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Mängel und Missstände bei Planerfüllung des VEB Kranbau Eberswalde

10. Juni 1959
Information Nr. 385/59 – Bericht über Mängel und Missstände in der Planerfüllung des VEB Kranbau Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O.

Nach vorliegenden Informationen gibt es im VEB Kranbau Eberswalde1 erhebliche Mängel und Missstände, durch deren Auswirkungen die Warenproduktions- und Exportpläne nicht erfüllt werden und der Volkswirtschaft der DDR ein beträchtlicher Schaden entsteht. Diese Situation führte auch teilweise bereits dazu, dass bei Außenhandelspartnern wegen erheblicher Terminverzögerungen in der Auslieferung von Exportaufträgen bzw. mangelnder Qualität der Lieferungen größere Schwierigkeiten und Auswirkungen entstanden.

Kennzeichnend für die Lage im VEB Kranbau Eberswalde ist, dass bei angeblich steigender Arbeitsproduktivität die Leistungen des Betriebes seit 1953 ständig zurückgehen. Diese gegensätzliche Entwicklung ist nach den bisherigen Feststellungen in erster Linie auf eine völlig ungenügende Arbeitsorganisation und andererseits auf unreelle Normen zurückzuführen. Während im Jahre 1953 noch eine Warenproduktion von 35,9 Mio. DM2 erreicht wurde, lag die Leistung bei einer fast gleichen Anzahl von Produktionsarbeitern 1957 bei nur 19,2 Mio. DM. Für das Planjahr 1958 war eine Warenproduktion von 40 Mio. DM vorgesehen; erreicht wurden jedoch nur ca. 27 Mio. DM, also 65,5 % Planerfüllung. Allein 1958 ist dadurch dem Staatshaushalt ein Schaden von ca. 5,3 Mio. DM entstanden. Außerdem hat der Betrieb für 9,3 Mio. DM überfällige Kredite bei der Deutschen Notenbank abzuleisten. Diese Entwicklung ist auch bereits wieder im I. Quartal 1959 zu verzeichnen, wo in der Warenproduktion ein Rückstand von 4 Mio. DM aufgetreten ist.

Zu dieser Situation haben wesentlich die 1957 begonnenen Neuentwicklungen der hydraulischen Bordwippkrane und Krane mit Kugeldrehverbindung geführt. Obwohl der Betrieb in der Konstruktion von Kugeldrehverbindungen keine Erfahrungen besitzt und die Entwicklungen wegen völlig ungenügender Konstruktionsarbeiten noch nicht abgeschlossen sind, wurden bereits drei Portaldrehkrane mit Kugeldrehverbindungen gefertigt und an Belgien ausgeliefert. Allein bis zur Fertigstellung dieser Krane war bereits ein Verlust von 800 000 DM entstanden. Da sich nach verhältnismäßig kurzer Betriebsdauer herausstellte, dass die Kugeldrehverbindungen die Belastung nicht aushielten und unbrauchbar wurden, muss der Betrieb jetzt Neuanfertigungen mit verbesserter Konstruktion vornehmen, wodurch dem Betrieb ein weiterer Schaden entsteht.

Ähnlich verhält es sich mit der Neukonstruktion eines hydraulischen Bordwippkranes, der ohne vorherige Prüfung der Leistungsfähigkeit auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1957 ausgestellt wurde. Obwohl laut Gesetz für nicht erprobte Krane kein Vertrag abgeschlossen werden darf, wurde von der HV die Genehmigung zum sofortigen Bau der 0-Serie gegeben und kam es zu konkreten Liefervereinbarungen.

Diese Abmachungen hatten u. a. zur Folge, dass die Peenewerft3 durch Nichtlieferung der Bordwippkrane ihren Staatsplan 1958 nicht erfüllen konnte. Zurzeit sind sieben Küstenmotorschiffe bis auf die Bordwippkrane fertiggestellt und weitere im Bau. Der Musterkran des VEB Kranbau ist aber noch immer nicht betriebsfähig.

Auch bei Exportaufträgen zeigen sich derartige Erscheinungen. Zum Beispiel waren aus einer Serie, die im August 1958 begann, laut Exportauftrag am 15.1.1959 zwei Bordwippkrane an Finnland zu liefern. Zum Ausliefertermin war die Produktion jedoch noch nicht aufgenommen, wobei hinzukommt, dass mit einer gewöhnlichen Betriebsdurchlaufzeit von drei Monaten gerechnet wird. Als neuer Ausliefertermin wurde der 25.2.1959 genannt, obwohl bekannt war, dass diese Frist völlig unreal ist. Am 25.2.1959 wurde der Liefertermin auf den 28.3.1959 und später für den 22.4.1959 festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Fertigungsstand aber erst 26 %. Gegenüber einem Sonderbeauftragten des DIA Maschinen-Export4 wurde als voraussichtlicher Liefertermin der 30.5.1959 benannt, der ebenfalls nicht eingehalten wurde.

Diese Verzögerung des Exportauftrages für Finnland führte gleichzeitig zu einer Veränderung der Übergabetermine der für die Sowjetunion in Finnland gebauten Schiffe. Aufgrund der Nichteinhaltung der Liefertermine muss an Finnland bereits eine Konventionalstrafe von 3 000 US-Dollar gezahlt werden.

Ähnlich verhält es sich auch mit anderen Exportaufträgen. Zur Einhaltung des Liefertermins eines Walfangmutterschiffes an die Sowjetunion hätten die vorgesehenen Krane bereits am 20.3.1959 in Arbeit genommen werden müssen. Ende April 1959 war die Produktion jedoch noch nicht aufgenommen worden. Weitere Beispiele einer derartigen Arbeitsweise liegen vor.

Die wesentlichste Ursache dieser Lage im VEB Kranbau Eberswalde ist im unkontinuierlichen Produktionsablauf zu suchen. Mit Ausnahme der Abteilung Zerspanung ist keine genaue Übersicht über die Kapazität vorhanden. Die Erforschung der möglichen Eigenleistung wäre aber die Grundlage, um bestimmte Voraussetzungen für die Erfüllung der sich ständig erhöhenden Produktionsauflage zu schaffen.

Die Situation wird noch besonders deutlich am Beispiel der »Planung« für den Monat März 1959.

Am 27.2.1959 gab der Produktionsdirektor Luck5 vor der Werkleitung einen Überblick über die zu fertigende Produktion für März 1959, wobei die Planung eine Warenproduktion in Höhe von 4,7 Mio. DM vorsah. Bereits nach zehn Tagen (9.3.1959) veränderte er die von ihm gegebene Planzahl auf 3,5 Mio. DM, um sie dann am 20.3.1959 auf 2,2 Mio. DM zu reduzieren. Die tatsächliche Warenproduktion für März betrug dann 1,2 Mio. DM (ca. 25 % des Monatsplanes).

Ein wesentlicher Missstand besteht ferner darin, dass die Kontrolle der Auftragsdurchführung meistens erst mit der werkstattmäßigen Fertigung beginnt. In mehreren Fällen wurde festgestellt, dass besonders in den sogenannten Vorausabteilungen wie Konstruktion, Technologie und Materialversorgung keine Kontrolle besteht, sie daher ihre Aufgaben nicht rechtzeitig erfüllen und dadurch die Gesamtpläne gefährdet werden.

Obwohl zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits die Produktionsaufträge bis 1962 bekannt sind, ist nur eine ungenügende Vorbereitung – besonders durch die Vorausabteilungen – festzustellen. Dieser Zustand wird dadurch gefördert, dass die verantwortlichen Betriebsfunktionäre die Missstände zu vertuschen suchen, nur ungenügende Schlussfolgerungen ziehen und keine entsprechenden Veränderungen einleiten. Nach einer vorliegenden Information ist selbst der Maßnahmeplan der VVB zur Überwindung der betrieblichen Schwächen ca. ein halbes Jahr nicht beachtet worden.

In einer Bürositzung der Kreisleitung Eberswalde berichtete der Werkleiter, Gen. Wald,6 dass die Materialversorgung des Betriebes sichergestellt ist. Durch eine Brigade der Parteileitung wurde jedoch einige Tage später festgestellt, dass allein für das I. und II. Quartal 1959 ca. 900 t Walzmaterial noch nicht bestellt waren.

In der Beratung der Werkleitung am 8.3.1959 äußerte der Produktionsdirektor, dass die Erfüllung des Planes im II. Quartal 1959 garantiert ist. In einer Beratung der Parteileitung wurde jedoch festgestellt, dass die Einschätzung des Produktionsdirektors äußerst unreal ist und die vorgesehenen Aufträge, darunter auch Exportaufträge, unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht erfüllt werden können.

Nachteilig auf diese Situation wirkt sich auch die ständige Umbesetzung der Werkleitung aus. Von 1953 bis 1958 wurde der Werkleiter fünfmal gewechselt. 1959 wurden die gesamte Werkleitung abgelöst und alle Funktionen neu besetzt. Der am 1.7.1958 eingesetzte Werkleiter, Gen. Wald, verfügt über wenig praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet und stützt sich ungenügend auf das Kollektiv. Die Verantwortungsbereiche der einzelnen Werkleitungsmitglieder sind nicht konkret festgelegt und gegebene Hinweise zur Überwindung dieser Situation werden nicht berücksichtigt. Durch persönliche Differenzen innerhalb der Werkleitung, wobei es oft um Prestigefragen geht, kommt es zu keiner ehrlichen Zusammenarbeit des Kollektivs, sodass ohne wirkliche Veränderung dieser Zustände auch keine Beseitigung der betrieblichen Schwächen und Missstände möglich erscheint.

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    11. Juni 1959
    Information Nr. 390/59 – Bericht über verstärktes Auftreten von Kinderbrandstiftungen in der Landwirtschaft

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    8. Juni 1959
    Information Nr. 379/59 – Bericht über Missstimmungen im Zusammenhang mit Normenveränderungen und anderen lohnpolitischen Maßnahmen