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Feindtätigkeit in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.1958

27. Januar 1959
Information Nr. 6/59 – Bericht über die Feindtätigkeit in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1958

Der Bericht beschränkt sich auf folgende Arten feindlicher Tätigkeit:

I. Verbreiten von Hetzschriften und Hetzflugblättern feindlicher Zentralen

a) Verbreitung durch Ballon

b) Verbreitung auf dem Postwege

c) Verbreiten durch Personen

II. Verbreiten selbstgefertigter Hetzschriften

III. Anonyme Hetze und Drohungen durch Briefe und telefonische Anrufe

IV. Anmalen von Hetzlosungen und faschistische Schmierereien

V. Offene hetzerische und verleumderische Äußerungen

VI. Abreißen und Beschädigen von Fahnen, Plakaten u. a.

VII. Tätlichkeiten und Provokationen gegen VP-Angehörige und andere Staats- und Parteifunktionäre

Im Vergleich zu 1957 ist im Jahre 1958, besonders aber im II. Halbjahr, die Feindtätigkeit auf den genannten Gebieten – mit Ausnahme der Verbreitung von Hetzflugblättern und der Begehung von Tätlichkeiten gegen VP-Angehörige und andere Staats- und Parteifunktionäre – angestiegen. Zur besseren Einschätzung ist dabei zu bemerken, dass ein großer Teil der Feindtätigkeit auf die Monate Juli, Oktober und November entfällt, wobei die in Vorbereitung und Durchführung des V. Parteitages1 und der Volkswahlen2 festgestellten Delikte meistens Ursachen für das Ansteigen sind.

I. Verbreiten von Hetzschriften und Hetzflugblättern feindlicher Zentralen3

Im Jahre 1958 wurden insgesamt 7 330 208 Hetzschriften sichergestellt, dies sind 34 % weniger als im Jahre 1957 (11 092 131). Davon wurden 5 656 883 Exemplare durch Ballon und 1 673 325 Exemplare durch die Post eingeschleust.

Die einzelnen Zentralen waren daran wie folgt beteiligt:

NTS4/ZOPE:5 30 %

SPD:6 25,5 %

Verschiedene: 15 %

KgU:7 13 %

CDU:8 8 %

UfJ:9 7 %

DGB:10 1,5 %

Zu a: Verbreitung durch Ballon

Im Jahre 1958 wurden insgesamt 5 656 883 durch Ballon eingeschleuste Hetzschriften sichergestellt; das ist fast die Hälfte weniger als im Jahre 1957. Im II. Halbjahr 1958 wurden 17 % mehr Hetzschriften als im I. Halbjahr 1958 sichergestellt.

Eine beachtenswerte Veränderung zeigt sich weiter in dem Anteil der einzelnen Agentenorganisationen an der Verbreitung von Flugblättern durch Ballon. Den Hauptanteil aller Hetzschriften trug 1958 erstmalig die NTS/ZOPE mit 45 %. 1957 hatte sie dagegen nur einen Anteil von 19 %, sodass bei dieser Zentrale 1958 die Hetzschriftenverbreitung am meisten angestiegen ist. Anteilmäßig folgen dann das Ostbüro der SPD mit 34 % (1957 – 32 %) und die KgU mit 18 % (1957 – 12 %). Damit hat sich auch bei diesen Zentralen der Anteil leicht vergrößert, was jedoch bei dem allgemeinen Rückgang der Flugblattverbreitung durch Ballon nur relativ zu sehen ist. Der UfJ, das Ostbüro der CDU und das Ostbüro des DGB erreichten zusammen nur 2,5 % (1957 – 12 %), während die Hetzschriften unbekannter und verschiedener Herkunft auf 1,5 % zurückgingen. (1957 – 25 %). Der UfJ und das Ostbüro der CDU konzentrierten sich 1958 genau wie 1957 auf den Hetzschriftenversand durch die Post.

Die meisten Hetzschriften wurden im Bezirk Magdeburg fest- und sichergestellt, dann folgt der Bezirk Erfurt (17 %), während in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Gera, Schwerin und Suhl je Bezirk zwischen 7 bis 10 % aller Flugblätter gefunden wurden. Das Ostbüro der SPD konzentrierte sich besonders auf die Bezirke Magdeburg, Schwerin, Karl-Marx-Stadt und Suhl, NTS/ZOPE besonders auf die Bezirke Magdeburg, Erfurt und Suhl, KgU hauptsächlich auf den Bezirk Potsdam.

Bei den im II. Halbjahr 1958 durch Ballon eingeschleusten Hetzflugblättern sind die nachfolgend aufgeführten in größeren Mengen angefallen:

  • »Freistadt Berlin, heißt KZ auf Termin.« (Hetze gegen SU)

  • »Der 16. November« (Hetze gegen MfS und Wahlen)

  • »Chruschtschow11 lässt die Maske fallen.« (Hetze gegen SED und die Hinrichtung Nagy12 und Maleter13)

  • »Gebot der Stunde – Widerstand.« (Hetze gegen V. Parteitag und Normen)14

  • »Ulbricht15 zurückgepfiffen.« (Hetze gegen Gen. Ulbricht)

  • »Die Wunschträume der SED.« (Hetze gegen V. Parteitag und Normen)

  • »Im Zeichen der Schwäche.« (Hetze gegen SED – bezüglich Kampf gegen Revisionismus)

Die Hetzschriften der NTS/ZOPE sind zum größten Teil in russischer Schrift abgefasst.

Aus dem Inhalt der eingeschleusten Hetzschriften sind folgende Hauptrichtungen der Hetzpropaganda der Feindzentralen ersichtlich:

  • 1.

    Gegen den 1. Sekretär des ZK, Gen. Ulbricht, um das Vertrauen unserer Bevölkerung zur Partei zu untergraben und zum anderen die Mitglieder der SED gegen die Parteiführung aufzuhetzen, um die [sic!] Einheit und Geschlossenheit unserer Partei zu schaden.

  • 2.

    Die Arbeiter gegen reale Normen und die Erfüllung der Beschlüsse des V. Parteitages aufzuhetzen.

  • 3.

    Gegen die Sowjetunion zu hetzen, insbesondere bezüglich der Wiedervereinigung Deutschlands und der Abhängigkeit der DDR von der SU.

Zu b: Verbreitung auf dem Postwege

Im Jahre 1958 konnten 1 673 325 auf dem Postwege verschickte Hetzschriften eingezogen werden, das sind ca. 70 000 mehr als im Jahre 1957. Schwerpunkte waren hier Dresden (224 000 Exemplare), Karl-Marx-Stadt (166 000 Exemplare), Potsdam (155 000 Exemplare) und Magdeburg (143 000 Exemplare). Im Vergleich des I. zum II. Quartal 1958 haben sich in der Anzahl der Hetzschriften und in den genannten Schwerpunktbezirken keine Veränderungen ergeben.

Das Ostbüro der CDU konzentrierte sich dabei besonders auf die Bezirke Dresden und Potsdam, das SPD-Ostbüro auf die Bezirke Magdeburg, Schwerin, Karl-Marx-Stadt und Gera.

Auf die einzelnen Feindzentralen entfallen:

  • UfJ: 30 %

  • CDU-Ostbüro: 29 %

  • Verschiedene: 16 %

  • SPD-Ostbüro: 13 %

  • KgU: 11 %

  • DGB: 0,6 %

  • NTS/ZOPE: 0,4 %

Bei den durch Post versandten Hetzschriften handelt es sich zum größten Teil um die schon bekannten, regelmäßig erscheinenden »Bezirkszeitungen« und »Monatsausgaben«.16

Von den wichtigsten auf dem Postwege eingeschleusten Hetzschriften werden anschließend einige Titel der gefälschten Einheit (SPD-Ostbüro)17 aufgeführt, aus denen bereits die Zielrichtung ersichtlich ist:

  • »Rosa Luxemburg,18 der Leninismus und die SED

  • »Zurück zu Stalin.«

  • »Zum neuen Konflikt Moskau-Belgrad.«19

  • »MTS – ja oder nein.«20

  • »Die neue Opposition in der SED

  • »Der Fall Mielke21 – Unternehmen Bülowplatz.«22

  • »Biographie unserer Zeit – Ulbricht.«

  • »Sozialdemokratie und Kommunismus.«

  • »Das 33. Plenum des ZK der SED – Enthüllung eines Geheimprotokolls.«23

  • »Die Philosophie Ernst Blochs24 und der menschliche Sozialismus.«

  • »Ermordet, verbannt, verschwunden.«

  • »Kunst und Literatur unter dem totalitären Sowjetregime.«

»Die ständigen Oppositionskämpfe in der KPdSU

Zu c: Verbreiten durch Personen

Neben der Einschleusung durch Ballon und Post wurden in der Berichtszeit ca. 452 Fälle bekannt, wo derartige Hetzschriften und Flugblätter (3 216 Stück) durch Personen weiterverbreitet oder ausgelegt wurden. 1957 waren es dagegen 341 Vorkommnisse dieser Art.

Besonders war dies in den Bezirken Berlin, Magdeburg, Potsdam, Karl-Marx-Stadt, Suhl und Dresden festzustellen. Die Hetzschriften wurden zu 75 % in Straßen, Häusern und Grundstücken und zu 20 % in Betrieben abgelegt.

II. Verteilen selbstgefertigter Hetzschriften

Das Verbreiten selbstgefertigter Hetzschriften ist im Jahre 1958 im Vergleich zu 1957 angestiegen. Es wurden insgesamt 2.966 Exemplare beschlagnahmt, davon allein im Monat November (Volkswahlen) ca. 50 %. Gegenüber dem I. Halbjahr wurde im II. Halbjahr 1958 die vierfache Menge selbstgefertigter Hetzschriften festgestellt. Der größte Teil der Hetzschriften (95 %) wurde in Straßen, Häusern und Grundstücken abgelegt, dagegen in den Betrieben nur 3 %.

Die sichergestellten Exemplare beinhalteten in 1.925 Fällen Hetze gegen die Volkswahlen und in 570 Fällen Hetze gegen Partei und Regierung und deren Funktionäre. In 168 Fällen wurden Forderungen nach einem »menschlichen Sozialismus« und nach Lohnerhöhung gestellt. 56 Exemplare richteten sich direkt gegen den 1. Sekretär des ZK, Gen. Ulbricht. Alle übrigen Hetzschriften beinhalteten Hetze gegen die SU und die LPG.

Schwerpunkte sind die Bezirke Karl-Marx-Stadt (939), Potsdam (516) und Halle (479), in denen allein 65 % der gesamten selbstgefertigten Hetzschriften verbreitet wurden.

III. Anonyme Hetze und Drohungen durch Briefe und telefonische Anrufe

Eine steigende Tendenz zeigt sich 1958 auch in der Hetze und Drohung mittels anonymer Briefe und Anrufe, wobei diese Feindmethoden sich besonders im II. Halbjahr erheblich verstärkten. Insgesamt wurde 1958 die Versendung von 198 derartig individuell abgefassten Briefen und die Anwendung von 106 Anrufen bekannt; davon allein im II. Halbjahr 138 Briefe und 88 Anrufe, hauptsächlich mit hetzerischem Inhalt. Diese Zahlen müssen jedoch noch als unvollständig angesehen werden, sodass sich die wirklichen Vorkommnisse dieser Art noch wesentlich erhöhen.

In 97 Fällen wurde versucht, Partei- und Staatsfunktionäre und Angehörige der Intelligenz durch Androhung von Tätlichkeiten unsicher zu machen und in 14 Fällen wurde direkt zur Republikflucht aufgefordert.

Schwerpunkte sind die Bezirke Halle (65), Dresden (44), Magdeburg (38), Karl-Marx-Stadt (28) und Leipzig (27). Allein in diesen fünf Bezirken sind 66 % der Delikte erfolgt.

IV. Anmalen von Hetzlosungen und faschistischen Schmierereien

Auch beim Anmalen von Hetzlosungen und faschistischen Schmierereien zeigt sich eine ansteigende Tendenz. 1958 wurden 2 304 solcher Schmierereien bekannt. Allein in die Zeit der Vorbereitung und Durchführung der Volkswahlen und des V. Parteitages fallen die Hälfte dieser Delikte.

Insgesamt sind besonders die faschistischen Schmierereien (Hakenkreuze, SS-Runen, Heil Hitler usw.), die bisher immer um 40 % schwankten, auf 66 % angestiegen. 17 % der Losungen und Schmierereien richten sich gegen Partei und Regierung, 12 % direkt gegen die Volkswahlen, 3 % direkt gegen den Gen. Ulbricht, Hetze gegen Normen und die Seifert-Methode25 (21 Losungen) und drei Aufforderungen zum Streik.

Den größten Anteil haben die Bezirke Karl-Marx-Stadt (15 %), Halle (14 %), Dresden (13 %), Erfurt (12 %) und Berlin (11 %). Die Hetzlosungen wurden zur Hälfte in Betrieben und zur Hälfte in der Öffentlichkeit angeschmiert.

V. Offene hetzerische und verleumderische Äußerungen

Die offene mündliche Hetze ist im Vergleich zu 1957 ebenfalls angestiegen. Es wurden 1 027 derartige Vorkommnisse bekannt und 533 Personen im Zusammenhang mit der Begehung von hetzerischen und staatsverleumderischen Äußerungen von der VP inhaftiert. Im Vergleich zum I. Halbjahr ist die offene Hetze im II. Halbjahr um 37 % angestiegen.

Circa 35 % der betreffenden Personen waren angetrunken und zu 28 % erfolgte die Hetze in Gaststätten. Nur 7 % der Delikte entfallen auf die Betriebe, während die restlichen 65 % auf der Straße und in Verkehrsmitteln erfolgten. Ungefähr die Hälfte aller Täter waren Arbeiter und Bauern und 23 % Jugendliche.

In erster Linie wandte sich die Hetze und Verleumdung gegen die DDR und führende Partei- und Staatsfunktionäre (48 %). Weiter richtete sie sich gegen die NVA und VP (22 %), Volkswahl (6 %), LPG (4 %), SU (3 %), Gen. Ulbricht (2 %). 15 % der bekannt gewordenen Delikte trugen faschistischen Charakter.

Als Schwerpunkte sind hier die Bezirke Berlin (28 %), Magdeburg (27 %) und Potsdam (21 %) zu nennen, die den weitaus größten Teil an diesen Vorkommnissen aufweisen.

VI. Abreißen und Beschädigen von Fahnen, Plakaten u. a.

Das Abreißen und Beschädigen von Fahnen, Bildern, Transparenten und Plakaten ist im Vergleich zu 1957 am stärksten angestiegen. Im Berichtzeitraum wurden 9 118 solcher Delikte bekannt.

Diese Art der Feindtätigkeit trat besonders stark während der Vorbereitung und Durchführung der Volkswahlen in einem bisher nicht festgestellten Umfange in Erscheinung. Allein auf diese Zeit (Oktober bis November 1958) entfallen 84 % der gesamten Delikte.

Im Einzelnen wurden 8 191 Plakate und Transparente, 751 Fahnen, 95 Bilder und 81 Wandzeitungen beschädigt bzw. abgerissen. In 183 Fällen wurden Jugendliche als Täter ermittelt und in 50 Fällen Arbeiter. 156 Personen wurden inhaftiert. Schwerpunkte sind die Bezirke Berlin (1 401), Erfurt (1 315), Magdeburg (1 127) und Dresden (1 028).

VII. Tätlichkeiten und Provokationen gegen VP-Angehörige und andere Staats- und Parteifunktionäre

Die Tätlichkeiten gegen VP-Angehörige, SED-Mitglieder, LPG-Vorsitzende und andere Funktionäre oder fortschrittliche Personen sind zurückgegangen, sodass sie mit 507 Fällen nur zwei Drittel der 1957 erfolgten Tätlichkeiten (744) ausmachen. Reine Terrordelikte konnten dabei nach den Berichten der Bezirksverwaltungen nicht ermittelt werden, obwohl die politischen Motive besonders bei Punkt b) offensichtlich sind.

a) Es handelt sich zu 90 % um Tätlichkeiten gegen VP-Angehörige bei deren Dienstausübung. So gingen z. B. diesen Tätlichkeiten zu 82 % Verkehrsbelehrungen, PA-Kontrollen, Schlichten von Schlägereien und anderes Eingreifen voraus. Typisch ist auch, dass 40 % aller Täter betrunken waren und die Vorkommnisse sich in großer Anzahl in Gaststätten ereigneten. Die Hälfte der Täter waren Jugendliche, 26 % Arbeiter. 376 Personen wurden inhaftiert. Schwerpunkte sind hier die Bezirke Berlin (187), Magdeburg (147) und Potsdam (98).

b) In 34 Fällen richteten sich die Tätlichkeiten gegen SED-Mitglieder, LPG-Angehörige und Volkskammerabgeordnete, die meistens von den Tätern durch provokatorische Äußerungen und Hetze herausgefordert wurden. Als Täter überwiegen Jugendliche; 20 Personen wurden inhaftiert.

Bemerkung:

Die Analyse der Gesamtheit der im Bericht angeführten feindlichen Delikte ergibt, dass die Bezirke Berlin, Magdeburg, Karl-Marx-Stadt und Potsdam absolute Schwerpunkte sind, zwischen denen nur ein sehr geringer Unterschied besteht.

Die übrigen Bezirke folgen dann erst mit größerem Abstand.

  1. Zum nächsten Dokument Staatsverräterische Gruppe an der TH Dresden

    7. Februar 1959
    Information Nr. 12/59 – Bericht über die staatsverräterische Gruppe an der Technischen Hochschule Dresden

  2. Zum vorherigen Dokument Bericht über die Festnahme Kapitänleutnants Horst Ludwig

    23. Januar 1959
    Information Nr. 5/59 – Bericht über die Festnahme des Ludwig, Horst, Kapitänleutnant der Bundesmarine