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Versand chinesischer Broschüren in die DDR

14. März 1963
Einzelinformation Nr. 179/63 über den Versand chinesischer Broschüren in die DDR und nach Westdeutschland

Intern wurde dem MfS bekannt, dass aus der Volksrepublik China auf dem Postweg Broschüren an Empfänger in der DDR und in Westdeutschland verschickt werden. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Übersetzungen einiger in der chinesischen Presse erschienener grundsätzlicher Artikel (deutschsprachige Ausgaben), als deren Herausgeber der Verlag für fremdsprachige Literatur in Peking angegeben ist. Sie enthalten die chinesischen Standpunkte zu den bekannten Fragen,1 verbunden mit den üblichen Beschimpfungen und Verleumdungen führender Vertreter der Kommunistischen und Arbeiterparteien.

Im Einzelnen wurden bisher vier Broschüren bekannt, die folgende Titel haben bzw. beinhalten:

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    »Schließen wir uns auf der Grundlage der beiden Moskauer Erklärungen zusammen«2 (Leitartikel aus der »Pekinger Volkszeitung« vom 27.1.1963), Begrüßungsansprache des Leiters der Delegation der KP Chinas, Wu Xiuquan,3 auf dem VI. Parteitag der SED (18.1.1963),4 Grußtelegramm des ZK der KP Chinas an den VI. Parteitag;5

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    »Leninismus und moderner Revisionismus«6 (Leitartikel aus »Rote Fahne« 1/63);

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    »Die Differenzen zwischen Genossen Togliatti7 und uns«8 (Leitartikel der Pekinger Volkszeitung vom 31.12.1962);

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    »Proletarier aller Länder, vereinigt euch gegen den gemeinsamen Feind«9 (Leitartikel der »Pekinger Volkszeitung« vom 15.12.1962), Erklärung der Delegation der KP Chinas auf dem XII. Parteitag der KP der ČSSR.10

Ob es sich beim Absender der Broschüren um den genannten Pekinger Verlag oder um eine andere Stelle handelt, konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden. Es wird angenommen, dass der Empfängerkreis bis jetzt noch verhältnismäßig klein und die Anzahl der versandten Broschüren noch gering ist.

Die genannten vier Broschüren sind dieser Information beigefügt.

  1. Zum nächsten Dokument Abwerbung zweier Eishockeyspieler des SC Dynamo Berlin

    14. März 1963
    Einzelinformation Nr. 181/63 über die Abwerbung der Eishockeyspieler des SC Dynamo Berlin Maus und Mauer während der Winterfestspiele der Finnischen Arbeitersportorganisation TUL in Kajaani/Nordfinnland
  2. Zum vorherigen Dokument Ansichten von Leistungssportlern (1)

    12. März 1963
    Einzelinformation Nr. 173/63 über Ansichten von Leistungssportlern zu Problemen des Sports in der DDR und zu einigen persönlichen Problemen

  1. Ideologische Differenzen und machtpolitische Rivalitäten führten seit 1960 zu einem offen ausgetragenen, polemischen Streit zwischen den Führungen der KPdSU und der KP Chinas. Seit 1962/63 war daher die weltweite Einheit der sozialistischen Staaten sowie der kommunistischen und Arbeiterparteien unter der unangefochtenen sowjetischen Führung zerbrochen und China entwickelte sich zu einem Rivalen der Sowjetunion in der sozialistischen Welt. Die KP Chinas unterstellte der KPdSU »Revisionismus«, also ein Abrücken vom Marxismus-Leninismus zugunsten einer reformerischen Politik, sowie ein zu nachgiebiges Verhalten gegenüber dem Westen.

  2. Titel der 1963 im Pekinger Verlag für fremdsprachige Literatur erschienenen, 41 Seiten umfassenden Broschüre, die in deutscher Sprache auf den Seiten 1–24 den Leitartikel der »Renmin Ribao« (Volkszeitung) vom 27.1.1963 wiedergibt. Bei den beiden Moskauer Erklärungen handelte es sich um Resolutionen oder Beschlüsse, die jeweils im November 1957 und Dezember 1960 nach längeren Beratungen von Vertretern kommunistischer Parteien aus aller Welt verabschiedet wurden. Die Beratungen hatten jeweils das Ziel, Konflikte zwischen den kommunistischen Parteien der Sowjetunion und Chinas zu entschärfen, wobei beide Parteien spätestens 1960 offenkundig zu Rivalen geworden waren. Die Resolutionen wurden abgedruckt im ND v. 23.11.1957, S. 1 und ND v. 6.12.1960, S. 1–5. Vgl. auch Lüthi, Lorenz M.: The Sino-Soviet Split. Cold War in the Communist World. Princeton, Oxford 2008, S. 74–79 u. 182–193.

  3. Im Original: »Wu Hsiu tjüan«; weitere damals gebräuchliche Form: Wu Sjiu-tjüan. Wu Xiuquan, Jg. 1908, Partei- und Staatsfunktionär, seit 1931 Mitglied der KP Chinas und fortan mit zahlreichen hochrangigen Aufgaben betraut, seit 1956 Mitglied des ZK der KP Chinas, 1950–55 stellv. Außenminister, 1955–58 Botschafter in Jugoslawien, danach stellv. Leiter der Internationalen Abteilung des ZK der KP Chinas und in dieser Eigenschaft Delegationsleiter bei vielen Parteitagen und Kongressen kommunistischer Parteien im östlichen Europa.

  4. Als Wu Xiuquan am 18.1.1963 seine Rede (»Begrüßungsansprache«) auf dem VI. Parteitag verlas und dabei die jugoslawischen Kommunisten als »Sondertrupp des amerikanischen Imperialismus« bezeichnete, wurde er durch minutenlange Pfui-Rufe, Pfiffe und Getrampel unterbrochen, ehe er seine Rede zu Ende verlesen konnte. Diese Störaktion hatte das SED-Politbüro in seiner Sitzung am 10.1.1963 bereits geplant. Vgl. Wentker, Hermann: Außenpolitik in engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949–1989. München 2007, S. 271 f., sowie die Dokumentensammlung in Meißner, Werner (Hg.): Die DDR und China 1949 bis 1990. Politik – Wirtschaft – Kultur. Eine Quellensammlung. Berlin 1995, S. 128–139. Die Rede von Wu Xiuquan wurde dennoch vollständig veröffentlicht im parteioffiziellen Protokoll der Verhandlungen des VI. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd. II. Berlin 1963, S. 19–30, jedoch nur in einem kurzen Auszug im ND v. 19.1.1963, S. 4. In der oben erwähnten Broschüre »Schließen wir uns auf der Grundlage der beiden Moskauer Erklärungen zusammen«, S. 25–39, ist die Rede von Wu Xiuquan ebenfalls vollständig abgedruckt.

  5. Das Grußtelegramm ist in der genannten Broschüre auf S. 39–41 enthalten; es war aber auch im ND v. 19.1.1963, S. 4, vollständig veröffentlicht worden.

  6. Titel der 1963 im Pekinger Verlag für fremdsprachige Literatur erschienenen, 21 Seiten umfassenden Broschüre, die in deutscher Sprache einen Artikel aus der Zeitschrift »Hongqi« (Rote Fahne) Nr. 1, 1963 wiedergibt.

  7. Palmiro Togliatti, Jg. 1893, italienischer kommunistischer Politiker, 1921 Gründungsmitglied des PCI, 1922–64 Mitglied seines ZK, 1927–43 Mitglied des EKKI, 1947 bis zu seinem Tode am 21.8.1964 Generalsekretär des PCI. Die chinesische KP warf Togliatti »Revisionismus« vor, also ein Abrücken vom Marxismus-Leninismus zugunsten einer reformerischen Politik.

  8. Titel der 1963 im Pekinger Verlag für fremdsprachige Literatur erschienenen, 53 Seiten umfassenden Broschüre, die in deutscher Sprache den Leitartikel der »Renmin Ribao« (Volkszeitung) vom 31.12.1962 wiedergibt. Die chinesische KP warf Togliatti – und damit indirekt der KPdSU – »Revisionismus« vor.

  9. Titel der 1963 im Pekinger Verlag für fremdsprachige Literatur erschienenen, 28 Seiten umfassenden Broschüre, die in deutscher Sprache den Leitartikel der »Renmin Ribao« (Volkszeitung) vom 15.12.1962 wiedergibt.

  10. Der XII. Parteitag der KSČ fand vom 4. bis 8.12.1962 statt. Der Delegierte der KP Chinas, Wu Xiuquan, kritisierte dort die sowjetische Außenpolitik sowie die Attacken des Parteitags gegen andere Parteien, womit er die abweichende Position der Partei der Arbeit Albaniens verteidigte. Wus Rede wurde mehrfach lautstark durch Zwischenrufe und Getrampel unterbrochen. Lüthi, Lorenz M.: The Sino-Soviet Split. Cold War in the Communist World. Princeton, Oxford 2008, S. 231. KSČ-Generalsekretär Antonín Novotný griff die albanischen Kommunisten direkt an; indirekt zielte das auch gegen die chinesische KP, die Novotný jedoch nur vorsichtig wegen ihrer Unterstützung Albaniens kritisierte.