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Probleme im innerdeutschen Reiseverkehr

30. September 1963
Bericht Nr. 585/63 über einige Probleme im Reiseverkehr zwischen Westdeutschland und der DDR und nach Westberlin

Auf der Grundlage der dem MfS vorliegenden Materialien wird nachfolgend zu einigen Problemen im Reiseverkehr zwischen beiden deutschen Staaten und nach Westberlin Stellung genommen. In den Darlegungen wird auf den Zeitraum Januar bis August 1963 Bezug genommen.

Im angegebenen Zeitraum passierten insgesamt 9 663 347 Personen das Territorium der DDR im Reiseverkehr zwischen Westdeutschland und Westberlin, zwischen Westdeutschland und der DDR sowie zwischen Westberlin und dem demokratischen Berlin.1

Auf den Straßenverkehr entfällt mit insgesamt 5 238 663 Personen der größte Anteil, während auf dem Schienenwege insgesamt 2 122 873 Personen das Gebiet der DDR passierten.

Von diesen Gesamtzahlen ausgehend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es beträchtliche Unterschiede in der Reisedichte innerhalb der verschiedenen Monate und Wochentage und im Tagesablauf gibt.

Von Jahresbeginn leicht ansteigend, erfährt die Reisedichte von Westdeutschland nach Westberlin erstmals im Monat April eine Zunahme um ca. 70 % (z. B. Einreise im Monat März 1963 auf der Straße 175 700 Personen und im April 1963 309 900 Personen), sinkt nochmals im Monat Mai und erreicht dann progressiv steigend im Monat August mit 476 600 Personen ihren absoluten Höhepunkt. Deutlich erkennbar sind diese Entwicklungstendenzen bei einem Vergleich der Reisedichte im Tagesdurchschnitt.

Durchschnittliche tägliche Reisedichte verschiedener Monate des Jahres 1963:

  • Januar: 4 004 Personen,

  • April: 10 221 Personen,

  • Juni/Juli: ca. 10 500 Personen,

  • August: 15 892 Personen.

Im Reiseverkehr von Westberlin nach Westdeutschland sind die gleichen Tendenzen feststellbar.

Der Reiseverkehr auf der Reichsbahn zwischen Westberlin und Westdeutschland und umgekehrt erreicht nicht den Umfang des Straßenverkehrs, jedoch gleichen sich die zeitlich bedingten Reiseströme dem Verkehr auf der Straße an, wie nachstehende Zahlen beweisen.

Durchreise durch das Territorium der DDR beim Verkehr von WD nach WB und umgekehrt im Tagesdurchschnitt/Personen 1963:

Monat

Straße

Eisenbahn

Januar

4 004

1 711

August

15 892

8 448

Auf den Straßenverbindungen überquerten insgesamt 5 238 700 Personen das Gebiet der DDR, davon allein in den Monaten

[Monat]

Personen

Tagesdurchschnitt

Juni 1963

654 058

21 802

Juli 1963

684 163

22 805

August 1963

763 272

25 443

insgesamt

2 101 493

23 350

Das sind ca. 40 % des Jahresreiseverkehrs.

Die Belastung der Verbindungswege durch Lkw, Busse und Pkw ist allein aus den Zahlen der Einreise von Kfz (von Westberlin kommend) über den KPP Drewitz ersichtlich:

Einreise von Westberlin:

Monat

Personen

täglicher Durchschnitt

Kfz

täglicher Durchschnitt

Januar

82 898

2 763

29 515

784

April

254 128

8 470

78 870

2 629

Juni

315 996

10 399

96 963

3 232

Juli

360 583

12 019

96 924

3 231

August

376 032

12 525

97 860

3 262

Da auch der Verkehr von Westdeutschland nach Westberlin annähernd gleich ist, fertigten die Sicherungskräfte am KPP Drewitz im angegebenen Zeitraum im Reiseverkehr WB – WD und in umgekehrter Reiserichtung insgesamt 2 774 795 Personen und 716 403 Kraftfahrzeuge ab, welches einem Tagesdurchschnitt von 11 562 Personen und 2 985 Kfz entspricht.

Obwohl sich auf dem KPP Drewitz ein bedeutender Teil der Einreise von Westberliner Gebiet aus auf das Hoheitsgebiet der DDR konzentriert, haben auch die Kontrollpassierpunkte an der Staatsgrenze West etwa den gleichen Umfang des Reiseverkehrs zu bewältigen.

Zusätzlich zu den laufenden Kontrollen, die sich aus dem Durchreiseverkehr ergeben, haben die Kontrollkräfte die westdeutschen Bürger abzufertigen, die auf Aufenthaltsgenehmigung in die DDR einreisen (allein in den Monaten Juni bis August insgesamt rd. 400 000 Personen).

Den Erkenntnissen der Abfertigung an den Kontrollpassierpunkten nach Westberlin und an der Staatsgrenze West ist zu entnehmen, dass sich die Schwerpunkte der Abfertigung besonders auf das Wochenende (Freitagabend bis Montagvormittag) zusammendrängen; teilweise ist ein Ansteigen der Abfertigungszahlen um 50 bis 60 % gegenüber normalen Wochentagen festzustellen.

Während z. B. an einem normalen Wochentag über den KPP Drewitz in der Zeit von 16.00 bis 22.00 Uhr ca. 790 Pkw, etwa 20 Omnibusse und 75 Lkw die Grenze überschritten, waren es an einem Sonntag 2 350 Pkw, zehn Busse und etwa zehn bis zwölf Lkw.

Zur Einschätzung der Verkehrsdichte an den KPP des Straßenverkehrs ist weiter bemerkenswert, dass an Feiertagen wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten sowie zu bestimmten Anlässen usw. eine verstärkte Einreise- und Ausreisetätigkeit eintritt. Schulferien und die allgemeine Urlaubssaison beeinflussen den Reiseverkehr wesentlich.

Auch die bereits genannten Durchschnittszahlen (berechnet auf den Tagesdurchschnitt der zu bearbeitenden Grenzübertritte) charakterisieren allein noch nicht den unrhythmischen Ablauf des Arbeitsanfalles auf den Kontrollpunkten.

Während auf dem KPP Drewitz an einem normalen Reisetag etwa folgender Ablauf zu verzeichnen war

Uhr

Pkw

Busse

Lkw

16.00–17.00

160

3

15

17.00–18.00

240

3

20

18.00–19.00

220

10

21

19.00–20.00

170

3

18

passierten an einem Sonnabend in den Zeiten zwischen

Uhr

Pkw

Busse

Lkw

5.00–6.00

410

1

6.40–7.00

250

30

7.00–8.00

300

15

die Grenze von Westberlin nach Westdeutschland.

Der Reisestrom in umgekehrter Reihenfolge setzt in den späten Nachmittagsstunden in folgenden Größenordnungen ein:

Uhr

Pkw

Busse

Lkw

16.00–17.00

319

17.00–18.00

420

18.00–19.00

259

19.00–20.00

470

20.00–21.00

326

21.00–22.00

567

10

12

Alle Fahrzeuge sind durchschnittlich mit Pkw, 30 Personen je Bus und zwei Personen je Lkw besetzt.

Dieser äußerst unrhythmische und stoßweise Arbeitsanfall, der teilweise noch von Westberlin aus künstlich forciert wird, erschwert in den Spitzenzeiten bedeutend die gründliche und gewissenhafte Erledigung der Kontrollmaßnahmen durch die eingesetzten Sicherungskräfte.

Am KPP Drewitz macht sich dieser Umstand besonders bemerkbar, da in diesem Kontrollpunkt die Transitstrecken von Marienborn, Wartha und Juchhöh einmünden.

Zur Charakterisierung der genannten Situation wird noch darauf verwiesen, dass z. B. in der Hochsaison vereinzelt ein Stundendurchlauf von ca. 900 Pkw und in der Nachsaison von ca. 500 Pkw ermittelt wurde.

In zunehmendem Umfang wird von westdeutschen Bürgern und ausländischen Gästen die Hauptstadt der DDR aufgesucht. Westberliner Einwohner haben mit etwa 10 % am täglichen Grenzübertritt in das demokratische Berlin einen relativ geringen Anteil.2

Insgesamt reisten von Januar bis August 1963 1 645 137 Personen in das demokratische Berlin ein und 1 677 178 Personen wieder aus.

(Die Differenz erklärt sich aus der Tatsache, dass viele westdeutsche Bürger, die auf Aufenthaltsgenehmigung über KPP an der Staatsgrenze West in die DDR einreisen, über Berlin zurückreisen.)

Unter den o. g. Personen befanden sich

Westdeutsche Bürger mit TAG und AG

917 536 oder täglich 3 823

(55,15 %)

Westberliner Bürger

171 717 [oder täglich] 715

(10,4 %)

Ausländische Besucher

469 803 [oder täglich] 1 975

(28,5 %)

Im Besuch der Hauptstadt Berlin gibt es hinsichtlich der Belastung unserer Kontrollstellen ebenfalls wesentliche Unterschiede, die aus einem Vergleich der Tagesdurchschnitte ersichtlich sind.

Reisten im Jahresdurchschnitt täglich 3 823 westdeutsche Bürger mittels TAG und AG in das demokratische Berlin ein, so waren es im Juni 5 401, im Juli 4 391 und im August 4 975 Personen.

Ebenso verhält es sich in der allgemeinen Tendenz beim ausländischen Besucherstrom.

Während des gesamten Jahres wurden täglich etwa 1 957 Besucher registriert. In den Monaten Juli und August wurden die Durchschnittszahlen im Tagesbesuch mit 3 358 und 3 391 wesentlich überschritten.

Einer entsprechenden Untersuchung zufolge setzen sich die ausländischen Besuchergruppen wie folgt zusammen:

  • USA 15,4 %,

  • Europa 46,1 %,

  • Afrika 7,4 %,

  • Lateinamerika 2,4 %,

  • Asien 21,0 %,

  • übrige Staaten 7,5 %.

Mit annähernd 50 % haben die europäischen Länder des kapitalistischen Auslands den größten Anteil am ausländischen Besucherstrom.

Die Besucher aus den europäischen Ländern des kapitalistischen Auslandes setzen sich – über einen längeren Zeitraum gesehen – etwa folgendermaßen zusammen:

[Länder]

[in %]

z. B. 21.9.

22.9.

Italien

18,6

139

170

Schweden

13,8

208

22

Österreich

12,4

131

75

Griechenland

11,7

110

86

Schweiz

9,5

86

73

Frankreich

7,6

82

46

England

7,6

58

69

Spanien

6,3

63

42

Holland

6,3

53

50

Nach den vorliegenden Zahlenangaben sind die Grenzübertritte durch italienische Staatsbürger am häufigsten (zu einem großen Teil »Gastarbeiter« aus Westdeutschland und Westberlin); ihnen folgen Schweden, Österreicher, Griechen, Schweizer, Franzosen und Engländer.

Zur Charakterisierung der aus den nichteuropäischen Ländern eingereisten Ausländer sind folgende Tageswerte anzuführen:

[Länder]

z. B. 21.9.

22.9.

Indien

50

54

Türkei

48

49

VAR

46

14

Jordanien

39

26

Syrien

34

15

Der Einreiseverkehr in das demokratische Berlin konzentriert sich auf die Vormittagsstunden zwischen 9.00 und 12.00 Uhr sowie in der Zeit zwischen 17.00 und 18.00 Uhr. Der Ausreiseverkehr beginnt meist ab 18.00 bis 20.00 Uhr und setzt verstärkt ab 22.00 Uhr ein. Er endet erst gegen 1.00 Uhr.

Größeren Umfang nimmt der Reiseverkehr am Wochenende und zu Feiertagen an. An normalen Wochentagen werden durchschnittlich 8 000 Besucher registriert, während an Wochenenden ca. 11 000 Besucher im demokratischen Berlin weilen. Zu den Osterfeiertagen 1963 kamen allein 75 420 Personen und während der Pfingstfeiertage 40 260 Personen besuchsweise in die Hauptstadt der DDR.

Bei der Einreise in das demokratische Berlin werden von den Besuchern in folgendem Umfang Kraftfahrzeuge benutzt:

[Kraftfahrzeug]

Juni

Juli

August 1963

Pkw

31 224

26 542

31 050

Lkw

1 109

1 264

1 296

Busse

634

818

840

Bei den Lkw handelt es sich vornehmlich um Versorgungsfahrzeuge der Westberliner Bauwirtschaft (Zementsilofahrzeuge, die aus dem VEB Kalk- und Zementwerk Rüdersdorf bei Berlin Baustoffe holen.)

Im Zeitraum Juni bis August 1963 reisten rund 407 000 westdeutsche Bürger mit einer Aufenthaltsgenehmigung von Westdeutschland in die DDR ein.

In den Monaten ohne Feiertage bzw. außerhalb der Urlaubssaison liegen die durchschnittlichen Besucherziffern beträchtlich unter diesem Niveau.

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    1. Oktober 1963
    Einzelinformation Nr. 587/63 über Arbeitsniederlegungen im Bezirk Karl-Marx-Stadt in den Jahren 1962 und 1963

  2. Zum vorherigen Dokument Direktor der Kinderklinik der Charité (3)

    30. September 1963
    Einzelinformation Nr. 562b/63 über Prof. Dr. med. habil. Dieckhoff, Josef, Direktor der Kinderklinik der Charité und Professor mit Lehrstuhl für Kinderheilkunde an der Humboldt-Universität zu Berlin