Unsachgemäße Investitionen im VEB Teerverarbeitungswerk Rositz
18. April 1959
Information Nr. 208/59 – Bericht über unsachgemäße Investitionen im VEB Teerverarbeitungswerk Rositz, [Bezirk] Leipzig
Aus vorliegenden Unterlagen wurde bekannt, dass im TVW Rositz1 seit 1955 der Bau einer Verkokungsanlage geplant ist. Obwohl für diesen Zweck schon wiederholt Investmittel ausgegeben wurden, gibt es zurzeit noch Auseinandersetzungen über die Art dieser Anlage – Kammerverkokung oder Blasenverkokung.
Die Blasenverkokung entspricht der alten Technologie. Dabei werden pro t des erzeugten Kokses ca. 30 kg Gusseisen verbraucht. Durch diese Art der Verkokung entsteht dem Werk ein Gewinn von 9,10 DM2 pro t.
Zur Kammerverkokung wird kein Gusseisen benötigt. Durch dieses neue Verfahren entsteht pro t des erzeugen Kokses ein Gewinn von 63,43 DM. Außerdem ist der Koks von einer sehr guten Qualität. Die Kammerverkokung ist nach Aussagen von Fachleuten der Blasenverkokung eindeutig überlegen.
Aufgrund dieser Vorteile wurde 1955 beschlossen, im TVW Rositz eine Kammerverkokung zu bauen. Nach Abschluss der Projektierungsarbeiten wurde mit dem Bau begonnen. Da sich 1958 Schwierigkeiten ergaben, wurde der Bau der Kammerverkokung eingestellt und der alte Plan zum Bau einer Blasenverkokung wieder aufgenommen. Gegenwärtig ist die Situation im Werk so, dass die Bautätigkeit an der Kammerverkokung seit einem Jahr ruht und auch 1959 keine weiteren Gelder dafür vorgesehen sind.
Die begonnenen Bauten leiden stark unter den Witterungseinflüssen, sodass Investmittel und Materialien in unverantwortlicher Weise vergeudet werden. So ist z. B. der Schornstein der Kammerverkokung von oben her drei Meter verwettert. Das Betonwerk des Fußes zum Schornstein ist dem Verfall preisgegeben. Kostbares Material (zum großen Teil Sonderanfertigung) ist jetzt nutzlos und teilweise dem Verderb preisgegeben (Mindestwert dieser Materialien 100 000 DM).
Allein für die Projektierung der Anlagen wurde mehr als eine Million DM ausgegeben. Geplant war die Anfertigung von 30 Kammern. Davon sind 14 bereits fertig, die auch in Betrieb genommen werden sollen. Die schon fertigen Fundamente der übrigen Kammern sollen vernichtet werden, wodurch ein weiterer Verlust von 100 000 DM entstehen würde.
Anstelle der Kammerverkokung sollen nun 30 neue Koksblasen nach dem Prinzip von 1917 gebaut werden. Mit dem Bau wurde bereits begonnen, obwohl die Baugenehmigung noch nicht vorhanden ist und noch keine Klarheit in der Projektierung besteht. (Zum Beispiel erfolgte die Projektierung, ohne dass sich die Projektanten das Baugelände angesehen haben, sodass sich eine Reihe Änderungen ergaben.) Alle bisher übergebenen Zeichnungen sind ohne Güteprüfung. Für das Jahr 1959 wurden bereits Verträge über eine Million DM abgeschlossen, obwohl nur 500 Tausend DM vorgesehen sind.
Es wäre zweckmäßig, schnellstens eine Entscheidung über den Weiterbau der Verkokungsanlagen herbeizuführen, um weitere Fehlinvestitionen und noch größere Schäden zu verhindern.