wie auf Kommando den Raum und kamen nach der Abstimmung wieder zurück. Es handelt sich hierbei um Bauern mit Wirtschaften bis zu 10 ha.

Unter den Einwohnern von Groß Niendorf, [Bezirk] Schwerin, besteht Verärgerung darüber, dass bei der Vorbereitung der Volkswahl13 von Mitgliedern des Bezirkstages versprochen wurde, ihnen wöchentlich einen Autobus für die Fahrt nach Parchim (90 km) zur Verfügung zu stellen, diese Verpflichtung jedoch bis jetzt nicht eingehalten wurde.

Missstände in LPG

In der LPG Lancken, Kreis Parchim, [Bezirk] Schwerin, sind wegen nicht vorschriftsmäßiger Einlagerung 800 Ztr. Kartoffeln erfroren. In der LPG Ziegendorf, Kreis Parchim, wurden 300 Ztr. Kartoffeln nicht geerntet und sind erfroren. Die Mitglieder dieser LPG erklären hierzu, dass der Rat des Kreises sie nicht genügend unterstützt hätte. Ferner wollen sie aus der LPG austreten und als Einzelbauern wieder wirtschaften, da sie befürchten, wegen ihrer mangelhaften Arbeit zur Rechenschaft gezogen zu werden. Gleiche Tendenzen bestehen in der LPG Möllenbeck, Steute14 und Groß Godems, Kreis Parchim.

Eine schlechte Stimmung besteht unter den Bauern von Ziesar, Kreis Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, da nach ihrer Meinung das Soll zu hoch sei. Die treibende Kraft hierbei ist ein Landwirt mit 10 bis 15 ha Land, der bisher in allen Bauernversammlungen negativ auftrat.

Unter den Bauern von Jännersdorf, Kreis Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, besteht Unzufriedenheit darüber, dass die LPG im Anbauplan 1955 18 ha Kartoffelacker abgesetzt bekommen hat, die den übrigen Bauern zugeschrieben wurden. Somit muss jeder ca. fünf Morgen Kartoffeln mehr anbauen, wozu ihnen jedoch die Saatkartoffeln fehlen.

Verstärkt macht sich das Fehlen von Ersatzteilen für Traktoren, besonders Raupen, bemerkbar. So sind z. B. in der MTS Lengensburg,15 [Kreis] Bergen, [Bezirk] Rostock, sieben Raupen vom Typ KS 62 nicht einsatzfähig, da Ersatzteile für Getriebe fehlen. Die ersten Raupen stehen bereits seit den Sommermonaten 1954 still. Der technische Leiter von der MTS Steinhausen, Kreis Wismar, sagte: »Für die Ausführung des Winterreparaturplanes sehe ich vollkommen schwarz. Wir haben keine Ersatzteile und keiner will die Verantwortung hierfür übernehmen.«

Am 25.12.[1954], zwischen 6.00 und 9.00 Uhr wurden 169 Schafe der LPG Schönefeld, [Bezirk] Potsdam, von unbekannten Personen vermutlich in den französischen Sektor abgetrieben. Die Schafe wurden gegen 10.00 Uhr von einem Angehörigen des Grenzkommandos ca. 200 m vor der Sektorengrenze bei Berlin-Rudow gesichtet. Zur selben Zeit stellte die Grenzstreife einen Mann mit einem Hund fest, der sich auf der Grenzlinie befand.

Übrige Bevölkerung

Der gegenwärtige Kampf gegen die Pariser Verträge steht im Vordergrund der politischen Gespräche, meist geführt von fortschrittlichen Kräften, die zum Ausdruck bringen, dass jetzt alles zur Verhinderung dieser Kriegsverträge getan werden müsse. In diesem Zusammenhang erwähnt man die Ratifizierungsdebatte in der französischen Nationalversammlung und hebt hervor, dass der Sieg bei der ersten Abstimmung vor allem auf den aktiven Kampf des französischen Volkes zurückzuführen sei. Man ist der Ansicht, dass dieser Kampf beispielgebend für das deutsche Volk sein müsse, dann würde es auch gelingen, die Aufrüstung Westdeutschlands zu verhindern. So sagte z. B. ein Rentner aus Sebnitz, [Bezirk] Dresden: »Man sieht ganz deutlich, dass uns die französischen Arbeiter in der Ablehnung einer Söldnerarmee weit voraus sind. An dem französischen Volk sollten sich die Arbeiter in ganz Deutschland ein Beispiel nehmen.«

Ein Oberbuchhalter (parteilos) aus Flöha, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich glaube nicht, dass es Mendès France16 gelingt, die Ratifizierung durchzukriegen, auch wenn vonseiten Amerikas noch größerer Druck ausgeübt wird. Die Abgeordneten haben viel zu viel Angst vor dem Volk.«

Ein Angestellter (LDP) beschäftigt in der HO Lebensmittel Schmalkalden, [Bezirk] Suhl: »Ich freue mich aufrichtig über das Verhalten des französischen Volkes, das im unermüdlichen Kampf gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands steht. Ich bin davon überzeugt, dass das französische Volk diesen Kampf gegen den Krieg bis zum endgültigen Sieg führen wird. Dieser Kampf muss für uns beispielgebend sein.«

Die in diesem Zusammenhang geführten Diskussionen über die Frage der Aufstellung Nationaler Streitkräfte nehmen weiterhin nur einen geringen Raum ein und sind in der Mehrzahl ablehnend. Zum Beispiel sind in der Pestalozzi-Schule in Quedlinburg, [Bezirk] Halle, einige Lehrer, die Mitglieder der LDP und CDU sind, der Meinung, unter keinen Umständen nochmals eine Waffe anzufassen.

Ein Student der Forstwirtschaftlichen Fakultät Eberswalde,17 [Bezirk] Frankfurt: »Wir sind Studenten und wollen im Frieden studieren. Aufgrund dessen kommen wir für die KVP bzw. für die Verteidigung der DDR überhaupt nicht infrage. Das sollen die machen, die sich ein anderes Lebensideal gesucht haben.«

Verschiedentlich zeigt sich an den Schulen ein negativer Einfluss, der in Diskussionen zum Ausdruck kommt. Zum Beispiel sind in der Käthe-Kollwitz-Oberschule in Magdeburg in der Klasse 10 b 3 die Schüler bürgerlicher Herkunft wortführend. Sie verherrlichen die Verhältnisse in Westdeutschland und nehmen Stellung gegen die Politik unserer Regierung. Allgemein wird die Meinung vertreten, dass sie nichts mit Politik zu tun haben wollen, sondern nur lernen möchten. Zum Beispiel äußerte ein Schüler in einer Diskussion über die Arbeitslosigkeit in Westdeutschland: »Drüben muss ja eine Arbeitslosigkeit herrschen, da sehr viele Menschen von uns täglich nach Westdeutschland gehen. So viele Arbeitsstellen können doch auf einmal gar nicht geschafft werden.«

Ein anderer Schüler erklärte: »Am 17. Juni 1953 hat man ganz deutlich gesehen, dass bei uns keine Demokratie herrscht. Die Arbeiter sind an diesem Tag niedergedrückt worden. Sie konnten nicht ihre wahre Meinung zum Ausdruck bringen.«

In den Kreisen der Kirche nimmt man weiterhin Stellung gegen die Jugendweihe.18 Kircheninstanzen und Geistliche versuchen Eltern und Konfirmanden gegen die Jugendweihe zu beeinflussen, was folgende Beispiele zeigen.

Der Landessuperintendent Voß19 gab in Einvernehmen mit allen Pastoren in Wismar Handzettel an die Eltern der Konfirmanden aus, in denen sie aufgefordert werden, ihre Kinder nicht an den Jugendweihen teilnehmen zu lassen. Die Jugendweihe wäre von jeher schon von Menschen durchgeführt worden, die gegen die Kirche sind.

Die Kirchenleitung der evangelischen Kirche, Kirchenprovinz Sachsen, hat an ihre Pröbste, Superintendenten und Pfarrer ein Rundschreiben betreffs der Jugendweihe herausgegeben. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass die Kirche ihre Mitglieder zur vollkommenden Ablehnung der Jugendweihe zwingen will. In Kalbe/Milde, [Bezirk] Magdeburg, zeigt sich z. B. wie die Pfarrer dieser Anweisung Folge leisten und verstärkt auf die Konfirmanden einwirken. Unter anderem erklärte ein Pfarrer gegenüber Schülern: »Ich konfirmiere keinen, der sich für die Jugendweihe angemeldet hat. Sagt dies auch euren Eltern.«

Im Gottesdienst der evangelischen und auch katholischen Kirche in Haldensleben wurden die Kirchengänger aufgefordert, bei Erscheinen von Funktionären der SED und FDJ, die für die Jugendweihe werben, diesen zu antworten, dass sie dafür kein Interesse haben. Sie wären Christen und sollen sich auf keine Diskussion einlassen.

Am 25.12.1954 wurde in einer Anzahl Gemeinden des Bezirkes Halle eine Schrift des Bischofs Müller20 verlesen,21 in welcher gegen die Jugendweihe Stellung genommen wurde und in Lübz, [Bezirk] Schwerin, wurde am 26.12.1954 ein Hirtenbrief von der katholischen Kirche gegen die Jugendweihe verlesen.

Im DEFA-Kopierwerk II Johannisthal ist zu verzeichnen, dass es aufgrund der geleisteten Überstunden Kollegen gibt, die 10 bis 14 Tage frei nehmen könnten. Es besteht die Ansicht, dass das Gesetz über den Acht-Stunden-Tag beim Film keine Anwendung finden könne.22 Deshalb werde seitens der Gewerkschaft und der Abteilung Arbeit und der HV Film dieses Gesetz nicht beachtet und laufend die Genehmigung für Überstunden erteilt. Einige Kollegen sind der Meinung, dass es auch ohne Überstunden geht, wenn die HV Film den Betrieben einen Termin stellt, bis wann das Material an das Kopierwerk geliefert sein muss.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverbreitung

SPD-Ostbüro:23 Suhl, Kreis Meiningen, 5 000 (alte Ausgabe), Cottbus, Kreis Lübben, 1 200, Karl-Marx-Stadt, Potsdam und Wismutgebiet einzelne, Halle 200.

NTS:24 Karl-Marx-Stadt einige.

KgU:25 Halle, Kreis Dessau, 1 500, Kreis Merseburg 88, Wismutgebiet einzelne.

In der Nacht vom 23. zum 24.12.1954 wurde vor der Gaststätte zum »Wilden Mann« in Erfurt der BGL-Vorsitzende einer Privatfirma in Erfurt von vier Tätern totgeschlagen. Der BGL-Vorsitzende hatte mit einem Freund in der Gaststätte gesessen, wo ihn zwei Täter in gemeiner Weise anpöbelten. Als er das Schnellkomando anrufen wollte, wurde er von der Wirtin gehindert. Sie forderte die vier Schläger auf, ihren Streit auf der Straße auszutragen.

Am 26.12.1954 wurde ein VP-Angehöriger während einer Tanzveranstaltung in Danstedt, [Kreis] Halberstadt, [Bezirk] Magdeburg, von einem Bergmann geschlagen, als er einen Streit zwischen angetrunkenen Gästen schlichten wollte. Der Bergmann ist ein Verwandter des Gastwirtes, welchem auf Veranlassung des VP-Angehörigen das Lokal geschlossen worden war. Grund: Öfteres Singen von faschistischen Liedern.

Ein Kreisrichter aus Angermünde erhielt einen Drohbrief. Aufgabestempel: Teltow.

Im Wachlokal des Betriebsschutzes vom Fischkombinat Saßnitz, [Kreis] Bergen, [Bezirk] Rostock, wurden von einem Stalinbild die Augen ausgebrannt. Täter unbekannt.

In der Nacht zum 26.12.[1954] wurde in der Konsum-Gaststätte »Seeblick« in Lubmin, [Kreis] Wolgast, ein Bild des Genossen Walter Ulbricht26 aus dem Fenster geworfen, mit der Bemerkung: »Schmeißt ihn raus«.

Am 26.12.[1954] brach durch Brandstiftung im Pferdestall der LPG Rukieten,27 Kreis Bützow, [Bezirk] Schwerin, ein Brand aus. Schaden: ca. 2 500 DM.

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