Direkt zum Seiteninhalt springen

Gehaltsforderungen wissenschaftlicher Assistenten, Uni Jena

28. September 1959
Information Nr. 692/59 – [Bericht über] Gehaltsforderungen wissenschaftlicher Assistenten des Botanischen und Zoologischen Instituts an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena

Dem MfS wurde bekannt, dass die wissenschaftlichen Assistenten des Botanischen und Zoologischen Instituts an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena mit ihrer derzeitigen Gehaltsregelung nicht einverstanden sind.

Sie begründen ihre Ansicht durch Gehaltsvergleiche einmal mit wissenschaftlichen Assistenten in anderen Fachrichtungen und zum anderen mit wissenschaftlichen Assistenten gleicher und mitunter auch geringerer Qualifikation, die in medizinischen Universitätsinstituten, Akademieinstituten und Forschungslaboratorien volkseigener Betriebe tätig sind und dort – besonders in den VEB – bedeutend mehr Gehalt (in der Regel schwankend zwischen 300 bis 700 DM1 zusätzlich) bekommen.

Um ihren Gehaltsforderungen Nachdruck zu verleihen, verfassten die wissenschaftlichen Assistenten des Instituts für Allgemeine Botanik und des Instituts für Zoologie ein Schreiben, das an den Zentralvorstand des FDGB, an das ZK der SED, an das Staatssekretariat für Hochschulwesen und an die Fakultätsleitung weitergeleitet werden sollte. Zur massiveren Durchsetzung ihrer Forderungen organisierten sie außerdem eine Unterschriftensammlung für dieses Schreiben in den entsprechenden Instituten in Jena selbst und schickten gleichlautende Schreiben an das Botanische und Zoologische Institut der Karl-Marx-Universität in Leipzig, mit der Aufforderung, dort ebenfalls eine Unterschriftensammlung unter den wissenschaftlichen Assistenten dieser Institute in die Wege zu leiten.

In einem Begleitschreiben wurde darauf hingewiesen, dass es darauf ankäme »schnell und geschlossen zu handeln« und dass auch von den Assistenten der Universität Greifswald bereits entsprechende Schritte eingeleitet worden wären. In dem Schreiben wurde mit dem Hinweis auf »zwangsläufige Abwanderungen der wissenschaftlichen Assistenten in Institutionen mit besserer Bezahlung« aber offensichtlich auch versucht, die zentralen Stellen unter Druck zu setzen. (Das Schreiben und Begleitschreiben, deren weitere Verbreitung durch das MfS verhindert wurde, liegt abschriftlich als Anlage bei.)

Der Rektor der Universität Jena, Gen. Prof. Schwarz,2 und der Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Gersch,3 die beide gleichzeitig Institutsdirektoren der betreffenden Institute sind, kannten zwar die Unzufriedenheit der wissenschaftlichen Assistenten mit der Bezahlung, waren jedoch über die Unterschriftensammlung nicht informiert und verurteilten es, auf diese Art und Weise Forderungen durchzusetzen.

Mit den Assistenten und Unterzeichnern des Schreibens in Jena, zu denen u. a. auch zwei Mitglieder der SED gehören, ohne dass sie der Partei davon Mitteilung machten, wurde eine Aussprache mit einem Vertreter des Staatssekretariats für Hoch- und Fachschulwesen durchgeführt, in deren Verlauf die Assistenten neben der Darstellung schon geschilderter Diskrepanzen in der Bezahlung und der »leichten Möglichkeit in einen VEB oder in ein Akademieinstitut überzuwechseln« auch darauf hinwiesen, dass es in Westdeutschland solche »diskrimierenden« Unterschiede – wie es im Schreiben heißt – nicht gebe. Im Ergebnis dieser Aussprache wurde erreicht, dass die Assistenten nichts mehr unternehmen und entsprechende Beschlüsse abwarten, ohne ihnen jedoch irgendwelche Versprechungen zu machen. Zur Sicherung wurden unsererseits entsprechende Maßnahmen eingeleitet.

Anlage zur Information Nr. 692/59

An die wissenschaftlichen Assistenten des Botanischen Institutes der Karl-Marx-Universität zu Händen von Herrn Oberassistenten Dr. Müller

Liebe Kollegen!

Mit beiliegendem Schreiben wenden wir uns vertrauensvoll an Euch.

Wahrscheinlich werdet Ihr der Notwendigkeit des Schreibens ebenso beipflichten wie wir. Obwohl wir annehmen, dass der Inhalt des Schreibens klar formuliert ist, möchten wir doch noch einige erklärende Worte hinzufügen.

Die Besoldung der wissenschaftlichen Assistenten an den botanischen und zoologischen Universitätsinstituten steht in keinem Verhältnis mehr zu den angeführten Gehältern in den betreffenden Institutionen. Wir fassen diese Tatsache als ungerecht und diskriminierend auf und müssen uns demzufolge dagegen wenden. Für Hinhalte- und Vertröstungspolitik unserer übergeordneten Stellen haben wir ebenfalls kein Verständnis mehr. Die Assistenten der Universität Greifswald haben auch schon entsprechende Schritte eingeleitet.

Es kommt nun nur darauf an, dass wir schnell und geschlossen handeln! Solltet Ihr mit uns einer Meinung sein und dem Inhalt des von uns aufgestellten Schreibens zustimmen, so wäre es gut, wenn Ihr mit unterschreiben würdet. Macht auf der Rückseite des letzten Bogens einen entsprechenden Zusatz und unterschreibt alle Durchschläge deutlich!

Die mit den Unterschriften versehenen Schreiben gehen an folgende Dienststellen:

  • 1.

    Zentralvorstand des FDGB

  • 2.

    ZK der SED

  • 3.

    Staatssekretariat für Hochschulwesen

  • 4.

    Fakultät

In der Hoffnung, gute Unterstützung zu finden, grüßen Euch die wissenschaftlichen Assistenten des Instituts für Allgemeine Botanik der Friedrich-Schiller-Universität Jena!

NB. Gleichzeitig mit diesem Schreiben geht ein Brief von den wissenschaftlichen Assistenten des Zoologischen Instituts der Universität Jena an die wissenschaftlichen Assistenten des Zoologischen Instituts der Karl-Marx-Universität.

Wir bitten um Weitergabe des Schreibens an den Oberassistenten des Zoologischen Instituts, Dr. Ambrosius.

Den Universitäten der Deutschen Demokratischen Republik werden in Gegenwart und Zukunft große Aufgaben gestellt. Die Erfüllung dieser Ziele verlangt größten persönlichen Einsatz aller wissenschaftlichen Assistenten.

Die wissenschaftlichen Assistenten haben laut Assistentenordnung

  • 1.

    Verwaltungsarbeit des Institutes zu übernehmen,

  • 2.

    den Institutsdirektor bei seiner Lehrtätigkeit und Forschungsarbeit zu unterstützen (Vorlesungen, Praktika, Seminare) sowie im Bedarfsfall eigene Lehrveranstaltungen durchzuführen und

  • 3.

    ihre Qualifikation zu erhöhen (Promotion, Habilitation) und eigene wissenschaftliche Arbeiten durchzuführen.

Schon von den unter 2. und 3. genannten Aufgabenbereichen ist jeder für sich so umfangreich, dass er die gesamte zur Verfügung stehende Arbeitszeit in Anspruch nehmen könnte. Aus diesen Gründen kommt ein wissenschaftlicher Assistent an einem Universitätsinstitut mit dem Achtstundentag nicht aus. Die Einsicht in die Notwendigkeit, die anfallenden Arbeiten ordentlich auszuführen, verbietet aber dem wissenschaftlichen Assistenten, die Einhaltung des Achtstundentages zu fordern.

Ungerecht und nach unserer Meinung diskriminierend ist aber der Widerspruch zwischen der geforderten Leistung und der Bezahlung, soweit es die wissenschaftlichen Assistenten der Fachrichtung Biologie an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät betrifft. Die Diskriminierung besteht in zweifacher Hinsicht:

  • 1.

    gegenüber Kollegen anderer Fachrichtungen und

  • 2.

    gegenüber Kollegen mit gleicher und selbst geringerer Qualifikation, die in medizinischen Universitätsinstituten, in Akademieinstituten sowie in Forschungslaboratorien volkseigner Betriebe tätig sind.

Im Folgenden nennen wir Beispiele für die Besoldung:

zu 1:

  • a)

    wissenschaftliche Assistenten an den medizinischen Universitätinstituten: 945 bis 1 040 DM,

  • b)

    wissenschaftliche Assistenten an pharmazeutischen Universitätsinstituten: 945 DM,

  • c)

    wissenschaftliche Assistenten an physikalischen und chemischen Universitätsinstituten erhalten Zuschläge in verschiedener Höhe.

zu 2:

  • a)

    Gehalt eines Diplombiologen als

  • 1.

    wissentschaftliche Assistenten an einem Universitätsinst.: 675 DM (unter Umständen verdienen medizinisch-technische Assistentinnen das gleich und mehr!)

  • 2.

    wissenschaftliche Assistenten an einem Akademieinstitut: 1 040 DM

  • 3.

    wissenschaftliche Assistenten an einem medizinischen Universitätsinst.: 945 bis 1 040 DM

  • -

    Lehrer an der ABF: ca. 1 000 DM (mit Steigerung nach Dienstjahren!)

  • b)

    Gehalt eines promovierten wissenschaftlichen Assistenten:

  • 1.

    an einem Universitätsinstitut: 675 DM (keine Steigerung nach Dienstjahren, lediglich Leistungszulagen möglich, die innerhalb eines Institutes nur 7% des gesamten Lohnfonds ausmachen dürfen.)

  • 2.

    als wissenschaftliche Assistenten an einem Akademieinstitut: 1200 DM mit Steigerung nach Dienstjahren und Entwicklungsmöglichkeit ohne Habilitation!

Die angeführten Beispiele (siehe Punkt 2a) 1., und 2b) 1. gegenüber allen anderen Punkten) zeigen in aller Deutlichkeit die ungerechte Einschätzung der Leistungen der wissenschaftlichen Assistenten an den botanischen und zoologischen Universitätsinstituten.

Die mangelhafte Bezahlung führt zwangsläufig zu einem Abwandern der wissenschaftlichen Assistenten in Institutionen mit besserer Bezahlung. Die Möglichkeit der Auswahl geeigneter Assistenten für Wissenschaft, Lehre und Forschung aus Hochschulabsolventen wird sich verschlechtern, da verständlicherweise kaum ein Absolvent eine minderbezahlte Stelle einer besserbezahlten mit Entwicklungsmöglichkeiten (Akademie-Institut) vorzieht.

Damit ist die Erfüllung der den Universitätsinstituten gestellten Ziele gefährdet!

Wir bitten daher um eine Überprüfung der von uns aufgezeigten Missstände und erwarten eine Erhöhung der Gehälter der wissenschaftlichen Assistenten, die ihren Leistungen entspricht. Nur diese Maßnahme wird dem Prinzip des Sozialismus: »Jedem nach seinen Leistungen, jeder nach seinen Fähigkeiten« gerecht!

Die wissenschaftlichen Assistenten des Institutes für allgemeine Botanik und des zoologischen Institutes der Friedrich-Schiller-Universtät Jena:

(Es folgen 12 Unterschriften)

  1. Zum nächsten Dokument Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung

    28. September 1959
    Information Nr. 696/59 – [Bericht über] Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung mit Butter, Eiern und Fleischwaren

  2. Zum vorherigen Dokument Unzufriedenheit und Streikandrohung wegen Lohnforderungen

    25. September 1959
    Information Nr. 695/59 – [Bericht über] Unzufriedenheit und Streikandrohung wegen Lohnfragen durch Kraftfahrer in der Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und ärztliche Fortbildung in Berlin