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Kinderbrandstiftungen in der Landwirtschaft

11. Juni 1959
Information Nr. 390/59 – Bericht über verstärktes Auftreten von Kinderbrandstiftungen in der Landwirtschaft

Die Untersuchung der Ursachen für die in der Landwirtschaft der DDR aufgetretenen Brände zeigt, dass ein sehr hoher Anteil auf Kinderbrandstiftung zurückzuführen ist. Während 1957 insgesamt 144 durch Kinder verursachte Brände ermittelt wurden, waren es 1958 bereits 168 solcher Brände, die einen Schaden von 2 195 460 DM1 verursachten. Davon wurden der sozialistische und private Sektor der Landwirtschaft fast gleich betroffen.

Im Jahre 1959 zeigt sich bereits ein weiteres erhebliches Ansteigen der Kinderbrandstiftungen und gibt Veranlassung, besonders auf diese Entwicklung hinzuweisen. Allein von Januar bis Mai 1959 wurden 136 durch Kinder verursachte Brände festgestellt, durch die ein Schaden von 1 630 660 DM entstanden ist.

Bei einem Vergleich der ersten vier Monate des Jahres 1958 mit diesem Zeitraum des Jahres 1959 ergibt sich eine Steigerung um 100 %.

  • 1.1.1958 bis 30.4.1958: 51 Brände = 463 870 DM Schaden

  • 1.1.1959 bis 30.4.1959: 105 Brände = 814 195 DM Schaden

Beachtlich ist auch der weitere Anstieg der Kinderbrandstiftungen im Mai 1959 (31 Brände), wobei der eingetretene Schaden (816 465 DM) noch über der Gesamtschadensumme der ersten vier Monate liegt.

In der Zeit von Januar bis Mai 1959 sind besonders die Bezirke

  • Neubrandenburg mit 26 Kinderbrandstiftungen

  • Magdeburg mit 24 Kinderbrandstiftungen

  • Potsdam mit 22 Kinderbrandstiftungen

  • Schwerin mit 20 Kinderbrandstiftungen

  • Halle mit 12 Kinderbrandstiftungen

  • Erfurt mit 8 Kinderbrandstiftungen

  • Rostock mit 7 Kinderbrandstiftungen

zu erwähnen.

Im Bezirk Neubrandenburg wurden allein im April 1959 zwölf Kinderbrandstiftungen mit über 75 000 DM Schaden und im Mai acht durch Kinderhand verursachte Brände mit 84 000 DM Schaden festgestellt. Im Bezirk Potsdam wurden im April fünf Brände durch Kinder verursacht (Schaden: 12 400 DM); im Mai waren es elf Brände mit einem Schaden von 45 750 DM.

Dazu einige Beispiele:

Am 27.5.1959 kam es bei einem Einzelbauern und in der LPG in Pritzwald, [Bezirk] Rostock, zu einem Großbrand, bei dem ein Schaden von 500 000 DM entstand. Der Täter war ein fünfjähriger Junge.

Am 2.5.1959 brannten Kinder die Gemeinschaftsscheune von acht werktätigen Einzelbauern in Wilhelmslust, [Bezirk] Neubrandenburg, nieder, wodurch 60 000 DM Schaden verursacht wurden.

In Dölitz, [Bezirk] Neubrandenburg,2 kam es am 19.4.1959 bei dem Mittelbauern [Name 1] und dem werktätigen Bauern [Name 2] zu einem Scheunen- und Stallbrand, bei dem 16 Tiere und landwirtschaftliche Geräte im Werte von insgesamt 60 000 DM vernichtet wurden. Als Täter wurde der fünfjährige Sohn des Bauern [Name 1] festgestellt.

In der LPG Altwarp, [Bezirk] Neubrandenburg, kam es am 15.5.1959 durch eine Kinderbrandstiftung zu einem Schaden von ca. 23 000 DM.

In Anbetracht der hohen und steigenden Anzahl der durch Kinder verursachten Brände wird vorgeschlagen, über die Jugendorganisationen (FDJ und JP) sowie über das Volksbildungswesen in Verbindung mit der Feuerschutzpolizei eine entsprechende Aufklärungs- und Erziehungskampagne durchzuführen, die neben der Einwirkung auf die Kinder besonders auch die Verantwortlichkeit der Eltern berücksichtigen müsste. Dabei ist zu überlegen, ob nicht eine solche Kampagne obligatorisch in sämtlichen Schulen der Landgebiete durchgeführt werden sollte.

Weiterhin erscheint es zweckmäßig, zur Durchführung dieser Aufklärungskampagne auch stärker die Presse und den Rundfunk einzubeziehen und eventuell als zu verallgemeinernde Erziehungsmaßnahme einen Prozess durchzuführen und auszuwerten, in dem Eltern wegen grober Vernachlässigung der Aufsichtspflicht und darauf zurückzuführender Kinderbrandstiftung zur Verantwortung gezogen werden. Die Leiter der Bezirksverwaltungen des MfS wurden angewiesen, mit den 1. Sekretären der Bezirksleitungen der Partei Rücksprache zu nehmen und diesen entsprechende Vorschläge nach der Lage im jeweiligen Bezirk zu unterbreiten.

Der Stellv. Ministerpräsident Paul Scholz3 und Minister Reichelt4 wurden von dieser Situation ebenfalls verständigt.

  1. Zum nächsten Dokument Bericht über den Einsatz von Prof. Küntscher

    13. Juni 1959
    Information Nr. 396/59 – Bericht über den Einsatz des ehemaligen Lehrstuhlinhabers für Eisen- und Hüttenwesen der Bergakademie Freiberg, Prof. Küntscher

  2. Zum vorherigen Dokument Mängel und Missstände bei Planerfüllung des VEB Kranbau Eberswalde

    10. Juni 1959
    Information Nr. 385/59 – Bericht über Mängel und Missstände in der Planerfüllung des VEB Kranbau Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O.