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Westliche Presse- und Rundfunkberichte zur Situation in der DDR

13. Januar 1956
Feindpropaganda [Information Nr. M7/56]

Die von den Feindzentralen1 über die Westsender bzw. durch die Westzeitungen und Hetzschriften verbreitete Propaganda konzentrierte sich seit Anfang Dezember 1955 vor allem auf folgende Schwerpunkte:

  • I.

    Fragen der Volkswirtschaft

    • 1.)

      Industrie

    • 2.)

      Landwirtschaft

    • 3.)

      Versorgung

  • II.

    Hetze gegen den Staatsapparat der DDR

    • 1.)

      Ministerium für Staatssicherheit

    • 2.)

      Justizorgane

  • III.

    Stellungnahmen zur Republikflucht

  • IV.

    Feindpropaganda zum Jahreswechsel

  • V.

    Hetze gegen die FDJ

I. Fragen der Volkswirtschaft

1.) Industrie

Die Propaganda der Feindzentralen und der Feindsender befasst sich besonders mit einzelnen im Beschluss des 25. Plenums behandelten Problemen,2 um die Arbeiter in der Industrie aufzuhetzen und von der Erfüllung dieser Aufgaben abzuhalten. In der Hetzschrift »Die kleine Tribüne« Nr. 113 wird zur Arbeitsmoral Stellung genommen. Dabei werden eingangs führende Genossen verleumdet und der »Unmoral« bezichtigt. Danach wird gehetzt, dass der »hohe Krankenstand« und damit verbunden der Verlust von »Millionen Arbeitsstunden« auf den »schlechten Gesundheitszustand« zurückzuführen wäre. Weiter wird in diesem Zusammenhang von den zeitweiligen Versorgungsschwierigkeiten gesprochen und diese als Ursache für den »schlechten Gesundheitszustand« angegeben. Weiter wird in diesem Zusammenhang gehetzt, dass die Arbeiter »allmählich die Lust an der Arbeit verlieren würden«, da die Regierung bisher »kein Versprechen gehalten habe« und die Arbeiter, »so wie sie gestern gearbeitet haben, heute nicht leben«.4 Schließlich wird gegen die Normen gehetzt und angeführt, dass »die Arbeiter nicht das leiseste Gefühl haben, gerecht und anständig entlohnt zu werden«. Abschließend dazu wird die Einführung der 40-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert. In der gleichen Hetzschrift wird in diesem Artikel über die Intelligenz gehetzt, dass es die Aufgabe der Arbeiter wäre, »die Intelligenz auf die Seite zu ziehen auf die sie auch gehört: die Seite des Rechts, der Menschlichkeit und Freiheit«. Dadurch sollen die Arbeiter aufgehetzt werden, die Angehörigen der Intelligenz zur Republikflucht aufzufordern.

Am stärksten nimmt der RIAS in seinen Hetzsendungen zu einzelnen Problemen des 25. Plenums Stellung. In einer Sendung vom 20.12.1955 gibt er »Hinweise«, wie sich die Arbeiter bei Normenerhöhung, Hochleistungsschichten und Wettbewerben verhalten sollen. Bei Normenerhöhungen, so hetzt RIAS, »muss man langsam arbeiten«. Um Überstunden, Hochleistungsschichten und Wettbewerbe sowie den damit verbundenen »Lohndruck abzuwenden, kann man kurze Warnstreiks durchführen«. Schließlich könnte man, »um die Forderungen durchzudrücken, kurzfristig die Arbeit niederlegen«. Als Beweis wird abschließend ein angeblich erfolgreicher Sitzstreik der Transportarbeiter im VEB Rollfuhrdienst Berlin angeführt. Eingangs wird darauf hingewiesen, dass diese Hinweise einer Broschüre der KPD-Landesleitung Nordrhein-Westfalen entnommen wurden, da »die KPD nicht daran denken würde, ihre Erfahrungen auch den Arbeitern in der DDR zu übermitteln«. Dadurch soll der Eindruck erweckt werden, dass die SED und KPD gemeinsam die Arbeiter in der DDR »verraten« würden.

Am 21.12.1955 nimmt RIAS in seiner Sendung zur Forderung nach Mechanisierung und Automatisierung Stellung.5 Er hetzt, dass dieses Ziel »in erster Linie mit innerbetrieblichen Mitteln erreicht werden soll.« Deshalb sei man heute »wie nie zu vor« auf die Mitarbeit der Belegschaft angewiesen. Diese »Bereitschaft zur Mitarbeit der Belegschaften ist aber schwächer geworden«, da die Prämien für die Einreichung von Verbesserungsvorschlägen »nicht in voller Höhe« ausgezahlt würden und niemand sagen könnte, wann die Restbeträge ausgezahlt werden.

Weiterhin hetzen RIAS und »Freies Berlin« in ihren Sendungen gegen den Abschluss von Betriebskollektivverträgen und fordern die Arbeiter zu passivem Verhalten bei Abgabe von Verpflichtungen auf, da »die meisten Werkleiter, Abteilungschefs, Meister und Brigadiere mit leeren Händen vor die Belegschaften treten« würden. Außerdem würden die Mittel für Gesundheitsfürsorge und Arbeitsschutz in den neuen Kollektivverträgen »erheblich gekürzt« und es zeige sich darin, dass »der FDGB gar nicht daran denkt, die Forderungen der Arbeiter zu vertreten und ihre Verwirklichung vertraglich festzulegen«.

2.) Landwirtschaft

In den Sendungen des RIAS über die Landwirtschaft wird jeweils zu den augenblicklich in der DDR aktuellsten Problemen gehetzt. In der letzten Zeit wurde besonders stark gegen die IV. LPG-Konferenz gehetzt.6 Die Hörer wurden darauf hingewiesen, die Reden besonders aufmerksam zu verfolgen, denn sie geben einige »interessante Hinweise über die wirklichen Verhältnisse in der Landwirtschaft der DDR und man brauche sich nicht zu wundern, wenn die Verbraucher in der Sowjetzone immer weniger Aussicht haben, ausreichend mit hochwertigen Nahrungsmitteln versorgt zu werden«. Die gefasste Entschließung wird als überflüssig bezeichnet, denn die Bauern wüssten selbst was sie zu tun und zu lassen hätten. Gegen die Ausführungen des Genossen Walter Ulbricht wird gehetzt, dass sie wahrscheinlich eine Flut von Verordnungen zur Folge hätten.7

Am 5.1.1956 fordert RIAS die Bauern auf, der Winterschulung fernzubleiben. In der Frage der Ablieferung setzt RIAS seine Hetze fort, dass die Vergünstigungen nach wie vor nur den LPG zugute kämen. Zur Beunruhigung der Bevölkerung spricht RIAS von der Futtermittelknappheit, in deren Folge die Bauern dieses Jahr ihr Ablieferungssoll nicht erfüllen könnten. Z. B. heißt es dazu: »… Die SED weiß natürlich, dass bei der außerordentlichen Futterknappheit ein großer Teil der Bauern gezwungen ist, Vieh abzustoßen, wenn nicht in diesem Jahr dasselbe eintreten soll wie im Vorjahr. Hier mussten viele Tausend Rinder und Schweine notgeschlachtet werden bzw. den Seuchen zum Opfer gefallen sind [sic!]. Wenn dann die Bauern dieses Vieh wegen Futtermangel abstoßen mussten, im nächsten Jahr nicht in der Lage sind ihr Soll zu erfüllen, dann wird die SED nicht zögern diesen Bauern zu unterstellen, sie hätten ihr Vieh nicht wegen dem Futtermangel abgeschafft, sondern weil es ihnen der RIAS geraten hätte.«

Die Westpresse nahm bisher nur vereinzelt zur »Grünen Woche«, die vom 27.1. bis 5.2.1956 in Westberlin stattfindet, Stellung: Eine Sendung des RIAS vom 31.12.1955 war ausschließlich für die Bevölkerung der DDR bestimmt und verfolgte einmal den Zweck, auf die »Grüne Woche« aufmerksam zu machen und zum anderen zum Besuch einzuladen. Über das Ziel der Einladung kam zum Ausdruck, dass auf der Ausstellung die Hetze gegen die LPG und MTS fortgesetzt werden soll. Z. B. sagte ein Verantwortlicher (Dr. Oberlack):8 »Wir werden jetzt noch besser als früher den Besuchern aus der Sowjetzone zeigen können, dass man sehr wohl Großmaschinen gebrauchen kann, eben für große Güter.«

Der »Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen«9 teilt in der Hetzschrift »Der Bauernbrief«, die auf dem Postwege verbreitet wird, mit, dass auf der »Grünen Woche« eine »Sonderberatungsstelle« des UfJ eingerichtet wird. »Beratung« erfolgt im Hotel-Pension »Haus Tannen«, Karolingerplatz 9, täglich von 8.00 bis 18.00 Uhr.10

3.) Versorgung

Zur Versorgung der Bevölkerung der DDR hetzte die Westberliner Zeitung »Der Kurier« v. 10.1.1956: »Sowjetzone steht vor einer neuen Versorgungskrise«. Es heißt dann weiter, dass nicht die von unserer Regierung (genannt wird besonders der Artikel des »Neuen Deutschlands« »Über einige Fragen der Ernährung«)11 angegebenen Gründe dafür zutreffend wären, sondern »die wirklichen Ursachen lägen im System begründet«. Dazu werden genannt: »Zerschlagung des Grundbesitzes, hundertprozentige Anwendung planwirtschaftlicher Methoden« u. a. Anschließend versucht »Der Kurier« eine »sich schon jetzt abzeichnende Versorgungskrise« anhand einzelner Beispiele zu beweisen. U. a. wird gesprochen von akuter »Fleischknappheit, empfindlicher werdendem Futtermangel, geringeren Getreideaufkommen«. Unter Hinzuziehung von Zahlen ist der ganze Artikel darauf abgestimmt, die Bevölkerung der DDR zu beunruhigen und letzten Endes zu Hamstereinkäufen zu verleiten.12

Die KgU13 versandte im Dezember 1955 einen Hetzbrief, in dem zum Boykott der HO und gleichzeitig zu Hamstereinkäufen aufgerufen wurde. Dies wird als »Selbsthilfe der Bevölkerung gegen den großen Druck« bezeichnet. U. a. heißt es: »… Diese Selbsthilfemaßnahmen der Bevölkerung beginnen damit – wer es noch nicht wissen sollte, dass nicht mehr in den HO-Läden gekauft wird – außer Lebensmittel! Denn die HO mit ihren überkapitalistischen Gewinnanteilen ist die größte Stütze des kommunistischen Regimes! Wer auf alle HO-Waren – außer Lebensmittel – verzichtet, unterstützt seinen eigenen Wunsch nach Freiheit! Wer alle Lebensmittel – möglichst kiloweise – im HO kauft, beschleunigt den geballten Willen aller Unterdrückten in Mitteldeutschland und setzt die kommunistische Regierung und ihre Funktionäre in Angst und Schrecken!«

II. Hetze gegen den Staatsapparat der DDR

In den letzten Wochen zeigte sich eine verstärkte Hetze gegen den Staatsapparat der DDR und dabei besonders gegen das Ministerium für Staatssicherheit und die Justizorgane. Dabei kam es dem Gegner vor allem darauf an, die Thesen von der »Unfreiheit in der DDR« zu erläutern und die Bevölkerung der DDR dahingehend zu beeinflussen, dass sie unter ständigem Zwang und dauernder »Bespitzelung« zu leiden haben.

1. Arbeit des MfS

In einem Rückblick des Sender Freies Berlin heißt es zur Arbeit des MfS: »Februar – ein Jubiläum besonderer Art. 5 Jahre SSD,14 5 Jahre politische Verhaftungen und Spitzelverpflichtungen. An der Spitze des Apparates ein Mann, der sich durch Rücksichtlosigkeit auszeichnet, Ernst Wollweber«.15 Übelste Hetze gegen den Genossen Minister Wollweber enthält auch die Hetzschrift »Der Tag« Nr. 50.16 Zur Verleumdung des MfS ist auch ein Artikel des »Telegraf Wochenspiegels« Nr. 44 bestimmt, in welchem davon gesprochen wird, dass »zahlreiche SSD-Agenten« von der Westberliner Polizei verhaftet wurden bzw. sich freiwillig Westberliner Behörden stellten. Dabei wird auch immer wieder die »Menschenraub-Theorie« aufgestellt.17

Auch die KgU verleumdet das MfS in mehreren Hetzschreiben, die durch die Post versandt werden. In einem an die Bevölkerung des Bezirkes Schwerin gerichteten Schreiben heißt es, dass ein KVP-Angehöriger von Prora, welcher aus Parchim stammt, von dem »SSD« »ermordet« worden sei. Neben der Verleumdung des MfS wird hier gleichzeitig der Zweck verfolgt, vom Eintritt in die KVP abzuhalten.

Das gleiche Beispiel erwähnt die KgU auch in einer Hetzschrift mit dem Titel »Dem lichtscheuen Gesindel des SSD im Stammbuch«. Darin setzt man sich insbesondere noch mit den Veröffentlichungen unserer Presse über die KgU auseinander und versucht alle derartigen Angaben – wie z. B. Geständnis des Agenten Rupprecht Wagner,18 Prozess gegen Pritzwalker Agentengruppe19 u. a. – als »Lügenprodukt des SSD« hinzustellen. Es wird gehetzt, dass das MfS Misserfolge der Arbeit durch einen Propagandafeldzug vertuschen wolle. Die Hetze richtet sich gleichzeitig in der bereits bekannten Art gegen den Genossen Minister Wollweber. Das Hetzschreiben schließt mit folgender Aufforderung: »Der Staatssicherheitsdienst ist eine verbrecherische Organisation! Mit ihm kann man nicht paktieren, man muss ihn bekämpfen! Übt Solidarität!«

Zur Zersetzung der Sicherheitsorgane sind zwei Hetzschreiben der KgU bestimmt, die einmal »An alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, Geheimen Mitarbeiter und geheimen Informatoren des Ministeriums für Staatssicherheit« und zum anderen an »Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Inneren Truppen« gerichtet wurden. In dem erstgenannten Schreiben werden die Fälle aufgezählt, wo ehemalige Mitarbeiter der Sicherheitsorgane der UdSSR als Verräter entlarvt und bestraft wurden, und die KgU knüpft daran die Hetze, dass »der SSD in Wirklichkeit eine verbrecherische Organisation ist«. Dazu heißt es noch, dass die Verurteilten nur die Befehle ihrer Vorgesetzten ausgeführt hätten und »dass über kurz oder lang fast jeder Angehörige des Sicherheitsdienstes in Ungnade fällt«. Die Angehörigen des MfS werden aufgefordert, sich »nicht durch ein hohes Gehalt blenden« zu lassen und »nicht zu warten bis es zu spät ist«. Um Unsicherheit in die Reihen der Inneren Truppen zu tragen, wird die angebliche Existenz einer »Widerstandsgruppe Dora III« bekannt gegeben und es heißt dazu, dass sie jeden beobachtet.20 Im Übrigen enthält das Schreiben Hetze gegen unsere leitenden Genossen und den Angehörigen der Inneren Truppen wird angesprochen, dass er »nur zum persönlichen Schutz dieser Genossen« da sei, wobei man an den 17. Juni 1953 erinnert. [sic!] Das Schreiben schließt mit folgenden Worten: »Denke an Dich, Deine Familie und an Deine Zukunft! Du möchtest doch bestimmt nicht nach der Wiedervereinigung Deutschlands von einem Volksgericht abgeurteilt werden.«

2. Hetze gegen die Justizorgane

Nach Veröffentlichung des Gesetzes über die »Eheschließung und Eheauflösung«21 setzte eine größere Hetzkampagne gegen die Justizorgane ein. Die Hetzschrift »Der Tag« Nr. 50 hetzt in einem Artikel, »dass die Kommunisten die Ehegesetzgebung genauso aus politischen Gründen missbrauchen werden, wie es die Nazis mit dem 1938 von ihnen geschaffenen Gesetz aus rassisch-politischen Gründen taten«.22

Die Tagung unserer Justizorgane im Dezember 195523 nimmt »Der Tag« in der Nr. 52 zum Anlass der Hetze, dass die »SED Klassenjustiz propagiert« und dass es für 1956 »keine Versprechungen, nur Drohungen« gab. Die Hetzschrift befasst sich besonders mit folgenden Fragen: – Staatsverbrechen, Abwerbung nach dem Westen, Boykotthetze, Klassenkampf auf dem Lande, Disziplinarregelung u. a.24

Zum Beschluss des Ministerrates der DDR über die Freilassung von Häftlingen25 wurde in mehreren Fällen gehetzt. Dabei wurde immer wieder gehetzt, dass nur ein verschwindend kleiner Teil der »politischen Häftlinge« entlassen worden wäre, dass »noch Tausende in den Kerkern schmachten und dass die Bevölkerung der DDR weiter deren Freilassung fordern soll.«

III. Stellungnahmen zur Republikflucht

Immer wieder versteigt sich die westdeutsche Propagandamaschine zu der Feststellung, dass sie an den Republikflüchtigen nicht interessiert sind und dass der »Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen wiederholt der Bevölkerung der Zone zugerufen habe, ihre Heimat nur in äußerster Not zu verlassen«. Demgegenüber hetzt der RIAS in einer Sendung vom 7.1.1956, dass die SED »Abwerbungen« vornehme, wobei sie die Maßnahmen verleumdet, mit welchen republikflüchtige Jugendliche zur Rückkehr in die DDR veranlasst werden sollen.

Bei der Hetze über Maßnahmen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zur Eindämmung der Republikflucht hetzte der RIAS in mehreren Sendungen über ein Vorkommnis in Karl-Marx-Stadt. Die »Chemnitzer Volksstimme« hatte Mitte Dezember 1955 eine Diskussion über die Republikflucht unter dem Titel »Republikflucht – Irrtum oder Verrat« entfaltet. Am 23. Dezember wurde dazu eine äußerst negative Stellungnahme veröffentlicht, in der es u. a. heißt: »… Wir haben keine Demokratie …«.26 Der RIAS, welcher die betreffenden Leserzuschriften wörtlich zitierte, nahm dies am 29.12.1955 als Anlass zu der Hetze, dass unsere Regierung eine Kampagne startet, um die Meinung der Bevölkerung der DDR zur Republikflucht zu hören. RIAS sagt wörtlich: »… Aus diesem Grunde wählt die SED eine Industriestadt, um hier mithilfe einer öffentlichen Diskussion das heiße Eisen gewissermaßen beispielhaft für die ganze Zone abzukühlen.«

Nachdem der verantwortliche Mitarbeiter der »Chemnitzer Volksstimme« wegen verantwortungslosem Arbeiten zur Rechenschaft gezogen wurde und die Redaktion am 4.1.1956 seine selbstkritische Stellungnahme veröffentlichte,27 greift RIAS das wieder auf und spricht von einem »traurigen Schauspiel«. Er hetzt, dass der einfache Arbeiter über diese Zuschrift erfreut gewesen sei, aber die Bezirksleitung der SED könnte die Wahrheit nicht vertragen. Gleichzeitig argumentiert RIAS, dass die Veröffentlichung der Zuschrift nur beweise, dass auch die Redakteure anders denken, als wie sie in der Zeitung schreiben müssten.

IV. Feindpropaganda zum Jahreswechsel

Die Feindpropaganda benutzt den Jahreswechsel immer dazu, um in Rückblicken die gesamte Hetze des vergangenen Jahres zu wiederholen und gegen die DDR und die SU zu hetzen. Bei den letzten Sendungen konzentrierte sich der Westberliner Rundfunk vor allem auf den Abschluss des 1. Fünfjahrplanes.28 Es wird gehetzt, dass die Regierung und Partei ihre eigenen Gesetze nicht einhalten (z. B. Gesetz über den Fünfjahrplan),29 während gegenüber anderen Gesetzesverletzern schärfstens vorgegangen würde. Als Beispiel wird das weitere Vorhandensein von Lebensmittelkarten angeführt30 und u. a. heißt es dazu im RIAS vom 3.1.1956: »Der Plan ist gewiss nicht nur in diesen Punkten nicht erfüllt worden. Die Preise wurden nicht um 28 % gesenkt, sondern nur um 11 %. Die Rationierung wurde nicht aufgehoben. Nach wie vor schleppen sich die Hausfrauen mit den Lebensmittelkarten herum, schnipseln die Einzelhändler mühsam mit ihren Scheren an diesen Dokumenten des Mangels …«.

In einer Hetzschrift der KgU (»Resignation ist tödlich«) wird auf folgende Fragen in der bereits bekannten Form nochmals eingegangen:

  • Genfer Konferenzen,31

  • Wiedervereinigung Deutschlands,

  • Souveränität der DDR,

  • 25. Plenum.

Die Hetzschrift gibt zum Schluss Hinweise über das Verhalten der Bevölkerung der DDR.

  • Eltern und Erzieher sollen den Kindern »die Wahrheit« sagen oder »ihnen die Wahrheit durch Besuche im Westen, durch geeignete Bücher oder durch eigenes Beispiel anschaulich machen«.

  • Mit »passiver Resistenz« soll »für die Menschlichkeit« gekämpft werden. Dazu werden die Werktätigen aufgefordert, nur so viel zu leisten, damit sie ihre Familien ernähren können; auf Qualität käme es dabei nicht an.

  • Gleichzeitig wird zur »Solidarität der Unterdrückten« aufgerufen.

V. Hetze gegen die FDJ

Nach wie vor sprechen die westlichen Rundfunkstationen in mehreren Sendungen vor allem Jugendliche an und entfalten dabei eine wüste Hetze gegen die FDJ. Die hierbei verwandten Argumente sind bereits bekannt und enthalten nichts Neues. In den letzten Wochen beschäftigt man sich besonders mit

  • Berufsausbildung,

  • Wanderungen der FDJ,

  • Dienst bei der KVP.

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    14. Januar 1956
    Die Stimmung zur Neufestsetzung der Arbeitsnormen [Information Nr. M8/56]

  2. Zum vorherigen Dokument Besuche der sowjetischen Delegation (3)

    13. Januar 1956
    Zusammenstellung weiterer Äußerungen über den Besuch der sowjetischen Delegation [3. Bericht] [Information Nr. M6/56]