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Zweiwochenbericht

7. Dezember 1956
Informationsdienst Nr. 21 zur Beurteilung der Situation in der DDR

Die Lage in Industrie und Verkehr

Politische Probleme

Die Beschäftigten in den Industrie- und Verkehrsbetrieben, der Landwirtschaft sowie große Teile der übrigen Bevölkerung äußerten in der Berichtszeit ihre Meinung hauptsächlich zu den Ereignissen in Ägypten1 und Ungarn2 und zur Rede Titos3 sowie zur Bildung von Arbeiterkomitees.4 Über die Meinungen zu den Ereignissen in Ungarn und zur Bildung von Arbeiterkomitees erfolgen – aufgrund des Umfanges bzw. der Bedeutung – gesonderte Informationen.5

Zu den Ereignissen in Ägypten sind die Meinungen überwiegend positiv. Der Überfall der Engländer und Franzosen wird verurteilt und die Bestrafung der Schuldigen vor einem internationalen Gericht gefordert. In der Mehrzahl der Meinungen kommt zum Ausdruck, dass die Gefahr eines neuen Weltkrieges nahe gerückt war. Vereinzelt wird daran die Hoffnung geknüpft, dass keine Freiwilligen aus der SU und China eingesetzt und die Aggressoren zum Rückzug gezwungen wurden. Im Wesentlichen wurden wieder die Argumente bekannt, die schon mehrfach berichtet wurden.

Aus den Bezirken Leipzig, Gera und Karl-Marx-Stadt wurden Meinungen zur Rede Titos bekannt. In der Mehrzahl äußerten sich dazu Angestellte und Mitglieder der SED in den volkseigenen Betrieben. Aus allen Meinungen ist ersichtlich, dass die Rede Titos, besonders die Ausführungen gegen die SU und KPdSU sowie andere Bruderparteien, Verwirrung in der Form geschaffen haben, dass indirekt die Frage gestellt wird, ob die Politik Stalins gegenüber Jugoslawien nicht doch richtig gewesen ist. Die von Tito gemachten Ausführungen dieser Art werden in vorliegenden Meinungen nicht gebilligt und betont, dass Tito mit seiner Rede seine zwiespältige Politik offenbart. Vereinzelt wurden auch Argumente westlicher Sender zum Ausdruck gebracht, wie – Tito hat sich von der SU entfernt und auf die Seite der USA gestellt – oder – zwischen Tito und der SU ist es zu neuen Auseinandersetzungen gekommen (Bezirk Leipzig).

Die wesentlichen Argumente sind:

  • »Tito führt eine zwiespältige Politik. Bemerkenswert ist der Artikel in der ›Prawda‹, der auf freundschaftliche Weise Unklarheiten beseitigen will.«6 (VEB Galvanotechnik Leipzig – Angestellter)

  • »Was ist nun richtig, der Stalinismus oder Titoismus?« (Arbeiter und Mitglieder der SED im Bezirk Gera)

  • »Tito hat in der Frage Ungarn seine Hände im Spiel. Vor dem Rajk-Prozess7 war er in Ungarn, jetzt war er wieder in Ungarn und schon war wieder etwas los da unten.« (Lehrausbilder der LPG Wiesenburg,8 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt)

  • »Das Verhalten verstehe ich nicht. In dieser Situation dürfte es keine Meinungsverschiedenheiten geben. Das Eingreifen der Sowjetunion in Ungarn halte ich für richtig.« (Rechtsanwalt aus Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt)

  • »Stalin hat in der Frage Jugoslawien doch richtig gehandelt. Es durfte natürlich nicht solche Ausmaße annehmen, dass plötzlich die Verbindungen zu diesem Lande abgebrochen wurden.« (Angehörige der VP im VPKA Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt)

Ökonomische Probleme

Kohleversorgung

In der Versorgung der Industrie und der Reichsbahn mit Kohle sind durch die ungenügende Planerfüllung und die Nichterfüllung der Importpläne größere Schwierigkeiten eingetreten. So war z. B. ein Import von 8,2 Mio. Tonnen Steinkohle geplant, davon 90 % aus der Volksrepublik Polen. Nach letzten Verhandlungen wurde der Import auf 7,2 Mio. Tonnen reduziert. Jedoch wird die Volksrepublik Polen nur 3 Mio. Tonnen liefern können.

Die Planerfüllung bei Rohkohle, Siebkohle und Briketts ist in unserer Republik sehr ungenügend. Per 20.11.1956 bestanden folgende Planrückstände: Rohkohlenförderung 5,3 Mio. Tonnen, Sieb- und Steinkohle 1,3 Mill Tonnen, Brikettherstellung 0,6 Mill Tonnen. Diese großen Rückstände in der Förderung wirken sich natürlich auf die Industrie, vor allem auf die Gaserzeugung sowie auf die Belieferung der deutschen Reichsbahn aus. Dazu folgende Beispiele:

  • Die Papierfabrik Großenhain, [Bezirk] Dresden, bekommt täglich nur 220 bis 250 t Kohle angeliefert, obwohl der Verbrauch bei 320 t liegt. Dadurch muss die Reserve des Betriebes angerissen werden, welche nicht für die Produktion sondern für Heizungszwecke der Werkhallen in einem Katastrophenfalle bestimmt ist.

  • Ein Schwerpunkt zeigt sich in der Kohleversorgung im Kraftwerk Finkenheerd, [Kreis] Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/O. Der Betrieb benötigt für eine 24-stündige volle Auslastung 3 200 t Braunkohle. Aus den BKW Großräschen und Finkenheerd werden aber nur ca. 1 800 t gebracht und diese Lieferungen kommen auch noch unregelmäßig. Durch diese ungenügenden Lieferungen ist die Auslastung der vier Turbinen nicht gewährleistet.

  • Im Gaswerk Bautzen, [Bezirk] Dresden, bestehen Schwierigkeiten in der Steinkohlenbelieferung. Am 30.11.1956 war das Werk gezwungen, eine Stunde die gesamte Gasabnahme abzuschalten. Ähnlich verhält es sich im Gaswerk Dresden-Reick. Dort musste am 3.12.1956 ab 11.00 Uhr die Gasversorgung wegen Kohlenmangel auf die Stufe C herabgesetzt werden. Es konnten somit nur die wichtigsten Betriebe mit Gas versorgt werden. Eine Neuanlieferung von Steinkohle zur Gasversorgung ist noch nicht bekannt.

Ebenfalls werden von der deutschen Reichsbahn Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung bekannt. So war z. B. Ende November 1956 im gesamten Rbd-Bezirk Berlin keine Steinkohle vorhanden. Auch die schlechte Qualität der Briketts führte in diesem Bezirk dazu, dass im Monat November 1956 117 Fälle von Dampfmangel auftraten, was bisher im gesamten Jahr nicht vorgekommen war. In vier Fällen mussten sogar die Loks ausspannen und die Züge stehen lassen, weil sie keine Kohlen mehr hatten. Zurzeit ist ein Vorrat an Kohle von durchschnittlich zwei Tagen im Rbd-Bezirk Berlin vorhanden.

Im Rbd-Bezirk Halle wird über die schlechte Qualität der polnischen Steinkohle geklagt, welche oft nur zu 50 % für die Beheizung der Loks brauchbar ist. Im Bw Altenburg ist oft die Kohle so stark mit Sand und Schiefer durchsetzt, dass bis zu 50 % für die Lokbekohlung unbrauchbar ist und auf die Schutthalde gefahren wird. Dem Bw entstand dadurch bis jetzt im Jahre 1956 eine Mehrausgabe von 38 000 DM. Ebenfalls wird noch aus den Rbd-Bezirken Schwerin und Greifswald über die schlechte Qualität der Briketts und Steinkohle geklagt, die sich nicht für die Lokbekohlung eignet.

Produktionsstörungen und Ausfälle in der Zeit vom 19.11. bis 6.12.1956

  • Durch Störungen an Abraumgeräten, Baggern, durch Zugzusammenstöße und Entgleisungen infolge schlechter Gleisanlagen kam es in den Braunkohlenrevieren der Kreise Altenburg und Borna, [Bezirk] Leipzig, und im Braunkohlenwerk Harbke, [Bezirk] Magdeburg, zu folgenden Ausfällen: Abraum 232 030 cbm, Rohkohle 63 920 t, Briketts 42 309 t. Der finanzielle Gesamtschaden beträgt 638 152 DM. Die größten Ausfälle entstanden in den Werken Regis, Witznitz, Schleenhain und Espenhain, [Kreis] Borna, Zipsendorf und Phönix, [Kreis] Altenburg, und Harbke, [Kreis] Oschersleben, [Bezirk] Magdeburg.

  • Allein im VEB BKW Zipsendorf, [Kreis] Altenburg, [Bezirk] Leipzig, entsteht seit 10.11.1956 täglich ein Ausfall von rund 11 000 cbm Abraum, 1 000 t Rohkohle und 200 t Briketts. Der Ausfall wird durch eine Störung an einer Turbine von rund 8 000 kWh hervorgerufen. Dadurch stehen verschiedene Abraumgeräte. Eine Reparatur ist in Anbetracht der Tatsache, dass Mitte Dezember eine neue Turbine in Betrieb genommen wird, nicht vorgesehen.

  • In der Brikettfabrik Völpke, [Bezirk] Magdeburg, entstehen Störungen dadurch, dass die Trockner des Öfteren abgestellt werden müssen, da die angelieferte Kohle unregelmäßig eingeht und einen zu hohen Feuchtigkeitsgehalt besitzt.

  • Am 21.11.1956 entstand im Arthur-Teuchert-Steinkohlen-Schacht Freital, [Bezirk] Dresden, ein Arbeitsausfall von 45 Minuten durch den Ausfall eines Kompressors.

  • Am 26.11.1956 fiel im Objekt 101 Zwickau [der] Wismut aufgrund eines Defektes aus unbekannter Ursache im Lager die Kugelmühle 3 für 2,5 Stunden aus.

  • Am 20.11.1956 kam es im Hydrierwerk Zeitz, [Bezirk] Halle, durch Ausbrennen von drei Stromwandlern infolge Kurzschlusses in der 100-kV-Leitung zu einer Betriebsstörung. Der Schaden beträgt ca. 50 000 bis 60 000 DM.

  • Der VEB Schott Jena, [Bezirk] Gera, musste die Produktion einschränken, da es an Borax fehlt. Die Arbeiter mussten vorübergehend andere Arbeiten verrichten.

  • Im VEB Jenapharm Jena, [Bezirk] Gera, kommt es durch das Ausbleiben der Importe an Mais aus Ungarn zu Stockungen in der Penicillinherstellung.

  • Im Kraftwerk des Braunkohlenwerkes Nachterstedt, [Bezirk] Halle, fiel am 19.11.1956 der Generator IV aus, weil der Generator bei der Generalreparatur nicht ordnungsgemäß isoliert wurde. Schaden durch 20 Minuten Betriebsausfall 36 000 DM.

  • Am 3. und 4.12.1956 fielen im Kraftwerk Klingenberg, Berlin, infolge Rohrreißer [sic!] zwei Kessel aus. Der Energieausfall betrug 25 MW. Die Reparaturen wurden bis 5.12.1956 beendet.

  • Am 26.11.1956 musste im VEB Stahlwerk Riesa das Stabwalzwerk von 9.45 bis 11.10 Uhr die Produktion einstellen. Ursache: der Kühlwasserabfluss und der Hauptkanal waren verstopft.

  • Am 28.11.1956 fiel in der Zuckerfabrik Oschersleben, [Bezirk] Magdeburg, infolge eines Bruches die Transmissionswelle einer bereits im Jahr 1892 in Betrieb genommenen Maschine aus. Schaden ca. 15 000 DM.

  • Am 1.12.1956 kam es in der Zuckerfabrik Jarmen, [Kreis] Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg, zu einem Produktionsausfall in Höhe von 7 000 DM. Ursache: Bruch einer Kurbelwelle am Transportband.

  • Am 30.11.1956 erfolgte im Kaliwerk »Glück auf« Sondershausen, [Bezirk] Erfurt, infolge Materialermüdung ein Seilbruch, wodurch die Produktion vorübergehend bis 3.12.1956 eingestellt werden musste. Der Produktionsausfall beträgt ca. 78 000 DM.

  • Am 3.12.1956 wurde im Kalikombinat »Ernst Thälmann« Merkers, [Bezirk] Suhl, durch eine Explosion im Abzweigschalter die Stromzufuhr des gesamten Betriebes unterbrochen. Der Produktionsausfall beträgt ca. 29 000 DM.

  • Im VEB Textilwerk Pleißengrund Crimmitschau,9 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, stehen täglich 20 Webstühle still, da es an Wollkammgarn fehlt. Die Arbeiter verrichten Nebenarbeiten.

  • Die Vereinigten Sägewerke Fürstenberg, [Kreis] Gransee, [Bezirk] Frankfurt/O.,10 sind in ihrer Produktion behindert, da die Werke voll Schnittholz liegen, jedoch keine Freigabe erteilt wird.

Brände entstanden

  • Am 24.11.1956 im VEB Sächsische Kunstseidenwerke Pirna, [Bezirk] Dresden, durch Fahrlässigkeit eines Rohrlegers. Brand wurde sofort gelöscht.

  • Am 25.11.1956 im BKW Berzdorf, [Kreis] Görlitz, [Bezirk] Dresden, vermutlich durch Funkenflug in einem Gebäude, in dem sich die elektrische Installation und der Motor befand. Schaden 1 500 DM.

  • Am 24.11.1956 in der Wagenwerkstatt des RAW »Einheit« Engelsdorf, [Kreis] Leipzig[-Land]. Vermutlich durch Schweißarbeiten geriet der Bohlenbelag des Elektroschweißstandes in Brand und brannte ab. Schaden ca. 800 DM.

  • Am 25.11.1956 vermutlich durch Funkenflug einer Betriebslok in einem Lagerschuppen des VEB Straßen- und Tiefbau Althüttendorf, [Kreis] Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O. Schaden ca. 10 000 DM.

  • Am 21.11.1956 aus unbekannter Ursache im VEB Tewa Burgstädt, [Kreis] Karl-Marx-Stadt[-Land], Abteilung Bohrerei und Zuschneiderei. Schaden ca. 10 000 DM.

  • Am 30.11.1956 aus unbekannter Ursache im VEB »Roter Färber« Mühlau, [Kreis] Karl-Marx-Stadt[-Land], ein Großbrand im Spannrahmensaal. Gesamtschaden ca. 60 000 DM. Produktionsausfall ca. 50 %.

  • Am 4.12.1956, gegen 9.40 Uhr, brach im Umspannwerk der SDAG Wismut in Alberoda/Aue/Siegmar-Schönau11 ein Brand aus. Durch diesen Brand wurden drei Zellen im Umspannwerk und eine Zelle sowie Störungsschalter des Trafohäuschens des Sägewerkes der SDAG Wismut, Objekt Aue, zerstört. Die Ursache konnte noch nicht ermittelt werden.

  • Am 16.11.1956 brannte vermutlich durch Brandstiftung ein Schuppen der privaten Gießerei Liensdorf in Meisdorf, [Kreis] Roßlau, [Bezirk] Halle, ab. Der Schaden beträgt ca. 4 000 DM.

Versorgung der Bevölkerung

Über den Stand der Versorgung wird gesondert berichtet.12

Zur Lage in der Landwirtschaft

Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Polen13 und Ungarn tauchten unter der Landbevölkerung stärker als sonst feindliche Äußerungen, Forderungen oder Drohungen gegen fortschrittliche Kräfte auf. Diese Forderungen sind im Wesentlichen:

  • »Mehr kleinere Maschinen für die Einzelbauern«;

  • Forderung nach »Freier Wirtschaft« westlichen Musters;

  • »wenn es einmal anders kommt, seid ihr dran«.

Zum anderen tauchen verschiedentlich solche Argumente auf, aus der LPG auszutreten, da diese sowieso in nächster Zeit aufgelöst würden. Mit dieser Begründung traten mitunter auch feindliche Elemente an Genossenschaftsbauern heran, um diese zu veranlassen, aus der LPG auszutreten. Hierzu einige Beispiele:

Im Bezirk Potsdam stellten Großbauern aus den Gemeinden März14 und Haseloff, [Kreis] Belzig, die Forderung nach »Freier Wirtschaft«. Die Forderung wurde auch von einigen Bauern aus der Gemeinde Dobbrikow, [Kreis] Luckenwalde, gestellt.

Im Kreis Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, wurden in der letzten Zeit unter der Landjugend (besonders soweit sie bei Großbauern arbeitet) folgende Diskussion geführt:

  • »Die Bauern müssten sich mehr Maschinen und Traktoren kaufen können, um besser arbeiten zu können.«

  • »Das Soll muss herabgesetzt werden.«

In den Kreisen Kyritz, Gransee und Zossen wird verstärkt dahingehend diskutiert, dass auf der Volkskammertagung erklärt worden sei, die schwachen LPG aufzulösen.15 Aufgrund dieser Diskussionen forderten in der Gemeinde Berlitt, [Kreis] Kyritz, einige Einzelbauern Genossenschaftsbauern auf, aus der LPG auszutreten. Die LPG würden sowieso aufgelöst und wenn es einmal so wie in Ungarn käme, würden sie besser behandelt werden.

Ein Mittelbauer aus der Gemeinde Draschwitz,16 [Kreis] Wurzen, [Bezirk] Leipzig, sagte zu dem 1. Sekretär der OPO: »Es dauert sowieso nicht mehr lange. In vier Wochen seid ihr alle dran, ihr Lumpen. In meiner Scheune habe ich noch eine Ecke, wo der 1. Sekretär sich verstecken könnte, wenn es soweit ist.«

Außer den oben angeführten Beispielen wurden solche Erscheinungen noch aus den Bezirken Magdeburg, Halle, Leipzig und Dresden sowie Suhl bekannt.

Kartoffelschäden durch Frosteinwirkung

  • In der Zeit vom 7.11. bis 5.12.1956 sind in den Bezirken Rostock, Neubrandenburg, Potsdam, Magdeburg, Halle, Leipzig, Karl-Marx-Stadt und Dresden erhebliche Mengen an Kartoffeln erfroren. Als Ursache wurde angegeben: unsachgemäßer Transport oder mangelhafte Einmietung, Arbeitskräftemangel. Letztere Ursache spielte eine besondere Rolle, weil gerade durch den Mangel an Arbeitskräften Kartoffeln noch nicht gerodet bzw. noch nicht aufgelesen waren, bevor der Frost kam.

  • So waren z. B. in der LPG Tribsees17 und Landsdorf, [Kreis] Stralsund, [Bezirk] Rostock, am 16.11.1956 noch je 4 000 Zentner Kartoffeln in der Erde, die durch den Frost stark beschädigt wurden.

  • In ÖLB18 und LPG des MTS-Bereiches Tessin, [Kreis] Rostock[-Land], waren folgende Mengen Kartoffeln angefroren, sodass diese angedämpft bzw. eingesäuert werden mussten.

    • ÖLB Grammow: 4 000 Ztr.,

    • LPG Kowalz:19 1 200 Ztr.,

    • LPG Neu-Stassow: 1 000 Ztr.,

    • LPG Vietow: 250 Ztr.,

    • LPG Barkvieren: 200 Ztr.,

    • LPG Tessin: 80 Ztr.

Nach vorläufigen Schätzungen sollen im Bezirk Neubrandenburg durch die plötzlich eingetretene Frostperiode ca. 100 000 t angefroren oder erfroren sein.

Im Bezirk Potsdam sind in folgenden LPG Schäden entstanden:

  • LPG Schünow, [Kreis] Zossen: ca. 2 000 Ztr.,

  • LPG Stakenberg,20 [Kreis] Neuruppin: ca. 1 000 Ztr.,

  • LPG Klein Kienitz, [Kreis] Zossen: ca. 2 ha,

  • LPG Vehlefanz, [Kreis] Oranienburg: von 7 ha ca. 25 %,

  • LPG Karwe, [Kreis] Neuruppin: ca. 4 000 Ztr. noch nicht gerodet,

  • LPG Herzberg, [Kreis] Neuruppin: ca. 2 000 bis 3 000 Ztr.,

  • LPG »Frieden« Freyenstein: ca. 5 000 Ztr. allein in einer Brigade.

  • Durch unsachgemäße Lagerung sind in der BHG Barby, [Kreis] Schönebeck, von 90 t Saatkartoffeln ca. 30 % angefroren.

  • Die BHG Flemmingen, [Kreis] Naumburg, [Bezirk] Halle, erhielt aus der Altmark 25 t Saatkartoffeln, von denen 5 t erfroren sind (unsachgemäße Lagerung). Von den 17 t aus Techenstein21 an die BHG Molau, [Kreis] Naumburg, gelieferten Saatkartoffeln, waren auf dem Transport 41,3 % erfroren und von den 16 t, die aus Joachimsthal geliefert wurden, waren 16,8 % erfroren.

  • Die BHG Wedelwitz, [Kreis] Eilenburg, [Bezirk] Leipzig, erhielt aus Brandenburg 73 t Kartoffeln, von denen 36 t erfroren waren und nur noch industriellen Zwecken zugeführt werden konnten. Die restlichen 37 t sind ebenfalls zu 9 bis 14 % angefroren. Im Kreis Riesa, [Bezirk] Dresden, sind von den Kartoffeln, die bisher aus Neubrandenburg geliefert wurden, 535,5 t erfroren bzw. angefroren.

  • Bei einer Kontrolle im VEG Demritz-Thumitz,22 [Kreis] Bischofswerda, wurde festgestellt, dass die Kartoffelmieten erst am 19. und 20.11.1956 richtig abgedeckt wurden, sodass nach aller Wahrscheinlichkeit ein Teil der Kartoffeln erfroren sein wird.

  • Im VEB Kalkreuth, [Kreis] Großenhain, sind ca. 800 Ztr. Kartoffeln erfroren, weil sie nicht rechtzeitig eingemietet wurden.

  • Weiterhin sind erfroren:

    • Im VEB Klingenberg, [Kreis] Freital: ca. 6 dz,

    • BHG Strehla, [Kreis] Riesa: ca. 400 dz Kartoffeln,

    • In der LPG Garsebach, [Kreis] Meißen: ca. 4 ha Runkelrüben,

    • LPG Reichstädt: ca. 2 000 Ztr. Rüben.

Brände

In der Zeit vom 21.11.1956 bis 5.12.1956 wurden insgesamt 46 Brände festgestellt. Davon: zwei Brandstiftungen, fünf vermutliche Brandstiftungen, drei Fahrlässigkeit, eine vermutliche Fahrlässigkeit, acht [Mal] Kinderhand, zwei [Mal] vermutlich Kinderhand, zwei durch Öfen, einer durch glühende Asche, einer durch Funkenflug, ein vermutlich schadhafter Schornstein, eine Selbstentzündung, 19 unbekannte Ursache.

Bezirk Rostock

  • ein Stall, Genossenschaftsbauer, vermutlich Brandstiftung;

  • ein Wohnhaus, LPG, unbekannt;

  • eine Scheune, LPG, unbekannt,

  • ein Stallgebäude, LPG, unbekannt;

Neubrandenburg

  • eine Scheune, werktätiger Bauer, vermutlich Brandstiftung.

Schwerin

  • eine Scheune, LPG, Kinderhand.

Frankfurt/O.

  • eine Scheune, Genossenschaftsbauer, Kinderhand;

  • eine Scheune, staatlicher Viehzuchtbetrieb, unbekannt;

  • ein Dachstuhl, ein Stall, Neubauer, Fahrlässigkeit;

  • ein Stallgebäude, Kleinbäuerin, Fahrlässigkeit.

Potsdam

  • eine Scheune und mehrere Gebäude, Großbauer, vermutlich Brandstiftung;

  • eine Scheune, werktätiger Bauer, vermutlich Brandstiftung;

  • eine Scheune, Genossenschaftsbauer, vermutlich Kinderhand;

  • ein Wohnhaus, LPG, durch Ofen.

Magdeburg

  • eine Strohdieme, LPG, unbekannt;

  • fünf Scheunen, VP-MW, unbekannt; LPG, Kinderhand; Mittelbauer, unbekannt; werktätiger Bauer, unbekannt; LPG, unbekannt;

  • eine Hopfendarre, LPG, Brandstiftung;

  • eine Baracke, Kiesgrube, durch Ofen;

  • ein Stallgebäude, Gemeindeeigentum, glühende Asche;

  • ein Wagen mit Heu, Bahnhof, Funkenflug.

Leipzig

  • eine Futterküche, Mittelbauer, vermutlich schadhafter Schornstein;

  • eine Strohfeime, Mittelbauer, unbekannt;

  • drei Scheunen, LPG, Kinderhand; Großbauer, Kinderhand; Traktorist, Kinderhand.

Dresden

  • eine Strohfeime, Einzelbauer, vermutlich Kinderhand;

  • eine Stallgebäude, VEG, Selbstentzündung;

  • eine Scheune und Stall, Großbauer, unbekannt;

  • zwei Scheunen, Mittelbauer, Kinderhand; Großbauer, Kinderhand.

Karl-Marx-Stadt

  • ein Lagerschuppen, VEAB, unbekannt;

  • vier Scheunen, Mittelbauer, unbekannt; Gemeinde, unbekannt; Mittelbauer, Brandstiftung; LPG, vermutlich Brandstiftung;

  • eine Feldscheune, LPG, unbekannt.

Gera

  • ein Lagergebäude, MTS, unbekannt;

  • ein Brand, MTS, vermutlich Fahrlässigkeit;

  • eine Scheune und Stall, werktätiger Bauer, unbekannt.

Erfurt

  • drei Scheunen, Genossenschaftsbauer, unbekannt; Einzelbauer, unbekannt; Mühle, Fahrlässigkeit.

Suhl

  • Zwei Scheunen, Mittelbauer, unbekannt; Glasmacher, unbekannt.

Besondere Vorkommnisse

In der Nacht zum 27.11.1956 stürzte in Markranstädt, [Kreis] Leipzig[-Land], ein neu erbautes Wohnhaus zusammen. Dieses Haus war in der Lehmbauweise gebaut worden. Als vermutliche Ursache werden Witterungseinflüsse angesehen.

Am 26.11.1956 ereignete sich vor der Ortschaft Roßdorf, [Kreis] Genthin, [Bezirk] Magdeburg, ein Verkehrsunfall mit dem Lkw der MTS Schlagenthin; der Lkw war mit sieben Funktionären besetzt, wovon vier verletzt wurden. Der Fahrer gibt an, dass die Bremsen des Wagens versagt hätten.

Am 28.11.1956 haben drei Arbeiter der BHG Thürkow, [Kreis] Teterow, [Bezirk] Neubrandenburg, die Arbeit verweigert. Sie forderten eine Lohnerhöhung aus 2,00 DM pro Stunde. Gemeinsam mit dem 1. Vorsitzenden und einem Vorstandsmitglied gelang es dann, dass die Arbeiter nach drei Stunden die Arbeit wieder aufnahmen.

Übrige Bevölkerung

Zeugen Jehova

Im Kreis Guben, [Bezirk] Frankfurt/O., sind ehemals aktive Anhänger der »Zeugen Jehovas«23 zu der Sekte »Apostelamt Jesu Christi«24 übergetreten, vermutlich, um diese Sekte zur Tarnung zu benutzen.

Kolping-Familie25

Eine Konzentrierung kirchlicher Gruppierungen ist in der Kolping-Familie festzustellen. Besonders in der Pfarrei »Heilige Familie« Berlin N 113.26 Diese Kolping-Familie umfasst bereits 60 Mitglieder. In ihren Versammlungen vertreiben sie das Kolpingblatt,27 das Hetzartikel gegen die SU, die Volksdemokratien und die DDR enthält.

Kirche

In Dresden beabsichtigt die evangelisch-lutherische Kirche am Abend des 24.12.1956 allen Straßenbahnschaffnern und O-Bus-Fahrern ein Weihnachtspäckchen zu überreichen.

Vom Konvent Lutherischer Exilkirchen28 in Westdeutschland wird bekannt, dass sich die estnische, litauische, lettische, polnische und ungarische evangelisch-lutherische Exilkirche zu einem Konvent zusammengeschlossen haben, um die Arbeit unter den heimatlosen Ausländern, die von der EKD, dem Ost-Kirchenausschuss29 und dem luth. Weltdienst30 getragen wird, zu unterstützen. Zum Vorsitzenden wurde Erzbischof Dr. T. Grīnbergs31 (Lettische Kirche) zum Geschäftsführer Paul Seimons32 (Lutherischer Weltbund)33 gewählt.

Am 29.11.1956 versammelten sich zur Beerdigung eines Ungarn in Eulitz, [Kreis] Meißen, [Bezirk] Dresden, ca. 80 Ungarn aus dem Kreisgebiet, vermutlich aus Protest gegen den katholischen Pfarrer, der sich weigerte, einen Selbstmörder zu beerdigen.

Schulen

An der Grundschule Malschwitz, [Kreis] Bautzen, [Bezirk] Dresden, lehnten die Eltern der Kinder des 2. Schuljahres das Erlernen der sorbischen Sprache durch ihre Kinder ab. In einer Elternversammlung der Klassen 2a und 2b an der Martin-Luther-Schule in Meiningen, [Bezirk] Suhl, lehnte der überwiegende Teil der Eltern die Aufnahme der Kinder am 13.12.1956 in die Pionierorganisation mit der Begründung ab, »die Kinder müssen genug lernen«. In einer Elternbeiratswahlversammlung in Zschortau, [Kreis] Delitzsch, [Bezirk] Leipzig, wurde die Schulleitung ersucht, sich für eine Einigung zwischen Schule und Kirche einzusetzen, damit die Kinder an der Jugendweihe und an der Konfirmation teilnehmen können.34 Ebenso wurde gefordert, während der Christenlehre keine anderen die Kinder interessierenden Veranstaltungen durchzuführen.

Studenten

Am 28.11.1956 wurde in einer FDJ-Versammlung des Romanischen Instituts der Philosophischen Fakultät an der Universität Leipzig von dem FDJ-Sekretär Möckel vorgeschlagen, die FDJ-Grundeinheit am Institut aufzulösen und dafür

  • 1.

    eine Gruppe oder einen Zirkel für politische Fragen,

  • 2.

    einen Zirkel, der sich mit dem deutschen Weg zum Sozialismus beschäftigt,

  • 3.

    eine Gruppe, die sich mit Fragen des Theaters, der Kunst und Literatur auseinandersetzt,

zu schaffen. Möckel war bereits in einer Aktivtagung der SED mit ähnlichen Diskussionen aufgetreten.

An der medizinischen Akademie Erfurt ist ein großer Teil der Studenten unzufrieden, weil sich die Dozenten, Doktoren und Professoren in der Lehrstoffübermittlung, bei der Übermittlung praktischer Erfahrungen und bei der Ausführung praktischer Arbeiten auf Studenten aus Kreisen der alten Intelligenz und eine kleine Schicht von Funktionären orientieren. Die übrige Masse der Studenten muss sich im praktischen Studium mit Nachtwachen an Krankenlagern begnügen.

An der Hochschule für Elektrotechnik in Ilmenau bewerben sich in letzter Zeit häufig Personen mit Parteistrafen und kriminell Vorbestrafte. Auch Bewerbungen von Mitgliedern bürgerlicher Parteien (besonders CDU) haben sich in den Monaten Oktober und November 1956 erhöht. Auf dem Boden dieser Hochschule wurde eine Pappfigur mit einem Strick aufgehängt und daneben ein Emblem der SED angebracht. Täter unbekannt.

Unter den Schülern des 2. Studienjahres der Hochschule für Schienenfahrzeuge in Görlitz35 herrscht eine sehr gedrückte Stimmung. Sie erklären, dass die Zehnklassenschüler36 nach ihrer Ausbildung als Ingenieur weniger Geld bekommen, als mit einer Facharbeiterprüfung. Die Dozenten Dr. Kehr37 und Schwiebs halten den 10-Klassen-Schülern vor, dass sie nie gute Ingenieure werden würden.

Am 28.11.1956 fand an der Medizinischen Akademie in Magdeburg ein Forum der Studenten statt, an dem 100 bis 120 Studenten teilnahmen. Dabei wurden Fragen gestellt, ob z. B. eine Famulatur in Westdeutschland und den Volksdemokratien möglich ist? Während der Famulatur wird freie Unterkunft und freies Essen gefordert. Warum das Stipendium bei einem Nebenverdienst von 180 DM gekürzt wird? Ebenso wird die Rückgabe der Chirurgie im Gustav-Ricker-Krankenhaus, die zzt. von sowjetischen Truppen benutzt wird, verlangt. Sie sollten selbst eine Chirurgie bauen, denn die DDR wäre ja souverän.

Gesundheitswesen

Mehrere Kinder aus der Kinderkrippe Meisdorf, [Kreis] Aschersleben, [Bezirk] Halle, mussten wegen Unterernährung in eine Magdeburger Klinik eingeliefert werden. Eine ehemalige Angestellte dieser Krippe, die an einem Kind Merkmale von Misshandlungen feststellte und dies dem Arzt Dr. [Name 1] mitteilte, erhielt zur Antwort: »Was sie nur haben, wenn dieses Balg abfährt, machen sich die Eltern ein neues.« Zu ihrer Handlungsweise wurde erklärt, sie soll sich nicht kommunistisch benehmen.

Im Kreis Weißenfels gibt es Beschwerden, dass ca. 50 % der in Krankenhäusern entbindenden Mütter brustkrank werden. Ursache soll die Anwendung der elektrischen Milchpumpe sein.

An der pädagogischen Schule für Kindergärtnerinnen in Dessau, [Bezirk] Halle, erkrankten 96 Schülerinnen (9 Schüler positiv an Ruhr, 87 Schüler mit Darmerkrankungen). Krankheitsquellen: 1. Eine Gruppe des Internats war in Greppin, [Kreis] Bitterfeld, [Bezirk] Halle, im Ernteeinsatz, wo in letzter Zeit 50 Magen- und Darmerkrankungen festgestellt worden waren. 2. erfolgt die Versorgung der Internate durch ein Kfz, das Verpflegung sowie schmutzige Wäsche transportiert.

Jugend

In dem Filmtheater »Lichtspiele« Berlin-Schönholz (liegt an der Sektorengrenze französischer Sektor) werden Filmvorführungen besonders der Augenzeugen38 durch teilweise sehr laute abfällige Bemerkungen von Jugendlichen gestört.

Zu einer Veranstaltung der FDJ am 17.11.1956 in Radensleben, [Kreis] Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, waren Angehörige der Nationalen Volksarmee zur musikalischen Umrahmung der Veranstaltung trotz ihrer Zusage nicht erschienen. Dies wurde von 15 FDJ-Mitgliedern zum Anlass genommen, auf einer Liste ihren Austritt aus der FDJ zu erklären.

Am 2.12.1956 drangen abends zwischen 20.00 Uhr und 20.30 Uhr acht Jugendliche in betrunkenem Zustand in das Lehrlingswohnheim der LPG Groß-Mamerow39 ein, um Panik zu erzeugen. Von den Rowdys wurde zum Ausdruck gebracht, dass dieses Lehrlingswohnheim wieder Gaststätte werden müsste. Sie zerschlugen Fensterscheiben, wühlten alles durcheinander und verletzten drei Jugendliche des Lehrlingswohnheimes.

Ereignisse von besonderer Bedeutung

Erkrankung von Tieren

  • In der LPG Waschow, [Kreis] Hagenow, [Bezirk] Schwerin, sind 16 Jungrinder an Lungenwürmern verendet.

  • Am 1.12.1956 mussten von der LPG Rietz, [Kreis] Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, sieben Rinder zur Notschlachtung und zwei Rinder zur Abdeckerei gebracht werden. Es handelt sich hierbei um Jungrinder, die von Leberegeln befallen waren. Bereits seit längerer Zeit hatte der Tierarzt die LPG angewiesen, die Tiere mit Medikamenten zu behandeln, was aber nicht geschehen ist.

  • Seit Anfang November sind im VEB Pommritz,40 [Kreis] Bautzen, [Bezirk] Dresden, ca. 47 Schweine notgeschlachtet worden, 25 Schweine sind verendet. Die tierärztliche Untersuchung ergab blutige Magen- und Darmentzündung.

  • Im gesamten Gebiet der MTS Neckanitz,41 [Kreis] Meißen, ist unter den Schafherden der LPG die Moderhinke42 stark aufgetreten. Besonders stark ist sie in den LPG Leuben, Striegnitz, und Altlommatzsch.

  • Im VEG Rennersdorf, [Kreis] Sebnitz, [Bezirk] Dresden, ergaben sich Schwierigkeiten durch die Umstellung der Schweinefütterung von Getreide auf Kartoffeln. Dadurch sind im November 40 Schweine verendet.

Anlage vom 7. Dezember 1956 zum Informationsdienst Nr. 21

Feindtätigkeit in der Zeit vom 21.11. bis 6.12.1956

Weiterhin erstreckt sich die Feindtätigkeit vorwiegend auf das Anschmieren von Hetzlosungen, Hakenkreuzen, Runen sowie auf die Verbreitung von Gerüchten.

  • Hetzlosungen wurden insgesamt 56 Fälle bekannt, die sich wie folgt auf die Bezirke aufschlüsseln:

    • Halle 11 (5 in VEB und 6 in Stadtgebieten),

    • Leipzig 11 (5 in VEB und 6 in Stadtgebieten),

    • Dresden 10 (7 in VEB und 3 in Stadtgebieten),

    • Potsdam 8 (7 in verschiedenen Kreisen und 1 in VEB),

    • Rostock 3 (alle in der Neptun-Werft Rostock),

    • Karl-Marx-Stadt 2 (1 in VEB und 1 in Neukirchen, [Kreis] Werdau),

    • Berlin 2 (1 im Stadtgebiet und 1 in einem Zug nach Grünau),

    • Suhl 2 (1 in Schönbrunn, [Kreis] Hildburghausen und 1 in Exdorf, [Kreis] Meiningen),

    • Erfurt 1 (im VEB Dingelstädt,43 [Kreis] Worbis),

    • Gera 1 (in Robenthal,44 [Kreis] Saalfeld).

    Inhalt: Hauptsächlich Hetze gegen die Regierung der DDR, SED, gegen führende Funktionäre der Regierung, gegen die Sowjetunion und Eintreten für die Konterrevolution in Ungarn;45

  • Hakenkreuze wurden in 21 Fällen in nachstehenden Bezirken festgestellt:

    • Halle 5 (3 in VEB, 1 im MTS-Stützpunkt Wiehe in Gehofen, [Kreis] Artern, und 1 in einer HO-Gaststätte in Halle),

    • Leipzig 4 (in Stadtgebieten),

    • Magdeburg 4 (in verschiedenen Kreisen),

    • Dresden 3 (in VEB),

    • Potsdam 2 (im Stadtgebiet und in Neuhof, [Kreis] Zossen),

    • Rostock 2 (1 in der Neptun-Werft und 1 im Stadtgebiet),

    • Gera 1 (an acht [sic!] verschiedenen Stellen im Stadtgebiet von Schkölen, [Kreis] Eisenberg).

  • Am 1.12.1956 wurde durch unbekannte Täter im Sportheim Gröditz, [Kreis] Riesa, das Bild von »Helmut Just«46 durch Stiche in den Augen beschädigt.

Gerüchte wurden verbreitet

  • Rostock: Unter den Mitgliedern der LPG »Junge Welt« in Redebas, [Kreis] Ribnitz[-Damgarten], dass »in Zukunft aus LPG VEG gemacht werden«. Aus diesem Grunde wollen viele LPG-Mitglieder im nächsten Jahr ihr individuelles Land nicht mehr bestellen.

  • Potsdam: In Hennigsdorf, [Kreis] Oranienburg, »mit Einkäufen bis zum 3.12.1956 zu warten, da dann eine Preissenkung bekannt gegeben wird«.

  • Magdeburg: Der Chefkonstrukteur M.47 des VEB Traktorenwerk Schönebeck, dass »die Produktion von 120 000 Wartburg im nächsten Jahr auf 30 000 eingeschränkt wird«.

  • Ein Fleischergeselle aus Schönebeck: »Aus Rumänien bekommen wir keine Fleischlieferungen mehr, da dort Unruhen ausgebrochen sind.«48

Vermutliche Feindtätigkeit in der Industrie

  • 21.11.1956 Stahl- und Walzwerk Riesa – Rohrwerk II: In einem Rohr wurde ein Rundeisenstab von 66 mm Länge und 84 cm Stärke gefunden.49 Das Rohr sollte im Hubbalkenofen durchgeglüht werden. Bei Nichtauffinden wären mehrere Walzen beschädigt worden.

  • Am 25.11.1956 wurde im Kabelwerk Oberspree, Berlin-Oberschöneweide, in einer Kunststoffheißwalze ein Fremdkörper festgestellt. Durch rechtzeitiges Bemerken wurde größerer Schaden vermieden.

  • Am 27.11.1956 fiel in der Stahlgießerei des Ernst-Thälmann-Werkes Magdeburg der Antriebsmotor eines Backenbrechers aus. Als Ursache wurde im Motor ein Fremdkörper festgestellt.

  • Am 2.12.1956 wurde im VEB Regis, Grube Schleenhain, [Kreis] Borna, festgestellt, dass von unbekannten Tätern in einer Entwässerungsstrecke zwischen die elektrischen Kabel glühende Putzwolle geworfen wurde. Durch rechtzeitiges Bemerken konnte ein Brand verhindert werden.

  • Vom 3.12. bis 4.12.1956 wurde von unbekannten Tätern auf der Baustelle Selchow des VEB Kreisbaubetriebes Königs Wusterhausen das Förderband zerschnitten.

Vermutliche Feindtätigkeit – Landwirtschaft

  • In der Zeit vom 14. bis 16.11.1956 wurde von einer Raupe der MTS Kospoda50 von unbekannten Tätern das Getriebeöl aus dem Getriebekasten abgelassen.

  • Am 14.11.1956 wurden der MTS-Außenstelle Weimar zwei luftbereifte Räder eines Düngerstreuers entwendet.

  • In der Nacht zum 28.11.1956 wurde in der MTS Ammelshain, [Kreis] Grimma, von einer Raupe die Kabelschnur der elektrischen Leitung abgeschnitten. Täter unbekannt.

Feindtätigkeit – übrige Bevölkerung

Auch in dieser Berichtsperiode wurden in mehreren Fällen VP-Angehörige provoziert und tätlich angegriffen. Z. B. am 1.12.1956 wurden zwei Angehörige des VPKA Luckenwalde, die bei ihrer Streife eine HO-Gaststätte in Luckenwalde aufsuchten, in der Toilette dieser Gaststätte von einem angetrunkenen Fleischermeister aus Luckenwalde beschimpft und tätlich angegriffen.

Am 30.11.1956 wurde ein Angehöriger der Transportpolizei in einer Gaststätte in Jüterbog von einem Kunstschlosser, mit welchem er in einem verwandtschaftlichen Verhältnis steht, beschimpft: »Ihr Kommunistenschweine sperrt mich doch ein. Euch müsste man alle erschießen. Nach mir kommen andere, die mit euch abrechnen, nehmt euch ein Beispiel an Ungarn.« Der Kunstschlosser war 1949 vom sowjetischen Militär-Tribunal zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Am 16.1.1954 wurde er aus der Haft entlassen, floh am 30.1.1954 nach Westdeutschland und kehrte am 14.12.1955 zurück. (Er wurde festgenommen.)

Am 24.11.1956 erklärte ein Monteur aus Wilhelmshorst, [Kreis] Potsdam[-Land], beim Betreten des FDJ-Klubhauses in Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, als er zum Zahlen von Eintritt aufgefordert wurde, er solle bezahlen, aber die »Kommunistenschweine« (3 Offiziere der Sowjetarmee) lasse man ein. Als er von einem Mitglied der SED zur Rede gestellt wurde, erklärte er, dass dieser auch einer von den Arbeiterverrätern sei. Zu anderen Mitgliedern der SED erklärte er, dass sie von der gleichen Sippe seien, er mit ihnen nicht einverstanden sei und sie an den Bäumen aufgehängt werden müssten.

  1. Zum nächsten Dokument Arbeitsniederlegungen (20)

    7. Dezember 1956
    Information Nr. 377/56 – Betrifft: Ergänzungsmeldung zur Arbeitsniederlegung im Karl-Marx-Werk Magdeburg

  2. Zum vorherigen Dokument Schwierigkeiten in der Versorgung

    6. Dezember 1956
    Information Nr. 376/56 – Betrifft: Schwierigkeiten in der Versorgung