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Einschätzung der Erntearbeiten

24. Oktober 1956
Information Nr. 268/56 – Betrifft: Einschätzung der Erntearbeiten

I. Allgemeine Einschätzung des Standes der Erntearbeiten

In den Bezirken ist das Getreide bis auf unbedeutende Flächen eingebracht. In einem großen Teil der Bezirke war per 26.9.1956 die Ernte bereits 100%ig beendet.

Der Bezirk Rostock berichtet dazu, dass auch die Erträge der diesjährigen Ernte gut seien. Der Durchschnittsertrag der Halmfrüchte liegt bei 29,9 dz/ha, davon bei LPG bei ca. 28,7 dz/ha, bei VEG bei ca. 32,6 dz/ha, bei sonstigen Betrieben bei 29,7 dz/ha.

Im Bezirk Rostock gab es bei der Getreideernte dahingehend Schwierigkeiten, dass – bedingt durch die Witterung – das Getreide fast zum gleichen Zeitpunkt reif war und die MTS dieser Tatsache nicht genügend Rechnung getragen hatte. Die meisten MTS waren in der Organisation nicht genügend beweglich. Durch diese Faktoren gab es im Bezirk Verzögerungen bei der Bergung der Ernte. Ähnlich war es auch in anderen Bezirken. Dadurch waren große Anstrengungen notwendig, die Arbeiten zu bewältigen. Als weitere Schwierigkeit ergab sich, dass das Stroh z. T. auf den Feldern liegen blieb, sodass die Schälfurche nicht gezogen werden konnte. Die Arbeit der MTS war gegenüber dem Vorjahr besser. Das zeigt sich darin, dass die Verträge verhältnismäßig besser eingehalten wurden.

Dass die Ernte so schnell geborgen werden konnte, ist auch mit darauf zurückzuführen, dass von den landwirtschaftlichen Betrieben, besonders von den Einzelbauern, oftmals selbst die Initiative ergriffen wurde. Wenn bei der MTS Terminverzögerungen auftraten, mähten die Bauern mit der Sense das Getreide ab.

Bei der Ablieferung des Getreides ergaben sich verschiedentlich Verärgerungen, weil die VEAB Getreide, das einen hohen Feuchtigkeitsgehalt hatte, nicht abnahm. Der Stand der Ablieferung zeigt, dass der sozialistische Sektor dem privaten Sektor voraus ist. Das ist mit dadurch bedingt, dass im sozialistischen Sektor sehr viel Getreide mit Mähdreschern geerntet und gleich vom Feld aus zur VEAB gefahren wurde.

II. Wie ist die Planerfüllung in den MTS

Die Arbeit der MTS hat sich gegenüber dem Vorjahr im Allgemeinen verbessert. Trotzdem gab es aber auch in diesem Jahr Schwierigkeiten z. B. bei der Einhaltung der Verträge, durch Mangel an Schichtfahrern und Ersatzteilmangel.

a) Einhaltung der Verträge

Die MTS bemühte sich, die Verträge, die mit LPG bzw. Einzelbauern abgeschlossen wurden, einzuhalten. Das wurde auch zum großen Teil realisiert. Vielfach konnten aber wegen des schlechten Wetters und des Mangels an Ersatzteilen Maschinen nicht termingerecht eingesetzt werden, sodass vor allem von den Einzelbauern die Erntearbeiten selbst durchgeführt wurden in der Annahme, die MTS würde sie wie im Vorjahr in Stich lassen. Z. B. hat die MTS Tetschendorf, [Kreis] Wittstock, [Bezirk] Potsdam, die vertraglich festgelegten Mähdrescherarbeiten nicht realisiert, weil sie keine Mähdrescher hatte und die Hilfe einer benachbarten MTS ablehnte. Dadurch entstanden der Gemeinde Freyenstein bei dem letzten Sturm große Schäden, weil die Flächen zu 30 % noch nicht abgeerntet waren. Die MTS Heiligengrabe, [Kreis] Wittstock, [Bezirk] Potsdam, hatte beim Drusch in der LPG Fretzdorf keine einsatzfähigen Treibriemen mit, sodass der Arbeitsablauf stockte.

Die MTS des Kreises Oelsnitz/V[ogtland], [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, konnte die Verträge bei Bindern nicht einhalten. Es gab sehr viel Lagergetreide, das nicht abgemäht werden konnte, weil Rechtsschneider fehlten. Durch den sehr unterschiedlichen Reifegrad gab es sehr viele Wartezeiten. So fielen z. B. in der MTS Adorf Verträge für Binder für etwa 300 ha Fläche aus. Die MTS im Kreise Bützow erfüllten nur zu 97 % ihre Verträge. Die MTS des Kreises Pirna, [Bezirk] Dresden, konnten die für Getreidebinder und Ziehen der Schälfurche abgeschlossenen Verträge wegen des schlechten Wetters nicht einhalten. Die MTS leisteten dafür Ersatzarbeiten.

b) Ersatzteilschwierigkeiten

Auch in diesem Jahr wurde die Arbeit der MTS durch den Mangel an Ersatzteilen sehr erschwert. Oftmals konnten deshalb die Erntearbeiten nicht schnell genug durchgeführt werden. Trotzdem die MTS sich bei den zuständigen Handelsorganen oder direkt beim Lieferwerk bemühten, konnten keine Ergebnisse erzielt werden, sodass die MTS in ihren Werkstätten die fehlenden Ersatzteile selbst anfertigen mussten. Das führte zu zusätzlichem Arbeits- und Kostenaufwand, sodass verschiedentlich die Kosten für Reparaturen überschritten wurden.

Wesentlich ist noch, dass die Maschinen und die Ersatzteile oftmals von schlechter Qualität sind und Maschinen, kurz nachdem sie eingesetzt wurden, wieder ausfallen. So gab es z. B. im Bezirk Rostock vor allem Mängel beim Mähbinder »Zella-Mehlis«, wo sehr oft durch die schlechte Qualität des Materials die Zahnräder zerbrachen. In den MTS Zürow1 und Steinhausen, [Kreis] Wismar, konnten die Raupen nicht eingesetzt werden, weil die Laufrollenlager fehlten. Weiterhin fehlten im Bezirk Rostock Getriebekolben (MTS Tessdorf, [Kreis] Grevesmühlen) Kugellager für KS 62 (Kreis Wolgast), Ersatzteile für Mähbinder (in verschiedenen Kreisen führte die Überalterung der Maschinen zu einem Ansteigen der Reparaturen).

Im Kreis Bautzen, [Bezirk] Dresden, fehlten Wellen für obere Tuchwalzen beim LBH-Binder 1338, Schneckenräder ZBL 1144 A, Mähbalken und Messer. Außerdem fehlten Binderersatzteile (Kreis Freital), Lenkungen und Schrauben (Kreis Kamenz), Kugellager (Kreis Meißen), Messerklingen, Achsschenkel für Traktoren und Druschtreibriemen (Kreis Sebnitz), Halbachsen für Traktor RS 15, Mähbalken, Mähbalkenköpfe, Klingen und Finger (Kreis Großenhain). Im Bezirk Leipzig fehlen besonders Zahnräder für »Zella-Mehlis«-Binder, Knüpferböcke für Binder, Ersatzteile für Pick-up-Pressen, Nadellager für den RS 30, Ersatzteile für Mähdrescher, (Weimarer Produktion), Streichbleche für Pflüge D 225, Schaare und Bolzen für Krautschläger, Mähmesser und Messerknöpfe für Mähbalken.

In der MTS Streufdorf, [Kreis] Hildburghausen, wurden die Reparaturkosten weit überzogen, sodass wahrscheinlich der Materialplan und die Lieferverträge mit dem Bezirkskontor am Ende des Jahres um das doppelte überzogen sein werden. So fehlen im Bezirk vor allem Schrauben und Muttern (Bad Salzungen), Maschinenschrauben (Schmalkalden), Fadenhalter für Mähbinder (Meiningen). Im Bezirk Schwerin fehlen Ersatzteile für Traktoren aller Typen, wie Schrauben, Bolzen, Kugellager, Ersatzteile für Speichenmaschinen, Kartoffelroder und Drillmaschinen.

Im Bezirk Halle wird die mangelhafte Versorgung mit Ersatzteilen durch das Bezirkskontor für landwirtschaftlichen Bedarf in Halle kritisiert. Die MTS mussten oft lange warten, bis Ersatzteile geliefert wurden. Außerdem waren viele Ersatzteile nicht am Lager, sodass MTS mitunter das nötige Material vom Herstellerwerk Weimar abholen mussten. Folgende Ersatzteile waren besonders schwierig zu beschaffen: Knoter für Binder, Ventilatorenketten für Mähdrescher, Fadenfängerrädchen für Pick-up-Pressen, Urtrakpumpen,2 Knüpfapparate für Claas-Strohpresse, Messerschwingen für S 4, verschiedene Kugellager für Mähdrescher.

Im Bezirkskontor Karl-Marx-Stadt fehlen folgende Mähbinderersatzteile: Raste Ersatzteil Nr. 1621, Schallscheibe 1870, Knüpfermesser 2124, für Dreschsätze KD 25 und KD 32 Spaltscheiben 1000 A und Sperrklinkendrücker 1204 F.

c) Maschinenmangel

Ein wesentlicher Faktor, der die schnelle Einbringung der Ernte hemmte, ist der Mangel an Maschinen. Dieser Mangel macht sich umso fühlbarer bemerkbar, da in der Landwirtschaft besonders Arbeitskräfte fehlen.

So berichtet z. B. der Bezirk Rostock, dass sich bei der diesjährigen Ernte der Mangel an Maschinen wieder stark bemerkbar machte. Für die Getreideernte fehlten vor allem Pick-up-Pressen. Im Kreis Greifswald und anderen Kreisen war für zwei Mähdrescher nur eine Pick-up-Presse vorhanden. Die MTS des Kreises Rostock-Land benötigen folgende Erntemaschinen: zehn Binder, Räum- und Sammelpressen, zwei schwere Raupen. Im Bezirk Magdeburg werden Raupenpflüge, Anhängegeräte, Traktoren vom Typ RS 30 und RS 15 gebraucht. Bei der Kartoffelernte werden in den MTS dringend Vollerntemaschinen verlangt. Im Bezirk Berlin fehlen Mähbinder.

Des Öfteren werden aus den Bezirken Klagen laut, weil nicht genügend Rechtsschneider (Mähbinder) vorhanden waren. Die Nachfrage nach Rechtsschneidern war deshalb so hoch, weil in diesem Jahr sehr viel Getreide gelagert war, sodass es von verschiedenen Seiten gemäht werden musste. In der MTS Holtendorf, [Kreis] Görlitz, [Bezirk] Dresden, gibt es z. B. bei 44 Mähbindern nur drei Rechtsschneider. Über Maschinenmangel wird auch aus anderen Bezirken berichtet und im Allgemeinen dazu erklärt, dass die Maschinen umso dringender benötigt werden, weil überall Arbeitskräfte fehlen.

d) Einsatz von Schichtfahrern

In vielen MTS gab es in diesem Jahr Schwierigkeiten, das Schichtsystem durchzuführen, da vor allem Schichttraktoristen fehlen. Eine wesentliche Ursache war aber auch, dass bei vielen Traktoristen das Interesse, in Schichten zu arbeiten, gar nicht vorhanden war. Einmal, weil sie nach 8-stündiger Arbeitszeit niemandem ihren Traktor übergeben wollten und zum anderen lieber Überstunden machen, um mehr Geld zu verdienen. Zum letzteren muss bemerkt werden, dass es in vielen MTS rege Diskussionen über Lohnfragen gibt, wobei zum Ausdruck gebracht wird, dass die Entlohnung in den MTS zu niedrig sei. Viele Traktoristen bemühen sich deshalb, durch Überstunden einen Mehrverdienst zu schaffen.

Eine andere Ursache ist, dass diejenigen, die in Schicht arbeiten, oft waren es Einzelbauern, ihre Arbeit nur nebenbei verrichteten. So kam es vor, dass sie bei schönem Wetter erst die Erntearbeiten auf ihren Feldern verrichteten und bei schlechtem Wetter für die MTS arbeiteten. Ähnlich war es auch mit Schichtfahrern der LPG. Die LPG ließen diese oft nur dann bei den MTS arbeiten, wenn auf den Feldern der betreffenden LPG gearbeitet wurde. Hierzu folgende Beispiele:

  • Im Bezirk Potsdam fehlen 524 Stammtraktoristen und 526 Schichttraktoristen.

  • In den MTS Flatow, [Kreis] Oranienburg, und Neustadt, [Kreis] Kyritz, fehlen je 15 Schichttraktoren.

  • In der MTS Lüdersdorf, [Kreis] Luckenwalde, müssen aus diesem Grunde Traktoristen oft bis zu 14 Stunden arbeiten.

  • In den MTS des Kreises Oranienburg lehnen die Traktoristen das Schichtsystem mit folgendem Grunde ab: Sie wollen den Traktoristen, die sie ablösen, nicht ihre Maschinen übergeben.

In einigen MTS wirkt sich der schlechte Zustand der Maschinen bei der Durchführung des Schichtsystems aus.

  • So könnten z. B. in den MTS des Kreises Rathenow täglich 106 Traktoristen im Schichteinsatz laufen, wegen vieler Reparaturen konnten in einer Woche aber nur 45 Traktoren eingesetzt werden.

  • Im Bezirk Erfurt sind sehr viele Schichtfahrer Einzelbauern, die die Meinung vertreten, nur bei schlechtem Wetter als Schichtfahrer und bei gutem Wetter auf ihren eigenen Feldern zu arbeiten.

  • Im Bezirk Leipzig ließen LPG ihre Schichtfahrer meist nur dann bei den MTS arbeiten, wenn die Arbeit auf den Feldern der LPG verrichtet wird. Der Einsatz auf anderen Feldern wurde von der LPG abgelehnt, weil sie selbst nicht genügend Arbeitskräfte hätten.

  • Im Bezirk Suhl sind wegen Mangel an Schichtfahrern die Maschinen nicht ausgelastet. Obwohl ausreichend Schichtfahrer ausgebildet wurden, sind nicht genügend vorhanden. Die meisten der ausgebildeten Schichtfahrer sind Einzelbauern, die zuerst ihre eigene Ernte bergen wollen.

  • Im Kreis Bad Salzungen sind noch nicht einmal genügend Stammfahrer vorhanden.

  • In einigen MTS des Bezirkes Schwerin wurden ebenfalls genügend Schichtfahrer ausgebildet, jedoch gehen von diesen viele in andere Betriebszweige oder lassen sich als Stammfahrer einstellen.

  • Im Kreis Bützow wird das Schichtsystem nur zu 50 % durchgeführt.

  • Im Bezirk Dresden arbeiten viele Traktoristen nur sehr unregelmäßig mit.

  • So gibt es z. B. in der MTS Ohorn, [Kreis] Bischofswerda, 33 Schichtfahrer. Es sind aber nur acht bis zehn aktiv im Einsatz.

  • In der MTS Großraschütz, [Kreis] Großenhain, wurde der Lohnfonds bisher mit 27 000 DM überzogen. Allein im Juli wurden 9 000 DM für Überstunden gezahlt.

e) Inwieweit wurde bei den Erntearbeiten der private Sektor dem sozialistischen Sektor vorgezogen

Dieses Problem stand in diesem Jahr nicht so sehr im Vordergrund. Trotzdem gab es aber einzelne Fälle, wo Traktoristen es vorzogen, lieber bei Einzelbauern zu arbeiten, weil ihnen dort materielle Vorteile geboten wurden. So wird z. B. von diesen erklärt, beim Großbauern gäbe es wenigstens etwas zu essen, während das bei der LPG nicht der Fall sei.

Dazu wird aus dem Bezirk Potsdam Folgendes berichtet: Vereinzelt wurde der sozialistische Sektor gegenüber dem privaten Sektor zurückgestellt. So musste deswegen z. B. der Brigadier des MTS-Stützpunktes Friedenshorst, [Kreis] Neuruppin, abgelöst werden. Die MTS-Brigade in Schrepkow3 Groß Welle, [Kreis] Kyritz, bevorzugt ebenfalls private Wirtschaften, weil sie von den Einzelbauern für ihre Arbeiten Lebensmittel usw. geschenkt bekommen. Die MTS Flatow, [Kreis] Oranienburg, hat verschiedentlich bei Großbauern ohne Vertragsabschluss gemäht und auch die Verträge werktätiger Bauern vor den Verträgen der LPG realisiert.

Aus dem Bezirk Dresden wird dazu berichtet, dass in verschiedenen Fällen Traktoristen bei Einzelbauern arbeiteten und die Arbeiten in den LPG vernachlässigten.

III. Erfüllungsstand in den LPG, VEG und bei Einzelbauern

Im sozialistischen Sektor und bei den Einzelbauern ist die Getreideernte abgeschlossen und die Kartoffelernte in vollem Gange. Nach Einschätzung der Bezirke ist vor allem in dem sozialistischen Sektor die Arbeit besser als im vergangenen Jahr. Der Rückstand des sozialistischen Sektors hinter den Einzelbauern war bei der Einbringung der Getreideernte nicht mehr so groß.

Die VEG im Bezirk Erfurt mähten z. B. per 24.9.1956 99,8 % und hatten 57,8 % eingefahren, in den LPG 99,5 % gemäht und 94,4 % eingefahren, bei den Einzelbauern waren 99,5 % gemäht und 97,8 % eingefahren.

In den VEG des Bezirkes Schwerin waren die Erntearbeiten gut vorbreitet. Das VEG Pritzier, [Kreis] Hagenow, konnte bereits am 28.8.1956 die Getreideernte beenden. Dagegen bestanden auf dem VEG Groß Medewege, [Stadtteil von] Schwerin, Schwächen in der Arbeitsorganisation. Am 28.8.1956 standen noch 174 ha auf dem Felde. Auch bei den LPG gibt es einige, die ihre Pläne ungenügend erfüllten.

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt konnte in den VEG die Getreideernte per 26.9.1956 bis auf geringe Flächen abgeschlossen werden. Bei den LPG ist es ähnlich, z. B. konnte die Getreidemahd (ebenfalls per 26.9.1956) zu 94,5 % abgeschlossen werden. Eingefahren werden 77,7 %. Bei den Einzelbauern betrug der Stand 96,2 %. Eingefahren wurden 88 %. Hierzu muss bemerkt werden, dass die Einzelbauern bei der Getreidemahd und der Einfuhr des Getreides mitunter weiter waren, als der sozialistische Sektor, aber beim Drusch bzw. bei der Ablieferung des Getreides ist der sozialistische Sektor führend. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass bei den LPG meist mit den Mähdreschern geerntet wurde, sodass das Getreide gleich vom Feld in die VEAB geliefert werden konnte.

IV. Einsatz der Erntehelfer

Der Einsatz der Erntehelfer ist in den Bezirken unterschiedlich. Trotzdem kann gesagt werden, dass im Vergleich zum Vorjahr der Einsatz besser organisiert war und große Fehler nur in einzelnen Fällen auftraten. In einigen Bezirken war die Lage wie folgt:

Bezirk Leipzig

Im Verhältnis zum Vorjahr wurden weniger Ernteeinsätze durchgeführt. Das wird damit begründet, dass die Bauern, da sie in diesem Jahr die aus den Betrieben angeforderten Arbeitskräfte selbst bezahlen mussten, mehr die örtlichen Reserven ausnutzten und zum anderen bei den LPG und MTS die Arbeitsorganisation weit besser gewesen ist. In einigen Fällen hatten LPG auch Saisonarbeiter eingestellt. Zu Schwerpunktgemeinden, wo Ernteeinsätze durch Patenbetriebe durchgeführt wurden, gab es organisations- und arbeitsmäßig keine größeren Schwierigkeiten. Einige Fälle gab es auch, wo Patenbetriebe die Ernteeinsätze ablehnten. Auch wurden bei Ernteeinsätzen mitunter Mittel- und Großbauern bevorzugt und LPG vernachlässigt.

Bezirk Potsdam

In diesem Jahr war in mehreren Kreisen der Einsatz von Erntehelfern nicht ausreichend. Das trifft vor allem für LPG zu, wo größere Betriebe (Patenbetriebe) Ernteeinsätze zugesagt hatten. Als Erntehelfer z. B. vom VEB »Heinrich Rau«, Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf, Rathenower Optische Werke und Kunstseidenwerk Premnitz angefordert wurden, erklärten diese Betriebe, nicht in der Lage zu sein, Arbeitskräfte freizustellen, da sie selbst Planrückstände hätten.

Bezirk Rostock

Bis auf einige Fälle war der Einsatz der Erntehelfer gut. In der LPG »Junge Welt« in Redebas,4 [Kreis] Ribnitz[-Damgarten], wurde eine Brigade vom Landmaschinenwerk Barth, [Kreis] Ribnitz[-Damgarten], eingesetzt. Diese Brigade erschien jeden Tag erst um 9.00 Uhr morgens und setzte sich so lange in den Straßengraben, bis sie wieder abgeholt wurden. Im Kreis Wolgast löste der Ernteeinsatz vor allem unter den Einzelbauern starke Diskussionen aus. In einer LPG wurden z. B. 70 bis 80 Erntehelfer eingesetzt, für die nicht genügend Arbeit vorhanden war, während auf der anderen Seite die Einzelbauern, die nicht in der Lage waren, die Arbeit allein zu schaffen, keine Erntehelfer erhielten. Es gab auch deshalb Verärgerung, dass Angehörige von Einzelbauern, die in staatlichen Organen beschäftigt sind, während der Ernteeinsätze nicht bei ihren Eltern oder Verwandten helfen durften, sondern in den LPG eingesetzt wurden.

V. Die Arbeit der VEAB

Die VEAB waren nicht immer in der Lage, den Bauern das Getreide, das durch die schlechte Witterung mitunter einen sehr hohen Feuchtigkeitsgrad hatte, abzunehmen. Sie hatten zur Unterbringung des Getreides nicht die Lagerkapazitäten, die Trocknungs- und Reinigungsanlagen. Außerdem waren auch nicht genügend Arbeitskräfte vorhanden, die das Getreide ständig umschaufeln konnten. Die Bauern, die ihr Getreide wieder mit nach Hause nehmen mussten, waren sehr verärgert und brachten zum Ausdruck, dass die Handlungsweise der VEAB mit der Aufforderung der Regierung, möglichst schnell das Getreide abzuliefern, nicht in Einklang stünde. Hierzu einige Beispiele:

Bezirk Rostock

Die Arbeitsweise verschiedener VEAB verärgerte die Bauern. So wollte z. B. das VEG Böhlendorf, [Kreis] Ribnitz[-Damgarten], 150 dz Braugerste zum VEAB Bad Sülze bringen. Das Getreide wurde jedoch nicht angenommen, da es über 20 % Feuchtigkeitsgehalt hatte und der VEAB außerdem nicht über den nötigen Lagerraum verfügte. Da das VEG selbst auch nicht den nötigen Lagerraum dazu hatte, wurde das Getreide dumpfig und musste an das Vieh verfüttert werden. Ebenso wurden der LPG Heiligenhagen, [Kreis] Doberan, vom VEAB Groß Schwaß 100 dz Roggen nicht abgenommen, weil kein Platz vorhanden war. Das Getreide wurde von der VEAB Satow abgenommen, worauf die Bauern erklärten, dass der VEAB Groß Schwaß nicht arbeitsfähig sei. Im Kreis Wolgast gab es in diesem Zusammenhang heftige Diskussionen unter den Bauern, weil die VEAB bei Getreide mit einem Feuchtigkeitsgehalt von über 18 % den Bauern die vollen Transportkosten und 5,00 DM Trockengebühren berechnete. Zum anderen gab es auch Beispiele, wo VEAB trockenes und nasses Getreide zusammen schütteten und dann durch die Bauern, die trockenes Getreide abgeliefert hatten, Transportkosten und Trockengebühren berechneten. Wichtig ist, dass allgemein die Kapazitäten der VEAB zu gering waren, sodass es z. B. zu Stillstandszeiten bei den Mähdreschern kam.

Bezirk Cottbus

In diesem Jahr gab es nicht solche Schwierigkeiten, wie im vergangenen Jahr. Nur in einzelnen Fällen mussten Bauern ihr Getreide wieder mit nach Hause nehmen, z. B. waren die Bauern der Gemeinde Neuendorf, [Kreis] Lübben, über die Arbeit des VEAB Lübben verärgert. Die Bauern mussten das Getreide, das sie abliefern wollten, in Waggons verladen, obwohl sie die Möglichkeit hatten, es nach Märkisch-Buchholz zu bringen. Außerdem wurde den Bauern ein bestimmter Prozentsatz Geld abgezogen.

Bezirk Dresden

Schwierigkeiten bei der Getreideannahme gab es in Großenhain, da die VEAB keine Trocknungsanlagen bzw. nicht genügend Lagerraum hatten. Das Getreide musste z. T. nach Riesa gefahren werden.

Karl-Marx-Stadt

Die Erfassungsstelle des VEAB in Stangenberg,5 [Kreis] Zwickau[-Land], nahm einigen Einzelbauern das Getreide nicht ab, weil es einen Feuchtigkeitsgehalt von 18,2 % hatte. Dasselbe Getreide wurde noch am selben Tage als Getreide von der LPG in der Erfassungsstelle Thurm abgegeben und auch angenommen. Die Bauern äußern daraufhin, dass die Erfassungsstellen nur die LPG bevorzugen und die Bauern an der Nase herum führen.

Bezirk Halle

In fast allen Kreisen des Bezirkes nehmen die VEAB das Getreide, das mehr als 18 % Feuchtigkeitsgehalt hat, nicht ab. Die Bauern werden verwiesen, das Getreide zur nächsten Trocknungsanlage der VEAB zu bringen. Die Bauern sind darüber sehr verärgert. Der Vorsitzende der LPG Delitz am Berge, Saalkreis,6 sagte z. B.: »Meine Erfassungsstelle ist im Ort und nicht wo anders.« Er schüttete das Getreide bei dem VEAB vor die Tür.

VI. Feindtätigkeit

Direkte Feindtätigkeit in der Landwirtschaft wurde aus den Bezirken nicht gemeldet. Die zahlreichen Beispiele, wo Maschinen zerstört, Reifen gestohlen bzw. wo Eisenstangen usw. in die Erde gesteckt wurden, beweisen jedoch, dass vom Gegner versucht wurde, die Einbringung der Ernte durch Maschinenausfall zu gefährden. Durch Achtsamkeit der Traktoristen konnte oft größerer Schaden verhindert werden. Es gibt aber auch Fälle, wo Maschinen längere Zeit ausfielen, weil nicht rechtzeitig bemerkt wurde, dass z. B. in die Ölwanne Sand geworfen worden war.

Einen beachtlichen Raum nehmen auch die Brände in der Landwirtschaft ein. Durch Brände wurde vielfach neben Gebäuden die ganze Ernte, die in Scheunen untergebracht war, vernichtet. In den Monaten Juli bis Oktober wurden allein 203 Brände gemeldet. Obwohl darunter sehr viel Brände sind, die durch verschiedene Ursachen wie Defekt, Fahrlässigkeit usw. verursacht wurden, wurden auch 24 vermutliche Brandstiftungen und 56 Brände mit unbekannter Ursache festgestellt.

Die meisten Brände wurden aus den Bezirken Dresden, Potsdam, Magdeburg, Leipzig und Schwerin gemeldet. Vermutliche Feindtätigkeit gab es am häufigsten in den Bezirken Potsdam und Neubrandenburg. Einige Beispiele dazu:

  • Am 23.7.1956 wurden im MTS-Brigadestützpunkt Neukalen,7 [Kreis] Malchin, [Bezirk] Neubrandenburg, in der Stäubebombe des Bestäubungsgerätes, Lehmstücke gefunden. Am 27.7.1956 fiel diese Maschine wiederum aus, weil ein Nagel, Blech und Kieselsteine in der Stäubebombe lagen.

  • Am 22.8.1956 wurden zwei Mähdrescher der MTS Kletzin, [Kreis] Demmin, unbrauchbar gemacht. Der 1. Mähdrescher fuhr auf einen in der Erde steckenden Rundeisenstab, im 2. Mähdrescher, der in der LPG Sassen8 eingesetzt war, lag im Getriebekasten eine Mutter von 12 mm.

  • Am 25.9.1956 wurde eine Scheibenegge der LPG Beenz,9 [Kreis] Templin, zerschlagen.

  • Im MTS-Stützpunkt Wesenberg, [Kreis] Neustrelitz, wurde ein Reifen der Kartoffelkombine beschädigt.

  • In der MTS Putlitz, [Kreis] Pritzwalk, wurde am 24.8.1956 von einem Mähbinder ein Laufrad gestohlen. Im Bezirk Potsdam gibt es z. B. acht Fälle, wo von Maschinen Räder bzw. Einzelteile gestohlen wurden.

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    24. Oktober 1956
    Information Nr. 269/56 – Betrifft: Ratenzahlung

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    23. Oktober 1956
    Information Nr. 267/56 – Betrifft: Arbeitsniederlegung und Lohnforderungen (7. Nachtrag zur Information Nr. 231/56)