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Verbreitung chinesischer und albanischer Schriften in der DDR

18. April 1963
Einzelinformation Nr. 252/63 über die Verbreitung chinesischer und albanischer Schriften in der DDR und in Westdeutschland

Intern wurde dem MfS bekannt, dass in den letzten Wochen aus der VR China eine größere Anzahl Broschüren und anderes Schriftmaterial an Empfänger in der DDR und in Westdeutschland auf dem Postweg verschickt wurde. Die Zahl dieser Sendungen nahm im Monat März zu. Größtenteils handelt es sich dabei um Übersetzungen der in der chinesischen Presse erschienenen grundsätzlichen Artikel über die chinesischen Standpunkte zu den bekannten Fragen1 verbunden mit den üblichen Beschimpfungen und Verleumdungen führender Vertreter der kommunistischen und Arbeiterparteien.

Besonders wurden Jugoslawien, Togliatti2 und Thorez3 angegriffen. Die gegen den Genossen Chruschtschow4 und die KPdSU gerichteten Angriffe erfolgten überwiegend indirekt und teilweise in versteckter Form.

Die wichtigsten, in gesonderten Broschüren, Zeitschriften usw. (deutsch und anderssprachig) erschienenen Artikel enthalten folgende Titel:

  • »Woher die Differenzen? – Antworten an Maurice Thorez und andere Genossen«5 (Leitartikel aus der »Pekinger Volkszeitung« vom 27.2.1963),

  • »Schließen wir uns auf der Grundlage der beiden Moskauer Erklärungen zusammen«6 (Leitartikel aus der »Pekinger Volkszeitung« vom 27.1.1963),

  • »Leninismus und moderner Revisionismus«7 (Leitartikel aus »Rote Fahne« 1/63),

  • »Die Differenzen zwischen Genossen Togliatti und uns«8 (Leitartikel der »Pekinger Volkszeitung« vom 31.12.1962),

  • »Proletarier aller Länder, vereinigt euch gegen den gemeinsamen Feind«9 (Leitartikel der »Pekinger Volkszeitung« vom 15.12.1962).

In einigen der deutschsprachigen Broschüren waren außerdem die Begrüßungsansprache des Leiters der Delegation der KP Chinas auf dem VI. Parteitag der SED,10 das Gruß-Telegramm des ZK der KP Chinas an den VI. Parteitag11 und die Erklärung der Delegation der KP Chinas auf dem XII. Parteitag der KP der ČSSR12 enthalten.

Die angeführten gesonderten Broschüren erschienen größtenteils in Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Italienisch, Spanisch, Japanisch, Vietnamesisch, Hindi, Arabisch, Tai und in Esperanto. Fremdsprachige Broschüren wurden u. a. auch in die DDR versandt.

Als Herausgeber ist der Verlag für fremdsprachige Literatur in Peking angegeben und als Absender der Literaturvertrieb Guozi Shudian, Peking, Postfach 399. Zu den vom gleichen Verlag bzw. Literaturvertrieb in die DDR und nach Westdeutschland verschickten Materialien gehören u. a.

  • die internationale Wochenschrift »Peking Review« (in Englisch, Französisch und Spanisch) mit Artikeln zu den bereits angeführten oder solchen Themen wie z. B. »Welche Art von Einheit ist notwendig?«, »Revisionismus in Kunst und Literatur« usw. sowie teilweise mit den Sendezeiten für Auslandssendungen von Radio Peking;

  • die »Peking Information« bzw. »Peking Informa« in Französisch bzw. Spanisch;

  • mehrere Zeitschriften und Zeitungen über den Aufbau und das Leben in China in verschiedenen Sprachen – teilweise mit Artikeln oder eingelegten Broschüren zu den bereits genannten Themen;

  • Werbematerialien für Bücher, Zeitschriften usw. mit beigefügten Bestellzetteln.

Bei Broschüren des angeführten Pekinger Verlages in Esperanto, die u. a. auch einen Kommentar zur Erklärung der KP der USA enthielten, waren u. a. die chinesische Esperanto-Liga bzw. P. O. Kesto, Peking, Postfach 313 als Absender angegeben.

Eine Reihe von Studenten an der Gewerkschaftshochschule Bernau13 erhielt u. a. Broschüren von Mao Zedong14 »Der Imperialismus und alle Reaktionäre sind Papiertiger«,15 Broschüren über Differenzen in der kommunistischen Bewegung, zwei Weißbücher »über die chinesisch-indische Grenzfrage«16 (vor allem Erklärungen der chinesischen Regierung mit umfangreichem Kartenmaterial – in Englisch und Französisch) und sechs verschiedene Broschüren mit Lenin-Zitaten über Fragen der Diktatur des Proletariats, der proletarischen Revolution, über den Imperialismus, über Krieg und Frieden, die nationale Befreiungsbewegung, die revolutionäre proletarische Partei neuen Typus und über den Kampf gegen den Revisionismus (in Englisch).

In einigen wenigen Fällen wurden umfangreiche Broschüren (227 Seiten) mit dem Titel »Mehr über die Differenzen zwischen Genossen Togliatti und uns – zu einigen wichtigen Problemen des Leninismus der Gegenwart«17 festgestellt.

Zum Empfängerkreis chinesischer Broschüren in der DDR, insbesondere im demokratischen Berlin,18 aber auch in anderen Bezirken der DDR wie z. B. in Frankfurt und Gera – gehören vor allem

  • im demokratischen Berlin wohnende Ausländer, besonders Ausländer-Studenten (z. B. an der Hochschule für Ökonomie Karlshorst und am Ausländer-Institut der Gewerkschaftshochschule Bernau),

  • Buchhandlungen (erhielten zusätzlich Literaturankündigungen in Deutsch und Englisch),

  • Journalisten und andere Privatpersonen.

Es wurden auch Fälle bekannt, wo sich »Peking Review« um weitere Adressen in der DDR bemühte.

Zu den Empfängern in Westdeutschland gehören, nach bisherigen Feststellungen, Studentenkreise und noch nicht näher zu bezeichnende Privatpersonen (vor allem Empfänger chinesischer Zeitschriften). Einer der Empfänger ist ein gewisser Dr. Nollau,19 Köln, offensichtlich identisch mit dem leitenden Mitarbeiter des Bonner Verfassungsschutzes.

Weiter wurde bekannt, dass allein im Zeitraum vom 25.3. bis 10.4.1963 von den bis jetzt festgestellten 136 Postsendungen mit chinesischem Schriftmaterial 83 für Empfänger in der DDR und 53 für Empfänger in Westdeutschland bestimmt waren.

Von Radio Peking wird ebenfalls entsprechendes Schriftmaterial versandt. In einem Fall erhielt ein Privatempfänger – offensichtlich zum Zwecke der weiteren Verteilung – in einer Sendung von zwei Broschüren je zehn Exemplare. Sendungen von Radio Peking ist in der Regel ein Schreiben beigefügt, in welchem die Empfänger aufgefordert werden, den Erhalt des Materials mitzuteilen. Es sind auch Fälle bekannt, wo angenommen werden kann, dass sich DDR-Bürger an Radio Peking zwecks Übersendung solchen Materials gewandt haben.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass chinesische Studenten in Jena gemeinsam mit eingeladenen deutschen Studenten Sendungen von Radio Peking abhören. Diese Sendungen sollen im Kurzwellenbereich 42,4 empfangen werden können.

Verleumderische Schriften der Partei der Arbeit Albaniens wurden – im Gegensatz zum 2. Halbjahr 1962 – in diesem Jahr nur noch vereinzelt in die DDR gesandt, wobei es sich auch hier um Materialien aus dem Vorjahr handelt. Diese Schriften erschienen ebenfalls in verschiedenen Sprachen und enthielten größtenteils eine plumpe Hetze vor allem gegen Jugoslawien, gegen die KPdSU und gegen die KP Italiens. Es handelt sich überwiegend um die Wiedergabe von Artikeln aus der Zeitung »Zëri i Popullit«, teilweise um die Wiedergabe oder um Auszüge aus Reden von Enver Hoxha20 und Shehu.21

Als Absender der albanischen Schriften sind N. Sh. Botimeve,22 Naim Frashëri,23 Ciané-Albania24 und in wenigen Fällen Radio Tirana angegeben.

Obwohl auch diese Schriften überwiegend auf dem Postweg versandt wurden, wird noch einmal darauf hingewiesen, dass im vorigen Jahr der albanische Handelsvertreter Kovaci25 und auch Mitarbeiter der albanischen diplomatischen Vertretung in der DDR verleumderische Schriften verbreitet hatten.

Exemplare der von chinesischen und albanischen Stellen in die DDR versandten verleumderischen Schriften liegen vor und können – falls hierfür Interesse besteht – jederzeit angefordert werden.

  1. Zum nächsten Dokument Situation der 3. Kompanie der II. Grenzabteilung (1. Grenzbrigade)

    25. April 1963
    Einzelinformation Nr. 263/63 über die Situation in der 3. Kompanie der II. Grenzabteilung – 1. Grenzbrigade –

  2. Zum vorherigen Dokument Tödlicher Vorfall im Bereich der Grenzkompanie Steudach

    18. April 1963
    Einzelinformation Nr. 251/63 über ein besonderes Vorkommnis im Bereich der Grenzkompanie Steudach, Grenzregiment Sonneberg