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Bericht über den Chefredakteur der Zeitschrift »Constanze«

23. April 1959
Information Nr. 222/59 – Bericht über den Chefredakteur der westdeutschen Zeitschrift »Constanze«, Huffzky, Hans

Nach vorliegenden Informationen ist Huffzky seit 1947 Chefredakteur der Zeitschrift »Constanze«.1 Zu dieser Stellung ist er durch seine Verbindung zu dem Verleger Jahr2 gekommen, den er bereits während seiner Tätigkeit als Redakteur der vor 1945 im Brockhaus-Verlag erschienenen Zeitschrift »Junge Dame« kennengelernt hat.3 Während des faschistischen Krieges war Huffzky selbst ein bekannter Kriegsberichterstatter.

Huffzky gibt sich gegenüber Bürgern der DDR als ein fortschrittlich eingestellter Mensch aus, der mit der KPD, der DDR und der Sowjetunion sympathisiere und an der marxistischen Wissenschaft interessiert sei. Teilweise bezeichnet er sich selbst als Salon-Bolschewist. Er ist parteilich nicht organisiert, versucht aber seine Sympathien zur KPD dadurch zu beweisen, dass er in seiner Redaktion ein angebliches KPD-Mitglied namens [Vorname Name] beschäftigt, den er auch teilweise zu politischen Aussprachen mit Bürgern der DDR hinzuzieht oder als zu seinem politischen Kreis zugehörend bezeichnet. Die wirkliche Haltung Huffzkys steht jedoch keineswegs mit dieser nach außen zur Schau getragenen Einstellung in Übereinstimmung. Das beweist sehr deutlich die Verbindung Huffzkys zu dem 1957 verurteilten Wolfgang Harich.4

Huffzky, der bereits seit 1946 mit Harich persönlich bekannt war, hatte mit diesem im November 1956 mehrere Begegnungen in Westberlin.5 Diese von Harich ausgehenden Zusammenkünfte führten dazu, dass er Huffzky seine revisionistischen Pläne entwickelte und um Unterstützung nachsuchte. Dabei erwähnte Harich u. a., dass diese Konzeption von einem großen Kreis von Intellektuellen geteilt wird und sich aus diesem Personenkreis eine kleine aktive Gruppe herausgebildet hätte, die aktiv an der Verwirklichung der Pläne arbeitet. Harich selbst bezeichnete sich als zugehörig zu dieser Gruppe.6 Außerdem trat Harich an Huffzky mit dem Anliegen heran, ihn bei der Gründung einer Zeitung in Westdeutschland zu unterstützen, falls er seine Pläne in der DDR nicht legal durchsetzen könne.

Auf der Grundlage dieser Gespräche kam es zu der bekannten Einladung an Harich, für einige Tage nach Hamburg zu kommen und dort mit Huffzky und seinen Bekannten, »die sich aufgrund der politischen Ereignisse des Jahres 19567 in großer Verwirrung und Isolierung befinden würden«, die politischen Probleme zu diskutieren. Diese Reise von Harich erfolgte noch im November 1956. Die gesamten Kosten wurden von der »Constanze« übernommen, die auch die illegale Reise organisiert hat.8

Durch Vermittlung des Huffzky wurde Harich während seines Aufenthaltes in Hamburg mit dem ihm bereits bekannten Herausgeber des »Spiegel«, Rudolf Augstein,9 dem Chefredakteur Becker10 und dem Verleger John Jahr in Verbindung gebracht, denen er mehr oder weniger ausführlich seine revisionistische Konzeption darlegte. Nach eigenen Erklärungen ging es Huffzky darum, diese Personen im Sinne der Konzeption Harichs zu beeinflussen und zu erwirken, dass sie in ihrer Arbeit diese Pläne berücksichtigen und mit zur Grundlage der Propagandatätigkeit nehmen. Um Augstein nicht mit dem gesamten Plan Harichs vertraut zu machen, hatte Huffzky mit Harich vorher vereinbart, nicht von der Existenz der staatsfeindlichen Gruppe zu sprechen, sondern die Konzeption als persönliche Auffassung über die weitere politische Entwicklung auszugeben. Dieses taktische Vorgehen sollte erfolgen, um Augstein nicht von den Plänen abzustoßen, wozu es nach gemeinsamer Ansicht von Harich und Huffzky bei Preisgabe sämtlicher Forderungen und der Methoden zu deren Verwirklichung hätte kommen können. Huffzky hatte dabei Harich versprochen, auch nach seiner Abreise weiterhin auf Augstein im Sinne der vorgetragenen Konzeption einzuwirken, damit dieser die vereinbarte Linie im »Spiegel« durchsetzt.11

Auch die anderen in dieser Zeit mit Huffzky und seinem Mitarbeiter Christensen12 stattgefundenen Aussprachen bewegten sich fast ausschließlich um die Pläne Harichs, wobei die genannten Personen immer wieder zum Ausdruck brachten, dass sie auf dieser Grundlage aus der politischen Isolierung herausstreben und im Sinne der Entwicklung in Jugoslawien und Polen13 wieder aktiv werden könnten.

Diese gegenüber Harich vertretenen Auffassungen, politisch stärker in Erscheinung treten zu wollen, werden durch weitere Informationen bestätigt. Übereinstimmend ist daraus ersichtlich, dass es Huffzky darum geht, mit Stellungnahmen zu politischen Fragen in der Öffentlichkeit stärker bekannt zu werden, dabei jedoch eine solche Linie zu beziehen, gegen die Adenauer-Politik14 aufzutreten und auf der Grundlage revisionistischen Gedankenguts mit der Arbeiterbewegung zu sympathisieren, aber keineswegs eine klare Position zu beziehen.

Mit dieser Haltung versucht Huffzky offensichtlich auch der Forderung des Springer-Konzerns nachzukommen, die Berichterstattung über die DDR zu intensivieren und in die »Constanze« eine politische Richtung hereinzubringen. Zu diesem Zweck sollen außerdem auch sozialkritische Beiträge mit politischen Stellungnahmen aufgenommen werden. Huffzky hat eine Vorlage für die dementsprechende Umgestaltung der Zeitschrift »Constanze« ausgearbeitet.

In dem Bestreben, entsprechend der Forderung des Springer-Konzerns die politischen Probleme stärker in den Vordergrund zu bringen, haben nach vorliegenden Informationen in der Chefredaktion und Verlagsleitung der »Constanze« Beratungen stattgefunden, Huffzky für ein Jahr lang von seiner Tätigkeit als Chefredakteur zu beurlauben, damit er in dieser Zeit ein Buch über die DDR schreiben kann. Dieses Buch soll im Rowohlt-Verlag gedruckt werden.15

Nach einer unüberprüften Meldung wurde zu Huffzky weiterhin noch bekannt, dass durch seine Vermittlung Republikflüchtige aus Westberlin ausgeflogen worden sein sollen.

  1. Zum nächsten Dokument Feindliche Tätigkeiten gegen die DDR

    23. April 1959
    Information Nr. 226/59 – Ergänzung zum Bericht über die Ausnutzung Westdeutschlands und Westberlins zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR und zur Organisierung einer aktiven feindlichen Tätigkeit gegen die DDR
  2. Zum vorherigen Dokument Unsachgemäße Investitionen im VEB Teerverarbeitungswerk Rositz

    18. April 1959
    Information Nr. 208/59 – Bericht über unsachgemäße Investitionen im VEB Teerverarbeitungswerk Rositz, [Bezirk] Leipzig

  1. Hans Huffzky, eigentlich Johannes Oswald, Jg. 1913, Journalist, Herausgeber und Verlagsberater, 1947–57 Chefredakteur der Frauenzeitschrift »Constanze«, blieb dem Verlag danach aber weiterhin als Berater treu. »Constanze« war eine in den 1950er- und 1960er-Jahren marktführende deutsche Frauenzeitschrift, die ab 1948 in Hamburg erschien. 1969 ging die »Constanze« in der Zeitschrift »Brigitte« auf.

  2. Gemeint ist John Jahr sen., Jg. 1900, Verleger, gründete 1947 zusammen mit Axel Springer den »Constanze«-Verlag in Hamburg, in dem die gleichnamige Frauenzeitschrift erschien. 1965 schuf er mit Gerd Bucerius und Richard Gruner die Gruner + Jahr GmbH und Co.

  3. »Die junge Dame« war Titel einer ab 1933 in Berlin erscheinenden Frauenzeitschrift, die ab 1937 von dem Verleger John Jahr sen. herausgegeben wurde. Ab 1939 war Hans Huffzky der Hauptschriftleiter der Zeitschrift. »Die junge Dame« erschien aber nicht, wie hier dargestellt, im Brockhaus-Verlag, sondern wurde von der 1933 gegründeten »die junge dame Verlagsgesellschaft m.b.H.« in Berlin herausgegeben. 1950 wurde sie im »Constanze«-Verlag wiederaufgelegt, ihr Erscheinen aber schon ein Jahr später eingestellt.

  4. Wolfgang Harich, Jg. 1923, Philosoph und Dissident, 1956 verhaftet und 1957 wegen »Bildung einer konspirativen staatsfeindlichen Gruppe« zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, 1964 entlassen und als freier Lektor für Philosophie tätig, lebte und arbeitete Mitte der 1970er-Jahre für einige Zeit in Österreich und der Bundesrepublik, 1979 invalidisiert.

  5. Huffzky war seit 1947 (nicht 1946) mit Harich befreundet. Huffzky und Harich trafen sich zwischen 1947 und 1956 mehrere Male, sowohl in Hamburg als auch in Westberlin. 1952 half Huffzky, eine Vortragsreise Harichs in der Bundesrepublik öffentlichkeitswirksam zu gestalten. Über Huffzky war Harich mit den Verlegern Ernst Rowohlt, John Jahr sen. und dem Herausgeber des »Spiegels« Rudolf Augstein schon vor der hier genannten Hamburg-Reise in Kontakt gekommen. Vgl. Harich, Wolfgang: Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit. Zur nationalkommunistischen Opposition 1956 in der DDR. Berlin 1993, bes. S. 77–83.

  6. Wolfgang Harich übte nach der Niederschlagung des Aufstandes vom 17. Juni 1953 offen Kritik an der Kultur- und Medienpolitik der SED. Er verlor daraufhin seinen Posten als Professor an der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und wurde 1954 Cheflektor des von Walter Janka geführten Aufbau-Verlages. Ermutigt durch Verlauf und Ergebnisse des XX. Parteitags der KPdSU entstand dort eine informelle Gruppe marxistischer Intellektueller, der »Kreis der Gleichgesinnten«, der, beeinflusst durch Ideen Ernst Blochs und Georg Lukács, parteiinterne Reformen forderte. Ihm gehörten neben Harich weitere Mitarbeiter und Autoren des Aufbau-Verlages und der Wochenzeitschrift »Der Sonntag« an. Harich verschriftlichte die Diskussionsergebnisse des Kreises unter dem Titel »Plattform für den besonderen deutschen Weg zum Sozialismus«, eine Schrift, in der neben der Ablösung Walter Ulbrichts als Partei- und Staatschef u. a. freie Wahlen, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, die volle Souveränität der DDR und wirtschaftliche Reformen gefordert wurden. Harich informierte Rudolf Augstein und Mitarbeiter des Ostbüros der SPD über die Aktivitäten der Gruppe, westdeutsche Medien veröffentlichten die »Plattform«. Harich wurde im November 1956 verhaftet und im März 1957 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Vgl. Ihme-Tuchel, Beate: Wolfgang Harich. In: Fricke, Karl Wilhelm; Steinbach, Peter; Tuchel, Johannes (Hg.): Opposition und Widerstand in der DDR. Politische Lebensbilder. München 2002, S. 216–223; Harich, Wolfgang: Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit. Zur nationalkommunistischen Opposition 1956 in der DDR. Berlin 1993, Prokop, Siegfried: Ich bin zu früh geboren. Auf den Spuren Wolfgang Harichs. Berlin 1997.

  7. Hier wird Bezug genommen auf die Aufstände 1956 in Ungarn und Polen. Der Volksaufstand in Ungarn begann am 23.10.1956 mit Demonstrationen in Budapest, die sich in den folgenden Tagen auf das ganze Land ausweiteten. Bereits am Abend des 23.10. bat Parteichef Ernő Gerő die sowjetische Armee um Hilfe. Am 24.10. wurde die Forderung der Demonstranten nach der Berufung des reformorientierten Kommunisten Imre Nagy zum Ministerpräsidenten erfüllt, am 25.10. wurde Parteichef Gerő durch Janos Kádár ersetzt. Zeitgleich kam es zu Angriffen auf die Demonstranten, bei denen etwa 200 Personen getötet wurden. In Polen entwickelte sich im Juni 1956 ein Arbeiterstreik in Posen zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung von Demonstranten mit der polnischen Armee. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, doch die innenpolitische Situation in Polen blieb instabil und in der Bevölkerung zeigte sich eine zunehmend antisowjetische Stimmung. Um die Situation zu beruhigen, setzte der reformorientierte Flügel der PVAP eine Umbildung der Parteiführung durch; am 21.10. wurde der 1948 abgesetzte und 1951 inhaftierte ehemalige Parteichef Władysław Gomułka zum Ersten Sekretär der PVAP gewählt, während die Vertreter des stalinistischen Flügels nicht mehr ins Politbüro gewählt wurden. Vgl. dazu Varga, László: Der Fall Ungarn. Revolution, Intervention, Kádárismus. In: Engelmann, Roger; Großbölting, Thomas; Wentker, Hermann (Hg.): Kommunismus in der Krise. Die Entstalinisierung 1956 und die Folgen. Göttingen 2008, S. 127–136; Kramer, Mark: Soviet-Polish Relations and the Crises of 1956. Brinkmanship and Intra-Bloc Politics. In: ebenda, S. 61–126, hier 89–124.

  8. Wolfgang Harich reiste am 26.11.1956 nach Hamburg. Er war zu dieser Reise von Hans Huffzky eingeladen worden, der tatsächlich alle Kosten übernahm. Vgl. Harich, Wolfgang: Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit. Zur nationalkommunistischen Opposition 1956 in der DDR. Berlin 1993, S. 80.

  9. Rudolf Karl Augstein, Jg. 1923, Journalist, Verleger, Publizist und der Gründer des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel«.

  10. Hans Detlev Becker, Jg. 1921, Journalist, 1959–61 Chefredakteur des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel«, ab 1962 Direktor des Spiegel-Verlags sowie ab 1971 auch Geschäftsführer des Manager Magazin-Verlags.

  11. Rudolf Augstein hatte Harich vor einer Rückkehr in die DDR gewarnt. Er hatte ihm angeboten, ihn im Westen finanziell und beruflich zu unterstützen. Harich lehnte dies ab mit der Begründung, die Gruppe um ihn und Walter Janka nicht im Stich lassen zu wollen. Huffzky unterstützte Harich in dieser Auffassung und wollte dafür sorgen, dass Harichs Schriften in der Bundesrepublik gedruckt werden. Vgl. Harich, Wolfgang: Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit. Zur nationalkommunistischen Opposition 1956 in der DDR. Berlin 1993, S. 77–83.

  12. Möglicherweise ist hier ein Mitarbeiter aus der »Constanze«-Redaktion gemeint, der Cornelsen hieß und mit dem Harich laut eigenem Bekunden während seines Hamburg-Aufenthaltes auch Bekanntschaft machte. Vgl. Harich, Wolfgang: Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit. Zur nationalkommunistischen Opposition 1956 in der DDR. Berlin 1993, S. 80 f.

  13. Den jugoslawischen Staat betrachteten viele linke Intellektuelle aufgrund seiner breit angelegten kollektiven Selbstverwaltung und der offenen Abkehr vom Stalinismus als positives Beispiel für den Staatssozialismus. Auch in Polen wurden nach der Niederschlagung des Posener Aufstands die stalinistischen Kräfte in der Führung der KP zurückgedrängt. Es kam vorübergehend zu einer vergleichsweise liberalen Entwicklung vor allem in der Politik der katholischen Kirche gegenüber und im kulturellen Bereich.

  14. Konrad Adenauer, Jg. 1876, CDU-Politiker, 1949–63 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, 1950–66 Bundesvorsitzender der CDU.

  15. Ein Buch von Huffzky über die DDR ist nicht bekannt.