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Lage im FDGB

22. März 1956
Zur Lage im FDGB [Information Nr. M62/56]

Die Lage im FDGB

In der Deutschen Demokratischen Republik wird mit einer FDGB-Mitgliederzahl von 5 208 000 gerechnet. Diese Zahl schlüsselt sich folgendermaßen auf:

Übersicht [ohne IG Wismut]

IG/Gewerkschaft

Beschäftigte

Mitglieder

 %
[gerundet]

mit Einzelmitglieder

Bergbau

204 110

199 109

97,5

201 800

Metall

794 724

760 252

95,7

779 965

Chemie

250 084

241 654

96,6

246 470

Energie

90 855

87 159

95,9

88 910

Metallurgie

131 336

123 961

94,4

124 785

Bau-Holz

436 344

366 034

83,9

387 471

Druck und Papier

136 439

129 076

94,6

135 943

Textil, Bekleidung, Leder

335 190

325 320

97,1

338 274

Eisenbahn

308 786

286 958

92,9

302 733

Transport

123 373

111 579

90,4

113 434

Post- und Fernmeldewesen

126 361

117 225

92,8

124 098

Land- und Forstwirtschaft

365 936

319 383

87,3

353 021

Nahrung und Genuss

103 759

84 315

81,3

84 315

Handel

512 585

452 799

88,3

461 936

VBV

288 130

270 686

93,9

294 181

Gesundheitswesen

257 746

223 227

86,6

226 690

Unterricht und Erziehung

200 426

181 698

90,7

192 042

Kunst

64 875

57 008

87,9

59 119

Wissenschaft

125 276

86 119

68,7

86 223

Örtliche Wirtschaft

653 038

544 3101

83,4

606 735

Insgesamt

5 509 373

4 967 872

90,2

5 208 145

Die Beschäftigten und Mitglieder, nach der Struktur aufgegliedert, ergeben folgenden Stand:

[Betriebsart]

Beschäftigte

Mitglieder

 %

VE-Betreibe

4 639 387

4 272 821

92,1

Privatbetriebe

455 585

381 959

83,8

OGL/DGL

390 791

294 280

75,3

KGG

11 959

8 550

71,5

GGL

11 451

10 262

89,6

Es ist zu bemerken, dass ein Teil der Mitglieder des FDGB noch nicht gewerkschaftsverbunden sind. Das staatspolitische und das Klassenbewusstsein haben teilweise mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten, da verschiedentlich unter den Mitgliedern Fragen auftauchen wie: »Was habe ich vom FDGB« oder: »Der FDGB ist keine Gewerkschaft mehr«.

Diese Hetze wird vom Klassengegner bewusst durch die Hetzsender, Flugblätter oder Agenten vonseiten des DGB oder Ostbüro der SPD2 unter die Werktätigen der DDR getragen, um dadurch das Vertrauen zum FDGB zu untergraben. Hier zeigt sich aber auch die schlechte Arbeit der einzelnen BGL und AGL. In diesem Zusammenhang ist es notwendig darauf hinzuweisen, dass sich in dieser Form auch die schlechte Arbeit der leitenden Organe des FDGB, des Bundesvorstandes und der einzelnen Zentralvorstände auswirkt, die die unteren Organe zu wenig oder schlecht anleiten und kontrollieren. Diese schlechte Arbeit äußert sich weiter in den schlechten Beitragszahlungen, Beitragsrückständen oder Austritten einzelner Mitglieder. Bei Instrukteureinsätzen vom Bundesvorstand oder den Zentralvorständen ist zu verzeichnen, dass die Funktionäre kaum bis zu den Arbeitern in den Betrieben vorstoßen, sondern nur mit den Bezirksleitungen oder den BGL sprechen.

I. Stimmungen zu wirtschaftlichen Fragen

a) Normen

Gegenwärtig ist eine Reihe Betriebe verschiedener IG dabei, entsprechend dem 25. Plenum des ZK der SED Pläne zur Normenarbeit aufzustellen und die vorhandenen Normen zu überprüfen.3 Die Stimmung zu den Normen ist in einigen VEB gut. So z. B. VEB Möbelwerk Römhild in Meiningen, VEB Holzhalle in Zella-Mehlis4 u. a. Auch werden von verschiedenen Arbeitern Normen verlangt, während ein Teil, die schon nach Normen arbeiten, die Meinung vertreten, dass sie nach Überprüfung der Normen weniger verdienen.

Ursachen zur schlechten Stimmung in Normenfragen liegen besonders in den Normenüberprüfungen ohne vorherige Aussprachen mit den Arbeitern. Die Normenüberprüfungen werden von den TAN-Sachbearbeitern5 oftmals schematisch durchgeführt und sie gehen nicht mit der nötigen Sorgfalt an die überaus wichtige Aufgabe. So kam es z. B. zu Differenzen im VEB Gummiwerk Zeulenroda, [Bezirk] Gera, wobei die Ursache war, dass man auf administrativem Weg neue Normen im gesamten Betrieb einführen wollte. Die BGL hatte es nicht verstanden, die Erklärung von zwölf Kollegen, nach technisch begründeten Arbeitsnormen arbeiten zu wollen, unter der Belegschaft genügend zu popularisieren.

Weitere Unzufriedenheiten treten vor allem in der IG Land und Forst auf. Im Forstwirtschaftsbetrieb Fürstenberg, [Kreis] Gransee, z. B. wurden neue Normen eingeführt, wodurch die Arbeiter der Lohngruppe 6 monatlich 40,00 bis 50,00 DM weniger verdienen und der Gesamtlohn auf 230 bis 240 DM sinkt.6 Dies trifft auch für die Forstarbeiter im Kreis Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, wie für andere Betriebe der IG Land und Forst zu, wo ebenfalls Unzufriedenheiten zu verzeichnen sind.

In der IG Eisenbahn treten Schwierigkeiten im RAW Potsdam in der Normenfrage auf, wo die Arbeiter der Schlosserei erklärten, dass sie mit den Normen nicht einverstanden sind und 80 bis 100 FDGB-Mitglieder aus diesem Grund aus der Gewerkschaft austreten wollen. Weitere Schwierigkeiten in der Normenfrage gibt es in den IG Bau-Holz. Im Kreisbauhof Parchim, [Bezirk] Schwerin, und im VEB Bau Hagenow sind die Arbeiter mit den bestehenden Normen ebenfalls nicht einverstanden und vertreten die Meinung, dass sie Pfuscharbeit leisten müssten, um ihren Verdienst zu erhöhen. Auch im Bezirk Potsdam gibt es in der IG Bau-Holz Unzufriedenheiten über die bestehenden Normen. Im Bezirk Karl-Marx-Stadt tritt als besonderer Schwerpunkt in Normenfragen der VEB Sturmlaternenwerk Beierfeld, [Kreis] Schwarzenberg, in Erscheinung. Hier sollen die TAN erhöht werden, was zu heftigen Diskussionen unter der Belegschaft führte.

b) Lohnfragen

Auf dem Gebiet der Lohnfragen ist zu verzeichnen, dass vor allem die Angehörigen einer hohen Lohngruppe dem Lohngefüge positiv gegenüberstehen, während ein Teil der Kollegen einer niedrigen Lohngruppe negativ zu dem Lohngefüge steht und die Meinung vertritt, dass ihre Arbeit ebenfalls wichtig ist und für sie das Brot das gleiche Geld kostet wie für die anderen. Von einem Teil der Arbeiter verschiedener IG wird zum Ausdruck gebracht, dass sie, obwohl sie die Qualifikation eines Facharbeiters haben, nicht entsprechend ihren Leistungen bezahlt werden. So erfüllte z. B. der Kollege [Name 1] im Mercedes-Werk Zella-Mehlis, Abteilung Fräserei, seine Norm mit 200 % und erhält einen Monatslohn von 380 DM. Die BGL-Funktionäre äußerten sich dazu, dass im Werk ein Überhang an Facharbeitern besteht und demzufolge nicht alle Facharbeiter in die ihnen zustehende Lohngruppe eingestuft werden können. Ähnlich sind die Dinge in den Chemiebetrieben im Kreis Bitterfeld, [Bezirk] Halle, wo die Arbeiter keine Qualifizierungsverträge eingehen, da sie nach der Qualifizierung in der gleichen Lohngruppe bleiben müssen, weil keine Planstellen vorhanden sind.

Im VEB Böhlen und Espenhain, [Kreis] Borna, wird besonders über die dort vorhandenen drei Tarife Bergbau-Chemie-Energie diskutiert. Hier kommt es vor, dass mehrere Personen die gleiche Arbeit verrichten und aufgrund der verschiedenen Tarife im Betrieb unterschiedlich bezahlt werden.

Eine weitere Ursache von Unstimmigkeiten ist das unterschiedliche Ortsklassensystem.7 So verlangen die Kollegen im Sägewerk Baruth, [Kreis] Zossen, [Bezirk] Potsdam, die Abschaffung der unterschiedlichen Ortsklassen A und C. Sie sind nicht einverstanden, dass die Arbeiter in Wünsdorf, [Kreis] Zossen, nach der Ortsklasse A bezahlt werden, da sie im Sägewerk Baruth, [Kreis] Zossen, die gleiche Arbeit leisten, aber nur nach Ortsklasse C bezahlt werden. Selbst innerhalb des Sägewerkes Baruth, [Kreis] Zossen, bestehen diese zwei Ortsklasseneinstufungen. Früher war der Betrieb in die Ortsklasse A eingestuft und heute gehört der Betrieb zur Ortsklasse C. So werden die schon lange im Betrieb tätigen Arbeiter nach der Ortsklasse A bezahlt und die Neueingestellten nach der Ortsklasse C, da eine Rückstufung der Arbeiter, die schon seit Anfang im Betrieb sind, nicht möglich [ist]. Fragen der Ortsklassen gibt es in den IG Handel, Post- und Fernmeldewesen, Bau-Holz und der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung, wobei besonders der Bezirk Potsdam in Erscheinung tritt.

Die meisten Forderungen nach Lohnerhöhungen liegen aus allen Bezirken von der IG Post- und Fernmeldewesen vor, wobei diese Forderung teilweise in äußerst negativer und aggressiver Form gestellt wird. In vielen Fällen wird Bezug auf die Lohnerhöhungen bei der Reichsbahn genommen und behauptet, dass die Arbeit der Post ebenso wichtig wie die der Eisenbahn ist und demzufolge das Lohngefüge verändert werden muss. In der IG Post- und Fernmeldewesen im Bezirk Dresden werden dabei Stimmen laut, wie: »Gebt uns 100 000 DM mehr – oder wir arbeiten im Westen.« Im Hauptpostamt Wernigerode brachte der Angestellte [Name 2] zum Ausdruck: »Wenn das Post- und Fernmeldewesen nur einmal die Arbeit einstellen würde, dann könnte man feststellen, dass für Lohnerhöhungen Geld da ist. Dass Geld im Staatshaushalt vorhanden ist, zeigt das Beispiel der Lohnerhöhungen bei der Reichsbahn.«

Weitere Unzufriedenheiten treten in Diskussionen über Lohngruppenveränderungen auf. So fanden im VEB Fahrzeugbau Waltershausen, [Kreis] Gotha, für bestimmte Arbeiten Lohngruppenherabsetzungen statt. Hierzu äußerten die Arbeiter ihren Unwillen und brachten zum Ausdruck, »dass es immer nur die Arbeiter betrifft und die Angestellten ihr Gehalt weiterbehalten«. Gleiche Erscheinungen traten auch im VEB Waggonbau Gotha auf.

In der Gewerkschaft VBV steht von einem Teil der Angestellten die Forderung der Angleichung der Gehälter an die Großindustrie. Diese Diskussionen treten vor allem im Bezirk Halle in den Verwaltungen des Kreises Bitterfeld auf. Auch in den Verwaltungen im Bezirk Schwerin und Magdeburg treten in der Gewerkschaft VBV gleiche Diskussionen auf.

Als Schwerpunkt im Bezirksvorstand Rostock ist in Lohnfragen das Fischkombinat Saßnitz besonders zu erwähnen. Hier vertreten die Arbeiter die Meinung, dass die Republikflucht, die im Fischkombinat besonders stark ist, auf das Lohnproblem zurückzuführen ist.

Auch im Bereich der IG Nahrung und Genuss treten vor allem im Bezirk Halle Lohnforderungen, teilweise organisiert auf. So bekam der Bezirksvorstand vom Schlachthof Halle und vom Brauhaus Halle Schreiben, in denen Lohnveränderungen gefordert wurden. In einer Versammlung im Schlachthof Halle, wo diese Fragen geklärt werden sollten, diskutierte das BGL-Mitglied [Name 3], dass die Kollegen des Schlachthofes Leipzig darauf warten, wie das Ergebnis der Forderungen auf Einstufung in das Lohngefüge der IG Metall in Halle ausläuft, um dann selbst geeignete Maßnahmen einzuleiten. Ein anderer Kollege verglich die Funktionäre der IG mit den rechten Gewerkschaftsführern, die schon vor 1933 Streiks abgewürgt und Lohnforderungen verhindert hätten. Das BGL-Mitglied [Name 3] übergab dem anwesenden Kaderleiter eine vorbereitete Kündigung, was auch eine Aufforderung an die anderen Kollegen sein sollte, ebenfalls zu kündigen.

c) Prämien

Einen besonderen Schwerpunkt zu den wirtschaftlichen Fragen bilden auch die Diskussionen über Prämien. Durch die Prämienverteilung gibt es in vielen Betrieben Unstimmigkeiten und die meisten Arbeiter und Angestellten sind sich über Sinn und Zweck des Prämiensystems nicht im Klaren. In vielen Diskussionen kommen Tendenzen der Gleichmacherei zum Ausdruck. Auch die Aufklärung der Arbeiter und Angestellten wird durch die Gewerkschaftsfunktionäre in vielen Betrieben nicht gründlich vorgenommen, weil sie zum Teil in dieser Frage selbst unklar sind.

Im VEB Schuhfabrik »Luwal« Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam (IG Textil-Bekleidung-Leder), wurde von den Arbeitern abgelehnt, dass die Prämien der Angestellten höher sind als die der prämiierten Arbeiter. Sie forderten das Gegenteil, da es gerade die Arbeiter sind, die den Plan erfüllen. In der IG Bau-Holz im VEB Tiefbau Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, lehnen die Arbeiter die Prämien für die Intelligenz ab. Als Begründung führen sie an, dass die Intelligenz schon ein hohes Gehalt bekommen würde. In den Betrieben in Zeitz ist ein großer Teil der Belegschaftsmitglieder gegen die Quartalsprämien. So wird unter anderem diskutiert, dass diese Prämien doch nur die Intelligenzler erhalten, die sowieso schon große Gehälter bekommen. Im BKW »Freiheit«, Bezirk Halle, trat die Meinung auf, dass die Schnellreparaturprämien gegenüber dem Vorjahr um 50 % gesenkt würden.

In der IG Land und Forst treten folgende Unklarheiten auf: In den MTS im Bezirk Schwerin wird darüber diskutiert, dass die Brigadiere bei Prämien höher eingestuft werden als die Traktoristen. In der MTS Felgentreu im Bezirk Potsdam lehnen die Arbeiter Wettbewerbe und Verpflichtungen ab, weil die Auswertung ihres bisherigen Wettbewerbes und die damit verbundenen Prämiierungen unterlassen würden. Im VEG Dreveskirchen, [Kreis] Wismar, [Bezirk] Rostock, versuchen die Tierzuchtbrigaden, das Soll äußerst niedrig einzuplanen, um dadurch höhere Prämien bei Sollerfüllung zu erhalten.

Weitere Unstimmigkeiten gibt es auch bei der Verteilung der Prämien. So sind die Angestellten beim Rat des Kreises [Bad] Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., der Meinung, dass die Prämien immer nur Funktionäre und dieselben Kollegen erhalten. Ähnliche Diskussionen treten auch in der IG Wismut auf, wo die Kumpels die Ansicht vertreten, dass die Prämien immer nur die Steiger bekommen und die BGL sich bei der Prämienverteilung zu wenig einschalten.

d) Urlaub

In verschiedenen IG werden auch Diskussionen zur Verlängerung von Urlaub geführt.8 Diese Diskussionen gehen teilweise in Forderungen über, wobei versucht wird, die negativen Forderungen als Vorschläge im BKV (Betriebskollektivvertrag) 1956 mit aufzunehmen. So wurde im Karl-Marx-Werk Babelsberg, [Bezirk] Potsdam, von der BGL verlangt, im BKV aufzunehmen, dass alle einen 18-tägigen Urlaub bekommen und bei 10-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Treueurlaub gewährt wird. Im VEB Schlepperwerk Nordhausen wurden von den Arbeitern für die Dreischichtarbeit drei Tage Zusatzurlaub gefordert.

Auch im VEB Braunkohlenwerk Nachterstedt,9 [Bezirk] Halle, verlangen die alleinstehenden weiblichen Beschäftigten, die einen eigenen Haushalt führen, einen Haushaltstag.10 Gleichzeitig wird für alle Belegschaftsmitglieder eine einheitliche Urlaubsregelung verlangt. Hierzu wurde vorgeschlagen, für die Direktion 24 Arbeitstage und für die übrigen Werksangehörigen 18 Tage Urlaub zu gewähren.

Besonders treten in der IG Post- und Fernmeldewesen Forderungen nach Urlaubsverlängerungen auf. Diese Erscheinungen sind in allen Bezirken zu verzeichnen, wobei die Urlaubsforderungen teilweise in sehr aggressiver Form ausgedrückt werden. So stellte z. B. die Kollegin [Name 4] vom Fernmeldeamt Leipzig in einer Aktivtagung ebenfalls in provokatorischer Weise die Forderung auf längeren Urlaub. Im Hauptpostamt Wernigerode äußerte der Kollege [Name 5]: »Unser Zentralvorstand verhandelt schon lange, er müsste endlich einmal auf den Tisch hauen und längeren Urlaub für uns ältere Kollegen fordern.«

II. Tätigkeit der Gewerkschaft

a) Die Arbeit der zentralen Leitungen

Im Bundesvorstand sowie in den Zentralvorständen des FDGB gibt es wohl einige Beispiele für eine gute Leitungsarbeit, im Allgemeinen jedoch ist die Arbeit der leitenden Organe nicht auf der Höhe der gestellten Aufgaben. Ein größerer Mangel, angefangen beim Bundesvorstand bis zu den Bezirks- und Gebietsvorständen, besteht in der Anleitung und Kontrolle.

Ein besonders schlechter Zustand ist, dass die Instrukteure des Bundesvorstandes und der einzelnen Zentralvorstände sich in der Anleitung größtenteils auf die Bezirksvorstände beschränken und bei Einsätzen kaum mit den Arbeitern in den Betrieben sprechen. Die Anleitung der Zentralvorstände geschieht meist im Präsidium des Bundesvorstandes, da die 1. Vorsitzenden des ZV gleichzeitig Mitglied des Präsidiums des Bundesvorstandes sind. Eine Anleitung der einzelnen Abteilungen der Zentralvorstände durch den Bundesvorstand ist kaum vorhanden. So werden z. B. lediglich vom Zentralvorstand VBV monatlich die Abteilungsleiter zum Bundesvorstand bestellt, wo ihnen die Beschlüsse nochmals erläutert werden, die im vergangenen Monat ausgegeben wurden.

Ähnlich ist es im Zentralvorstand Nahrung und Genuss, wo monatlich jeweils eine Abteilung zum Bundesvorstand bestellt wird und Bericht erstatten muss. Hier wird von den Mitarbeitern die Meinung vertreten, dass dadurch ein ganzer Arbeitstag vergeudet wird, weil die dort zu berichtenden Dinge dem Bundesvorstand bereits schriftlich mitgeteilt wurden. Besonders wird durch den Zentralvorstand Metallurgie Kritik am Bundesvorstand geübt. So hat der Bundesvorstand bis zum 1.3.1956 betreffs Wettbewerbe mit dem Zentralvorstand in keiner Form Absprachen geführt. Auch in Fragen der BKV wurde kritisiert, dass vom Bundesvorstand wenig Initiative entwickelt wird.

Die Arbeit der Zentralvorstände

Auch in der Arbeit der Zentralvorstände gibt es einige positive Beispiele, die sich in einer guten Anleitung der untergeordneten Stellen zeigen. Die Anleitung der untergeordneten Organe des FDGB durch die Zentralvorstände erfolgt durch Instrukteureinsätze sowie teilweise in Besprechungen mit dem Vorsitzenden und Stellvertretern der Bezirksvorstände, die zentral in Berlin durchgeführt werden. Hierbei wird Anleitung zur Verbesserung der Arbeit, Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur Durchführung sozialistischer Wettbewerbe gegeben.

Bei den Besprechungen am 29. und 30.12.1955 des Zentralvorstandes Metall mit den Vorsitzenden der Bezirksvorstände wurden zum Beispiel die Aufgaben für die Erarbeitung des BKV 1956 unter Berücksichtigung der neuen Technik festgelegt. Die Bezirksvorstände erhielten die Anweisung die Gebietsvorstände auf dieser Grundlage anzuleiten, dass dieselben Maßnahmen für ihren Gebietsbereich ausarbeiten [sic!]. Alle Funktionäre erhielten die Aufgabe, in Gewerkschaftsgruppenversammlungen mit den Arbeitern diese Tagung auszuwerten. Diese Form der Anleitung trifft fast auf alle Zentralvorstände zu. Beim Zentralvorstand Metallurgie bestehen allerdings keine Bezirksvorstände, sodass eine ständige und direkte Verbindung zur Basis vorhanden ist. Die Anleitung erfolgt direkt und wirkt sich dadurch positiv aus. So konnten z. B. die einzelnen BKV vor der Beschlussfassung im Zentralvorstand in Gegenwart der zuständigen BGL und Wirtschaftsfunktionäre durchgearbeitet werden. Als schlechtes Beispiel muss der Zentralvorstand Gewerkschaft Wissenschaft erwähnt werden. Hier ist die Anleitung der unteren Organe unregelmäßig und unqualifiziert. Die Hauptschwäche besteht darin, dass die Beschlüsse nicht schnell und präzise realisiert werden. Beim Zentralvorstand Textil-Bekleidung-Leder ist zu verzeichnen, dass die gefassten Beschlüsse noch zu wenig in die Betriebe kommen, sondern nur bis in die Gebiete dringen.

Ein Mangel bei den Instrukteuren aller Zentralvorstände ist, dass die Instrukteure bei ihren Einsätzen Fehler feststellen, aber noch zu wenig verändern. Auch ist bei allen Zentralvorständen festzustellen, dass die Instrukteure zu wenig in Betriebe kommen und mit den Arbeitern an der Werkbank sprechen. So bemängelt der Vorsitzende des Zentralvorstandes Post- und Fernmeldewesen, dass seine Instrukteure zu wenig in die Betriebe kommen, was teilweise an den vielen Sitzungen liegt. Auch im Zentralvorstand Nahrung und Genuss gibt es ebenfalls Mitarbeiter, die in den Betrieben lediglich mit den BGL und nicht mit den Arbeitern sprechen. Dies trifft auch für den Zentralvorstand VBV zu. Hier zeigt sich, dass die Funktionäre vielfach Angst vor Auseinandersetzungen mit den Arbeitern haben.

Ein weiterer Mangel, der für alle Zentralvorstände zutrifft, ist die ungenügende Qualifikation bei einem Teil der Mitarbeiter. So wurden von den Mitarbeitern des Zentralvorstandes Gesundheitswesen oft unqualifizierte Sekretariatsvorlagen eingereicht. Z. B. war die Vorlage für die Regelung der Entlohnung des Bereitschaftsdienstes der Ärzte derart kompliziert formuliert, dass nach einer 2-stündigen Diskussion im Sekretariat noch keine Klarheit über die Auslegung der einzelnen Punkte herrschte und die Vorlage zurückgewiesen wurde. Auch in den Zentralvorständen Metallurgie, Energie und Wissenschaft haben verschiedene Mitarbeiter noch nicht das nötige Fachwissen. Im Zentralvorstand Bau-Holz nimmt der Vorsitzende zu gestellten Fragen oft nicht konkret Stellung, sodass Mitarbeiter, ohne Klarheit über die Beschlüsse zu haben, aus dem Sekretariat gehen.

Negativ auf eine Reihe der Mitarbeiter des Bundesvorstandes und der Zentralvorstände wirken sich teilweise die Wohnungsfrage sowie bei verschiedenen Funktionären Gehaltsfragen aus. So äußerte der ehemalige Funktionär im Bundesvorstand, [Vorname Name 6], Abteilung Prod.-Massenarbeit: »Ich habe keine Lust mehr im Bundesvorstand zu arbeiten, denn ich will nicht mehr länger von meiner Familie getrennt sein. Wohnung erhalte ich ja doch nicht, deshalb will ich wieder nach Glauchau zurück.« Da ein entsprechender Antrag des [Name 6] abgewiesen wurde, äußerte er: »Wenn man mich nicht freiwillig gehen lässt, dann drehe ich eben ein Ding, dass man mich rausschmeißt.« Kurze Zeit später musste [Name 6] wegen einer Verfehlung entlassen werden. Auch der Mitarbeiter [Name 7, Vorname] vom Bundesvorstand äußerte schon wiederholt: »Ihr braucht euch nicht wundern, wenn ich eines Tages nicht zur Arbeit komme, sondern zu Hause in Erfurt sitze.« [Name 7] ist schon vier Jahre von seiner Familie getrennt. Ähnliche Diskussionen gibt es auch in den Zentralvorständen Nahrung und Genuss, Energie, Druck und Papier, Unterricht und Erziehung und Kunst, wo die Funktionäre ebenfalls schon jahrelang von ihren Familien getrennt sind.

Weitere Unstimmigkeiten gibt es verschiedentlich im Bundesvorstand in Gehaltsfragen. So verdient der Sektionsleiter für Wettbewerbe, [Name 8], weniger als der Mitarbeiter [Name 9], der als Instrukteur im Sektor Wettbewerbe tätig ist. Auch der [Name 7], Abteilung Prod.-Massenarbeit äußerte, dass er nicht einverstanden ist, dass er nach einem einjährigen Schulbesuch weniger verdient als vorher.

Unter den führenden Mitarbeitern des Zentralvorstandes Wissenschaft gibt es moralische Schwächen. So hatte der [Position], obwohl er verheiratet ist, schon mehrere Verhältnisse mit technischen Mitarbeiterinnen. Dies trifft auch auf den persönlichen Referenten [Name 10] und den Abteilungsleiter [Name 11] zu.

Im Bezirksvorstand Wissenschaft ist die Fluktuation unter den technischen Mitarbeiterinnen ziemlich groß. Unter den Mitarbeitern des Zentralvorstandes machen sich auch westliche Einflüsse stark bemerkbar. So wird oft von den »schönen Dingen in Westberlin« gesprochen. Auch überraschten sich zwei Mitarbeiter des Zentralvorstandes in einer Wechselstube in Westberlin.

b) Die Arbeit der Gewerkschaftsgruppen

Die Arbeit der einzelnen Gewerkschaftsgruppen innerhalb der Bezirksvorstände des FDGB ist verschieden. So gibt es eine Reihe von Beispielen, die zeigen, dass die Funktionäre ihre Arbeit verstehen und dementsprechend Erfolge aufzuweisen haben. In vielen AGL und BGL ist aber noch ein Hauptmangel, dass sie zu wenig mit den Arbeitern sprechen und die politische Aufklärung den BPO überlassen. Ein weiterer Mangel äußert sich zum Teil auch in der Form, dass die BGL nicht genügend ihren Einfluss bei den Produktionsbesprechungen geltend machen oder dass die Funktionäre keine Verbindung zu den Gewerkschaftsgruppen, vor allem den Dorfgewerkschaftsgruppen unterhalten. Auch Bürokratismus und Nachlässigkeit zeigen sich in einzelnen Gewerkschaftsgruppen, die sich negativ auf die Arbeit in den Betrieben auswirken. Des Weiteren gibt es Fälle, wo durch moralische Schwächen von Funktionären das Vertrauen zur Gewerkschaft geschwächt wird und wo ungenügende Qualifikation der einzelnen Mitarbeiter, wie in den Bezirksvorständen Gera und Schwerin, die Ursachen einer unbefriedigenden Gewerkschaftsarbeit sind.

Aus dem Bezirksvorstand Dresden werden einige positive Beispiele der Gewerkschaftsarbeit aus den Großbetrieben berichtet. Eine gute Arbeit in den Gewerkschaftsgruppen zeigt sich vor allem dort, wo die Gewerkschaftsgruppenorganisatoren, AGL und BGL stark sind, eng mit den BPO zusammenarbeiten und das Vertrauen der Arbeiter haben. Eine erfolgreiche Arbeit leisten u. a. die Gewerkschaftsgruppen im Sachsenwerk Radeberg,11 [Bezirk] Dresden. Hier sind alle Beschäftigten im FDGB organisiert und es werden Wettbewerbe von Brigade zu Brigade organisiert. Als Beispiel für gute Arbeit der Gewerkschaftsgruppen in der IG Land und Forst sei das VEG Groß-Stieten, [Kreis] Wismar, [Bezirk] Rostock, erwähnt. Hier übernahm die Belegschaft im Zusammenhang mit dem Wilhelm-Pieck-Aufgebot12 Verpflichtungen, die einen Wert von 180 000 DM ausmachten und bereits bis zu 170 000 DM realisiert wurden.

Schlechte Beispiele gibt es vor allem dort, wo die Gewerkschaftsfunktionäre sich nicht in den Betrieben sehen lassen oder sich nicht um die Gewerkschaftsgruppen kümmern. So war z. B. der Gebietssekretär der IG Nahrung und Genuss im Kreis Stavenhagen,13 [Bezirk] Neubrandenburg, am 1. Mai 1955 das letzte Mal im VEB Rohtabak.14 Die BGL ist sich selbst überlassen und ideologisch zu schwach ihre Aufgaben zu lösen. Der BGL ist nicht einmal bekannt, welche Kommissionen in einem Betrieb vorhanden sein müssen. Auch im Bezirk Cottbus sind ähnliche Fälle zu verzeichnen. So war vorgesehen, dass zur Auswertung der 21. Tagung des Bundesvorstandes15 die verantwortlichen Funktionäre an den Gruppenversammlungen teilnehmen. Im Bezirksvorstand Cottbus hielten sich einige Funktionäre nicht an diesen Beschluss. So war der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall sowie der Kaderleiter in noch keiner Versammlung zur Auswertung der 21. Bundesvorstandstagung.

Im VEB Kühl- und Gefrierhaus Neubarmin, [Kreis] Seelow, [Bezirk] Frankfurt/O., besteht keine Gewerkschaftsgruppe und es hat sich vonseiten des FDGB auch noch niemand darum gekümmert. Auch im VEB Kalksteinwerk Bad Bibra, [Bezirk] Halle, besteht keine BGL und verschiedene Arbeiter sind schon aus dem FDGB ausgetreten. Weitere Fälle sind aus der IG Land und Forst, Bezirk Neubrandenburg, IG Bau-Holz Anklam, Land und Forst Rostock und Schwerin bekannt.

Eine schlechte Gewerkschaftsarbeit zeigt sich auch in der Form, dass die BGL nicht genügend Einfluss auf die Produktionsberatungen nehmen. So leistet die BGL im Fischkombinat Saßnitz, [Kreis] Rügen, keine systematische Arbeit und nutzte die Produktionsberatungen nicht dazu, um die Kollegen für die Arbeit anzuspornen, sondern man beschäftigte sich vorwiegend mit anderen wirtschaftlichen Fragen, die später zu negativen Diskussionen führten. Auch im Alubau Wismar, [Bezirk] Rostock, wurde eine Produktionsbesprechung durchgeführt, zu der die meisten Kollegen und der BGLler nicht anwesend waren. Dazu äußerte sich der Schlosser [Name 12]: »Was nützt uns der BGL-Vorsitzende, wenn er doch den ganzen Tag in seiner Bude sitzt.« Weitere Beispiele sind aus dem Bezirken Leipzig, Suhl, Cottbus bekannt.

Äußerst ungenügend ist die Arbeit auch in verschiedenen Dorfgewerkschaftsgruppen. So ist in den Gemeinden Kayna und Würchwitz,16 [Bezirk] Halle, der Einfluss der Großbauern spürbar und es wird keine Gewerkschaftsarbeit geleistet. Dasselbe ist im Bezirk Schwerin zu verzeichnen. In den Gemeinden Rieps,17 Stove,18 Roggendorf und Lübthem19 im Kreis Gadebusch zeigt sich ebenfalls der Einfluss der Großbauern und der Kirche. Auch im Bezirk Neubrandenburg besteht vonseiten des Kreisvorstandes keine Verbindung zu den Dorfgewerkschaftsleitungen, sodass seit Monaten keine Anleitung und Kontrolle durchgeführt wird. Auch aus den IG Land und Forst Rostock, Leipzig, Suhl und Halle werden ähnliche Beispiele berichtet.

Die schlechte Arbeit von Betriebsgewerkschaftsgruppenleitungen äußert sich auch in vielen IG und Gewerkschaften in Austritten, Beitragsrückständen oder im Bezahlen von Beiträgen, die dem Lohn entsprechend zu niedrig sind. So zeigte eine Mitgliedsbuch-Kontrolle in der IG Bau-Holz im Bezirksvorstand Dresden, dass große Schwächen in der pünktlichen Zahlung sowie in der dem Verdienst entsprechenden Beitragshöhe bestehen.

In der Gewerkschaft Wissenschaft zeigte sich ein besonderer Schwerpunkt in der Universität Greifswald. Hier traten im September 1955 vier Ärzte aus dem FDGB mit der Begründung aus, dass der FDGB der verlängerte Arm der SED wäre. Hierbei handelte es sich um Ärzte an der Kinderklinik Greifswald. Auch in der Werkstatt des Fischkombinates Saßnitz, [Bezirk] Rostock, traten einige Mitglieder aus dem FDGB aus. Andere zahlreiche Mitglieder legen keinen Wert mehr auf ihre Mitgliedschaft und befinden sich seit Monaten im Beitragsrückstand. Im VEB Ölwerk Wittenberge, [Kreis] Perleberg, [Bezirk] Schwerin, nimmt selbst der Gewerkschaftsgruppenorganisator der Abteilung Rundschleiferei eine negative Haltung ein und sagte wiederholt zu den Arbeitern bei der Beitragskassierung: »Versauft lieber eurer Geld, als dass ihr es dem FDGB gebt.« Auch aus den Bezirken Potsdam, Frankfurt/O., Suhl und Halle sind ähnliche Fälle bekannt.

Auch in Bürokratismus, Nachlässigkeit und Verantwortungslosigkeit kommt die schlechte Arbeit von FDGB-Funktionären zum Ausdruck. So reichte der Kollege [Name 13] vom Baukontor I Schneeberg, [Kreis] Oberschlema, seit Juli 1954 30 Verbesserungsvorschläge bei der BGL ein, keiner von diesen Vorschlägen wurde bearbeitet. Bei der BGL der Universität Greifswald beantragte die Dr. [Name 14] einen Ferienplatz. Da sie keinen bekam, wandte sie sich an die Kirche und erhielt einen Ferienplatz in einem kircheneigenen Gebäude bei Magdeburg.

Anlässlich des Geburtstages des Präsidenten sollten in den Betrieben Sammlungen durchgeführt werden.20 So wurden von der BGL der Messerschmiede Leegebruch, [Kreis] Oranienburg, der IG Metall 112 DM übergeben. Als ein Vertreter der IG Metall mit den Arbeitern im Betrieb über diese Spende sprach, stellte sich heraus, dass die BGL keine Sammlung durchgeführt hatte und die 112 DM aus einem Betriebsfonds entnahm. Die Arbeiter verurteilten das Verhalten der BGL und erklärten sich bereit einen Stundenlohn zu spenden.

Andere Gründe, die das Vertrauen zu den Gewerkschaftsfunktionären untergraben und zur schlechten Gewerkschaftsarbeit führen, sind die moralischen Verfehlungen von Gewerkschaftsfunktionären. Dies wurde vor allem aus der IG Wismut bekannt. So gibt es etliche moralische Verfehlungen von FDGB-Funktionären, die das Vertrauen der Kumpel zu der Gewerkschaft schwächen.

  • Im Schacht [Nr.] Aue wurde im November 1955 die Org.-Leiterin der BGL wegen Unterschlagung festgenommen. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass ein Verhältnis zum Kreisvorsitzenden der IG Wismut bestand.

  • Im Schacht [Nr.] Aue musste der BGL-Vorsitzende [von] seiner Funktion entbunden werden, da er Verhältnisse zu undurchsichtigen Frauen unterhielt und in seinem Panzerschrank 12 Ferienplätze vom vergangenen Jahr aufbewahrte, die er verfallen ließ.

  • Auch in anderen Schächten mussten BGL-Vorsitzende und Funktionäre aus den unteren Leitungen wegen unmoralischem Verhalten entlassen werden.

c) Die Arbeit an den Betriebskollektiv-Verträgen

Von verschiedenen Bezirksvorständen wurden unmittelbar nach dem 21. Plenum des Bundesvorstandes konkrete Maßnahmen zur Erarbeitung der BKV getroffen. Es gibt aber auch Leitungen, die erst sehr spät die Erarbeitung der Betriebskollektivverträge in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt haben. So gab es in verschiedenen Betrieben Verzögerungen in der Vorbereitung, wodurch die Gefahr besteht, dass die BKV teilweise auf Kosten des Inhaltes, nur um den Termin einzuhalten, übereilt abgeschlossen werden. In vielen IG besteht kein Überblick über den Stand der Vorbereitungen. Die Gewerkschaftsfunktionäre achten auch teilweise zu wenig auf die Einhaltung der Beschlüsse der 21. Tagung des Bundesvorstandes, sodass in verschiedenen Betrieben die Erarbeitung des Entwurfes zum BKV einzelnen Betriebsangehörigen zur Aufgabe gestellt wurde, ohne die Gewerkschaftsgruppen genügend an der Erarbeitung der Entwürfe zu beteiligen. Trotzdem es bei den Diskussionen zum BKV viele Vorschläge zur Technisierung, Mechanisierung und Automatisierung der Produktion gab, traten in verschiedenen Betrieben negative Diskussionen in Form von Forderungen auf, die mit in den BKV aufgenommen werden sollten.

Zur qualitativen Verbesserung der BKV gegenüber der im vergangenen Jahr abgeschlossenen Verträge kann festgestellt werden, dass dort, wo mit den Arbeitern intensiv darüber diskutiert wurde, eine wesentliche Verbesserung festzustellen ist. Dort treten die Diskussionen zur Mechanisierung und Automatisierung in den Vordergrund. So zeigten z. B. die Techniker und Ingenieure im EKS, [Bezirk] Frankfurt/O., eine große Bereitschaft, neue Methoden im Arbeitsprozess in Anwendung zu bringen. Der Ingenieur [Name 15] stellte im EKS die Forderung, den anfallenden Gischt- und Wirblerstaub zu Erzkoks zu verarbeiten, wodurch im Jahr ca. 25 000 Tonnen Roheisen gewonnen wurden. In verschiedenen Betrieben beteiligt sich die ganze Belegschaft an der Erarbeitung der BKV. So zum Beispiel ist eine rege Diskussion zum BKV in der Mathias-Thesen-Werft zu verzeichnen. Auch im Kranbau Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O., wurde der BKV von der Belegschaft in Gruppen beraten, wo von den Arbeitern gute Hinweise gegeben wurden.

Andererseits ist in verschiedenen Betrieben zu verzeichnen, dass die BKV nur durch einzelne Betriebsangehörige ausgearbeitet werden. So wurde im Nähmaschinenwerk Wittenberge, [Kreis] Perleberg, der BKV nicht in allen Abteilungen diskutiert. Im Fliesenwerk Boizenburg sollte der Entwurf von 50 Kollegen gemeinsam erarbeitet werden. Es wurde aber festgestellt, dass die BGL die Beschlüsse der 21. Tagung des Bundesvorstandes missachtet und mit dem Abteilungsleiter für Arbeit den Entwurf erarbeitete. Diese Tatsachen gibt es auch in den Bezirken Schwerin, Rostock, Potsdam, Frankfurt/O., Gera und Suhl.

In verschiedenen Gewerkschaftsgruppenversammlungen zum BKV wurden von einzelnen Arbeitern auch Lohnforderungen gestellt, die mit in den BKV aufgenommen werden sollten. So traten z. B. im VEB Geologische Bohrungen Gommern, [Bezirk] Magdeburg, Diskussionen auf, wo mit den Vorschlägen zum BKV höhere Entlohnung der kaufmännischen Angestellten gefordert wurde. Derartige Beispiele gibt es auch in der IG Post- und Fernmeldewesen und in der IG Metall.

d) Der Einfluss des FDGB auf die Angehörigen der Intelligenz

Positive Auswirkungen zur Gewinnung der Intelligenz für die Aufgaben unserer Volkswirtschaft zeigen sich besonders, wo die Gewerkschaftsgruppen aktiv arbeiten und engen Kontakt mit der Intelligenz suchen. So werden in verschiedenen Betrieben individuelle Aussprachen mit den Angehörigen der Intelligenz geführt, die gute Erfolge zeigen. Der positive Einfluss der Gewerkschaftsgruppen zeigt sich auch teilweise in den Diskussionen zum BKV, wo von den Angehörigen der Intelligenz gute Vorschläge gemacht werden oder Verpflichtungen übernommen wurden. Die Arbeit der Gewerkschaftsgruppen zur Gewinnung der Intelligenz ist jedoch im Allgemeinen noch ungenügend. Die Gründe dafür sind mit in der ungenügenden Qualifikation einzelner Gewerkschaftsfunktionäre zu sehen, die sich vor Auseinandersetzungen scheuen oder die teilweise selbst Unklarheiten in Fragen der Intelligenz wie z. B. Prämien usw. haben.

In einer Reihe von Betrieben ist es den Gewerkschaftsleitungen gelungen, einen guten Einfluss auf die Intelligenz zu nehmen und sie für die Aufgaben unserer Wirtschaftspläne zu gewinnen. So war es z. B. im Sachsenwerk Radeberg, [Bezirk] Dresden, möglich, dass mehrere Ingenieure Patenschaften für Brigaden und Lehrlinge übernahmen, die bisher gute Erfolge zeigten. In der IG Bergbau Karl-Marx-Stadt werden z. B. zwischen den Funktionären des Bezirksvorstandes und den Angehörigen der Intelligenz individuelle Aussprachen geführt, die ebenfalls positive Ergebnisse zeigten. So wurde mit einem ehemaligen Grubendirektor, der jetzt Rentner ist, eine Aussprache geführt, wobei derselbe erklärte: »Die Regierung der DDR hat mir eine gute Intelligenz-Rente ermöglicht. Aufgrund dessen erkläre ich mich bereit, in meiner ehemaligen Tätigkeit mitzuarbeiten, weil ihr eine gute Sache einführt. Darüber hinaus werde ich ehrenamtlich im Neuerer-Aktiv mitarbeiten.«

Durch eine schlechte Gewerkschaftsarbeit gibt es aber auch Beispiele, wo die Intelligenz abgestoßen wird und kein Vertrauen zu den BGL besteht. Dies kommt in den Äußerungen des Konstrukteurs [Name 16] von der Mathias-Thesen-Werft Wismar besonders zum Ausdruck: »Die Gewerkschaft ist in vielen Dingen nicht das, was sie sein soll. Die durchgeführten Kurzversammlungen haben weder Kopf noch Fuß. In der letzten Versammlung war zu sehen, dass der AGL-Vorsitzende selbst nicht wusste, was er wollte. Außerdem ist die Anleitung durch die übergeordneten FDGB-Leitungen äußerst schlecht, sie lassen sich nur dann sehen, wenn es wo brennt.«

Im VEB Kjellberg, [Kreis] Fürstenwalde,21 [Bezirk] Cottbus, hat der technische Direktor Diplom-Ingenieur Krusche, seit Jahren mehrere Verbesserungsvorschläge und Erfindungen eingereicht, die einen Nutzen von 1,8 Mio. DM brachten. Er schlug ferner ein Schweißverfahren vor, wodurch weiterhin 1 Mio. DM eingespart wurde. Ein Vorschlag, ihn als »Verdienter Aktivist« oder »Verdienter Erfinder« auszuzeichnen, wurde vom Ministerium für Maschinenbau abgelehnt. Die Begründung der Ablehnung wurde ihm jedoch nicht mitgeteilt, sodass K. zum Ausdruck brachte, dass er nicht versteht, dass sich die BGL so wenig um die Intelligenz kümmert.

Auch in der Peenewerft Wolgast ist eine schlechte Gewerkschaftsarbeit zu verzeichnen. Dort äußerte sich der Diplom-Ingenieur [Name 17], dass er während seiner zweijährigen Tätigkeit im Betrieb immer darauf gewartet habe, dass sich der FDGB oder die Partei einmal mit den Kollegen befassen und mit ihnen über persönliche Dinge sowie über ihre Arbeit und Entwicklungsmöglichkeiten sprechen würden. Das ist aber bisher nicht der Fall gewesen und es sei ein sehr schlechtes Verhältnis zu den Massen.

Weitere Objekte des mangelhaften Einflusses des FDGB auf die Angehörigen der Intelligenz sind z. B. VEB Braunkohlenwerk Holzweißig, [Bezirk] Halle, Braunkohlenwerk »Freiheit« in Bitterfeld, MPA Finsterwalde, [Bezirk] Cottbus, und das Hans-Ammon-Werk in Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O.

III. Feindtätigkeit

Eine organisierte Feindarbeit im Funktionärsapparat des FDGB konnte bisher noch nicht festgestellt werden. An Feindtätigkeit wurden folgende Fälle bekannt:

In Weißenfels, [Bezirk] Halle, kam es im Clubhaus der Lederarbeiter zu Tätigkeiten gegenüber den Gewerkschaftsfunktionären. Der Anführer war ein gewisser [Name 18]. [Name 18] bezeichnete die Funktionäre als Schweine, welche die Beitragsgelder verprassen.

Der Inhaber des Privatbetriebes [Name 19] in Glauchau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, äußerte einem FDGB-Funktionär gegenüber: »Seit zwei Jahren haben wir Frieden gehabt und versuchen sie jetzt nicht diesen Betriebsfrieden zu stören.« Nachdem der Funktionär den Betrieb verlassen hatte, äußerte der Sohn des Unternehmers in der Abteilung Zuschneiderei: »Wenn ich diesen Gewerkschaftsfunktionär noch einmal erwische, schlage ich ihn zusammen.«

Weiter besteht in Magdeburg eine Gesellschaft fremdgeschriebener Zimmergesellen, die versucht, durch Fremdschreibungen junge Facharbeiter aus der DDR nach Westdeutschland abzuziehen.22 Die fremdgeschriebenen Facharbeiter zahlen an die Gesellschaft 35,00 DM und bekommen nach 14 Tagen ihre Fremdpapiere. Bei der Fremdschreibung müssen das Mitgliedsbuch der Gesellschaft und der Gesellenbrief vorliegen. Von der Gesellschaft werden sie nach Westberlin gewiesen, wo sie sich bei einer Dienststelle des DGB melden müssen. Von dort werden sie nach Hannover geflogen, bekommen dort vom DGB 20,00 DM und beginnen ihre Wanderschaft.

Ende 1955 bekamen im Bezirk Magdeburg 15 Personen Geschenkpakete vom IBFG23 aus Westberlin, mit der Aufforderung Antwort zu geben. In allen Fällen wurde geantwortet und es besteht der Verdacht der Abwerbungen. In den meisten Fällen handelt es sich um Personen, die aufgrund des 17.6.1953 inhaftiert waren oder deren Angehörige noch inhaftiert sind.

Feindpropaganda durch das Ostbüro des DGB und Ostbüro der SPD

Das Ostbüro des DGB sowie das Ostbüro der SPD versuchen durch Einschleusen von Hetzmaterial in die DDR mittels Ballons, Briefsendungen oder ihre Agenturen, das Vertrauen der Arbeiter zur Regierung der DDR, zur Partei sowie zum FDGB zu untergraben. Sie verbreiten weiterhin über ihre Hetzsender RIAS und »Freies Berlin«24 die gemeinsten Lügen über den FDGB und versuchen durch ihre Hetze die Arbeiter von der Steigerung der Arbeitsproduktivität abzuhalten und damit die Pläne unserer Volkswirtschaft zum Scheitern zu bringen.

So wurde durch das Ostbüro des DGB im Februar 1956 in 1 622 Briefsendungen Hetzmaterial in die DDR eingeschleust, was sichergestellt wurde. Schwerpunktbezirke sind dabei:

  • Schwerin mit 357 Sendungen,

  • Neubrandenburg mit 268 Sendungen,

  • Berlin mit 120 Sendungen.

Durch das Ostbüro der SPD wurden im gleichen Zeitraum 3 060 Briefsendungen mit Hetzmaterial in das Gebiet der DDR eingeschleust, die sichergestellt wurden. Schwerpunktebezirke sind hier:

  • Schwerin mit 700 Sendungen,

  • Rostock mit 644 Sendungen,

  • Leipzig mit 328 Sendungen.

Durch das Ostbüro der SPD wurden im Februar mittels Ballons 111 230 Hetzschriften eingeschleust, die sichergestellt werden konnten. Schwerpunktbezirke sind hier:

  • Berlin mit 27 671 Hetzschriften,

  • Potsdam mit 22 921 Hetzschriften,

  • Halle mit 24 465 Hetzschriften.

Auswirkungen dieses Feindeinflusses zeigen sich in folgenden Beispielen:

  • In der IG Wismut äußerte der Schießmeister [Name 20] vom Schacht 208: »Unsere Gewerkschaft ist keine Gewerkschaft im Interesse der Arbeiter. Der FDGB führt nur alle Maßnahmen der Partei durch. Im Westen vertreten die Gewerkschaften ihre Aufgaben richtig.«

  • Im Schacht 207 (Aue) wurde ein Zettel mit der Aufschrift gefunden: »Kollegen arbeitet nicht so schnell, dass könnte Euer Tod sein.«

  • In der IG Bau Berlin zeigten sich ähnliche Einflüsse des Gegners auf einer Baustelle des VEB Bau in der Swedxkistraße.25 Hier wurde ein Transparent angebracht mit der Aufschrift: »Mehr Lohn – weniger Arbeit«.

Das vorliegende Material zeigt, dass die Organe des MfS die Objekte des FDGB in Berlin noch ungenügend durch GI bearbeiten, da26 zum größten Teil offizielles Material vorliegt. Auch die Berichte aus den Bezirksverwaltungen zeigen, dass die Objekte des FDGB noch nicht intensiv bearbeitet werden, da sich das Material auf einzelne Betriebe, nicht aber auf die Arbeit der Bezirks-, Gebiets- oder Kreisvorstände bezieht.

  1. Zum nächsten Dokument Kritische Stimmen zu Walter Ulbricht (1)

    23. März 1956
    Hetze gegen den Genossen Walter Ulbricht (1. Bericht) [Information Nr. M63/56]

  2. Zum vorherigen Dokument Zweiwochenbericht

    22. März 1956
    Informationsdienst Nr. 6 zur Beurteilung der Situation in der DDR