Materialengpässe im Büromaschinenbau
15. Juni 1961
Einzel-Information Nr. 306/61 über die durch die Material-Situation hervorgerufene Gefährdung der Produktion in der VVB Büromaschinen
Dem MfS liegen einige Informationen vor, die auf eine ernsthafte Gefährdung der Produktionsaufgaben der VVB Büromaschinen für das 2. Halbjahr 1961 hinweisen. Wir sehen uns daher veranlasst, auf die wichtigsten Probleme näher einzugehen, da besonders über den Ausgleich für ausfallende Importmaterialien aus Westdeutschland noch keine Klärung und Entscheidung herbeigeführt worden ist, obwohl vom Betrieb derartige Forderungen bereits mehrmals erhoben wurden, u. a. an:
- 1.
Staatliche Plankommission, Genosse Schulz,
- 2.
ZK der SED, Genosse Elle,
- 3.
MAI, Genosse Balkar und Rauchfuß1,
- 4.
DIA Büromaschinenexport, Genosse Hentschel.
Es wird eingeschätzt, dass durch den Ausfall von Importmaterialien im gesamten Industriezweig minimal 160 bis 180 Mio. DM Bruttoproduktion gefährdet sind.
Nach bisher vorliegenden Angaben umfassen die Streichungen von Importmaterialien aus Westdeutschland im Einzelnen folgende Positionen:
- 1.
Blankstahl 137,4 t,
- 2.
Spezialprofile 51,5 t,
- 3.
Kaltband 755,0 t,
- 4.
Sonderstahl 17,5 t,
- 5.
Präzisionsrohre 9,1 t,
- 6.
Silberstahl 47,5 t.
Diese Mengen stellen z. T. den gesamten Bedarf der VVB an derartigen Materialien für das 2. Halbjahr dar. In Auswirkung dieser Lage wird im 2. Halbjahr kaum ein Maschinentyp (Schreibmaschinen, Rechenmaschinen oder Buchungsmaschinen) weiter gefertigt werden können, sodass die Gefahr besteht, dass der gesamte Produktionsausstoß zum Erliegen kommt. In einer vorliegenden Übersicht der VVB über die Folgen des Materialmangels in o. g. Positionen, wird diese Einschätzung bestätigt. Alle Maschinentypen werden demnach in einer bestimmten Art und Weise von dem Materialausfall betroffen.
Dabei ist jedoch noch zu bemerken, dass die Folgen nicht nur auf diese VVB begrenzt bleiben, da z. B. das Büromaschinenwerk Mercedes Zella-Mehlis Teile für das Fernschreiberprogramm mit fertigt bzw. das Büromaschinenwerk Sömmerda Moped-Motoren mit einem Wert von 36 548 TDM im 2. Halbjahr herzustellen hat.
Im Export für 1961 wird ebenfalls mit einem erheblichen Ausfall gerechnet. Nach der bisherigen Übersicht werden Exporte im Werte von 140 TDM nicht zur realisieren sein. Außerdem besteht auch noch keine Möglichkeit, für 1962 Exportdispositionen zu treffen, da aufgrund der Materialsituation keine Klarheit über das Produktionsprogramm vorhanden ist.
Von Fachleuten dieser Branche wird besonders auf den politischen Schaden aufmerksam gemacht, der bei einer weiteren Verzögerung der Entscheidung über die Weiterführung der Produktion durch die Staatliche Plankommission, Abteilung Allgemeiner Maschinenbau, eintreten kann. Durch die Unfähigkeit, den Export zu erfüllen, besteht die Gefahr, dass die Vertreternetze in Westdeutschland und dem kapitalistischen Ausland zusammenbrechen und kapitalistische Betriebe den Markt vollkommen an sich reißen.
Weiterhin dürften auch erhebliche Schwierigkeiten bei dem Einsatz der in der VVB Büromaschinen Beschäftigten auftreten. Eine Vollbeschäftigung kann unter den genannten Umständen nicht garantiert werden. Bei der angespannten Arbeitskräftelage dürfte ein vorübergehender Wechsel eines beträchtlichen Teiles der Belegschaft mit dazu führen, dass eine große Anzahl der qualifiziertesten Facharbeiter auf dem Büromaschinensektor dem Industriezweig verloren geht.
Im Zusammenhang mit den Versuchen der VVB, die Materialfragen zu klären, wurde bekannt, dass zunächst ein Sonderexport von Büromaschinen in Höhe von 1,3 Mio. DM vorgesehen war, um die notwendigen Valutamittel für den Import der benötigten Materialien zu erarbeiten. Der Sonderexport wurde aber vorerst abgelehnt, mit der Begründung, dass die Importanforderungen den Sonderexport um rd. 500 TDM übersteigen, deren Deckung nicht zu klären ist.
In Anbetracht der vorliegenden Sachlage wäre es unseres Erachtens dringend erforderlich, dass durch die Abteilung Allgemeiner Maschinenbau der Staatlichen Plankommission nunmehr schnellstens eine Klärung herbeigeführt wird, in welcher Art und Weise in den Betrieben der VVB Büromaschinen der Ausgleich für den Ausfall westdeutscher Materialeinsätze bzw. die Weiterführung der Produktion erfolgen soll. Gleichzeitig müssten die sich aus dieser Lage ergebenden handelspolitischen Probleme des Exports in das kapitalistische Ausland für das Jahr 1962 bzw. 2. Halbjahr 1961 noch geklärt und abgestimmt werden.
Mielke [Unterschrift]