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Feindliche Tätigkeiten gegen die DDR

23. April 1959
Information Nr. 226/59 – Ergänzung zum Bericht über die Ausnutzung Westdeutschlands und Westberlins zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR und zur Organisierung einer aktiven feindlichen Tätigkeit gegen die DDR

Die im o. g. Bericht angeführten Einzelheiten über die Feindtätigkeit gegen die DDR und besonders über die Rolle Westberlins als NATO-Stützpunkt werden durch eine Reihe übereinstimmender Materialien aus jüngster Zeit erneut vollinhaltlich bestätigt. Darüber hinaus werden seit den Vorschlägen der Sowjetunion, Westberlin den Status einer freien Stadt zu geben und mit Deutschland einen Friedensvertrag abzuschließen,1von den imperialistischen Geheimdiensten und den Agentenzentralen2 nicht nur alle Anstrengungen unternommen, um Westberlin als NATO-Stützpunkt zu halten, sondern es werden Maßnahmen getroffen, diesen Stützpunkt als Provokationszentrum weiter auszubauen und die Feindtätigkeit gegen die DDR in verstärktem Umfang fortzuführen, was sich besonders in der Suche und Anwendung neuer Methoden zeigt.

Diese Aktivität ist bei allen in Westberlin stationierten Geheimdiensten festzustellen. Ein gesteigerter Wert wird von allen imperialistischen Geheimdiensten auf Maßnahmen gelegt, die eine weitere Verbindung zu ihren Agenten auch in einer unvorhergesehenen Situation und unter erschwerten Verhältnissen garantieren sollen. So erhalten die Agenten in der letzten Zeit neben den Spionageaufträgen in verstärktem Maße die Anweisung, eine große Anzahl sogenannter »Toter Briefkästen« (TBK)3 und Schleusen an allen Grenzen der DDR4 zur Nachrichtenübermittlung anzulegen. Neben kleinen TBK zur Nachrichtenübermittlung sollen auch größere TBK angelegt werden, mit deren Hilfe Funkgeräte und andere Agentenausrüstungen in die DDR eingeschleust und versteckt werden sollen.

Eine neue Methode der imperialistischen Geheimdienste ist auch die überstürzte Ausgabe von Funkgeräten an Agenten, die bisher noch keine Ausbildung an diesen Geräten erhalten haben, mit dem Zweck, sie später auszubilden und die Geräte zum gegebenen Zeitpunkt zum Einsatz zu bringen. Dieses trifft besonders für den amerikanischen Geheimdienst und den Bundesnachrichtendienst zu. Dabei wurden vom amerikanischen Geheimdienst Funkzubehör und -unterlagen ausgegeben, die für eine Zeit von zehn Jahren ausreichen. Des Weiteren erhielten die Funkagenten des amerikanischen Geheimdienstes neue Codes, die erst nach Übergabe der Kontrollfunktionen an die DDR zur Anwendung kommen sollen.5 In diesem Zusammenhang gibt es auch Anzeichen, dass die imperialistischen Geheimdienste ihre Agenten in stärkerem Maße mit gefälschten DPA6 ausstatten.

Alle in Westberlin stationierten Geheimdienste versuchen seit Bekanntwerden der sowjetischen Berlin-Vorschläge ihre Deckadressen in Westberlin durch Deckadressen in Westdeutschland zu ersetzen. In diesem Zusammenhang werden verstärkte Werbungen von geeigneten Personen in Westdeutschland vorgenommen und Maßnahmen zum aktiven Einsatz von Kurieren getroffen.

Des Weiteren setzen die in Westberlin stationierten Geheimdienste ihre verstärkten Bemühungen zur Werbung neuer Agenten mit den verschiedensten Mitteln und Methoden fort. Zur Erhaltung ihres Agentenapparates und um ein »Abspringen« schwankend gewordener Agenten zu verhindern, haben die imperialistischen Geheimdienste die Bezahlung erhöht, sodass für geringfügige Aufträge hohe Beträge ausgegeben werden.

Außer den allgemeinen Aufträgen zur Spionage auf ökonomischem, politischem und militärischem Gebiet wurden vom amerikanischen Geheimdienst detaillierte Aufträge erteilt, die die gegnerischen Aggressionsabsichten erneut bestätigen. Zum Beispiel erteilte der amerikanische Geheimdienst in Westberlin seinen Agenten den Auftrag, in der DDR Stellen aufzuklären, die als Landeplätze für Flugzeuge, Abwurfstellen für Material bzw. zum Absprung für Fallschirmjäger geeignet sind. (Diese Information darf nicht veröffentlicht werden.)

Zur Tarnung seiner feindlichen Tätigkeit beabsichtigt der amerikanische Geheimdienst, für seine Mitarbeiter in Westberlin die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, um in einer eventuellen Freien Stadt unter dem Deckmantel eines »deutschen Staatsbürgers« die gegen die DDR gerichtete Tätigkeit fortzusetzen. Die Veränderungen bei den Agentenzentralen und -organisationen sollen im Wesentlichen dazu dienen, einmal ihre Tätigkeit besonders im Rahmen der psychologischen Kriegsführung wirksam zu verstärken und zu koordinieren und zum anderen ihre gesamte Feindtätigkeit besser zu tarnen, um alles Kompromittierende nicht bekanntwerden zu lassen.

Vom »Europäischen Bildungswerk« (EBW), das seine Zentralen in Regensburg und in Düsseldorf hat, soll die schon seit Langem geplante Zweigstelle in Westberlin eingerichtet werden, um als ein Zentrum der ideologischen Diversion in Westberlin zu fungieren und die Feindtätigkeit der einzelnen Zentralen auf diesem Gebiet soweit wie möglich zu koordinieren. Deshalb soll diese Stelle auch eine große Zahl direkter Verbindungen zu staatlichen, politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und sonstigen zu diesem Zweck ausnutzbaren Stellen unterhalten. Man spekuliert dabei auch auf eine schwere Erkennbarkeit dieser Feindzentralen wegen ihres »wissenschaftlichen Anstrichs«.

Eine ganze Reihe der bisher vorwiegend mit sogenannten V-Leuten arbeitenden Zentralen konzentriert sich bereits auf spezielle Gebiete der psychologischen Kriegsführung, wie Hetzflugblattherstellung und -verbreitung, Einrichtung neuer Stellen zur Kontaktaufnahme und Beeinflussung, wie Medikamentenausgabestellen u. a. Vom »Referat Mitteldeutschland« (Falken-SPD)7 wurde z. B. eine »Leihbücherei für Jugendliche (der DDR)« eingerichtet, mit deren Hilfe man ein ständiges Anlaufen der Zentrale erreichen will. (Die Leihfrist für die Bücher beträgt drei Wochen). Die Bücher sind nach verschiedenen Interessengebieten ausgewählt, wobei unter »Politik« rein revisionistische, trotzkistische und Hetzbücher und –broschüren verbreitet werden. Die Ausgabe erfolgt gegen die Deckadresse. Dabei wird jeder Jugendliche karteimäßig registriert (Einschätzung der Personen, vollständige Personalien, Personalausweis Nr., Deckadresse, Interessengebiet u. a.).

Im Gegensatz zu der im Parteivorstand der SPD verbreiteten Meinung, die Agententätigkeit des Ostbüros8 werde eingestellt und dafür eine Art »Büro für Wiedervereinigung« mit »politischen Aufgaben« geschaffen, erklärte der hauptamtliche Mitarbeiter des SPD-Ostbüros von Loefen,9 das Ostbüro der SPD müsse jetzt um eine »neue, sozialdemokratische Form« der Feindtätigkeit kämpfen; nach seiner Meinung unter der Losung »Rettet die Freiheit« und unter Anpassung an die allgemeinen Erfordernisse der psychologischen Kriegsführung.

Neben all diesen Varianten befasst sich das SPD-Ostbüro aber nach wie vor intensiv mit Spionage und Agententätigkeit, was auch für alle anderen Agentenzentralen gilt. So wurden in der letzten Zeit vom SPD-Ostbüro Bürger der DDR brieflich zur Republikflucht und zur Feindtätigkeit gegen die DDR aufgefordert.

Die im Dezember 1958 von den Sicherheitsorganen der DDR festgenommene Agentin des SPD-Ostbüro, Cäcilie Silberstein,10 Dolmetscherin in der DIA Westexport,11 wurde von dem Leiter der Nebenstelle des SPD-Ostbüro am Hohenzollerndamm, die den Decknamen »Oberhaus« führt, Dr. Pritzel12 alias »Dr. Reinhardt« 1957 zur Spionage angeworben und erhielt den Decknamen »Wanda«. Für die Erledigung und Tarnung ihrer Spionagetätigkeit bekam sie eine Aktentasche mit Geheimfach, Fotoapparat, Fotopapier und andere Gegenstände zum Entwickeln der Filme, die sie von wichtigen geheimen Unterlagen anfertigen sollte und auch anfertigte, u. a. von internstem Material des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe.13 Außerdem erhielt sie von Pritzel den Auftrag, zur Tarnung und besseren Möglichkeit der Spionage aktiv in der SED mitzuarbeiten. Sie führte bis zu ihrer Festnahme 30 Treffs mit dem Hauptagenten des Ostbüros der SPD durch.

Der im Dezember 1958 festgenommene [Name, Vorname] wurde im Dezember 1957 vom UfJ14 zur Spionage und Hetzschriftenverbreitung angeworben und mit insgesamt fünf Hauptagenten des UfJ in Verbindung gebracht, von denen er die verschiedensten feindlichen Aufträge erhielt. Unter anderem schleuste er z. B. ca. 4 000 Hetzbriefe des UfJ in den demokratischen Sektor und verschickte diese durch die Post. Er berichtete laufend über interne Materialien von Gerichtsverhandlungen, von denen er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit Kenntnis hatte und verteilte im Auftrage des Hauptagenten Casemir15 alias »Dohrmann« Wahlflugblätter der West-CDU, was besonders für die Charakterisierung des UfJ aufschlussreich ist.

Um die Feindtätigkeit gegen die DDR und die sozialistischen Länder zu tarnen, wurden verschiedene Agentenzentralen umbenannt, z. B. das Ostbüro der DP16 in »Büro für gesamtdeutsche Angelegenheiten«, das FDP-Ostbüro17 in »Büro für Wiedervereinigung«, die Bruderschaft Freies Deutschland in »Union Freies Berlin«,18 weil die alten Bezeichnungen zu kompromittiert und zu anrüchig waren. Von einer Veränderung ihrer Ziele kann indessen keine Rede sein, ihre Tätigkeit soll im Gegenteil – vor allem auf dem Gebiet der ideologischen Diversion – verstärkt werden, wie es z. B. vom SPD-Ostbüro, vom CDU-Ostbüro19 u. a. praktiziert wird und wofür nach wie vor hohe Westgeldbeträge zur Verfügung gestellt werden.

Auch die offizielle Liquidierung der KgU,20 die im Wesentlichen abgeschlossen ist, lässt erkennen, dass die Hauptlinie der Hintermänner, besonders der amerikanischen Stellen, die hinter der gesamten Feindtätigkeit gegen das sozialistische Lager und auch hinter diesen Maßnahmen stehen, offensichtlich in die Richtung geht, gewisse taktische, situationsgebundene Veränderungen nur bei den weniger bedeutungsvollen oder aber zu stark belasteten Agentenzentralen herbeizuführen. Dabei werden die wichtigsten Materialien, die für eine forcierte Feindtätigkeit verwendbar sind, vom Amerikaner übernommen. So haben amerikanische Stellen sämtliche Unterlagen der ehemaligen sogenannten »operativen« Abteilung VII der KgU an sich gezogen.21

Die von der KgU bisher im großen Umfange durchgeführten Hetzschriftenaktionen werden vom »Tarantel-Verlag«22 übernommen und der Versand durch Ballons und Post wird über völlig private Adressen unter amerikanischer Regie und Finanzierung vorgenommen. (Bezeichnenderweise werden die »Suchkartei« der KgU23 u. a. weniger auswertbare Unterlagen von amerikanischen Stellen als rein deutsche Angelegenheit bezeichnet, für die von ihnen zukünftig kein Interesse mehr erwartet werden darf). Aber auch verschiedene hauptamtliche u. a. Agenten – auch der KgU – wurden vom amerikanischen Geheimdienst bzw. anderen westlichen Geheimdiensten übernommen, womit zur Genüge erwiesen scheint, dass die Auflösung der KgU u. a. offizielle Veränderungen lediglich eine Farce ist. Der ehemalige Hauptagent der KgU, Bruhn,24 beispielsweise, warb Ende August 1958 im Auftrage eines westlichen Geheimdienstes den Arzt Dr. Joachim Förster25 aus der DDR zur Spionage, zur Zuführung weiterer Spione und vor allem zur Abwerbung von Ärzten, Assistenten, Dozenten u. a. wissenschaftlichen Kräften vorwiegend aus dem Gesundheitswesen an.

Auch die Tätigkeit der staatsfeindlichen Studentengruppe an der Technischen Hochschule in Dresden beweist in starkem Maße den verbrecherischen Einfluss der westlichen Agentenzentralen.26 So bestanden von der staatsfeindlichen Gruppe Verbindungen zur KgU, zum sogenannten Ministerium für gesamtdeutsche Fragen27 und zur britischen Rundfunkgesellschaft BBC, deren Einflüsse sich in den Forderungen der konterrevolutionären Konzeption und den konspirativen Methoden der Feindtätigkeit dieser Gruppe zeigen, die den Sturz der Regierung der DDR; Auflösung der SED, Aufhebung der sozialistischen Planwirtschaft, Auflösung der LPG und Einverleibung der DDR in die Westzone zum Ziele hatten. Aus Westberlin wurden Schusswaffen, Sprengstoffe und Gift eingeschleust. So wurden bei den Mitgliedern der staatsfeindlichen Gruppe sieben Pistolen, Trinitrotoluol-Sprengstoff, Kaliumchlorat, Phosphor und verschiedene andere Chemikalien zur Herstellung von Spreng- und Brandsätzen sichergestellt

Dieses Bestreben, die studentischen Kreise in der DDR in großem Umfange und als besonders geeignet in die feindlichen Pläne einzubeziehen, geht mit der gleichen Eindeutigkeit auch noch aus einer Reihe anderer Hinweise hervor. In Verbindung mit der Organisation »Rettet die Freiheit«28 planen westdeutsche reaktionäre Studentenkreise, deren sogenannte gesamtdeutsche Arbeit zum größten Teil vom »Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen« finanziert wird, die Arbeit unter den Studenten der DDR zur Unterminierung der DDR zu verstärken. Ein Arbeitskreis des »Ringes christlich demokratischer Studenten« (RCDS), der Studentenorganisation der CDU geht dabei von den Spekulationen aus, dass bei einem Putsch »an allen Brennpunkten« in der DDR die Studenten die führende Rolle spielen müssen, da mit einer »aktiven Mitwirkung« der Arbeiter – wie am 17.6.1953 – nicht mehr zu rechnen sei. Die Vorbereitungen müssten so durchgeführt werden, dass ein künftiger Putsch zu einer Angelegenheit der UNO gemacht und das Eingreifen sowjetischer Truppen verhindert werden könnte. Zur Vorbereitung sollen nach den feindlichen Plänen an fast allen Universitäten und Hochschulen der DDR konspirative Dreiergruppen gebildet werden, die entsprechende Aufträge und finanzielle Mittel über Kuriere oder – wenn möglich – durch die Post erhalten und deren Tätigkeit von Westdeutschland aus koordiniert werden soll. Das Schwergewicht soll auf die mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Fakultäten gelegt werden. Außerdem soll die Beeinflussung der Studenten in der DDR allgemein durch »Patenschaften« seitens westdeutscher Universitäten und Studentenorganisationen, durch Einladungen zum Besuch Westdeutschlands, Versand von Hetzliteratur, großzügigere Unterstützung republikflüchtiger Studenten usw. verstärkt werden. Den Studenten soll klar gemacht werden, dass ihre aktive Mitwirkung an der Verwirklichung der feindlichen Pläne für sie materielle und ideelle Vorteile bringe und dass ein sorgenfreies Studium garantiert ist.

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    29. April 1959
    Information Nr. 247/59 – Bericht über die Ersatzteilversorgung für Traktoren in der Landwirtschaft

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    23. April 1959
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