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Zweiwochenbericht

[Ohne Datum]
Informationsdienst Nr. 1 zur Beurteilung der Situation in der DDR

Zur Lage in Industrie und Verkehr

Politische Probleme

Zur allgemeinen Stimmung der Werktätigen in den Industrie- und Verkehrsbetrieben ist zu sagen, dass in der Berichtszeit neben dem Fall John1 besonders die Reisen der Regierungsdelegation der UdSSR nach Indien, Burma und Afghanistan2 sowie die Reise der DDR-Delegation nach China und Korea3 im Vordergrund der Diskussionen standen.

Zum Fall John hat sich der Umfang und Inhalt der Diskussion nicht verändert. In den Diskussionen über die Reisen der Regierungsdelegationen, die zum überwiegenden Teil im positiven Sinne geführt wurden, kommt zum Ausdruck, dass die Mehrzahl der Arbeiter und Angestellten in den Betrieben die Bedeutung dieser Ereignisse erkannt hat. Am klarsten zeigt sich das in der Einschätzung der Reise der DDR-Delegation nach China und Korea; während zur Reise der Delegation der UdSSR nur die politische Bedeutung diskutiert wird, wird zur ersteren auch die wirtschaftliche Bedeutung herausgestellt. Die Hauptargumente sind:

  • Beide Reisen sichern den Frieden, da sie dazu dienen, ein festes Band der Völkerfreundschaft zu schaffen.

  • Die Handelsabkommen werden dadurch beträchtlich erweitert und der Lebensstandard in der DDR wesentlich verbessert.

  • Die Reisen beweisen, dass nur der Weg über die Ablehnung kapitalistischer Ausbeutung zur gesunden Wirtschaft im eigenen Lande führen kann.

  • Wir müssen durch erhöhte Produktion und durch bessere Qualität beweisen, dass wir unsere Regierung in dieser Frage unterstützen.

Nur vereinzelt werden zu diesen Fragen negative Diskussionen bekannt. Die Argumente sind jedoch nicht stark verbreitet und fanden auch keinen besonderen Anklang. Als negative Argumente wurden bekannt: solche Reisen verursachen große Unkosten, die die Arbeiter tragen müssen; den Völkern Chinas und Koreas kann man nicht trauen. Letzteres beweist, dass über den Charakter dieser Staaten keine Klarheit besteht. Diese Diskussionen traten besonders zutage im VEB Veredelungswerk Greiz, [Bezirk] Gera, und im Bezirk Magdeburg.

Zur Frage der »freien Wahlen« gab es in der Berichtszeit keine wesentlichen Veränderungen in den Argumenten, jedoch haben diese Diskussionen nachgelassen. In der Berichtszeit traten diese Diskussionen noch in den Schwerpunktbetrieben auf: BKW Großkayna, Frankleben und Mücheln, im Bau 189 Leuna, im EK Bitterfeld, [Bezirk] Halle sowie Kreiskonsumgenossenschaft Frankfurt/O.

Über den 80. Geburtstag des Präsidenten Wilhelm Pieck4 wurden verhältnismäßig wenig politische Diskussionen geführt, von denen die Mehrzahl positiver Art war. Die Verbundenheit mit dem Präsidenten Wilhelm Pieck kam in allen Betrieben durch gute Produktionserfolge im Wilhelm-Pieck-Aufgebot5 zum Ausdruck.

Ökonomische Probleme

Die Diskussionen zur Lage in der Versorgung sind bis auf Einzelstimmen, die zu einzelnen, teilweise gerade nicht vorrätigen Erzeugnissen wie Zwiebeln Stellung nehmen, abgeklungen. Zu ökonomischen Fragen wurden hauptsächlich Diskussionen über folgende Probleme geführt:

  • 1.)

    Planerfüllung und Materialschwierigkeiten

  • 2.)

    Lohnfragen

  • 3.)

    Normfragen

1.) Planerfüllung und Materialschwierigkeiten

In der Berichtszeit unternahmen die Werktätigen in den VEB große Anstrengungen, um den ersten Fünfjahrplan6 zu erfüllen bzw. vorfristig zu erfüllen. Aufgrund dessen war auch in der Mehrzahl der Betriebe die Stimmung von dem Bemühen zur Erfüllung des 1. Fünfjahrplanes bestimmt, in deren [sic!] Ergebnis eine ganze Anzahl von Betrieben ihren Plan vorfristig erfüllte. In den Diskussionen kam zum Ausdruck, dass sich die Arbeiter über ihre Erfolge freuen und dass man die Wettbewerbe noch besser als bisher durchführen und organisieren muss, um ständig die Planerfüllung zu gewährleisten.

Es zeigten sich jedoch auch Anzeichen wie z. B. im VEB Rohrleitungsbau Bitterfeld, [Bezirk] Halle, wo sich die Arbeiter noch nicht darüber im Klaren sind, dass Wettbewerbe der gesamten Volkswirtschaft zugutekommen, sondern sie sehen in erster Linie die damit verbundene Prämie. Am deutlichsten kamen die Anstrengungen zur Planerfüllung in der Schuhfabrik VEB »Banner des Friedens« Weißenfels, [Bezirk] Halle, zum Ausdruck. Hier ist zu verzeichnen, dass bei verschiedensten Sonderschichten, die gute Erfolge in der Planerfüllung brachten, die Partei- und Werkleitung erst nach der Durchführung derselben davon erfuhr. Diese Bewegung greift in den einzelnen Brigaden des Betriebes immer mehr um sich.

Im Zusammenhang mit der Planerfüllung und den positiven Erscheinungen traten jedoch verstärkt wieder Materialschwierigkeiten in den Vordergrund, die Anlass zu schlechter Stimmung unter den Werktätigen der betroffenen Betriebe waren. Der VEB [Lausitzer] Kabelwerk Niederoderwitz, [Kreis] Zittau, [Bezirk] Dresden, konnte den Plan 1955 infolge geringer Zuteilung von Kupferdrähten nicht erfüllen. Im VEB Kunstblume Sebnitz, [Bezirk] Dresden, mangelt es an Produktionsaufträgen, da der DIA Kulturwaren die Aufträge an die Privatbetriebe vergibt. Der VEB Glasfabrik Coswig, [Kreis] Meißen, hat Schwierigkeiten in der Belieferung mit Soda, was zur Stilllegung des Betriebes führen kann.

Weitere Materialschwierigkeiten bestehen im [sic!]:

  • Rudolf-Harlaß-Gießereien Karl-Marx-Stadt7 an Aluminium und Elektron;

  • Gerätewerk Waldau, [Kreis] Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, an Stabstahl bis 30 mm;

  • Kamera-Werke Zeiss Eisfeld, [Bezirk] Suhl, an Kamera-Körpern und Rückwänden;

  • Kaliwerk Dorndorf, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, an Kohlenstaub 60 t;

  • Kaltwalzwerk Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, an 1 870 kg Nickelanoden;

  • Elbewerft Boizenburg, [Bezirk] Schwerin, an 7- und 9-mm-Blechen;

  • Kugellagerfabrik Leipzig8 an Kugeln und Käfigen aus dem Wälzlager Fraureuth und Bad Liebenstein sowie im Schacht 12 Oberschlema [der] Wismut [AG] an Schrauben 8 und 25, Schrägsitzscheiben 10 und 25, Senkschrauben, Schneidbrennerersatzteilen;

  • Kleiderwerke Schwerin an Stoffen.

Ähnlich ist die Lage in mehreren Textil- und Bekleidungswerken der Bezirke Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Suhl und Dresden.

2.) Lohnfragen

In der Berichtszeit traten in mehreren Industriezweigen wieder verstärkt Lohnforderungen auf, deren Ursachen verschiedenartig sind. Allgemein muss jedoch dazu bemerkt werden, dass die Meinung der Arbeiter vom Kalischacht Sollstedt, [Bezirk] Erfurt, für alle zutreffend ist, die sagen, dass »die Forderung, die Preise zu senken, und damit eine Steigerung des Reallohnes wohl richtig ist, aber damit dürfte nicht nur Propaganda getrieben werden, sondern es müsste sich in der Wirklichkeit etwas zeigen«.

Im Kalibergbau traten Lohnforderungen besonders im Kalischacht Sollstedt, [Bezirk] Erfurt, unter den Beschäftigten der Lohngruppen III und IV9 sowie im Kaliwerk Staßfurt, [Bezirk] Magdeburg, über ungleiche Festsetzung des Leistungslohnes bei Beschäftigten unter und über Tage auf. Z. B. erhält im letzteren ein Anschläger über Tage acht Stunden Leistungslohn und ein Anschläger unter Tage nur vier Stunden Leistungs- und vier Stunden Grundlohn ausgezahlt. Im Fortschrittwerk Bischofswerda und im Edelstahlwerk Freital, [Bezirk] Dresden, tauchen Lohnforderungen unter den Formern auf, deren Ursache in der Rückstufung von der Lohngruppe V auf IV liegt.10

In mehreren Betrieben wurden Lohnforderungen unter den Heizern bekannt, die die Meinung vertreten, für ihre Leistung zu wenig Lohn zu erhalten. Bisher wurden diese Diskussionen bekannt aus dem Kabelwerk Vacha, [Bezirk] Suhl, der Papierfabrik Großenhain, [Bezirk] Dresden, und der Fabrik 96 der Wismut in Freital, [Bezirk] Dresden. Lohnforderungen treten ebenfalls unter den Chemiefachwerkern der Chemischen Werke Buna, [Bezirk] Halle, auf. Die Ursache dazu ist, dass trotz Qualifizierung diese nicht von der Lohngruppe 4 auf 5 eingestuft werden.11

In der Textilindustrie wurden Lohnforderungen bisher im VEB Feinspinnerei Venusberg und im Möbelstoffwerk Hohenstein-Ernstthal,12 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, erhoben. Der Anlass im ersteren ist der, dass die Lohngruppe 4 für Weber gezahlt wird, während in der Baumwollspinnerei Mittweida die Weber ausschließlich nur nach der Lohngruppe 5 entlohnt werden.13 Im Möbelstoffwerk sind die Meister unzufrieden, da sie weniger Lohn als ein Weber erhalten, und sie wollen deshalb alle am 15.1.1956 kündigen.

Die Fischer des Fischkombinates Saßnitz sind unzufrieden darüber, dass ihnen nur 5,00 DM Bewegungsgeld gezahlt wird, auch wenn sie längere Zeit in westdeutschen Häfen liegen. Das ist auch die Ursache dafür, dass Teile der Fischer in Westdeutschland verbleiben.14

Außerdem treten Lohnforderungen unter den Bauarbeitern der niedrigen Ortsklassen auf.15 Sie vertreten die Meinung, dass sie gegenüber den Arbeitern in der Industrie ungerecht entlohnt werden und mit 330 DM ihre Familie nicht ernähren könnten. Es gibt bereits Anzeichen, dass im Frühjahr 1956 ein Teil in die Industrie oder zu privaten Baufirmen abwandern will. Besonders traten diese Diskussionen auf bei der Bau-Union Potsdam, im Bauhof Kyritz, [Bezirk] Potsdam, im VEB Bau Riesa und im Baubetrieb Schmalkalden.

Innerhalb der Verkehrsbetriebe wurden Lohnforderungen besonders unter den Kraftfahrern im VEB Kraftverkehr Schleiz, [Bezirk] Gera, sowie unter den Schaffnerinnen und Schaffnern der Zwickauer Verkehrsbetriebe bekannt, die die Meinung vertreten, dass ihr Stundenlohn zu niedrig wäre.

3.) Normfragen

Gegenüber der letzten Berichtszeit sind wieder verstärkt Diskussionen zu Normfragen zu verzeichnen. Besonders treten diese Diskussionen unter den Beschäftigten auf, wo die Überprüfung ergeben hat, dass die Normen mit 130 bis 200 % übererfüllt werden und sich eine Änderung notwendig macht, um die Arbeitsproduktivität zu heben. Die wesentlichsten Argumente sind dabei: Androhung von Kündigungen [und] »wir wollen Geld verdienen, um besser zu leben«. Dabei ist zu verzeichnen, dass es bei der Neufestlegung der Normen zu direkten Weigerungen kommt bzw. bereits während der Zeiterrechnung langsamer gearbeitet wird.

Im VEB Gaselan Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., sollte bei den Schweißern der Halle 10 eine neue Norm eingeführt werden. Die Schweißer wollten die Norm nicht anerkennen. In der daraufhin durchgeführten Aufklärung gaben die Schweißer die Versicherung ab, die Norm anzunehmen und danach zu arbeiten. Bisher wird jedoch von den Schweißern nicht danach gearbeitet.

Im VEB Friedrich-Engels-Grube16 Stollberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sollen in der Lampenstation neue Normen eingeführt werden. Eine Arbeiterin, die davon erfuhr, forderte die anderen auf, langsam zu arbeiten, wenn der TAN-Sachbearbeiter kommt.17

Im Stahlwerk Riesa sollten die Normen in der Abteilung Putzerei geändert werden, da diese mit 140 bis 170 % übererfüllt wurden. Die Arbeiter erklärten sich damit nicht einverstanden und brachten zum Ausdruck: »Wir wollen Geld verdienen«.

Ähnliche Diskussionen gab es in folgenden Betrieben:

  • Wälzlagerwerk Fraureuth, [Kreis] Werdau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,

  • Waschgerätewerk Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,

  • Maschinenfabrik Crimmitschau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,

  • Kalkwerk Oberscheibe, [Kreis] Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,

  • Stahlwerk Silbitz, [Kreis] Eisenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,18

  • Walzengießerei Coswig, [Bezirk] Dresden,

  • Harzkalkwerke Rübeland, [Bezirk] Magdeburg,

  • Grube Ruppersdorf,19 [Kreis] Altenburg,20 [Bezirk] Leipzig,

  • Objekt 101 Wismut, [Bezirk] Gera,

  • Zeche 7 c Zwickau, Wismut,

  • Schacht 12 und 6 b Oberschlema, Wismut,

  • Ernst-Thälmann-Schacht Mansfeld, [Bezirk] Halle.

Charakteristisch dabei ist, dass sich die Arbeiter auf die Ausführungen des 25. Plenums berufen, in denen zum Ausdruck kommt, dass die Entlohnung in den Betrieben garantiert ist.21

Im IFA-Phänomen-Werk Kamenz, wo die Normen verändert werden sollen, da bis zu 200 % Übererfüllungen zu verzeichnen sind, stützten sich die Arbeiter bei ihren Argumentationen auf das 25. Plenum des ZK der SED, wo zum Ausdruck kommt, dass die Entlohnung in den Betrieben garantiert ist, und sagen: »Unser Lohn ist uns garantiert und deshalb kommt eine Normerhöhung nicht infrage.«

Ähnliche Diskussionen treten noch in mehreren Betrieben der Bezirke Dresden, Karl-Marx-Stadt und der Wismut auf. Diese teilweise ablehnenden Diskussionen werden von einzelnen feindlichen Elementen in den Betrieben ausgenützt, [um] von einem neuen 17. Juni und anderen Drohungen zu sprechen. Derartige Diskussionen wurden bekannt aus dem

  • Waschgerätewerk Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,

  • Wälzlagerwerk Fraureuth, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,

  • Zwickauer Maschinenfabrik Crimmitschau,

  • Harzkalkwerke Rübeland, [Bezirk] Magdeburg,

  • Ernst-Thälmann-Schacht Mansfeld, [Bezirk] Halle.

Feindpropaganda in der Industrie

RIAS gibt in der Sendung vom 20.12.1955 »Hinweise, wie sich die Arbeiter bei Normerhöhungen, Hochleistungsschichten und Wettbewerben verhalten sollen.« Bei Normerhöhungen, hetzt RIAS, »muss man langsam arbeiten«. »Um Überstunden, Hochleistungsschichten und Wettbewerbe und damit verbunden Lohndruck abzuwenden, kann man hierzu Warnstreiks durchführen.« Schließlich kann man, »um die Forderungen durchzudrücken, kurzfristig die Arbeit niederlegen«. Als Beweis wird abschließend ein angeblich erfolgreicher Sitzstreik der Transportarbeiter im VEB Rollfuhrdienst Berlin22 angeführt.

Produktionsstörungen in der Zeit vom 21.12.1955 bis 5.1.1956

Braunkohlenindustrie

In der Braunkohlenindustrie wurden Produktionsstörungen infolge Ausfalls an Baggern und Absetzern, Materialschäden und Zugentgleisungen aus den Revieren Borna–Altenburg, [Bezirke] Leipzig, Halle sowie der Grube »John Schehr«,23 [Bezirk] Cottbus, bekannt. Der Ausfall beträgt: 230 478 cbm Abraum, 65 730 t Rohkohle, 1 543 t Briketts.

In anderen Industriezweigen

  • In der Elektrizität und Gas erzeugenden Industrie traten Leistungsminderungen durch Kurzschlüsse und Explosionen in den Werken Zschornewitz, Cäsar Westeregeln,24 [Bezirk] Magdeburg, sowie Gaswerk Dresden-Reick auf. Im letzteren sinkt die Leistung um 30 %.

  • In der Gas erzeugenden Industrie traten in den Werken Kamenz und Beleuchtungswerk Radeberg, [Kreis] Dresden[-Land], Produktionsstörungen durch Hafenrisse auf.25

  • In der Chemischen Industrie trat Produktionsausfall durch Materialschaden und Explosionen im Solvay-Werk Osternienburg sowie im Salzsäurewerk Salzwedel,26 [Bezirk] Magdeburg, auf. Im letzteren beträgt der Ausfall täglich 10 t = 40 % der Gesamtproduktion an Schwefelsäure.

  • In den Objekten der Wismut kam es in der Berichtszeit wiederum durch Havarien sowie durch Absaufen von Schächten und Materialschäden zu Produktionsausfall. Bekannt wurden diese Ausfälle in folgenden Objekten: Schacht 66 Aue, 51 und 18 Johanngeorgenstadt, 101 Zwickau.

Brände

Brände brachen aus:

  • am 19.12.1955 im VEB Harzer Werke Blankenburg in der Kerntrocknerei (Gesamtschaden 34 000 DM);

  • am 27.12.1955 im VEB Mähdrescherwerk Weimar, Halle 4 (Gesamtschaden 300 000 bis 400 000 DM, vermutlich Brandstiftung);

  • am 29.12.1955 im VEB Waggonbau Bautzen (Gesamtschaden 500 DM).

Versorgung der Bevölkerung

In der Versorgungslage ist in der letzten Zeit eine erhebliche Verbesserung eingetreten. Dementsprechend veränderte sich auch die Stimmung. Man bringt jetzt zum Ausdruck: »Wie gut es ist, dass es die Waren in ausreichender Menge gibt. Es dürfte jedoch nicht immer nur vor den Feiertagen ein reichliches Warenangebot geben, sondern es müsste das ganze Jahr so sein.« [und] »Jetzt können unsere Ehefrauen wenigstens alles kaufen. Wenn es unsere Regierung weiter so versteht, die Lebenslage in der Deutschen Demokratischen Republik zu verbessern, dann hat niemand mehr Grund nach dem Westen abzuwandern. Natürlich müssen wir alle mithelfen, ein besseres Leben zu schaffen.« Vereinzelt zeigen sich noch im geringen Maße Schwierigkeiten, die zum Teil auf eine schlechte Warenstreuung zurückzuführen sind, aber aufgrund des reichlichen Warenangebotes schnell behoben werden könnten.

In der Zwiebelversorgung ist noch keine Verbesserung eingetreten. So besteht in den Bezirken Rostock, Halle, Potsdam, Karl-Marx-Stadt, Frankfurt/O., Gera und Schwerin noch ein Engpass. Dies führt vereinzelt noch zur Unzufriedenheit. Ebenfalls besteht in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Dresden und Gera noch ein Mangel an Glühbirnen.

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt werden für das I. Quartal 1956 noch 4 200 t Kartoffeln für Gaststätten, Hotels, Großküchen, sowjetische Einheiten und für Verbraucher, welche nicht eingekellert haben, benötigt. Die derzeitige Versorgung mit Kartoffeln reicht nur noch bis zum 20.1.1956.

Lage in der Landwirtschaft

In der letzten Zeit treten mehr Diskussionen über wirtschaftliche Schwierigkeiten auf, wie die derzeitige Futtermittellage und die Nichtabnahme von Zucht- und Nutzvieh. Dabei sind besonders die Diskussionen einzelner Genossenschaftsbauern zur Futtermittellage charakteristisch: »Wenn kein Futter mehr vorhanden ist, dann wird uns schon der Rat des Kreises oder der Staat helfen.«; »Wenn nicht mehr genügend Futter vorhanden ist, werden wir aus der LPG austreten, es ist jedes Jahr dasselbe.«

Unter den Klein-, Mittel- und Großbauern sind Klagen wegen der Futtermittellage nur vereinzelt bekannt geworden, hauptsächlich von Bauern, die wirtschaftlich unrentabel arbeiten. Unter diesen Gruppen von Bauern tritt aber verstärkt die Diskussion über die Nichtabnahme von Läufern und Ferkeln durch das Zucht- und Nutzviehkontor in Erscheinung. So treten unter diesen Kreisen folgende Diskussionen auf:

  • »Wenn uns die Tiere nicht abgenommen werden, dann bringen wir diese zur Schlachtung.«

  • »Im kommenden Jahr werden wir nur so viele Schweine großziehen, wie wir Futter zur Verfügung haben.«

  • »Wir wollen die Tiere schon weiter großziehen, aber dann muss uns genügend Futter zugeteilt werden, denn für diese Tiere ist keine Futtergrundlage vorhanden, da sie nicht eingeplant sind.«

Futtermittellage

Die Futtermittellage ist in allen Bezirken aufgrund der geringen Kartoffelernte sehr angespannt. Erschwert wird diese Lage noch dadurch, dass die Zucht- und Nutzviehkontore die vertraglich gebundenen Tiere von den Bauern und LPG nicht abnehmen, da gegenwärtig keine Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Die LPG sind in allen Bezirken am schwersten von der Futtermittelknappheit betroffen. In einem geringen Teil von LPG ist bereits jetzt schon das Kraftfutter für Schweine verbraucht oder geht im Januar zu Ende. Nur ein geringer Teil der LPG hat in der Futtermittelfrage den Anschluss an die neue Ernte. So wurde z. B. aus dem Kreis Wismar, [Bezirk] Rostock, welcher in der Ablieferung im Bezirksmaßstab an der Spitze steht, zur Futtermittellage Folgendes bekannt:

Von 79 LPG ist

  • bei 44 LPG die Futtergrundlage für sämtliche Tiere gesichert,

  • bei 19 LPG ist nur so viel Futter vorhanden, dass bei Erhaltungsfutter der Anschluss an die Ernte erreicht wird,

  • bei 16 LPG ist die Futtergrundlage überhaupt nicht gesichert.

Im Kreis Karl-Marx-Stadt[-Land] ist die Futtermittellage sehr ernst. Bereits jetzt liegen Meldungen von drei LPG vor, dass diese in den nächsten Tagen ihre Futtermittel verbraucht haben. Eine Reihe anderer LPG werden [sic!] in den nächsten Tagen hinzukommen. Weiterhin fehlen in zehn LPG des Kreises Marienberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, für Futterzwecke 2 530 dz Kartoffeln und 2 900 dz Getreide. In den LPG des Kreises Stadtroda, [Bezirk] Gera, ist die Futtergrundlage nur zu 50 % gesichert.

In der LPG Arnsdorf [bei Radeberg], [Bezirk] Dresden, reicht das Futter nur noch zur Erhaltung des Zuchtviehes und in der LPG Sachsdorf, [Kreis] Meißen, [Bezirk] Dresden, ist bei einem Schweinebestand von ca. 400 Stück nur noch ein Vorrat von 75 Ztr. Kartoffeln vorhanden.

Im Volksgüter-Kombinat Wernesgrün,27 [Kreis] Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, (3 Volksgüter) fehlen bis zum Anschluss an die neue Ernte ca. 5 000 Ztr. Trockenschnitzel, 12 000 Ztr. Futtergetreide, 300 Ztr. Futterstroh und außerdem sind Futterkartoffeln nur ungenügend vorhanden. Die Ursachen, die zu der schlechten Futtermittellage führen, sind folgende: mangelhafte Leitung und Arbeitsorganisation in den LPG, ungenügende Durchführung des Zwischenfruchtanbaues, planlose Fütterung, Nichteinhaltung der Anbaupläne und z. T. Verkommenlassen der Ernte, schlechte Witterungsverhältnisse (besonders Kartoffeln).

Einige Beispiele:

  • So wurden in der LPG Nitzschka, [Ortsteil von] Schmölln, [Bezirk] Leipzig, die Anbaupläne nicht eingehalten, wie 6,5 ha Schwedenklee, 6 ha Gelbklee, 1 ha Markstammkohl und 3 ha Luzerne wurden nicht angebaut.

  • In verschiedenen LPG des Kreises Bernau sind einzelne Bauern der Meinung, dass auf ihren Feldern kein Zwischenfruchtanbau gedeiht.

  • In den LPG Leubts, Groß-Lieskow und Tramitz, Kreis Cottbus[-Land], wurden zum Teil die Wiesen gemäht, aber das Heu nur zum geringen Teil eingefahren.

  • In der LPG Großlehna, [Bezirk] Leipzig, wurden ebenfalls 17 ha Wiesen nicht abgeerntet.

  • In der LPG Kogel,28 [Bezirk] Neubrandenburg, sind alle Futterrüben erfroren und ein großer Teil Heu auf dem Felde verdorben.

Die Futtermittellage bei den Klein-, Mittel- sowie Großbauern sieht wesentlich günstiger aus als bei den LPG. Der überwiegende Teil dieser Bauern hat in der Futtermittelfrage den Anschluss an die neue Ernte. Wo Schwierigkeiten in Futterkartoffeln auftreten, sind diese Schwierigkeiten durch einen guten Zwischenfruchtanbau und durch Einsilierung von Raufutter zu überwinden. Bei vereinzelten Großbauern, wo Futtermangel zu verzeichnen ist, tritt eine Zurückhaltung von Kartoffeln und Getreide für Futterzwecke in Erscheinung.

Nichtabnahme von Zucht- und Nutzvieh

Aus den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Gera und Leipzig wird berichtet, dass immer noch Schwierigkeiten im Absatz von vertraglich gebundenen Ferkeln und Läufern bestehen, indem die Handelskontore für Zucht- und Nutzvieh diese Tiere nicht abnehmen, weil angeblich keine Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt sind 13 000 Läufer nicht absetzbar. Außerdem ist im Kreis Hohenstein[-Ernstthal]29 bei verschiedenen Bauern ein Ferkelstau zu verzeichnen, sodass teilweise 20 bis 30 Ferkel und in der LPG »Hübsch« in Hainichen 200 Ferkel nicht abgesetzt werden können.

Im Bezirk Gera sind in den LPG des Kreises Lobenstein 300 und im Kreis Eisenberg 2 000 Läuferschweine vertraglich gebunden, die nicht abgeholt werden. Im Kreis Schmölln, [Bezirk] Leipzig, stehen noch 1 150 Läufer zur Abholung bereit. Durch das nichttermingerechte Abholen der vertraglich gebundenen Schweine tritt eine weitere Verschärfung in der Futtermittelversorgung ein, da diese Tiere nicht in den Futtermittelplan mit einbezogen sind.

Besondere Vorkommnisse

Im Kreisgebiet Pößneck, [Bezirk] Gera, hat sich die Zahl der an Ruhr Erkrankten auf insgesamt 86 Positiv- und 189 Verdachtsfälle erhöht.

Anlage (o. D.) zum Informationsdienst Nr. 1

Übersicht über die bekannt gewordene Feindtätigkeit in der Zeit vom 22.12.1955 bis 5.1.1956

Hetzschriftenverbreitung

  • SPD-Ostbüro:30 289 095;

  • KgU:31 35 126;

  • NTS:32 24 815;

  • ZOPE:33 10 575;

  • DGB-Ostbüro: 1 439;

  • FDP-Ostbüro: 11 462;

  • CDU-Ostbüro: 80;

  • unbekannte Herkunft: 13 808;

  • »Tarantel«:34 1 118;

  • »Der Tag«:35 6 367;

  • »Freie Junge Welt«:36 817;

  • in tschechischer Sprache: 1 550;

  • in polnischer Sprache: 322;

  • selbstgefertigte Hetzschriften: 70;

  • Gesamt: 396 643.

Die oben genannten 70 Stück selbstgefertigten Hetzschriften wurden in Dresden (65 Stück), Atzendorf, Kreis Staßfurt, und in der 30. Grundschule in Leipzig verteilt. Die Hetzschriftenverbreitung hat sich in der letzten Berichtsperiode von einem Tagesdurchschnitt von ca. 13 000 Exemplaren auf ca. 26 445 Exemplare erhöht. Besonders das SPD-Ostbüro hat seinen Flugblatt-Vertrieb von 81 904 Exemplare auf 289 095 Exemplare (= 353 %) gesteigert. Schwerpunkt ist bei der Hetzschriftenverbreitung der Bezirk Potsdam.

Bis auf eine Ausnahme wurden alte, bereits bekannte Hetzschriften durch Ballons eingeschleust. Als neue Hetzschrift tauchte auf:

1) »Aufruf an unsere Kameraden in der KVP!« In dieser Hetzschrift wurden die Angehörigen der KVP aufgefordert, gegen die Regierung der DDR und gegen den »Kommunismus« zu kämpfen, um eine enge Verbindung zur Bevölkerung herzustellen, nicht zu fliehen, bevor sie sich nicht in unmittelbarer Gefahr glauben und sich besonders vorsichtig zu verhalten. Argumentiert wird u. a. mit »freien Wahlen« und »17. Juni«. Unterschrift: Eure ehemaligen Kameraden – Dezember 1955.

Antidemokratische Tätigkeit

Auch in dieser Berichtsperiode gibt es zahlreiche Fälle antidemokratischer Tätigkeit. Besonders oft wurden Hakenkreuze angeschmiert und zwar in Leipzig, in Bad Frankenhausen und Gehofen, Kreis Artern, in Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, Zwickau und in der S-Bahn Berlin.

In verschiedenen Fällen wurden politische Losungen geändert und entstellt und neue Hetzlosungen angebracht, die sich in ihrem Inhalt gegen die Genossen Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht und die Regierung der DDR richteten. Solche Fälle waren zu verzeichnen in Oberheldrungen (Kreis Artern), Dresden, Belzig, Treben (Kreis Altenburg), Jüterbog und Krankenhaus Potsdam-Babelsberg. In einem Fall wurde durch eine Hetzlosung in Jüterbog zum Sturz der Regierung der DDR aufgefordert.

In der Zeit vom 2.1. bis 4.1.1956 wurden im Stadtgebiet Karl-Marx-Stadt 13 rote Fahnen von unbekannten Tätern heruntergerissen.

Gedruckte Hetzflugblätter westlicher Agentenzentralen37 wurden durch Hand verteilt und an Wandzeitungen, Litfaßsäulen usw. befestigt in Halle, Reinsdorf,38 Kreis Nebra, Webau (Kreis Hohenmölsen), Crossen,39 [Kreis] Zwickau[-Land], Werdau. Zwei Bilder vom Genossen Wilhelm Pieck wurden in Freital verbrannt, während ein Bild im DEFA-Kopierwerk beschädigt wurde.

Gegenüber der letzten Berichtszeit ist die Zahl der Terrorfälle wieder angestiegen.

  • Am 27.12.1955 wurden in Jena der Leiter der Bezirksdirektion für Kraftverkehr, [Vorname Name 1] (SED), dessen Ehefrau und Genosse [Name 2] von drei unbekannten männlichen Jugendlichen angepöbelt und der [Name 1] mit einem Schlagring niedergeschlagen. Die Täter konnten entkommen.

  • Am 1.1.1956 wurde der Schulleiter Hans Lange (SED) aus Päwesin von einem werktätigen Bauern und dessen Sohn (beide SED) mit den Worten niedergeschlagen: »Mit Euch Kommunisten ist es jetzt doch vorbei, schlagt den Erzkommunisten zusammen.« Die Täter wurden festgenommen.

  • Am 31.12.1955 wurde in Birkenwerder ein VP-Angehöriger von vier Jugendlichen tätlich angegriffen. Die Täter konnten unerkannt entkommen.

  • Am 30.12.1955 wurde in Rathenow ein VP-Angehöriger von einer männlichen Person, nach Aufforderung den Personalausweis zu zeigen, tätlich angegriffen und beschimpft. Die Person wurde inhaftiert.

  • Am 31.12.1955 wurde auf dem Bahnhof Eichwalde ein Grenzpolizist von einer angetrunkenen Person tätlich angegriffen. Festnahme erfolgte.

  • Am 26.12.1955 wurde dem aus Westdeutschland zu Besuch in Lüdersdorf weilende [Vorname Name 3] von einem FDJ-Angehörigen und fünf nichtorganisierten Jugendlichen aufgelauert und verprügelt.

  • Von unbekannten Tätern wurden in vier Fällen Fensterscheiben eingeschlagen:

    • 1) am 22.12.1955 in der sowjetischen Kommandantur in Beelitz,

    • 2) am 27.12.1955 »erneut« in der Geschäftsstelle des DFD in Kyritz,

    • 3) am 28.12.1955 in der Wohnung eines VP-Angehörigen in Potsdam-Babelsberg,

    • 4) am 30.12.1955 in der Wohnung eines VP-Angehörigen in Danna, Kreis Jüterbog.

  • Am 30.12.1955 wurde in Königsbrück, [Kreis] Kamenz, von unbekannten Tätern eine Straßensperre angebracht. Schaden entstand nicht.

Der Umfang der Gerüchteverbreitung hat sich gegenüber der letzten Berichtszeit nicht verändert. Folgende neue Gerüchte sind aufgetaucht:

  • In der Stadt Coswig, [Kreis] Meißen, geht das Gerücht um, dass in Oranienburg [bei] Berlin ein VP-Angehöriger bei der Zugkontrolle erschossen wurde. Sämtliche Züge wurden angehalten, was große Beunruhigung unter der Bevölkerung hervorrief.

  • In Peenemünde, [Kreis] Wolgast, wird ein Gerücht verbreitet, wonach alle dort wohnhaften Zivilpersonen nach Karlshagen umquartiert werden sollen. Dadurch ist besonders unter den Arbeitern des Kraftwerkes Peenemünde eine Unruhe entstanden.

  • In Jena kursiert das Gerücht, dass nur solche Bürger der DDR eine PM 12a erhalten, für die mindestens drei Personen schriftlich bürgen, dass sie wieder in die DDR zurückkommen.40

Ein politischer Witz gegen Genossen Otto Grotewohl und Walter Ulbricht kursiert in Greifswald.

In der Berichtszeit wurde ein gefälschtes Schreiben bekannt, das dem DFD-Kreisverband Dippoldiswalde zuging. Absender: »Internationale des Femmes«,41 Überschrift: »Wir müssen unsere Solidarität mit den ägyptischen Frauen zum Ausdruck bringen.« In dieser Fälschung wird aufgefordert, gegen Folterung, Elend und Tod tausender Bürger Ägyptens Proteste an den ägyptischen Regierungschef zu richten. In Unkenntnis der politischen Lage in Ägypten sandte der DFD Dippoldiswalde eine solche »Protestresolution« an Ministerpräsident Nasser,42 der sich in einem Antwortschreiben dagegen verwahrt, Anschuldigungen gegen ihn zu erheben und Leute in Schutz zu nehmen, die die Interessen Ägyptens verraten und die Amerika vertreten.

Am 29.12.1955 wurden von einem VP-Angehörigen in einer Gaststätte in Lindow, Kreis Neuruppin, provokatorische Äußerungen gegen die SED gebracht. Er wurde festgenommen.

Einbrüche, die vermutlich politischen Charakter tragen, wurden durchgeführt:

  • am 24.12.1955 im Parteikabinett der SED-Kreisleitung in Aue;

  • am 27. und 28.12.1955 im Vermessungsdienst-Stützpunkt Aue und in der Bau-Union;

  • am 31.12.1955 in der Garage der LPG »1. Mai« in Nackel, Kreis Kyritz. Dort wurde ein Lkw gestohlen, der am nächsten Tag beschädigt wiedergefunden wurde. Der Täter, der im November 1954 aus Westdeutschland zurückkam, wurde festgenommen.

Feindtätigkeit in der Industrie

Am stärksten war das Anschmieren von hetzerischen und faschistischen Losungen. Zu Schmierereien kam es in folgenden VEB:

  • Waggonbau Niesky,

  • Vieh- und Schlachthof Dresden,

  • Lokwerkstatt Pethau,43 [Kreis] Zittau, [Bezirk] Dresden,

  • Phänomenwerk Zittau,44

  • Kraftwerk Vockerode, [Kreis] Halle,

  • Ernst-Thälmann-Schacht Mansfeld,

  • Mineralölwerk Lützkendorf,45 [Bezirk] Halle,

  • Kombinat »Otto Grotewohl« Böhlen,

  • Kaliwerk »Thomas Müntzer« Bischofferode, [Bezirk] Erfurt,

  • Lehrwerkstatt der Weberei Mittweida,46

  • Kombinat 362 der Wismut Revier 6 Auerbach,

  • Injecta Steinach,47 [Kreis] Sonneberg, [Bezirk] Suhl, sowie in der

  • Privatfirma Leu48 in Woldegk, Kreis Strasburg,49 [Bezirk] Neubrandenburg.

Am 3.1.1956 wurde im VEB Elektrowärme Sörnewitz, [Kreis] Meißen, [Bezirk] Dresden, eine Hetzparole mit dem Inhalt: »Freie Wahlen 4 – raus aus Deutschland –50 Wiedervereinigung bis morgen sonst Streik« angeschmiert. Im Ziegelwerk Merkur in Jatznick, [Kreis] Pasewalk, wurden im Diesellokschuppen versteckt zwei schussbereite Karabiner gefunden.

Diversionsakte wurden bekannt in nachfolgenden Betrieben:

  • Im Fortschrittschacht 1 in Eisleben. Auf der Sohle 14 wurden die Pressluftschläuche zerschnitten.

  • Im Bau-Objekt Groß Dölln, [Bezirk] Neubrandenburg, wurde der Hochdruckkessel zur Heizung der Verwaltung beschädigt.

  • Im Werk Dwigatel Karl-Marx-Stadt der Wismut wurde das Hauptventil einer Sauerstoffflasche geöffnet und mit einem Holzpfropfen verstopft. Eine Explosion der Anlage wäre möglich gewesen.

  • Im Schacht 21 Johanngeorgenstadt und 352 Gera der Wismut wurden Telefonkabel- und Baggerschläuche zerschnitten.

  • In der Fabrik 95 Freital der Wismut wurde ein Porzellanrohr zerstört, wodurch die Masse in die Zeche lief.

Am 3.1.1956 fand im VEB Reparaturwerk »Max Reimann« Kleinmachnow, [Kreis] Potsdam[-Land], eine Feierstunde statt, an der auch Max Reimann51 teilnehmen sollte. An den darauffolgenden Tagen zeigten sich Krankheitserscheinungen, die auf das ausgegebene Essen zurückzuführen sind. Vermutlich handelt es sich um Fleischvergiftung. Der Betrieb musste deshalb am 4.1.1956 geschlossen werden, da von den 180 Arbeitern nur 10 im Betrieb verbleiben konnten. Am 5.1.1956 blieben noch 37 Arbeiter der Arbeit fern.

Gerüchte

Im Schacht 207 Aue wird das Gerücht verbreitet, dass für die Fahrt in den demokratischen Sektor Berlins eine Einreisegenehmigung verlangt würde. Im VEB Schlachthof Magdeburg wird das Gerücht über eine neue Währungsreform verbreitet.

Feindtätigkeit in der Landwirtschaft

  • Nach einer Weihnachtsfeier am 21.12.1955 in der LPG Grünow,52 [Kreis] Neustrelitz, wurden der Baubrigadier und ein freiwilliger Helfer der Volkspolizei von den Brüdern [Vorname 1] und [Vorname 2 Name 4] niedergeschlagen.

  • In der Nacht zum 24.12.1955 wurde in der Gaststätte [in] Rägelin, [Kreis] Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, der Leiter der ÖLB53 Rägelin von einem Großbauern niedergeschlagen, weil der ÖLB-Leiter dafür eintritt, die ÖLB in eine LPG umzubilden.

  • Am 29.12.1955 wurde der Parteisekretär der LPG in Eichenfelde, [Kreis] Wittstock, [Bezirk] Potsdam, von einem LPG-Mitglied niedergeschlagen.

  • Bei der Kulturhauseinweihung am 21.12.1955 in der LPG Münchenroda,54 [Kreis] Jena, [Bezirk] Gera, wurde ein Lehrer (SED) von fünf bis sechs Männern mit einer Zaunlatte und einem Messer bedroht.

  • Am 15.12.1955 wurde der Keilriemen eines Traktors der MTS Trebus, [Kreis] Freienwalde,55 [Bezirk] Frankfurt/O., von zwei jugendlichen Traktoristen der gleichen MTS zerschnitten. Angeblich wollten sie dadurch für sich eine Arbeitspause erreichen.

  • Am 10.12.1955 wurde beim Auftanken von Traktoren in der Außenstelle Lichtenstein, [Kreis] Hohenstein[-Ernstthal], [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, festgestellt, dass der im Behälter vorhandene Kraftstoff von unbekannten Tätern unbrauchbar gemacht worden ist.

  • In der LPG Ebersbach, [Kreis] Görlitz, wurde beim Haferschroten in der Maschine eine Handvoll Stahlspäne gefunden.

  • Im VEB Neustadt [Dosse],56 [Kreis] Kyritz, wurde eine Losung in eine Hetzlosung umgewandelt.

  • An der Dreschmaschine des 68-jährigen Rentners [Vorname Name 5] aus Voigtstedt, [Kreis] Artern, [Bezirk] Halle, wurde eine Hetzlosung mit weißer Kreide angebracht, die sich gegen die 100-Millionenspende richtete.57

  • In der Gemeinde Dornbusch, [Kreis] Köthen, [Bezirk] Halle, erhielt ein Einzelbauer einen Hetzbrief, der die Aufforderung enthält, vom 20.2.1956 bis Ende desselben Monats keinen Liter Milch an die Molkereien zu liefern.

Gerüchte

Ein Bauer aus Schönfeld, [Kreis] Großenhain,58 [Bezirk] Dresden, brachte aus der Gemeinde Tauscha das Gerücht mit, dass ab 1.1.1956 der gesamte Wald verstaatlicht würde, auch der Bauernwald.

Brände in der Zeit vom 21.12.1955 bis 5.1.1956

Bezirk Schwerin

  • ein Barackenbrand in der MTS Mestlin, [Kreis] Parchim. Ursache: unsachgemäße Aufstellung des Ofens. Schaden: 1 500 DM;

  • ein Wirtschaftsgebäudebrand bei einem Kleinbauern in Groß Rogahn. Ursache: Fahrlässigkeit. Schaden: 7 500 DM;

  • ein Wohnhaus- und Stallbrand bei einem Kleinbauern in Bandarow, [Kreis] Bützow. Ursache: unbekannt.

Bezirk Magdeburg

  • zwei Scheunenbrände bei Großbauern in Wallstawe,59 [Kreis] Salzwedel, und Klein Mühlingen, [Kreis] Schönebeck, wobei bei einem eine Dreschmaschine und andere landwirtschaftliche Maschinen, ein neuer Gummiwagen und 50 Ztr. Roggen verbrannten.

Bezirk Karl-Marx-Stadt

  • ein Scheunen- und zwei Schuppenbrände bei der LPG »Deutsch-Sowjetische Freundschaft« in Weißbach, [Kreis] Zwickau[-Land]. Ursache: unbekannt. Schaden: 20 000 DM.

Bezirk Erfurt

  • ein Scheunenbrand bei einem Mittelbauern in Mellingen, [Kreis] Weimar[-Land]. Ursache: unbekannt. Schaden: 18 000 DM.

Bezirk Potsdam

  • ein Stallbrand bei einem Landarbeiter in Velten, [Kreis] Oranienburg. Ursache: vermutliche Brandstiftung. Schaden: 500 DM.

Bezirk Dresden

  • ein Scheunenbrand in der LPG Niethen, [Kreis] Bautzen. Ursache: vermutlich durch defektes Kabel. Schaden: 10 000 DM.

Bezirk Gera

  • ein Scheunenbrand bei einem Kleinbauern in Löhme, [Kreis] Schleiz. Ursache: Kinderhand. Schaden: 33 000 DM.

  1. Zum nächsten Dokument Besuche der sowjetischen Delegation (1)

    9. Januar 1956
    1. Bericht über die Besuche der sowjetischen Delegationen [Information Nr. M3/56]

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    5. Januar 1956
    80. Geburtstag des Genossen Wilhelm Pieck [Information Nr. M2/56]